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Wann spricht man von Kriegsverbrechen?

Die Bilder von getöteten Zivilisten in der ukrainischen Stadt Butscha sorgen für Entsetzen. Handelt es sich um ein Kriegsverbrechen? Dafür gibt es eine Definition im humanitären Völkerrecht – doch die Grauzone ist groß.

Die Haager Konventionen von 1899 und 1907 sind Verträge, die Staaten in aller Welt unterzeichnet haben. Sie legen Gesetze und Regeln fest, an die sich Kriegsparteien halten müssen. Eines der Grundprinzipien: Zivilisten dürfen nicht angegriffen werden.

Die konkrete Definition eines Kriegsverbrechens gegen die Zivilbevölkerung wurde in Artikel 8 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs verankert und stützt sich auf die Genfer Konvention von 1864 und die Genfer Konventionen von 1949.

Die Haager Konventionen von 1899 und 1907 sind Verträge, die Staaten in aller Welt unterzeichnet haben. Sie legen Gesetze und Regeln fest, an die sich Kriegsparteien halten müssen. Eines der Grundprinzipien: Zivilisten dürfen nicht angegriffen werden.

Politiker und Beobachter behaupten zwar, dass in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen werden, doch “solange die Beweise nicht vollständig untermauert, überprüft und bestätigt sind, können wir vorerst nur von mutmaßlichen Kriegsverbrechen sprechen”, sagt Maria Varaki, Dozentin für internationales Recht und Co-Direktorin der War Crimes Research Group am King’s College London.

Rechtliche Grauzonen

Juristen definieren Kriegsverbrechen als schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen. “Wir sprechen von der vorsätzlichen Tötung von Zivilisten, von Folter, von Zwangsvertreibung, von wahllosen Angriffen”, so Varaki. In diesem Sinne sind etwa die Angriffe auf Schulen und Entbindungsstationen oder ein Theater in Mariupol und anderen Städten als Verstöße gegen diese Gesetze zu werten.

Die am Wochenende veröffentlichten Aufnahmen aus der nordukrainischen Stadt Butscha zeigten Menschen in Zivilkleidung auf den Straßen, so Varaki, von denen einige durch Schüsse in den Hinterkopf ums Leben kamen: “Das sind also Gräueltaten nach dem humanitären Völkerrecht.”

Wie bei den meisten Aspekten des Krieges gibt es auch bei der Definition von Kriegsverbrechen Grauzonen. Das humanitäre Völkerrecht stützt sich dabei auf drei Grundsätze: die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten, die Verhältnismäßigkeit bei Angriffen, sowie Vorsichtsmaßnahmen bei Attacken. Kurzgefasst besagen diese drei Prinzipien, dass Konfliktparteien nicht auf Zivilisten oder zivile Objekte zielen dürfen.

Obwohl diese Grundsätze auf dem Papier eindeutig zu sein scheinen, sind sie interpretationsbedürftig. So kann beispielsweise ein ziviles Gebäude aufgrund seiner Verwendung, seines Zwecks und seiner Funktion als militärisches Ziel betrachtet werden. Bekanntes Beispiel: Die Bombardierung eines Einkaufszentrums im Nordwesten Kiews Mitte April. “Die Ukrainer sagten, es handele sich eindeutig um zivile Infrastruktur. Und die Russen sagten, sie hätten Informationen, dass es als Lager für militärische Zwecke genutzt werde”, so Varaki.

Es gibt zwar Regeln, um menschliches Leid zu begrenzen, aber diese Grundsätze werden oft missbraucht und manipuliert. “Alles basiert auf Interpretation und menschlichem Urteilsvermögen: wann man angreifen sollte, worauf man zielen sollte und in welchem Ausmaß”, sagt Varaki.

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung gelten als Kriegsverbrechen und als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Dies wurde in Artikel 27 der Genfer Konvention von 1949 verankert. Die Ad-hoc-Tribunale und das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) haben eine detaillierte Liste geschlechtsspezifischer Verbrechen erstellt.

In der UN-Resolution Nr. 1820 von 2008 wurde bekräftigt, dass Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen und eine Kriegswaffe sein kann. Sowohl der ukrainische Generalstaatsanwalt als auch der Internationale Strafgerichtshof haben erklärt, dass sie Ermittlungen zu gemeldeter sexueller Gewalt einleiten werden.

Doch genau hier liegt der Haken, sagt Maria Varaki vom King’s College: “Die Frage ist, wie dies dokumentiert werden kann. Wir sprechen hier von extrem gefährdeten Opfern. Meines Wissens haben die Russen versucht, einige dieser Verbrechen zu vertuschen, indem sie die Opfer sexueller Gewalt verbrannten.”

Ungeachtet dieser Versuche, die Verbrechen zu vertuschen, erwartet Varaki, dass immer mehr Vorfälle ans Licht kommen und untersucht werden. “Wir haben Opfer, die aus den von Russland kontrollierten Gebieten kamen und nun ihre schrecklichen Geschichten mit der Welt teilen.” 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russischen Streitkräfte beschuldigt, einen Völkermord begangen zu haben. Darunter versteht man den vorsätzlichen Versuch, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe zu vernichten.

