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Russlands hybrider Krieg gegen die Ukraine

Einsatz von Söldnern, Cyberattacken, gezielte Desinformation – Russland setzt in der Ukraine nicht mehr nur auf die Strategie der klassischen Kriegsführung.

Die Bedrohungen für die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Land allein in dieser Woche: Cyberattacke gegen das Verteidigungsministerium und die beiden größten Kreditinstitute PrivatBank und Oschadbank. Zeitweise können die Kunden ihre Zahlkarten nicht mehr nutzen, das Online-Banking ist kaputt. Von der Frontlinie in der Ost-Ukraine werden verstärkte Kämpfe gemeldet – zwischen den von Russland ausgebildeten und auch mit Soldaten unterstützten pro-russischen Rebellen von Luhansk und Donezk und der ukrainischen Armee. Und es gibt die Meldung, die russische Staatsduma werde die selbsternannten Volksrepubliken anerkennen.

Die Liste lässt sich leicht erweitern. Das sind nur ein paar aktuelle Einzelaktionen des hybriden Krieges, den Russland nun schon seit acht Jahren gegen die Ukraine führt. Oft nimmt die Welt davon nicht einmal Kenntnis. Für die Menschen in der Ukraine ist es Alltag. “Beim Prinzip der hybriden Kriegsführung sind besonders die nicht-militärischen Mittel wichtig“, sagt die Osteuropa-Wissenschaftlerin Margarete Klein von der Berliner Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Die Bedrohungen für die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Land allein in dieser Woche: Cyberattacke gegen das Verteidigungsministerium und die beiden größten Kreditinstitute PrivatBank und Oschadbank. Zeitweise können die Kunden ihre Zahlkarten nicht mehr nutzen, das Online-Banking ist kaputt. Von der Frontlinie in der Ost-Ukraine werden verstärkte Kämpfe gemeldet – zwischen den von Russland ausgebildeten und auch mit Soldaten unterstützten pro-russischen Rebellen von Luhansk und Donezk und der ukrainischen Armee. Und es gibt die Meldung, die russische Staatsduma werde die selbsternannten Volksrepubliken anerkennen.

“Es geht nicht primär um die militärische Eroberung von Territorium, sondern darum, Einfluss zu sichern. Militärische Machtdemonstrationen wie jetzt der Truppenaufmarsch, die Militärübung in Belarus, aber auch die zeitlich abgestimmte Kommunikation zum Beispiel bei der Abzugs-Ankündigung, sind Teil eines breiteren Instrumentenkastens. Dabei geht es auch darum, die Narrative zu bestimmen.“ Das beherrsche der russische Präsident Wladimir Putin “meisterlich“.

Aufregung in der Welt, Gelassenheit in Kiew

Wer in diesen Wochen in ukrainische Netzwerke hineinhorcht, mit Menschen dort spricht, dem kann erstaunliches passieren: Während die Weltpolitik aufgeregt die russische Aggression gegenüber der Ukraine diskutiert, sind viele Gesprächspartner vor Ort überraschend gelassen. Sicher, es gibt auch Familien, die in Sorge sind und sich zwischenzeitlich sogar überlegen auszureisen – zur Verwandtschaft nach Deutschland oder Polen. Israel soll sogar eine umfangreiche Evakuierungsaktion für Juden in der Ukraine vorbereiten.

Doch in Kiew selbst herrscht Gelassenheit. Die Menschen haben sich ganz offensichtlich an den von Russland geführten hybriden Krieg gegen ihr Land gewöhnt, sie sind womöglich resilienter als die aufgeregte Weltpresse. Seit acht Jahren geht das schon so: Seit der sogenannten “Revolution der Würde“ auf dem Maidan in der Hauptstadt Kiew.

“Es ist eine Zermürbungsstrategie, mit der man versucht, die Ukraine primär innenpolitisch unter Druck zu setzen und so wieder längerfristig auf einen pro-russischen Kurs zu bringen“, sagt die SWP-Forscherin Klein. “Ein Ziel ist sicherlich auch, im Westen eine Ukraine-Müdigkeit zu erreichen.“ So erklärt die Analystin das Auf und Ab von An- und Entspannung.

Es gehe um den Eindruck, der kreiert werde. “Also insbesondere die US-Führung als paranoid darzustellen. Dazu gehört die Ankündigung des Rückzugs genau zu dem Moment,in dem Bundeskanzler Scholz Moskau besucht“, so Margarete Klein, “gleichzeitig sehen wir bislang noch keine ausreichenden Beweise für einen substantiellen Rückzug, vor allem jener Einheiten, die von weither wie aus Sibirien oder dem Fernen Osten verlegt worden sind. Das wäre ja erst tatsächlich ein Rückszugssignal. Stattdessen zieht man nur Truppen ab, die auch schnell wieder verlegt werden können.“

Diese Militärschau hat konkrete Auswirkungen auf die Substanz der Ukraine. So verlor wegen der Kriegsgefahr – real oder nicht – die nationale Fluggesellschaft “Ukraine International“ kurzfristig ihren Versicherungsschutz und kündigte an, ihre Maschinen ins Ausland zu verlegen. Die Regierung musste überlegen, einen Sicherungsfonds für die Airline über eine halbe Milliarde Euro aufzulegen.

