Deutschland

Steuergeld für eine Stiftung, die der AfD nahesteht?

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung beansprucht staatliche Gelder, die andere Stiftungen schon lange bekommen. Dagegen regt sich Widerstand. In dem Streit geht es aber um weit mehr als das Prinzip der Gleichbehandlung.

Sie haben sich prominente Namen gegeben: Nach Konrad Adenauer, dem ersten deutschen Bundeskanzler, ist die CDU-nahe Stiftung benannt. Mit Friedrich Ebert, dem ersten Reichspräsidenten, schmückt sich die SPD. Bei der Linken ist es Rosa Luxemburg, Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Für den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll haben sich die Grünen entschieden.

Diese und andere politische Stiftungen erhalten jedes Jahr viel Geld für ihre Arbeit im In- und Ausland. Allein aus dem Bundesinnenministerium waren es 2021 fast 153 Millionen Euro. Aber auch andere Ressorts unterstützen diese Form der Bildungsarbeit. Insgesamt kommt ein Betrag von weit mehr als einer halben Milliarde Euro zusammen.

Sie haben sich prominente Namen gegeben: Nach Konrad Adenauer, dem ersten deutschen Bundeskanzler, ist die CDU-nahe Stiftung benannt. Mit Friedrich Ebert, dem ersten Reichspräsidenten, schmückt sich die SPD. Bei der Linken ist es Rosa Luxemburg, Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Für den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll haben sich die Grünen entschieden.

Einzig die der Alternative für Deutschland (AfD) nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) geht bislang leer aus. Doch das könnte sich schon bald ändern, weil die Partei bei der Bundestagswahl 2021 mit gut zehn Prozent erneut ins Parlament gewählt wurde.

Ein Fingerzeig des Bundesverfassungsgerichts

Zuversichtlich ist die AfD aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1986. Demnach müssen bei staatlicher Förderung dieser Art, “alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen” angemessen berücksichtigt werden.

Praktisch wird diese Vorgabe so umgesetzt, dass Stiftungen Steuergeld bekommen, wenn die ihnen nahestehenden Parteien mindestens zweimal nacheinander den Sprung in den Bundestag schaffen. Zuletzt profitierte davon Ende der 1990er Jahre die eng mit der Linken verzahnte Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Nun wäre also die rechtspopulistische AfD, die auch der Verfassungsschutz im Blick hat, an der Reihe, aber dagegen regt sich breiter Widerstand. Im “Manifest für die Zivilgesellschaft und die politische Bildung” haben sich Menschen aus unterschiedlichsten Organisationen zusammengeschlossen: Pro Asyl, Amadeu-Antonio-Stiftung, Bildungsstätte Anne Frank, Zentralrat der Juden in Deutschland, Gewerkschaften und Kirchen. Zudem hat die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie unter dem Titel “Politische Bildung von Rechtsaußen” erstellt.    

Ziel der Desiderius-Erasmus-Stiftung sei es, “den Diskurs immer weiter zu radikalisieren und bislang unsagbare Positionen – etwa im Hinblick auf die Shoah oder den humanitären Umgang mit Schutzsuchenden – als legitime Haltungen zu etablieren”, heißt es in dem Mitte 2021 veröffentlichten Appell.

Darin wird eine Linie von Mord- und Terroranschlägen zu den Rechtspopulisten und der ihnen nahestehenden Denkfabrik gezogen: “Der Mord an Walter Lübcke, die Anschläge von Halle und Hanau: Die Erfahrung der letzten Jahre und die permanenten Äußerungen des Personals der AfD sowie der Desiderius-Erasmus-Stiftung haben gezeigt, dass die Rechte sich immer weiter radikalisiert und ihre Anhänger*innen immer stärker zu Gewalt bereit sind.”

Die DES-Vorsitzende Erika Steinbach weist die Vorwürfe zurück: “Radikales, rassistisches und extremistisches Gedankengut, gleich welcher Richtung auch immer, hat in unserer Stiftung keinen Platz”, sagte die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) kurz nach dem Erscheinen des Manifests auf einer Pressekonferenz in Berlin. Damals war sie parteilos, nachdem sie 2017 aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nach 43 Jahren aus der CDU ausgetreten war. Im Januar 2022 ist Steinbach in die AfD eingetreten.

