Welt

Ukraine: Kampf um die Schlangeninsel

Sie ist nur ein winziges, karges Eiland im äußersten Westen des Schwarzen Meeres, doch Russen und Ukrainer kämpfen erbittert um sie. Warum ist die sogenannte Schlangeninsel von solch immenser strategischer Bedeutung?

Eigentlich ist Bile ein völlig abgeschiedenes Nest. Es ist die einzige Ansiedlung auf der Schlangeninsel, einem kleinen, nur rund 600 mal 600 Meter großen Eiland im Schwarzen Meer. Woher die Insel ihren Namen hat, ist nicht bekannt. Schlangen gibt es hier jedenfalls keine. Und auch Menschen lebten auf der Insel offiziell erst seit 2007. Vielleicht waren es 30, vielleicht 50, so ganz genau weiß man es nicht. Die letzte Erhebung dazu ist schon sieben Jahre her. Vorher, sehr lange vorher, soll es hier nur einen Halbgott gegeben haben. Der griechischen Sage nach soll nämlich Achilles auf dieser kleinen Insel begraben sein.

Sein Heiligtum haben die modernen Bewohner Biles jedoch nicht mehr zu Gesicht bekommen. An dessen Stelle wurde schon vor fast 200 Jahren ein Leuchtturm errichtet. Ansonsten war das wichtigste Gebäude der Insel wohl der Mobilfunkmast. Ohne den hätten die hier lebenden Menschen nämlich in normalen Zeiten wohl kaum mitbekommen, dass es irgendwo da draußen auch noch eine andere Welt gibt. 

Eigentlich ist Bile ein völlig abgeschiedenes Nest. Es ist die einzige Ansiedlung auf der Schlangeninsel, einem kleinen, nur rund 600 mal 600 Meter großen Eiland im Schwarzen Meer. Woher die Insel ihren Namen hat, ist nicht bekannt. Schlangen gibt es hier jedenfalls keine. Und auch Menschen lebten auf der Insel offiziell erst seit 2007. Vielleicht waren es 30, vielleicht 50, so ganz genau weiß man es nicht. Die letzte Erhebung dazu ist schon sieben Jahre her. Vorher, sehr lange vorher, soll es hier nur einen Halbgott gegeben haben. Der griechischen Sage nach soll nämlich Achilles auf dieser kleinen Insel begraben sein.

Doch die Zeiten sind alles andere als normal. Am 24. Februar 2022 ändert sich für die Bewohner von Bile schlagartig alles. Russische Truppen beginnen ihren Einmarsch in die Ukraine, greifen das Land von Norden und Osten aus an. Und sie nehmen auch Bile und die Schlangeninsel ein, 200 Kilometer von der Krim, sogar mehr als 500 Kilometer vom Donbass entfernt. Die Siedlung wird dabei nahezu völlig zerstört, die 13 hier stationierten ukrainischen Grenzschützer vorübergehend zu russischen Kriegsgefangenen. Weltweite Schlagzeilen machte der Funkspruch, mit dem einer der hier stationierten Soldaten die Angreifer damals empfing. “Russisches Kriegsschiff, f… dich!” ist seitdem zum Synonym für den ukrainischen Widerstandswillen geworden; im April brachte die Ukraine sogar eine eigene Briefmarke zu Ehren dieser Szene heraus.

Jähes Ende der Abgeschiedenheit

Dennoch wird die Insel seitdem von Russland kontrolliert. Doch nun brachen erneut heftige Kämpfe aus. Am vergangenen Wochenende berichtete das ukrainische Militär, es habe ein Landungsboot der russischen Schwarzmeerflotte in der Nähe der Schlangeninsel versenkt. Am Donnerstag sollen ukrainische Truppen ein russisches Versorgungsschiff getroffen und schwer beschädigt haben. Die “Wsewolod Bobrow” sei auf dem Weg zur Schlangeninsel gewesen – und soll unter anderem auch Flugabwehrgeschütze an Bord gehabt haben.

So unscheinbar das Eiland auf den ersten Blick auch wirken mag – es war von Anfang an für beide Kriegsparteien ein strategisch wichtiger Ort. Zum einen gibt es im Schwarzen Meer insgesamt nur wenige Inseln. Zum anderen bietet die Schlangeninsel, rund 200 Kilometer südlich von Odessa gelegen, die Möglichkeit, den gesamten Seeverkehr im Umfeld der größten ukrainischen Hafenstadt zu kontrollieren. Mit einer dauerhaften Besetzung der Insel wäre Russland in der Lage, praktisch jede Ausfuhr von Gütern über den Seehafen von Odessa zu blockieren. Auch Millionen Tonnen an Getreide, die bereits jetzt mühsam auf dem Landweg exportiert werden müssen, könnten dann auf lange Sicht nicht mehr über das Meer ausgeschifft werden.

