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Krywyzka: “Ich hoffe, ohne Krieg aufzuwachen”

In der Ukraine wütet der Krieg. Hunderttausende Menschen flüchten aus ihrem Heimatland, andere aber bleiben. Menschen wie die Fechterin Olena Krywyzka, die mehr Proteste der russischen Athleten gegen den Krieg fordert.

Olena Krywyzka hat sich erstmal in Sicherheit bringen können. Die ukrainische Fechterin ist nicht – wie viele anderen Menschen – aus der Ukraine geflohen. Sie ist geblieben, um ihre Familie zu unterstützen und will, solange es möglich ist, auch in ihrem Heimatland bleiben. Im Interview mit der DW fordert die 35-Jährige von den russischen Sportlerinnen und Sportlern, auf den Krieg in der Ukraine aufmerksam zu machen.

DW: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie momentan?

Olena Krywyzka hat sich erstmal in Sicherheit bringen können. Die ukrainische Fechterin ist nicht – wie viele anderen Menschen – aus der Ukraine geflohen. Sie ist geblieben, um ihre Familie zu unterstützen und will, solange es möglich ist, auch in ihrem Heimatland bleiben. Im Interview mit der DW fordert die 35-Jährige von den russischen Sportlerinnen und Sportlern, auf den Krieg in der Ukraine aufmerksam zu machen.

Olena Krywyzka: Die Situation ist nicht leicht. Es ist hart, nicht nur für mich und meine Familie, sondern für alle Menschen in der Ukraine. Aber wir versuchen, ruhig zu bleiben. Das ist das Beste, was wir machen können. Denn wenn wir in Panik verfallen würden, könnten wir keine Entscheidungen mehr treffen. Wir müssen irgendwie einen kühlen Kopf bewahren.

“Sie sind Helden für mich”

Seit acht Tagen attackiert Russland die Ukraine. Es herrscht Krieg. Wie haben Sie die vergangenen Tage erlebt?

Am 23. Februar war mein Geburtstag. Und in der Nacht nach meinem Geburtstag wurde ich von meinem Mann morgens um sechs Uhr geweckt. Dann haben wir in 15 Minuten das Nötigste zusammengepackt und sind mit unseren beiden Hunden ins Auto gestiegen, um an einen sicheren Ort zu fahren. Das Geräusch der Explosionen war sehr laut. Es war eine sehr prekäre Situation. Wir haben unser Haus, unser Zuhause verlassen und werden es wohl nie mehr wiedersehen.

Hunderttausende Menschen sind bereits aus der Ukraine geflohen. Werden Sie auch das Land verlassen?

Viele meiner Freunde aus dem Ausland schreiben mir jeden Tag und bieten ihre Hilfe an. Wir hätten also Möglichkeiten das Land zu verlassen, aber ich möchte hier bleiben. Hier ist meine Familie, hier sind meine Eltern. Wenn es geht, werde ich solange hier bleiben, wie möglich.

Wie beurteilen Sie den ukrainischen Widerstand gegen das russische Militär?

Für mich sind unsere Soldatinnen und Soldaten Helden. Sie kämpfen sehr mutig und sind einfach Helden für mich. Genauso wie alle anderen Menschen, die in den besetzten Gebieten dabei helfen zu überleben. Von einem Moment auf den anderen sind wir eins geworden. Das ist sehr wichtig. Wir kämpfen füreinander, wir sind eine Familie.

Die russischen Truppen machen furchtbare Dinge. Sie schneiden Menschen in Städten den Weg zum Essen und Wasser ab. Viele Menschen leiden und wissen nicht, was sie essen oder trinken sollen. Es ist kein Krieg Armee gegen Armee, es ist ein Krieg Armee gegen Zivilisten.

Viele Sportlerinnen und Sportler versuchen, auf die Lage in der Ukraine aufmerksam zu machen.

Ja, viele Athleten nutzen ihre Kontakte zu den Medien oder Social Media, um der Welt die Wahrheit über unsere Situation zu erzählen. Vielleicht sehen einige Russen diese Nachrichten und verstehen, dass hier Krieg herrscht. Unser ganzes Land ist zerstört. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie viele Jahre es dauern wird, bis alles wieder aufgebaut ist.

