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Letzte Ehre für Patrice Lumumba

Vor über 60 Jahren wurde der Freiheitsheld Patrice Lumumba im Kongo ermordet. Nur ein Zahn ist von seiner Leiche geblieben. Er findet nun in einem Mausoleum seine letzte Ruhestätte – doch das löst Debatten aus.

Es ist ein Begräbnis, das nicht nur der trauernden Familie, sondern dem ganzen kongolesischen Volk Frieden schenken soll: Am Donnerstag (30.06.) wurde der Goldzahn des ehemaligen Freiheitskämpfers Patrice Lumumba im Kongo beigesetzt. Er wird nun in einem eigens gebauten Mausoleum in der Hauptstadt Kinshasa ruhen. Vorher hatten die Menschen an verschiedenen Orten Abschied von dem einzigen sterblichen Überrest nehmen können, das vom früheren Premierminister geblieben ist.

Für viele Kongolesen ist Lumumba ein Volksheld. 1961 war er mit 35 Jahren nach einem von westlichen Mächten unterstützten Militärputsch entführt, gefoltert und ermordet worden – mit Unterstützung Belgiens und des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Seine in Säure aufgelöste Leiche wurde nie gefunden. Ein belgischer Polizist, der an der Beseitigung des Leichnams beteiligt war, hatte den Goldzahn offenbar als Trophäe aufbewahrt. Nach einer Intervention von Lumumbas Tochter wurde er der belgischen Regierung übergeben, die sich bis vor Kurzem weigerte, ihn seinen Nachkommen zu überlassen.

Es ist ein Begräbnis, das nicht nur der trauernden Familie, sondern dem ganzen kongolesischen Volk Frieden schenken soll: Am Donnerstag (30.06.) wurde der Goldzahn des ehemaligen Freiheitskämpfers Patrice Lumumba im Kongo beigesetzt. Er wird nun in einem eigens gebauten Mausoleum in der Hauptstadt Kinshasa ruhen. Vorher hatten die Menschen an verschiedenen Orten Abschied von dem einzigen sterblichen Überrest nehmen können, das vom früheren Premierminister geblieben ist.

“Mehr als 60 Jahre Schmerz” – so beschrieb Juliana Lumumba in einem DW-Interview Mitte Juni die Gefühle ihrer Familie. “Für uns als Familie muss es ja irgendwie weitergehen, aber dazu müssen wir die Überreste unseres Vaters beerdigen.” Der Zahn ist auch ein Symbol für die dunkle Geschichte Belgiens im Kongo. Eine Zeit, mit deren Aufarbeitung sich Belgien noch immer schwertut, wie Juliana Lumumba sagt.

60 Jahre Schmerz

Viele Kongolesen sehen das ähnlich. Der 41-jährige Beamte Patrick Batiki findet die Rückgabe des Zahnes durch Belgien wichtig – aber nicht ausreichend: “Sie sollten auch die Familie entschädigen. Indem sie den Zahn zurückgeben, beschuldigen sie sich indirekt selbst, dass sie es waren, die ihn getötet haben”, sagt Batiki im DW-Interview.

Die jüngsten Versöhnungsversuche Belgiens werten viele Kongolesen als Zeichen der Annäherung. Aber sie reichen nicht aus, um die koloniale Vergangenheit des Landes zu sühnen. Die Besetzung des Kongo, der ab 1885 zunächst Privatbesitz von König Leopold II. war und später belgische Kolonie wurde, gilt als eines der brutalsten Kapitel der afrikanischen Geschichte.

Es war Patrice Lumumba, der nach seiner Wahl im Juni 1960 die Verbrechen und Erniedrigungen während der Herrschaft der Belgier anprangerte – und den Kongolesen versprach, die gewaltigen Rohstoffvorkommen wie Gold, Elfenbein, Diamanten, Kautschuk und Uran zu verstaatlichen. So, hoffte Lumumba, würden mehr Menschen davon profitieren.

Die Welt befand sich auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs – Lumumbas Aufstieg löste im Westen die Befürchtung aus, er könnte sich der Sowjetunion zuwenden. Nur drei Monate nach seiner Wahl wurde er vom korrupten Armeeoberst Joseph Mobutu aus dem Amt geputscht, verhaftet und getötet. Später würde jener Mobutu als brutaler Diktator das Volk unterdrücken.