Den Anrainern des Schwarzen Meeres war die strategische Bedeutung der Insel schon lange bewusst. Sie war bereits zu Sowjetzeiten zu einem militärischen Stützpunkt ausgebaut worden. Die Schlangeninsel besitzt eine Hubschrauberplattform sowie zwei Anlegestellen, an denen auch große Kriegsschiffe mit einem Tiefgang von bis zu acht Metern anlanden können; zudem soll es hier Munitions- und Treibstofflager, Radaranlagen sowie Raketenstellungen geben – auch diese teils noch aus Zeiten der alten UdSSR. Allerdings sind diese Angaben nicht unabhängig zu verifizieren, da die Insel jahrzehntelang als militärisches Sperrgebiet galt und schon vor Ausbruch des aktuellen Ukraine-Krieges lange nicht öffentlich zugänglich war.

Dabei gehörte der karge Felsen, der dem Donaudelta vorgelagert ist, bis 1948 zu Rumänien. Erst dann fiel er im Rahmen einer umstrittenen Schenkung an die UdSSR. Seitdem stritten sich erst Rumänien und die Sowjetunion, später dann Rumänien und die Ukraine um das Eiland. Wie so oft in solchen Disputen ging es dabei auch um Bodenschätze, die rund um die Insel vermutet werden. 2007 gründete die Ukraine dann die Ansiedlung Bile auf der offiziell bislang unbewohnten Insel, um ihre Gebietsansprüche zu untermauern. Dass die Insel am 24. Februar 2022 neben dem Donbass und dem Vormarsch auf Kiew eines der ersten russischen Angriffsziele wurde, unterstreicht ihre strategische Bedeutung zusätzlich.

Britischen Geheimdienstinformationen zufolge versucht Moskau nun, seine Truppen auf der Insel mit Marschflugkörpern und einer strategischen Luftabwehr zu verstärken. Möglicherweise ist hier auf längere Sicht auch der Bau einer Landebahn für Kampfflugzeuge geplant. In den vergangenen zehn Tagen hat die ukrainische Armee einen Ausbau der Insel mit einer ganzen Serie von Drohnen- und Raketenangriffen zu verhindern versucht. Satellitenbilder des US-amerikanischen Unternehmens Maxar legen nahe, dass zusätzlich zur stark beschädigten “Wsewolod Bobrow” mindestens ein Militärhubschrauber abgeschossen und eine Luftabwehreinheit zerstört worden wurde.

Ob das ukrainische Militär die Insel zurückerobern kann, ist jedoch äußerst ungewiss. Damit, dass die Kämpfe um die Insel nachlassen werden, ist aber nicht zu rechnen. Denn Kiew will auch weiterhin um jeden Preis verhindern, dass die kleine Insel mit ihrer Grabstätte des Achilles am Ende so etwas werden könnte wie die Achillesferse der ukrainischen Verteidigung. 

Ukraine-Krieg - Satellitenbild «Moskwa»
Ukraine-Krieg - Schlangeninsel

Eigentlich ist Bile ein völlig abgeschiedenes Nest. Es ist die einzige Ansiedlung auf der Schlangeninsel, einem kleinen, nur rund 600 mal 600 Meter großen Eiland im Schwarzen Meer. Woher die Insel ihren Namen hat, ist nicht bekannt. Schlangen gibt es hier jedenfalls keine. Und auch Menschen lebten auf der Insel offiziell erst seit 2007. Vielleicht waren es 30, vielleicht 50, so ganz genau weiß man es nicht. Die letzte Erhebung dazu ist schon sieben Jahre her. Vorher, sehr lange vorher, soll es hier nur einen Halbgott gegeben haben. Der griechischen Sage nach soll nämlich Achilles auf dieser kleinen Insel begraben sein.

Sein Heiligtum haben die modernen Bewohner Biles jedoch nicht mehr zu Gesicht bekommen. An dessen Stelle wurde schon vor fast 200 Jahren ein Leuchtturm errichtet. Ansonsten war das wichtigste Gebäude der Insel wohl der Mobilfunkmast. Ohne den hätten die hier lebenden Menschen nämlich in normalen Zeiten wohl kaum mitbekommen, dass es irgendwo da draußen auch noch eine andere Welt gibt. 

Jähes Ende der Abgeschiedenheit

Doch die Zeiten sind alles andere als normal. Am 24. Februar 2022 ändert sich für die Bewohner von Bile schlagartig alles. Russische Truppen beginnen ihren Einmarsch in die Ukraine, greifen das Land von Norden und Osten aus an. Und sie nehmen auch Bile und die Schlangeninsel ein, 200 Kilometer von der Krim, sogar mehr als 500 Kilometer vom Donbass entfernt. Die Siedlung wird dabei nahezu völlig zerstört, die 13 hier stationierten ukrainischen Grenzschützer vorübergehend zu russischen Kriegsgefangenen. Weltweite Schlagzeilen machte der Funkspruch, mit dem einer der hier stationierten Soldaten die Angreifer damals empfing. “Russisches Kriegsschiff, f… dich!” ist seitdem zum Synonym für den ukrainischen Widerstandswillen geworden; im April brachte die Ukraine sogar eine eigene Briefmarke zu Ehren dieser Szene heraus.

