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Macron oder Mélenchon? Frankreich hat die Wahl

Ein neu gegründetes Linksbündnis hofft, bei den Parlamentswahlen in Frankreich am 12. und 19. Juni eine Mehrheit zu gewinnen. Prognosen sagen das bisher nicht voraus – doch Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.

Während bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in Frankreich die Hauptgegnerin von Präsident Emmanuel Macron die rechtsextreme Marine Le Pen war, kommt bei den bevorstehenden Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni die größte Herausforderung für Frankreichs Staatsoberhaupt diesmal von links.

Nupes lautet die Abkürzung für den neu gegründeten Zusammenschluss der politischen Linken unter dem 70-jährigen Politiker Jean-Luc Mélenchon. Nupes steht für Neue Ökologische und Soziale Volksunion und findet im Pariser Vorort Chevilly-Larue besonders viele Unterstützer.

Während bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in Frankreich die Hauptgegnerin von Präsident Emmanuel Macron die rechtsextreme Marine Le Pen war, kommt bei den bevorstehenden Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni die größte Herausforderung für Frankreichs Staatsoberhaupt diesmal von links.

Auf einem Platz in dem südlichen Pariser Vorort hallt aus den Boxen unter dem schwarzen Pavillon laut der Bass. Er verliert sich zwischen den hohen Wohngebäude.

“Wir sind die Stadt”

Die kleine Bühne wurde anlässlich eines lokalen Sportevents aufgestellt, bei dem Jugendlichen um die Wette rennen. In anderen Pavillons können Besucher Würstchen kaufen oder an Tischen sitzend Schach spielen.

Ein 19-jähriger Rapper, der sich Lazak nennt, wippt auf der Bühne zum Rhythmus, einen Arm hat er in die Höhe gestreckt. Er schwingt im Takt mit: “La ville, c’est nous!” (“Wir sind die Stadt!”), ruft er immer wieder ins Mikrofon, während ein paar Dutzend Zuschauer laut mitsingen.

Unter ihnen ist Rachel Keke, Kandidatin im Département Val-de-Marne des neugegründeten Linksbündnisses Nupes. Die 48-jährige gebürtige Ivorerin ist Zimmermädchen in einem Pariser Hotel und will nun die Bedürfnisse der weniger gut gestellten Bürger im Parlament vertreten.

Mit deren Unterstützung hofft Nupes auf eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Prognosen sagen ein solches Ergebnis zwar bisher nicht voraus, doch laut Politologen könnte es durchaus eine Überraschung geben.

“Wir brauchen Menschen aus der Arbeiterklasse in der Nationalversammlung, damit sie unsere Interessen vertreten”, sagt Keke der DW. Sie sitzt auf einer Parkbank in der Nähe der Bühne. Nur wenige Hundert Meter entfernt wohnt sie gemeinsam mit vier ihrer fünf Kinder in einem der Häuserblocks.

Keke, die auch die französische Staatsbürgerschaft hat, tritt zum ersten Mal als politische Kandidatin an. Doch sie hat sich schon lange zuvor für die Interessen der Gemeinschaft stark gemacht: So machten sie und ihre Kolleginnen im Juni 2021 Schlagzeilen, als sie die Eigentümer der Hotelketten Ibis und Accor nach 22 Monaten ununterbrochenem Streik zum Einlenken zwangen.

Die Forderungen der streikenden Zimmermädchen wurde fast alle erfüllt. “Unsere Löhne, die zwischen 600 bis 1000 Euro schwankten, sind auf 1300 bis 1900 Euro gestiegen – das zeigt doch, dass es genug Geld gibt und wir Armen in Frankreich durchaus mehr verdienen könnten”, meint Keke.

“Das Programm von Nupes ist wie gemacht für Leute wie uns”, ist sie überzeugt. Das Linksbündnis plädiert unter anderem für einen monatlichen Mindestlohn von 1500 Euro (im Vergleich zu momentan rund 1300 Euro netto), für die Rente mit 60 Jahren (anstatt aktuell 62) und will Preise für Benzin und gewisse Basisprodukte deckeln.

Mit solchen Argumenten versucht Keke an diesem Samstagnachmittag die Bewohner des Vororts, dessen Armutsrate mehrere Prozentpunkte über dem landesweiten Durchschnitt liegt, für sich zu gewinnen – wie die 36-jährige Ruphin Olle Nne, der Keke einen Flyer in die Hand drückt.

“Es wird immer schwerer, mit unseren kleinen Gehältern über die Runden zu kommen. Aber meinen Sie wirklich, dass sich die Dinge mit Nupes ändern werden?”, fragt die Arzthelferin, die zwei Kinder hat und ein drittes erwartet. “Ich glaube, wir können das schaffen”, antwortet Keke. “Aber dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.”