Der pro-europäische Weg der Ukraine, sagt Margarete Klein, werde aus dem Westen, von der Europäischen Union vor allem, wirtschaftlich unterstützt. Eines von Putins Zielen im hybriden Krieg sei deshalb, “die Wirtschaft der Ukraine zu treffen“. Russland gehe es nicht primär um einen Sicherheitspuffer gegenüber den osteuropäischen NATO-Ländern, sondern darum, den Westkurs der Ukraine in Gänze zu beenden. “Durch den hybriden Krieg wird Unsicherheit geschaffen, die auch Investoren verschrecken soll.“ 

Die Ukraine ist wirtschaftlich überraschend erfolgreich auf ihrem Westkurs. Vergangenes Jahr erholte sich die Handelsbilanz allein zwischen Deutschland und der Ukraine in nur einem Jahr vom Schock der Covid-19-Pandemie 2020. Sie liegt jetzt wieder bei 7,7 Milliarden Euro. “Es verfestigt sich der Eindruck, dass sich die Ukraine aus eigener Kraft berappeln kann“, sagt der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Handelskammer, Alexander Markus, während einer Online-Konferenz Anfang der Woche. Und zu Putins hybrider Kriegsführung: “Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird“, so Handelskammer-Chef Markus. Er sehe im Land vor allem “junge Leute, die etwas schaffen wollen“.

Der Geist der pro-europäischen Maidan-Revolution mache die Ukraine für westliche Investoren so interessant. Viele waren damals Schüler und Studenten – heute sind nicht wenige von ihnen Start-Up-Gründer und Jungunternehmer. Eine Beobachterin schreibt zuletzt auf Twitter: Sie höre von aufgeregten Berichterstattern, die an Krieg dächten und sich über “die vielen Hipster“ in Kiew wunderten.

So gesehen erklärt sich, warum der Kreml den hybriden Krieg derzeit so eskalieren lässt. Versteckt hinter der Frage nach einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine hat Putin durchblicken lassen, dass die pro-europäischen Erfolge in der Ukraine im Kreml gesehen werden: Es heiße, dass “die Ukraine morgen nicht aufgenommen werde. Wann wird sie denn aufgenommen? Es heißt, wenn sie darauf vorbereitet ist.“ Und dann sagt der russische Präsident diesen Nebensatz: “Und dann kann es schon zu spät für uns sein.“

Ukrainische Soldaten auf dem Weg zur Frontlinie in der Region Donezk
Osteuropa-Expertin Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin
Der israelische Präsident Isaac Herzog und Wolodymyr Selenskyj Anfang Oktober 2021 in Kiew

Die Bedrohungen für die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Land allein in dieser Woche: Cyberattacke gegen das Verteidigungsministerium und die beiden größten Kreditinstitute PrivatBank und Oschadbank. Zeitweise können die Kunden ihre Zahlkarten nicht mehr nutzen, das Online-Banking ist kaputt. Von der Frontlinie in der Ost-Ukraine werden verstärkte Kämpfe gemeldet – zwischen den von Russland ausgebildeten und auch mit Soldaten unterstützten pro-russischen Rebellen von Luhansk und Donezk und der ukrainischen Armee. Und es gibt die Meldung, die russische Staatsduma werde die selbsternannten Volksrepubliken anerkennen.

Die Liste lässt sich leicht erweitern. Das sind nur ein paar aktuelle Einzelaktionen des hybriden Krieges, den Russland nun schon seit acht Jahren gegen die Ukraine führt. Oft nimmt die Welt davon nicht einmal Kenntnis. Für die Menschen in der Ukraine ist es Alltag. “Beim Prinzip der hybriden Kriegsführung sind besonders die nicht-militärischen Mittel wichtig“, sagt die Osteuropa-Wissenschaftlerin Margarete Klein von der Berliner Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Aufregung in der Welt, Gelassenheit in Kiew

“Es geht nicht primär um die militärische Eroberung von Territorium, sondern darum, Einfluss zu sichern. Militärische Machtdemonstrationen wie jetzt der Truppenaufmarsch, die Militärübung in Belarus, aber auch die zeitlich abgestimmte Kommunikation zum Beispiel bei der Abzugs-Ankündigung, sind Teil eines breiteren Instrumentenkastens. Dabei geht es auch darum, die Narrative zu bestimmen.“ Das beherrsche der russische Präsident Wladimir Putin “meisterlich“.