Doch auch auf diesem Gebiet ist die Beweisführung schwierig, das Wort Völkermord sei zudem emotional aufgeladen, weswegen es manchmal bewusst von Politikern benutzt werde. Man müsse eine “völkermörderische Absicht” nachweisen, erläutert die Rechtsexpertin. So sei es im Römischen Statut, aber auch in der Völkermordkonvention von 1948 festgelegt. Und das ist schwierig.

Aus dem Englischen adaptiert von Arnd Riekmann.

Die Haager Konventionen von 1899 und 1907 sind Verträge, die Staaten in aller Welt unterzeichnet haben. Sie legen Gesetze und Regeln fest, an die sich Kriegsparteien halten müssen. Eines der Grundprinzipien: Zivilisten dürfen nicht angegriffen werden.

Die konkrete Definition eines Kriegsverbrechens gegen die Zivilbevölkerung wurde in Artikel 8 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs verankert und stützt sich auf die Genfer Konvention von 1864 und die Genfer Konventionen von 1949.

Rechtliche Grauzonen

Politiker und Beobachter behaupten zwar, dass in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen werden, doch “solange die Beweise nicht vollständig untermauert, überprüft und bestätigt sind, können wir vorerst nur von mutmaßlichen Kriegsverbrechen sprechen”, sagt Maria Varaki, Dozentin für internationales Recht und Co-Direktorin der War Crimes Research Group am King’s College London.

Juristen definieren Kriegsverbrechen als schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen. “Wir sprechen von der vorsätzlichen Tötung von Zivilisten, von Folter, von Zwangsvertreibung, von wahllosen Angriffen”, so Varaki. In diesem Sinne sind etwa die Angriffe auf Schulen und Entbindungsstationen oder ein Theater in Mariupol und anderen Städten als Verstöße gegen diese Gesetze zu werten.

Die am Wochenende veröffentlichten Aufnahmen aus der nordukrainischen Stadt Butscha zeigten Menschen in Zivilkleidung auf den Straßen, so Varaki, von denen einige durch Schüsse in den Hinterkopf ums Leben kamen: “Das sind also Gräueltaten nach dem humanitären Völkerrecht.”

Wie bei den meisten Aspekten des Krieges gibt es auch bei der Definition von Kriegsverbrechen Grauzonen. Das humanitäre Völkerrecht stützt sich dabei auf drei Grundsätze: die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten, die Verhältnismäßigkeit bei Angriffen, sowie Vorsichtsmaßnahmen bei Attacken. Kurzgefasst besagen diese drei Prinzipien, dass Konfliktparteien nicht auf Zivilisten oder zivile Objekte zielen dürfen.

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung

Obwohl diese Grundsätze auf dem Papier eindeutig zu sein scheinen, sind sie interpretationsbedürftig. So kann beispielsweise ein ziviles Gebäude aufgrund seiner Verwendung, seines Zwecks und seiner Funktion als militärisches Ziel betrachtet werden. Bekanntes Beispiel: Die Bombardierung eines Einkaufszentrums im Nordwesten Kiews Mitte April. “Die Ukrainer sagten, es handele sich eindeutig um zivile Infrastruktur. Und die Russen sagten, sie hätten Informationen, dass es als Lager für militärische Zwecke genutzt werde”, so Varaki.

Völkermord

Es gibt zwar Regeln, um menschliches Leid zu begrenzen, aber diese Grundsätze werden oft missbraucht und manipuliert. “Alles basiert auf Interpretation und menschlichem Urteilsvermögen: wann man angreifen sollte, worauf man zielen sollte und in welchem Ausmaß”, sagt Varaki.

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung gelten als Kriegsverbrechen und als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Dies wurde in Artikel 27 der Genfer Konvention von 1949 verankert. Die Ad-hoc-Tribunale und das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) haben eine detaillierte Liste geschlechtsspezifischer Verbrechen erstellt.

In der UN-Resolution Nr. 1820 von 2008 wurde bekräftigt, dass Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen und eine Kriegswaffe sein kann. Sowohl der ukrainische Generalstaatsanwalt als auch der Internationale Strafgerichtshof haben erklärt, dass sie Ermittlungen zu gemeldeter sexueller Gewalt einleiten werden.

Doch genau hier liegt der Haken, sagt Maria Varaki vom King’s College: “Die Frage ist, wie dies dokumentiert werden kann. Wir sprechen hier von extrem gefährdeten Opfern. Meines Wissens haben die Russen versucht, einige dieser Verbrechen zu vertuschen, indem sie die Opfer sexueller Gewalt verbrannten.”

Ungeachtet dieser Versuche, die Verbrechen zu vertuschen, erwartet Varaki, dass immer mehr Vorfälle ans Licht kommen und untersucht werden. “Wir haben Opfer, die aus den von Russland kontrollierten Gebieten kamen und nun ihre schrecklichen Geschichten mit der Welt teilen.” 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russischen Streitkräfte beschuldigt, einen Völkermord begangen zu haben. Darunter versteht man den vorsätzlichen Versuch, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe zu vernichten.

Doch auch auf diesem Gebiet ist die Beweisführung schwierig, das Wort Völkermord sei zudem emotional aufgeladen, weswegen es manchmal bewusst von Politikern benutzt werde. Man müsse eine “völkermörderische Absicht” nachweisen, erläutert die Rechtsexpertin. So sei es im Römischen Statut, aber auch in der Völkermordkonvention von 1948 festgelegt. Und das ist schwierig.

Aus dem Englischen adaptiert von Arnd Riekmann.

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