Deutschland

Naturforscher schlagen wegen Artenverlust Alarm

In der “Berliner Erklärung“ beklagen deutsche Naturforscher den dramatischen Verlust der Artenvielfalt. Die Wissenschaftler fordern die deutsche Regierung auf, während ihrer G7-Präsidentschaft endlich dagegen vorzugehen.

Bernhard Misof, Klement Tockner und Johannes Vogel haben das Modell eines lange ausgestorbenen Tieres mit in das Naturkundemuseum in Berlin gebracht: Die Wandertaube, erzählt Vogel, Chef des Naturkundemuseums, soll früher in den USA den Himmel verdunkelt haben, wenn die Schwärme in die Luft stiegen, so stark waren die Populationen. Aber schon vor mehr als hundert Jahren ist die Wandertaube verschwunden, erbarmungslos gejagt vom Menschen. Nur ein Symbol für den Verlust an Arten, den die drei Forscher beklagen.

Mit einem dramatischen Appell haben sich die drei und über 30 weitere Wissenschaftler, unter ihnen auch der bekannte Virologe Christian Drosten, an die Öffentlichkeit gewandt. In ihrer “Berliner Erklärung” heißt es unter anderem: “Ohne schnelle, tiefgreifende und flächendeckende Maßnahmen laufen wir Gefahr, dass unsere Erde in den nächsten Jahrzehnten eine Million Arten verlieren und einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um drei Grad erfahren wird.”

Bernhard Misof, Klement Tockner und Johannes Vogel haben das Modell eines lange ausgestorbenen Tieres mit in das Naturkundemuseum in Berlin gebracht: Die Wandertaube, erzählt Vogel, Chef des Naturkundemuseums, soll früher in den USA den Himmel verdunkelt haben, wenn die Schwärme in die Luft stiegen, so stark waren die Populationen. Aber schon vor mehr als hundert Jahren ist die Wandertaube verschwunden, erbarmungslos gejagt vom Menschen. Nur ein Symbol für den Verlust an Arten, den die drei Forscher beklagen.

Klement Tockner von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main ergänzt bei der Vorstellung in Berlin: “Wir können uns nicht vorstellen, was in den nächsten 20 bis 50 Jahren passieren wird, wenn wir nicht gegensteuern. Und die drei größten Krisen sind: Das Nicht-Erreichen des Pariser Klimaziels. Zweitens: Die Zunahme an Wetterextremen, die natürlich eng mit der Erderhitzung zusammenhängen. Und das dritte ist der Verlust der biologischen Vielfalt.”

Ohne Gegenmaßnahmen verliert die Welt Millionen an Arten

Wie stark der schon fortgeschritten ist, beschreiben die Wissenschaftler in ihrer Erklärung anhand von konkreten Beispielen: “Von 1970 bis 2012 sanken weltweit die Populationen großer, bekannter Süßwasserarten, wie Fluss-Delphine, Störe oder Krokodile um 88 Prozent. So sind 24 der insgesamt 26 Störarten vom Aussterben bedroht.” Bernhard Misof, vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn erzählt, wie ihm noch sein Großvater die vielen verschiedenen Insektenarten zeigte.

Misof: “Und das kann ich meinen Kindern nur noch erzählen, nicht mehr zeigen. Das heißt: In einer Generation spüren und sehen wir, was sich um uns herum verändert. Und geraten in eine Situation, wo wir über das, was wir mal gekannt haben, sprechen, aber es nicht zeigen können.”

Anlass der Erklärung ist unter anderem die Erinnerung an den ersten Weltnaturgipfel, der vor 30 Jahren im Frühjahr 1992 in Rom stattfand und viele Forderungen zum Schutz der Arten formulierte. Viel passiert ist seitdem jedoch nicht. Der nächste Weltnaturgipfel wurde zuletzt wegen der Pandemie mehrfach verschoben und soll nun im August in Kunming in China stattfinden.

Zentral ist dort die Forderung, bis 2030 global 30 Prozent der Flächen zu Lande und auf den Meeren zu schützen. Ob es dazu kommt, ist zweifelhaft. Aber schon vorher fordern die Wissenschaftler die Verantwortlichen auf, endlich zu handeln. Deutschland müsse die gegenwärtige Präsidentschaft innerhalb der Staatengruppe der G7 nutzen, um mehr Artenschutz einzufordern.