Was brauchen die Menschen noch, um zu verstehen, dass hier Krieg herrscht? Hier sterben Kinder – sechs oder zehn Jahre alte Kinder werden ermordet. Sind das etwa die Feinde? Ich glaube nicht. Immer wenn ich solche Videos sehe, muss ich weinen. Ich verstehe nicht, wie Menschen so etwas tun können.

Was fordern Sie von den russischen Athletinnen und Athleten?

Sie müssen sich für eine Seite entscheiden. Und manche bleiben einfach stumm und sagen gar nichts. Das geht nicht, denn sie sind auch involviert, sie gehören zu Russland. Und wenn sie zum Beispiel viele Follower bei Instagram haben, müssen sie sagen, dass sie auf der Seite des Friedens stehen und dass deren Präsident furchtbare Dinge tut. Ich verstehe, dass sie vielleicht Angst um ihr Leben haben. Aber wenn sie nichts tun, sind sie mitschuldig an den Verbrechen.

Was erwarten Sie von den kommenden Tagen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich erwarte, am nächsten Tag aufzuwachen. Und ich hoffe, ohne Krieg aufzuwachen. Doch es ist kompliziert. Wir kämpfen um unser Leben, um eine Chance, ein gutes Leben in unserem Land zu haben, so wie wir es vor dem Krieg hatten. Doch es kann auch passieren, dass ich nachts aufwache, weil die Sirenen heulen. Und von einer Minute auf die andere kann wieder alles anders sein.

Ich kann die Frage nicht beantworten. Ich hoffe einfach, dass das alles sehr bald endet. Und ich hoffe, dass ich in unserem Land bleiben kann, ich möchte nirgendwo anders hin. Ich möchte mit meiner Familie in der Ukraine leben.

Olena Krywyzka ist ukrainische Fechterin und dreimalige Bronzemedaillengewinnerin bei Weltmeisterschaften im Degenfechten: Sie wurde 2015 in Moskau mit der Mannschaft, 2017 in Leipzig und 2019 in Budapest im Einzel WM-Dritte. Krywyzka lebt mit ihrem Mann in der Ukraine und ist einen Tag vor der russischen Invasion 35 Jahre alt geworden.

Das Interview führte Thomas Klein. 

Olena Kryvytska aus der Ukraine

Olena Krywyzka hat sich erstmal in Sicherheit bringen können. Die ukrainische Fechterin ist nicht – wie viele anderen Menschen – aus der Ukraine geflohen. Sie ist geblieben, um ihre Familie zu unterstützen und will, solange es möglich ist, auch in ihrem Heimatland bleiben. Im Interview mit der DW fordert die 35-Jährige von den russischen Sportlerinnen und Sportlern, auf den Krieg in der Ukraine aufmerksam zu machen.

DW: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie momentan?

“Sie sind Helden für mich”

Olena Krywyzka: Die Situation ist nicht leicht. Es ist hart, nicht nur für mich und meine Familie, sondern für alle Menschen in der Ukraine. Aber wir versuchen, ruhig zu bleiben. Das ist das Beste, was wir machen können. Denn wenn wir in Panik verfallen würden, könnten wir keine Entscheidungen mehr treffen. Wir müssen irgendwie einen kühlen Kopf bewahren.

Seit acht Tagen attackiert Russland die Ukraine. Es herrscht Krieg. Wie haben Sie die vergangenen Tage erlebt?

Am 23. Februar war mein Geburtstag. Und in der Nacht nach meinem Geburtstag wurde ich von meinem Mann morgens um sechs Uhr geweckt. Dann haben wir in 15 Minuten das Nötigste zusammengepackt und sind mit unseren beiden Hunden ins Auto gestiegen, um an einen sicheren Ort zu fahren. Das Geräusch der Explosionen war sehr laut. Es war eine sehr prekäre Situation. Wir haben unser Haus, unser Zuhause verlassen und werden es wohl nie mehr wiedersehen.