Wer in diesen Wochen in ukrainische Netzwerke hineinhorcht, mit Menschen dort spricht, dem kann erstaunliches passieren: Während die Weltpolitik aufgeregt die russische Aggression gegenüber der Ukraine diskutiert, sind viele Gesprächspartner vor Ort überraschend gelassen. Sicher, es gibt auch Familien, die in Sorge sind und sich zwischenzeitlich sogar überlegen auszureisen – zur Verwandtschaft nach Deutschland oder Polen. Israel soll sogar eine umfangreiche Evakuierungsaktion für Juden in der Ukraine vorbereiten.

Doch in Kiew selbst herrscht Gelassenheit. Die Menschen haben sich ganz offensichtlich an den von Russland geführten hybriden Krieg gegen ihr Land gewöhnt, sie sind womöglich resilienter als die aufgeregte Weltpresse. Seit acht Jahren geht das schon so: Seit der sogenannten “Revolution der Würde“ auf dem Maidan in der Hauptstadt Kiew.

“Es ist eine Zermürbungsstrategie, mit der man versucht, die Ukraine primär innenpolitisch unter Druck zu setzen und so wieder längerfristig auf einen pro-russischen Kurs zu bringen“, sagt die SWP-Forscherin Klein. “Ein Ziel ist sicherlich auch, im Westen eine Ukraine-Müdigkeit zu erreichen.“ So erklärt die Analystin das Auf und Ab von An- und Entspannung.

Putin will die Wirtschaft der Ukraine treffen

Es gehe um den Eindruck, der kreiert werde. “Also insbesondere die US-Führung als paranoid darzustellen. Dazu gehört die Ankündigung des Rückzugs genau zu dem Moment,in dem Bundeskanzler Scholz Moskau besucht“, so Margarete Klein, “gleichzeitig sehen wir bislang noch keine ausreichenden Beweise für einen substantiellen Rückzug, vor allem jener Einheiten, die von weither wie aus Sibirien oder dem Fernen Osten verlegt worden sind. Das wäre ja erst tatsächlich ein Rückszugssignal. Stattdessen zieht man nur Truppen ab, die auch schnell wieder verlegt werden können.“

Schnelle Erholung vom Corona-Einbruch

Diese Militärschau hat konkrete Auswirkungen auf die Substanz der Ukraine. So verlor wegen der Kriegsgefahr – real oder nicht – die nationale Fluggesellschaft “Ukraine International“ kurzfristig ihren Versicherungsschutz und kündigte an, ihre Maschinen ins Ausland zu verlegen. Die Regierung musste überlegen, einen Sicherungsfonds für die Airline über eine halbe Milliarde Euro aufzulegen.

Der pro-europäische Weg der Ukraine, sagt Margarete Klein, werde aus dem Westen, von der Europäischen Union vor allem, wirtschaftlich unterstützt. Eines von Putins Zielen im hybriden Krieg sei deshalb, “die Wirtschaft der Ukraine zu treffen“. Russland gehe es nicht primär um einen Sicherheitspuffer gegenüber den osteuropäischen NATO-Ländern, sondern darum, den Westkurs der Ukraine in Gänze zu beenden. “Durch den hybriden Krieg wird Unsicherheit geschaffen, die auch Investoren verschrecken soll.“ 

Die Ukraine ist wirtschaftlich überraschend erfolgreich auf ihrem Westkurs. Vergangenes Jahr erholte sich die Handelsbilanz allein zwischen Deutschland und der Ukraine in nur einem Jahr vom Schock der Covid-19-Pandemie 2020. Sie liegt jetzt wieder bei 7,7 Milliarden Euro. “Es verfestigt sich der Eindruck, dass sich die Ukraine aus eigener Kraft berappeln kann“, sagt der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Handelskammer, Alexander Markus, während einer Online-Konferenz Anfang der Woche. Und zu Putins hybrider Kriegsführung: “Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird“, so Handelskammer-Chef Markus. Er sehe im Land vor allem “junge Leute, die etwas schaffen wollen“.

Der Geist der pro-europäischen Maidan-Revolution mache die Ukraine für westliche Investoren so interessant. Viele waren damals Schüler und Studenten – heute sind nicht wenige von ihnen Start-Up-Gründer und Jungunternehmer. Eine Beobachterin schreibt zuletzt auf Twitter: Sie höre von aufgeregten Berichterstattern, die an Krieg dächten und sich über “die vielen Hipster“ in Kiew wunderten.

So gesehen erklärt sich, warum der Kreml den hybriden Krieg derzeit so eskalieren lässt. Versteckt hinter der Frage nach einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine hat Putin durchblicken lassen, dass die pro-europäischen Erfolge in der Ukraine im Kreml gesehen werden: Es heiße, dass “die Ukraine morgen nicht aufgenommen werde. Wann wird sie denn aufgenommen? Es heißt, wenn sie darauf vorbereitet ist.“ Und dann sagt der russische Präsident diesen Nebensatz: “Und dann kann es schon zu spät für uns sein.“

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz und der russische Präsident Wladimir Putin bei ihrer Pressekonferenz in Moskau

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