Und das bedeutet vor allem: mehr Geld. Für Aufforstungen, Schutzgebiete, für die Wiederherstellung von Mooren. 800 Millionen Euro stehen im Moment dafür aus Deutschland zur Verfügung, die neue Regierung hat versprochen, die Summe auf zwei Milliarden Euro zu erhöhen. Die Wissenschaftler fordern eine möglichst schnelle Erhöhung auf acht Milliarden Euro pro Jahr.

Die drei Forscher wissen aber auch: Der Artenschutz hat es schwer, sich Gehör zu verschaffen. Alle Aufmerksamkeit liegt beim eng mit dem Verlust an Arten verbundenen Thema des Klimawandels. Das liege daran, so Tockner, dass man Starkregen, Hitzen und Überschwemmungen überall auf der Welt spüre, den Verlust an Arten aber weniger.

Aus Klimaschutzgründen, aber auch, um nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Energieversorgung umzustellen und auf russisches Gas und Öl zu verzichten, setzt auch die deutsche Regierung von SPD, Grünen und FDP auf den massiven Ausbau von Wind- und Sonnenkraft. Das braucht neue Flächen, und dies führt oftmals zu Konflikten mit dem Naturschutz.

Johannes Vogel sagt dazu: “Dieser Krieg ist schlimm und grausam, und natürlich verurteilen wir die Aggression, die hier stattfindet. Aber wenn man die Menschheitsgeschichte anguckt, dann hören Kriege irgendwann auch wieder auf. Und danach gibt es wieder Frieden. Die Entwicklungen, die hier aber losgetreten wurden, die Veränderung des Klimas, insbesondere aber der Verlust von Arten, sind nicht rückholbar. Das ist ein Verlust, der uns in alle Ewigkeit treffen wird.” 

Wie wichtig der Natur- und Artenschutz gerade für den Klimaschutz ist, unterlegen die Forscher mit dieser Zahl: Die drei wichtigsten marinen Lebensräume – Seegras, Mangroven und Sümpfe – speichern zusammen mehr als 30 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist das Dreifache der Menge, die allein jedes Jahr in China ausgestoßen wird. Artenschutz ist also eigentlich der beste Klimaschutz. Eigentlich. 

Deutschland | PK Berliner Erklärung für mehr Biodiversität
Ein Schwarm von Staren inmitten von Windanlagen

Bernhard Misof, Klement Tockner und Johannes Vogel haben das Modell eines lange ausgestorbenen Tieres mit in das Naturkundemuseum in Berlin gebracht: Die Wandertaube, erzählt Vogel, Chef des Naturkundemuseums, soll früher in den USA den Himmel verdunkelt haben, wenn die Schwärme in die Luft stiegen, so stark waren die Populationen. Aber schon vor mehr als hundert Jahren ist die Wandertaube verschwunden, erbarmungslos gejagt vom Menschen. Nur ein Symbol für den Verlust an Arten, den die drei Forscher beklagen.

Mit einem dramatischen Appell haben sich die drei und über 30 weitere Wissenschaftler, unter ihnen auch der bekannte Virologe Christian Drosten, an die Öffentlichkeit gewandt. In ihrer “Berliner Erklärung” heißt es unter anderem: “Ohne schnelle, tiefgreifende und flächendeckende Maßnahmen laufen wir Gefahr, dass unsere Erde in den nächsten Jahrzehnten eine Million Arten verlieren und einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um drei Grad erfahren wird.”

Ohne Gegenmaßnahmen verliert die Welt Millionen an Arten

Klement Tockner von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main ergänzt bei der Vorstellung in Berlin: “Wir können uns nicht vorstellen, was in den nächsten 20 bis 50 Jahren passieren wird, wenn wir nicht gegensteuern. Und die drei größten Krisen sind: Das Nicht-Erreichen des Pariser Klimaziels. Zweitens: Die Zunahme an Wetterextremen, die natürlich eng mit der Erderhitzung zusammenhängen. Und das dritte ist der Verlust der biologischen Vielfalt.”