Deren Vorsitzender Tino Chrupalla wirft den Verfassern des Manifests auf DW-Anfrage vor, dass es sich um Interessengruppen handele, “die mit Millionenbudgets, zum größten Teil aus staatlicher Förderung, politische Vorfeldarbeit mit hauptamtlichen Mitarbeitern leisten”. Mit ihrem Motto “Keine Minute warten im Kampf gegen Rechts”, zeige die Initiative ihr problematisches Verständnis: “dass ein kompletter Teil des demokratischen Spektrums, namentlich der sogenannte rechte Teil, kämpferisch delegitimiert werden soll”.

Antonius Souris sieht das anders. Der Politikwissenschaftler von der Freien Universität Berlin verweist gegenüber der DW auf die seit langem zu beobachtenden Versuche der sogenannten Neuen Rechten, “ihre Positionen intellektuell zu unterfüttern und den Diskurs in die von ihr gewünschte Richtung zu verschieben”. Durch journalistische Enthüllungen sei bekannt geworden, dass es ein Netzwerk aus neurechten Denkfabriken und Verlagen gebe: “Zentrale Organisationen dieses Netzwerks werden vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Verdachtsfälle oder als gesichert rechtsextrem eingestuft.”

Souris äußert auch Zweifel an dem, was die Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung sagt: “Die Glaubwürdigkeit von Erika Steinbach, sich als Vertreterin des bürgerlich-konservativen Lagers vom rechtsextremen Spektrum eindeutig abzugrenzen, hat durch ihre Äußerungen vor allem auf Twitter erheblich eingebüßt.”  

Auch deshalb haben die Grünen im Bundestag mehrmals bei der Bundesregierung nachgefragt, ob ihr Erkenntnisse über Verbindungen der AfD-nahen Stiftung zur Neuen Rechten vorlägen. Antwort: Die Desiderius-Erasmus-Stiftung sei kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). “Im Übrigen können keine Auskünfte zu Einzelpersonen gegeben werden.”

Dass sich die DES Hoffnungen auf Millionen staatlicher Fördergelder machen darf, hat auch mit einer fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Finanzierung parteinaher Stiftungen zu tun.

Das räche sich jetzt im Umgang mit der AfD-nahen Stiftung, meint Politikwissenschaftler Souris: “Die Gespräche zwischen den Stiftungen verliefen bislang eher informell und wenig transparent.”

Schon die Kontroverse um eine mögliche Nicht-Beachtung könne die DES öffentlichkeitswirksam als “Lex AfD” anprangern, gibt er zu bedenken: “Das spielt ihrer populistischen Rhetorik in die Karten, dass sich alle anderen gegen sie verschworen hätten und sie ausgrenzen würden.”

Noch ist also offen, ob die Desiderius-Erasmus-Stiftung künftig vom Staat gefördert wird. Seit der Gründung 2017 finanziert sie ihre Seminare, Publikationen und Videokanäle eigenen Angaben zufolge aus Spenden. Wie viel Geld ihr dadurch zur Verfügung steht und wie viele Fördermitglieder es gibt, diese Fragen ließ die Stiftung trotz wiederholter DW-Anfragen unbeantwortet.

Die AfD erwartet für die Desiderius-Erasmus-Stiftung, dass sie wie alle anderen behandelt werde, antwortet Partei- und Fraktionschef Chrupalla der DW. Das sei verfassungsrechtlich geboten: “Die DES arbeitet genau wie die anderen parteinahen Stiftungen völlig unabhängig von der Partei.” Man habe bereits 2018 einen eigenen Gesetzentwurf zur Rechtsstellung und Finanzierung in den Deutschen Bundestag eingebracht. “Langfristig sollte die staatliche Finanzierung dieser Stiftungen aber komplett abgeschafft werden.”

Derweil forderte die DES-Vorsitzende Erika Steinbach am Donnerstag erneut staatliche Unterstützung für ihre Stiftung – diesmal an einem besonders prominenten Ort: in der Bundespressekonferenz.

Von dort hat man einen direkten Blick auf das Reichstagsgebäude, in dem das deutsche Parlament tagt. Und da fällt die Entscheidung darüber, welche parteinahe Stiftung in welcher Höhe Steuergeld für ihre politische Bildungsarbeit erhält.