Kekes Gegenüber nickt und sagt: “Ja, das klingt überzeugend – schließlich sind Sie ja eine von uns und kennen unsere Lebensumstände.” In dem Moment laufen zwei junge Männer vorbei. “Wir sind auf Ihrer Seite, wir werden für Sie stimmen”, rufen sie Keke mit erhobenen Daumen zu. Die Kandidatin lächelt und winkt.

Auf solche Unterstützung hofft auch Jean-Luc Mélenchon, der Chef von Nupes. Mit seiner Links-Außen-Partei La France Insoumise (LFI, zu deutsch Widerspenstiges Frankreich) war der 70-Jährige im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen im April mit knapp 22 Prozent der Stimmen auf Platz drei gelandet.

Präsident Emmanuel Macron gewann die Stichwahl gegen die rechtsextreme Marine Le Pen. In den Parlamentswahlen jedoch ist nicht die extreme Rechte Macrons Hauptkonkurrent, sondern die Linke. Le Pens Partei soll laut Umfragen höchstens um die 40 der 577 Parlamentssitze ergattern.

Die Linke hingegen soll im ersten Wahlgang sogar die meisten Stimmen bekommen. Um in den zweiten Wahlgang zu kommen, braucht ein Kandidat allerdings mindestens die Unterstützung von 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler. Den zweiten Wahlgang gewinnt der- oder diejenige mit den meisten Stimmen.

Mélenchon hat für die Wahlen die größten linksgerichteten Parteien hinter sich vereint. Sein relativ gutes Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen nutzte er als Argument, das gemeinsame Programm mit den Sozialisten, den Grünen und den Kommunisten – die jeweils weniger als fünf Prozent der Stimmen bekamen – in großen Teilen an den Vorgaben von LFI auszurichten.

Diese macht sich für Umweltschutz, Frauenrechte und die Rechte von Einwanderern stark. Nupes will Banken und Energieversorger verstaatlichen und jedem Bürger einen Job garantieren.

Der NATO steht die Linkskoalition kritisch gegenüber. La France Insoumise will aus dem Verteidigungsbündnis austreten und plant, gewissen EU-Regeln zuwiderzuhandeln.

Frankreich Chevilly-Larue, bei Paris | Reportage Lisa Louis Parlamentswahlen | Rachel Keke, Kandidatin Nupes
Frankreich Chevilly-Larue, bei Paris | Reportage Lisa Louis Parlamentswahlen | Rachel Keke, Kandidatin Nupes

Während bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in Frankreich die Hauptgegnerin von Präsident Emmanuel Macron die rechtsextreme Marine Le Pen war, kommt bei den bevorstehenden Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni die größte Herausforderung für Frankreichs Staatsoberhaupt diesmal von links.

Nupes lautet die Abkürzung für den neu gegründeten Zusammenschluss der politischen Linken unter dem 70-jährigen Politiker Jean-Luc Mélenchon. Nupes steht für Neue Ökologische und Soziale Volksunion und findet im Pariser Vorort Chevilly-Larue besonders viele Unterstützer.

“Wir sind die Stadt”

Auf einem Platz in dem südlichen Pariser Vorort hallt aus den Boxen unter dem schwarzen Pavillon laut der Bass. Er verliert sich zwischen den hohen Wohngebäude.

Die kleine Bühne wurde anlässlich eines lokalen Sportevents aufgestellt, bei dem Jugendlichen um die Wette rennen. In anderen Pavillons können Besucher Würstchen kaufen oder an Tischen sitzend Schach spielen.

Ein 19-jähriger Rapper, der sich Lazak nennt, wippt auf der Bühne zum Rhythmus, einen Arm hat er in die Höhe gestreckt. Er schwingt im Takt mit: “La ville, c’est nous!” (“Wir sind die Stadt!”), ruft er immer wieder ins Mikrofon, während ein paar Dutzend Zuschauer laut mitsingen.

Unter ihnen ist Rachel Keke, Kandidatin im Département Val-de-Marne des neugegründeten Linksbündnisses Nupes. Die 48-jährige gebürtige Ivorerin ist Zimmermädchen in einem Pariser Hotel und will nun die Bedürfnisse der weniger gut gestellten Bürger im Parlament vertreten.

Der Zorn der Zimmermädchen

Mit deren Unterstützung hofft Nupes auf eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Prognosen sagen ein solches Ergebnis zwar bisher nicht voraus, doch laut Politologen könnte es durchaus eine Überraschung geben.

Unterstützung aus den Vororten

“Wir brauchen Menschen aus der Arbeiterklasse in der Nationalversammlung, damit sie unsere Interessen vertreten”, sagt Keke der DW. Sie sitzt auf einer Parkbank in der Nähe der Bühne. Nur wenige Hundert Meter entfernt wohnt sie gemeinsam mit vier ihrer fünf Kinder in einem der Häuserblocks.