Die Kongolesen sollten Lumumbas Kampf fortsetzen, meint Augustin Bidonda. Der 30-jährige Buchhalter ist von Lumumbas Mut beeindruckt. Angesichts dessen sind die Kosten von 2,4 Millionen US-Dollar für das von chinesischen Firmen gebaute Mausoleum aus seiner Sicht fast nichts: “Lumumba hat mehr verdient. Ich würde mir wünschen, dass man eine solche Geschichte noch einmal in mehreren Provinzen macht”, sagte er zur DW.

Auch der Krankenpfleger Armand Onyangunga hält den Goldzahn Lumbumas für ein bedeutendes Symbol: “Das kongolesische Volk muss von dem Kampf wissen, den Lumumba geführt hat. Ihm ist es zu verdanken, dass wir den Sieg der Unabhängigkeit besingen.” Aber es gibt auch andere Stimmen in Kinshasa, die den teuren Bau der Gedenkstätte kritisieren: “Es ist nicht die richtige Zeit, um das zu bauen. Schauen Sie sich in unserer Nachbarschaft um, die Menschen leiden sehr. Das ist inakzeptabel! Es gibt keine Straßen, keinen Strom, kein Wasser und die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist schwierig”, sagte Mpia Mudiandambu vor wenigen Tagen zur DW.

Sogar Lumumbas Familie ist gespalten. Zwei seiner Kinder sind gegen die von Präsident Félix Tshisekedi organisierten Zeremonien. Michel Lumumba und Guy-Patrice Lumumba prangern eine politische Vereinnahmung ihres Vaters an. “Die sterblichen Überreste unseres Vaters gehören uns”, sagen sie.

Der belgische Kongo-Experte Ludo De Witte glaubt dagegen nicht, dass die Beisetzung des Zahns große Auswirkungen auf die aktuelle kongolesische Politik haben wird. Das größere Problem sei, dass sich die belgische Regierung trotz Worten des Bedauerns noch immer nicht klar mit der dunklen Vergangenheit ihres Landes auseinandersetze. Denn die Ermordung Lumumbas hatte Auswirkungen: Es folgte die jahrzehntelange Mobutu-Diktatur und mehrere Bürgerkriegen im Osten des Kongo.

Doch für viele junge Menschen, die sich in Bürgerbewegungen engagieren, ist Lumumba eine wichtige Referenz, sagt die Historikerin Karine Ramondy: “Denn diese Bewegungen stellen wirklich das dar, was man als Wächter der Demokratie bezeichnet. Man braucht in einem Land, und insbesondere im Ostkongo, eine Bewegung, die die Möglichkeit einer besseren Zukunft verkörpert.”

Mitarbeit: Jean Noel Bamweze (Kongo), Wendy Bashy, Priyanka Shankar

Belgien DRK Patrice Lumumba Übergabe Zahn
Patrice Lumumba | Kongo (historische Aufnahmen)
DRK Patrice Lumumba Lubumbashi

Es ist ein Begräbnis, das nicht nur der trauernden Familie, sondern dem ganzen kongolesischen Volk Frieden schenken soll: Am Donnerstag (30.06.) wurde der Goldzahn des ehemaligen Freiheitskämpfers Patrice Lumumba im Kongo beigesetzt. Er wird nun in einem eigens gebauten Mausoleum in der Hauptstadt Kinshasa ruhen. Vorher hatten die Menschen an verschiedenen Orten Abschied von dem einzigen sterblichen Überrest nehmen können, das vom früheren Premierminister geblieben ist.

Für viele Kongolesen ist Lumumba ein Volksheld. 1961 war er mit 35 Jahren nach einem von westlichen Mächten unterstützten Militärputsch entführt, gefoltert und ermordet worden – mit Unterstützung Belgiens und des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Seine in Säure aufgelöste Leiche wurde nie gefunden. Ein belgischer Polizist, der an der Beseitigung des Leichnams beteiligt war, hatte den Goldzahn offenbar als Trophäe aufbewahrt. Nach einer Intervention von Lumumbas Tochter wurde er der belgischen Regierung übergeben, die sich bis vor Kurzem weigerte, ihn seinen Nachkommen zu überlassen.

60 Jahre Schmerz

“Mehr als 60 Jahre Schmerz” – so beschrieb Juliana Lumumba in einem DW-Interview Mitte Juni die Gefühle ihrer Familie. “Für uns als Familie muss es ja irgendwie weitergehen, aber dazu müssen wir die Überreste unseres Vaters beerdigen.” Der Zahn ist auch ein Symbol für die dunkle Geschichte Belgiens im Kongo. Eine Zeit, mit deren Aufarbeitung sich Belgien noch immer schwertut, wie Juliana Lumumba sagt.