Dennoch wird die Insel seitdem von Russland kontrolliert. Doch nun brachen erneut heftige Kämpfe aus. Am vergangenen Wochenende berichtete das ukrainische Militär, es habe ein Landungsboot der russischen Schwarzmeerflotte in der Nähe der Schlangeninsel versenkt. Am Donnerstag sollen ukrainische Truppen ein russisches Versorgungsschiff getroffen und schwer beschädigt haben. Die “Wsewolod Bobrow” sei auf dem Weg zur Schlangeninsel gewesen – und soll unter anderem auch Flugabwehrgeschütze an Bord gehabt haben.

So unscheinbar das Eiland auf den ersten Blick auch wirken mag – es war von Anfang an für beide Kriegsparteien ein strategisch wichtiger Ort. Zum einen gibt es im Schwarzen Meer insgesamt nur wenige Inseln. Zum anderen bietet die Schlangeninsel, rund 200 Kilometer südlich von Odessa gelegen, die Möglichkeit, den gesamten Seeverkehr im Umfeld der größten ukrainischen Hafenstadt zu kontrollieren. Mit einer dauerhaften Besetzung der Insel wäre Russland in der Lage, praktisch jede Ausfuhr von Gütern über den Seehafen von Odessa zu blockieren. Auch Millionen Tonnen an Getreide, die bereits jetzt mühsam auf dem Landweg exportiert werden müssen, könnten dann auf lange Sicht nicht mehr über das Meer ausgeschifft werden.

Den Anrainern des Schwarzen Meeres war die strategische Bedeutung der Insel schon lange bewusst. Sie war bereits zu Sowjetzeiten zu einem militärischen Stützpunkt ausgebaut worden. Die Schlangeninsel besitzt eine Hubschrauberplattform sowie zwei Anlegestellen, an denen auch große Kriegsschiffe mit einem Tiefgang von bis zu acht Metern anlanden können; zudem soll es hier Munitions- und Treibstofflager, Radaranlagen sowie Raketenstellungen geben – auch diese teils noch aus Zeiten der alten UdSSR. Allerdings sind diese Angaben nicht unabhängig zu verifizieren, da die Insel jahrzehntelang als militärisches Sperrgebiet galt und schon vor Ausbruch des aktuellen Ukraine-Krieges lange nicht öffentlich zugänglich war.

Strategisch wichtiges Eiland

Dabei gehörte der karge Felsen, der dem Donaudelta vorgelagert ist, bis 1948 zu Rumänien. Erst dann fiel er im Rahmen einer umstrittenen Schenkung an die UdSSR. Seitdem stritten sich erst Rumänien und die Sowjetunion, später dann Rumänien und die Ukraine um das Eiland. Wie so oft in solchen Disputen ging es dabei auch um Bodenschätze, die rund um die Insel vermutet werden. 2007 gründete die Ukraine dann die Ansiedlung Bile auf der offiziell bislang unbewohnten Insel, um ihre Gebietsansprüche zu untermauern. Dass die Insel am 24. Februar 2022 neben dem Donbass und dem Vormarsch auf Kiew eines der ersten russischen Angriffsziele wurde, unterstreicht ihre strategische Bedeutung zusätzlich.

Schon immer umstritten

Britischen Geheimdienstinformationen zufolge versucht Moskau nun, seine Truppen auf der Insel mit Marschflugkörpern und einer strategischen Luftabwehr zu verstärken. Möglicherweise ist hier auf längere Sicht auch der Bau einer Landebahn für Kampfflugzeuge geplant. In den vergangenen zehn Tagen hat die ukrainische Armee einen Ausbau der Insel mit einer ganzen Serie von Drohnen- und Raketenangriffen zu verhindern versucht. Satellitenbilder des US-amerikanischen Unternehmens Maxar legen nahe, dass zusätzlich zur stark beschädigten “Wsewolod Bobrow” mindestens ein Militärhubschrauber abgeschossen und eine Luftabwehreinheit zerstört worden wurde.

Ob das ukrainische Militär die Insel zurückerobern kann, ist jedoch äußerst ungewiss. Damit, dass die Kämpfe um die Insel nachlassen werden, ist aber nicht zu rechnen. Denn Kiew will auch weiterhin um jeden Preis verhindern, dass die kleine Insel mit ihrer Grabstätte des Achilles am Ende so etwas werden könnte wie die Achillesferse der ukrainischen Verteidigung. 

Russische Pläne und ukrainische Gegenwehr

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"