Keke, die auch die französische Staatsbürgerschaft hat, tritt zum ersten Mal als politische Kandidatin an. Doch sie hat sich schon lange zuvor für die Interessen der Gemeinschaft stark gemacht: So machten sie und ihre Kolleginnen im Juni 2021 Schlagzeilen, als sie die Eigentümer der Hotelketten Ibis und Accor nach 22 Monaten ununterbrochenem Streik zum Einlenken zwangen.

Die Forderungen der streikenden Zimmermädchen wurde fast alle erfüllt. “Unsere Löhne, die zwischen 600 bis 1000 Euro schwankten, sind auf 1300 bis 1900 Euro gestiegen – das zeigt doch, dass es genug Geld gibt und wir Armen in Frankreich durchaus mehr verdienen könnten”, meint Keke.

Aufholjagd von links?

“Das Programm von Nupes ist wie gemacht für Leute wie uns”, ist sie überzeugt. Das Linksbündnis plädiert unter anderem für einen monatlichen Mindestlohn von 1500 Euro (im Vergleich zu momentan rund 1300 Euro netto), für die Rente mit 60 Jahren (anstatt aktuell 62) und will Preise für Benzin und gewisse Basisprodukte deckeln.

Mit solchen Argumenten versucht Keke an diesem Samstagnachmittag die Bewohner des Vororts, dessen Armutsrate mehrere Prozentpunkte über dem landesweiten Durchschnitt liegt, für sich zu gewinnen – wie die 36-jährige Ruphin Olle Nne, der Keke einen Flyer in die Hand drückt.

Mélenchon will Premierminister werden

“Es wird immer schwerer, mit unseren kleinen Gehältern über die Runden zu kommen. Aber meinen Sie wirklich, dass sich die Dinge mit Nupes ändern werden?”, fragt die Arzthelferin, die zwei Kinder hat und ein drittes erwartet. “Ich glaube, wir können das schaffen”, antwortet Keke. “Aber dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.”

Nähe zu Putin

Kekes Gegenüber nickt und sagt: “Ja, das klingt überzeugend – schließlich sind Sie ja eine von uns und kennen unsere Lebensumstände.” In dem Moment laufen zwei junge Männer vorbei. “Wir sind auf Ihrer Seite, wir werden für Sie stimmen”, rufen sie Keke mit erhobenen Daumen zu. Die Kandidatin lächelt und winkt.

Frankreich Lille | Poster mit Jean-Luc Melenchon

Auf solche Unterstützung hofft auch Jean-Luc Mélenchon, der Chef von Nupes. Mit seiner Links-Außen-Partei La France Insoumise (LFI, zu deutsch Widerspenstiges Frankreich) war der 70-Jährige im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen im April mit knapp 22 Prozent der Stimmen auf Platz drei gelandet.

Präsident Emmanuel Macron gewann die Stichwahl gegen die rechtsextreme Marine Le Pen. In den Parlamentswahlen jedoch ist nicht die extreme Rechte Macrons Hauptkonkurrent, sondern die Linke. Le Pens Partei soll laut Umfragen höchstens um die 40 der 577 Parlamentssitze ergattern.

Die Linke hingegen soll im ersten Wahlgang sogar die meisten Stimmen bekommen. Um in den zweiten Wahlgang zu kommen, braucht ein Kandidat allerdings mindestens die Unterstützung von 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler. Den zweiten Wahlgang gewinnt der- oder diejenige mit den meisten Stimmen.

Mélenchon hat für die Wahlen die größten linksgerichteten Parteien hinter sich vereint. Sein relativ gutes Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen nutzte er als Argument, das gemeinsame Programm mit den Sozialisten, den Grünen und den Kommunisten – die jeweils weniger als fünf Prozent der Stimmen bekamen – in großen Teilen an den Vorgaben von LFI auszurichten.

Diese macht sich für Umweltschutz, Frauenrechte und die Rechte von Einwanderern stark. Nupes will Banken und Energieversorger verstaatlichen und jedem Bürger einen Job garantieren.

Der NATO steht die Linkskoalition kritisch gegenüber. La France Insoumise will aus dem Verteidigungsbündnis austreten und plant, gewissen EU-Regeln zuwiderzuhandeln.

“Wählt mich zum Premierminister”, fordert Mélenchon seit Gründung des Bündnisses die Wähler auf, obwohl der Abgeordnete selbst nicht wieder als Kandidat bei diesen Wahlen antritt. Sein Kalkül: Wenn Nupes eine Mehrheit im Parlament gewinnt, müsse Macron ihn als Regierungschef einsetzen, sonst würde das Parlament der Regierung das Misstrauen aussprechen.

Macron konterte mit einem Interview in französischen Regionalzeitungen: “Keine Partei kann dem Präsidenten einen Premierminister aufdrängen”, stellte er klar.

Macron konterte mit einem Interview in französischen Regionalzeitungen: “Keine Partei kann dem Präsidenten einen Premierminister aufdrängen”, stellte er klar.

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