Wie stark der schon fortgeschritten ist, beschreiben die Wissenschaftler in ihrer Erklärung anhand von konkreten Beispielen: “Von 1970 bis 2012 sanken weltweit die Populationen großer, bekannter Süßwasserarten, wie Fluss-Delphine, Störe oder Krokodile um 88 Prozent. So sind 24 der insgesamt 26 Störarten vom Aussterben bedroht.” Bernhard Misof, vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn erzählt, wie ihm noch sein Großvater die vielen verschiedenen Insektenarten zeigte.

Misof: “Und das kann ich meinen Kindern nur noch erzählen, nicht mehr zeigen. Das heißt: In einer Generation spüren und sehen wir, was sich um uns herum verändert. Und geraten in eine Situation, wo wir über das, was wir mal gekannt haben, sprechen, aber es nicht zeigen können.”

Anlass der Erklärung ist unter anderem die Erinnerung an den ersten Weltnaturgipfel, der vor 30 Jahren im Frühjahr 1992 in Rom stattfand und viele Forderungen zum Schutz der Arten formulierte. Viel passiert ist seitdem jedoch nicht. Der nächste Weltnaturgipfel wurde zuletzt wegen der Pandemie mehrfach verschoben und soll nun im August in Kunming in China stattfinden.

Fast alle Störarten sind vom Aussterben bedroht

Zentral ist dort die Forderung, bis 2030 global 30 Prozent der Flächen zu Lande und auf den Meeren zu schützen. Ob es dazu kommt, ist zweifelhaft. Aber schon vorher fordern die Wissenschaftler die Verantwortlichen auf, endlich zu handeln. Deutschland müsse die gegenwärtige Präsidentschaft innerhalb der Staatengruppe der G7 nutzen, um mehr Artenschutz einzufordern.

Deutschland soll G7-Präsidentschaft für Artenschutz nutzen

Und das bedeutet vor allem: mehr Geld. Für Aufforstungen, Schutzgebiete, für die Wiederherstellung von Mooren. 800 Millionen Euro stehen im Moment dafür aus Deutschland zur Verfügung, die neue Regierung hat versprochen, die Summe auf zwei Milliarden Euro zu erhöhen. Die Wissenschaftler fordern eine möglichst schnelle Erhöhung auf acht Milliarden Euro pro Jahr.

Die drei Forscher wissen aber auch: Der Artenschutz hat es schwer, sich Gehör zu verschaffen. Alle Aufmerksamkeit liegt beim eng mit dem Verlust an Arten verbundenen Thema des Klimawandels. Das liege daran, so Tockner, dass man Starkregen, Hitzen und Überschwemmungen überall auf der Welt spüre, den Verlust an Arten aber weniger.

Aus Klimaschutzgründen, aber auch, um nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Energieversorgung umzustellen und auf russisches Gas und Öl zu verzichten, setzt auch die deutsche Regierung von SPD, Grünen und FDP auf den massiven Ausbau von Wind- und Sonnenkraft. Das braucht neue Flächen, und dies führt oftmals zu Konflikten mit dem Naturschutz.

Artenschutz kämpft immer noch um Aufmerksamkeit 

Johannes Vogel sagt dazu: “Dieser Krieg ist schlimm und grausam, und natürlich verurteilen wir die Aggression, die hier stattfindet. Aber wenn man die Menschheitsgeschichte anguckt, dann hören Kriege irgendwann auch wieder auf. Und danach gibt es wieder Frieden. Die Entwicklungen, die hier aber losgetreten wurden, die Veränderung des Klimas, insbesondere aber der Verlust von Arten, sind nicht rückholbar. Das ist ein Verlust, der uns in alle Ewigkeit treffen wird.” 

Wie wichtig der Natur- und Artenschutz gerade für den Klimaschutz ist, unterlegen die Forscher mit dieser Zahl: Die drei wichtigsten marinen Lebensräume – Seegras, Mangroven und Sümpfe – speichern zusammen mehr als 30 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist das Dreifache der Menge, die allein jedes Jahr in China ausgestoßen wird. Artenschutz ist also eigentlich der beste Klimaschutz. Eigentlich. 

Artenschutz ist der beste Klimaschutz 

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