Niederlande Erasmus von Rotterdam

Sie haben sich prominente Namen gegeben: Nach Konrad Adenauer, dem ersten deutschen Bundeskanzler, ist die CDU-nahe Stiftung benannt. Mit Friedrich Ebert, dem ersten Reichspräsidenten, schmückt sich die SPD. Bei der Linken ist es Rosa Luxemburg, Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Für den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll haben sich die Grünen entschieden.

Diese und andere politische Stiftungen erhalten jedes Jahr viel Geld für ihre Arbeit im In- und Ausland. Allein aus dem Bundesinnenministerium waren es 2021 fast 153 Millionen Euro. Aber auch andere Ressorts unterstützen diese Form der Bildungsarbeit. Insgesamt kommt ein Betrag von weit mehr als einer halben Milliarde Euro zusammen.

Ein Fingerzeig des Bundesverfassungsgerichts

Einzig die der Alternative für Deutschland (AfD) nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) geht bislang leer aus. Doch das könnte sich schon bald ändern, weil die Partei bei der Bundestagswahl 2021 mit gut zehn Prozent erneut ins Parlament gewählt wurde.

Zuversichtlich ist die AfD aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1986. Demnach müssen bei staatlicher Förderung dieser Art, “alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen” angemessen berücksichtigt werden.

Praktisch wird diese Vorgabe so umgesetzt, dass Stiftungen Steuergeld bekommen, wenn die ihnen nahestehenden Parteien mindestens zweimal nacheinander den Sprung in den Bundestag schaffen. Zuletzt profitierte davon Ende der 1990er Jahre die eng mit der Linken verzahnte Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Nun wäre also die rechtspopulistische AfD, die auch der Verfassungsschutz im Blick hat, an der Reihe, aber dagegen regt sich breiter Widerstand. Im “Manifest für die Zivilgesellschaft und die politische Bildung” haben sich Menschen aus unterschiedlichsten Organisationen zusammengeschlossen: Pro Asyl, Amadeu-Antonio-Stiftung, Bildungsstätte Anne Frank, Zentralrat der Juden in Deutschland, Gewerkschaften und Kirchen. Zudem hat die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie unter dem Titel “Politische Bildung von Rechtsaußen” erstellt.    

Bündnis warnt vor immer radikalerem Diskurs

Ziel der Desiderius-Erasmus-Stiftung sei es, “den Diskurs immer weiter zu radikalisieren und bislang unsagbare Positionen – etwa im Hinblick auf die Shoah oder den humanitären Umgang mit Schutzsuchenden – als legitime Haltungen zu etablieren”, heißt es in dem Mitte 2021 veröffentlichten Appell.

Erika Steinbach weist alle Vorwürfe zurück

Darin wird eine Linie von Mord- und Terroranschlägen zu den Rechtspopulisten und der ihnen nahestehenden Denkfabrik gezogen: “Der Mord an Walter Lübcke, die Anschläge von Halle und Hanau: Die Erfahrung der letzten Jahre und die permanenten Äußerungen des Personals der AfD sowie der Desiderius-Erasmus-Stiftung haben gezeigt, dass die Rechte sich immer weiter radikalisiert und ihre Anhänger*innen immer stärker zu Gewalt bereit sind.”

Die DES-Vorsitzende Erika Steinbach weist die Vorwürfe zurück: “Radikales, rassistisches und extremistisches Gedankengut, gleich welcher Richtung auch immer, hat in unserer Stiftung keinen Platz”, sagte die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) kurz nach dem Erscheinen des Manifests auf einer Pressekonferenz in Berlin. Damals war sie parteilos, nachdem sie 2017 aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nach 43 Jahren aus der CDU ausgetreten war. Im Januar 2022 ist Steinbach in die AfD eingetreten.

Deren Vorsitzender Tino Chrupalla wirft den Verfassern des Manifests auf DW-Anfrage vor, dass es sich um Interessengruppen handele, “die mit Millionenbudgets, zum größten Teil aus staatlicher Förderung, politische Vorfeldarbeit mit hauptamtlichen Mitarbeitern leisten”. Mit ihrem Motto “Keine Minute warten im Kampf gegen Rechts”, zeige die Initiative ihr problematisches Verständnis: “dass ein kompletter Teil des demokratischen Spektrums, namentlich der sogenannte rechte Teil, kämpferisch delegitimiert werden soll”.