Viele Kongolesen sehen das ähnlich. Der 41-jährige Beamte Patrick Batiki findet die Rückgabe des Zahnes durch Belgien wichtig – aber nicht ausreichend: “Sie sollten auch die Familie entschädigen. Indem sie den Zahn zurückgeben, beschuldigen sie sich indirekt selbst, dass sie es waren, die ihn getötet haben”, sagt Batiki im DW-Interview.

Die jüngsten Versöhnungsversuche Belgiens werten viele Kongolesen als Zeichen der Annäherung. Aber sie reichen nicht aus, um die koloniale Vergangenheit des Landes zu sühnen. Die Besetzung des Kongo, der ab 1885 zunächst Privatbesitz von König Leopold II. war und später belgische Kolonie wurde, gilt als eines der brutalsten Kapitel der afrikanischen Geschichte.

Es war Patrice Lumumba, der nach seiner Wahl im Juni 1960 die Verbrechen und Erniedrigungen während der Herrschaft der Belgier anprangerte – und den Kongolesen versprach, die gewaltigen Rohstoffvorkommen wie Gold, Elfenbein, Diamanten, Kautschuk und Uran zu verstaatlichen. So, hoffte Lumumba, würden mehr Menschen davon profitieren.

Kampfgeist Lumumbas fortsetzen

Die Welt befand sich auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs – Lumumbas Aufstieg löste im Westen die Befürchtung aus, er könnte sich der Sowjetunion zuwenden. Nur drei Monate nach seiner Wahl wurde er vom korrupten Armeeoberst Joseph Mobutu aus dem Amt geputscht, verhaftet und getötet. Später würde jener Mobutu als brutaler Diktator das Volk unterdrücken.

Familie ist gespalten

Die Kongolesen sollten Lumumbas Kampf fortsetzen, meint Augustin Bidonda. Der 30-jährige Buchhalter ist von Lumumbas Mut beeindruckt. Angesichts dessen sind die Kosten von 2,4 Millionen US-Dollar für das von chinesischen Firmen gebaute Mausoleum aus seiner Sicht fast nichts: “Lumumba hat mehr verdient. Ich würde mir wünschen, dass man eine solche Geschichte noch einmal in mehreren Provinzen macht”, sagte er zur DW.

Auch der Krankenpfleger Armand Onyangunga hält den Goldzahn Lumbumas für ein bedeutendes Symbol: “Das kongolesische Volk muss von dem Kampf wissen, den Lumumba geführt hat. Ihm ist es zu verdanken, dass wir den Sieg der Unabhängigkeit besingen.” Aber es gibt auch andere Stimmen in Kinshasa, die den teuren Bau der Gedenkstätte kritisieren: “Es ist nicht die richtige Zeit, um das zu bauen. Schauen Sie sich in unserer Nachbarschaft um, die Menschen leiden sehr. Das ist inakzeptabel! Es gibt keine Straßen, keinen Strom, kein Wasser und die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist schwierig”, sagte Mpia Mudiandambu vor wenigen Tagen zur DW.

Sogar Lumumbas Familie ist gespalten. Zwei seiner Kinder sind gegen die von Präsident Félix Tshisekedi organisierten Zeremonien. Michel Lumumba und Guy-Patrice Lumumba prangern eine politische Vereinnahmung ihres Vaters an. “Die sterblichen Überreste unseres Vaters gehören uns”, sagen sie.

Wächter der Demokratie

Der belgische Kongo-Experte Ludo De Witte glaubt dagegen nicht, dass die Beisetzung des Zahns große Auswirkungen auf die aktuelle kongolesische Politik haben wird. Das größere Problem sei, dass sich die belgische Regierung trotz Worten des Bedauerns noch immer nicht klar mit der dunklen Vergangenheit ihres Landes auseinandersetze. Denn die Ermordung Lumumbas hatte Auswirkungen: Es folgte die jahrzehntelange Mobutu-Diktatur und mehrere Bürgerkriegen im Osten des Kongo.

Doch für viele junge Menschen, die sich in Bürgerbewegungen engagieren, ist Lumumba eine wichtige Referenz, sagt die Historikerin Karine Ramondy: “Denn diese Bewegungen stellen wirklich das dar, was man als Wächter der Demokratie bezeichnet. Man braucht in einem Land, und insbesondere im Ostkongo, eine Bewegung, die die Möglichkeit einer besseren Zukunft verkörpert.”

Mitarbeit: Jean Noel Bamweze (Kongo), Wendy Bashy, Priyanka Shankar

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