Hunderttausende Menschen sind bereits aus der Ukraine geflohen. Werden Sie auch das Land verlassen?

Forderung an russische Sportlerinnen und Sportler

Viele meiner Freunde aus dem Ausland schreiben mir jeden Tag und bieten ihre Hilfe an. Wir hätten also Möglichkeiten das Land zu verlassen, aber ich möchte hier bleiben. Hier ist meine Familie, hier sind meine Eltern. Wenn es geht, werde ich solange hier bleiben, wie möglich.

Wie beurteilen Sie den ukrainischen Widerstand gegen das russische Militär?

Für mich sind unsere Soldatinnen und Soldaten Helden. Sie kämpfen sehr mutig und sind einfach Helden für mich. Genauso wie alle anderen Menschen, die in den besetzten Gebieten dabei helfen zu überleben. Von einem Moment auf den anderen sind wir eins geworden. Das ist sehr wichtig. Wir kämpfen füreinander, wir sind eine Familie.

Die russischen Truppen machen furchtbare Dinge. Sie schneiden Menschen in Städten den Weg zum Essen und Wasser ab. Viele Menschen leiden und wissen nicht, was sie essen oder trinken sollen. Es ist kein Krieg Armee gegen Armee, es ist ein Krieg Armee gegen Zivilisten.

Viele Sportlerinnen und Sportler versuchen, auf die Lage in der Ukraine aufmerksam zu machen.

Ja, viele Athleten nutzen ihre Kontakte zu den Medien oder Social Media, um der Welt die Wahrheit über unsere Situation zu erzählen. Vielleicht sehen einige Russen diese Nachrichten und verstehen, dass hier Krieg herrscht. Unser ganzes Land ist zerstört. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie viele Jahre es dauern wird, bis alles wieder aufgebaut ist.

Was brauchen die Menschen noch, um zu verstehen, dass hier Krieg herrscht? Hier sterben Kinder – sechs oder zehn Jahre alte Kinder werden ermordet. Sind das etwa die Feinde? Ich glaube nicht. Immer wenn ich solche Videos sehe, muss ich weinen. Ich verstehe nicht, wie Menschen so etwas tun können.

Was fordern Sie von den russischen Athletinnen und Athleten?

Sie müssen sich für eine Seite entscheiden. Und manche bleiben einfach stumm und sagen gar nichts. Das geht nicht, denn sie sind auch involviert, sie gehören zu Russland. Und wenn sie zum Beispiel viele Follower bei Instagram haben, müssen sie sagen, dass sie auf der Seite des Friedens stehen und dass deren Präsident furchtbare Dinge tut. Ich verstehe, dass sie vielleicht Angst um ihr Leben haben. Aber wenn sie nichts tun, sind sie mitschuldig an den Verbrechen.

Was erwarten Sie von den kommenden Tagen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich erwarte, am nächsten Tag aufzuwachen. Und ich hoffe, ohne Krieg aufzuwachen. Doch es ist kompliziert. Wir kämpfen um unser Leben, um eine Chance, ein gutes Leben in unserem Land zu haben, so wie wir es vor dem Krieg hatten. Doch es kann auch passieren, dass ich nachts aufwache, weil die Sirenen heulen. Und von einer Minute auf die andere kann wieder alles anders sein.

Ich kann die Frage nicht beantworten. Ich hoffe einfach, dass das alles sehr bald endet. Und ich hoffe, dass ich in unserem Land bleiben kann, ich möchte nirgendwo anders hin. Ich möchte mit meiner Familie in der Ukraine leben.

Olena Krywyzka ist ukrainische Fechterin und dreimalige Bronzemedaillengewinnerin bei Weltmeisterschaften im Degenfechten: Sie wurde 2015 in Moskau mit der Mannschaft, 2017 in Leipzig und 2019 in Budapest im Einzel WM-Dritte. Krywyzka lebt mit ihrem Mann in der Ukraine und ist einen Tag vor der russischen Invasion 35 Jahre alt geworden.

Das Interview führte Thomas Klein. 

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