Die Rolle der Neuen Rechten

Antonius Souris sieht das anders. Der Politikwissenschaftler von der Freien Universität Berlin verweist gegenüber der DW auf die seit langem zu beobachtenden Versuche der sogenannten Neuen Rechten, “ihre Positionen intellektuell zu unterfüttern und den Diskurs in die von ihr gewünschte Richtung zu verschieben”. Durch journalistische Enthüllungen sei bekannt geworden, dass es ein Netzwerk aus neurechten Denkfabriken und Verlagen gebe: “Zentrale Organisationen dieses Netzwerks werden vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Verdachtsfälle oder als gesichert rechtsextrem eingestuft.”

Souris äußert auch Zweifel an dem, was die Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung sagt: “Die Glaubwürdigkeit von Erika Steinbach, sich als Vertreterin des bürgerlich-konservativen Lagers vom rechtsextremen Spektrum eindeutig abzugrenzen, hat durch ihre Äußerungen vor allem auf Twitter erheblich eingebüßt.”  

Fragen der Grünen an die Bundesregierung

Auch deshalb haben die Grünen im Bundestag mehrmals bei der Bundesregierung nachgefragt, ob ihr Erkenntnisse über Verbindungen der AfD-nahen Stiftung zur Neuen Rechten vorlägen. Antwort: Die Desiderius-Erasmus-Stiftung sei kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). “Im Übrigen können keine Auskünfte zu Einzelpersonen gegeben werden.”

Fehlende Transparenz bei der Finanzierung

Dass sich die DES Hoffnungen auf Millionen staatlicher Fördergelder machen darf, hat auch mit einer fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Finanzierung parteinaher Stiftungen zu tun.

Bundestagswahl 2021 | Wahlparty der AfD

Das räche sich jetzt im Umgang mit der AfD-nahen Stiftung, meint Politikwissenschaftler Souris: “Die Gespräche zwischen den Stiftungen verliefen bislang eher informell und wenig transparent.”

Schon die Kontroverse um eine mögliche Nicht-Beachtung könne die DES öffentlichkeitswirksam als “Lex AfD” anprangern, gibt er zu bedenken: “Das spielt ihrer populistischen Rhetorik in die Karten, dass sich alle anderen gegen sie verschworen hätten und sie ausgrenzen würden.”

Noch ist also offen, ob die Desiderius-Erasmus-Stiftung künftig vom Staat gefördert wird. Seit der Gründung 2017 finanziert sie ihre Seminare, Publikationen und Videokanäle eigenen Angaben zufolge aus Spenden. Wie viel Geld ihr dadurch zur Verfügung steht und wie viele Fördermitglieder es gibt, diese Fragen ließ die Stiftung trotz wiederholter DW-Anfragen unbeantwortet.

Die AfD erwartet für die Desiderius-Erasmus-Stiftung, dass sie wie alle anderen behandelt werde, antwortet Partei- und Fraktionschef Chrupalla der DW. Das sei verfassungsrechtlich geboten: “Die DES arbeitet genau wie die anderen parteinahen Stiftungen völlig unabhängig von der Partei.” Man habe bereits 2018 einen eigenen Gesetzentwurf zur Rechtsstellung und Finanzierung in den Deutschen Bundestag eingebracht. “Langfristig sollte die staatliche Finanzierung dieser Stiftungen aber komplett abgeschafft werden.”

Derweil forderte die DES-Vorsitzende Erika Steinbach am Donnerstag erneut staatliche Unterstützung für ihre Stiftung – diesmal an einem besonders prominenten Ort: in der Bundespressekonferenz.

Von dort hat man einen direkten Blick auf das Reichstagsgebäude, in dem das deutsche Parlament tagt. Und da fällt die Entscheidung darüber, welche parteinahe Stiftung in welcher Höhe Steuergeld für ihre politische Bildungsarbeit erhält.

Daran könnte sich erst dann etwas ändern, wenn Gerichte der Desiderius-Erasmus-Stiftung und der AfD recht geben sollte. Beide haben Klagen gegen die bisherige Praxis eingereicht. Gut möglich, dass am Ende das Bundesverfassungsgericht und damit die höchste juristische Instanz in Deutschland entscheiden muss.

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