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José Eduardo dos Santos: Angolas ewiger Präsident ist tot

Über Jahrzehnte regierte er Angola mit eiserner Hand. Nun ist José Eduardo dos Santos im Alter von 79 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

José Eduardo dos Santos galt als leiser Autokrat. Er  war einer von Afrikas dienstältesten Staatschefs und prägte die Geschichte seines Landes über Jahrzehnte. Als er am 28. August 1942 geboren wird, ist Angola noch portugiesische Kolonie. Schon mit 16 tritt er der Befreiungsbewegung MPLA bei, die für die Unabhängigkeit Angolas ist. Als sie 1961 den bewaffneten Kampf gegen die Kolonialherren aufnimmt, geht dos Santos in Exil. Später studiert er in der Sowjetunion und wird Erdöl-Ingenieur. 1970 kehrt er in seine Heimat zurück.

Nach der Unabhängigkeit 1975 wird dos Santos Außenminister. Die MPLA verwandelt sich in eine politische Partei. Dos Santos und seine Mitstreiter bauen ein Einparteienregime nach sowjetischen Vorbild auf. Bald bricht der Bürgerkrieg mit der UNITA-Bewegung aus, die von Südafrika und den USA unterstützt wird. Dos Santos macht trotzdem als Planungsminister und stellvertretender Regierungschef Karriere. 1979 hat er sein Ziel erreicht: Nach dem Tod von Agostinho Neto wird er Staatspräsident und Parteichef der MPLA.

José Eduardo dos Santos galt als leiser Autokrat. Er  war einer von Afrikas dienstältesten Staatschefs und prägte die Geschichte seines Landes über Jahrzehnte. Als er am 28. August 1942 geboren wird, ist Angola noch portugiesische Kolonie. Schon mit 16 tritt er der Befreiungsbewegung MPLA bei, die für die Unabhängigkeit Angolas ist. Als sie 1961 den bewaffneten Kampf gegen die Kolonialherren aufnimmt, geht dos Santos in Exil. Später studiert er in der Sowjetunion und wird Erdöl-Ingenieur. 1970 kehrt er in seine Heimat zurück.

Der Bürgerkrieg geht weiter. Erst nachdem Rebellenchef Jonas Savimbi 2002 im Gefecht getötet wird, kommt das Land zur Ruhe. Dos Santos vermittelt auch bei den Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo und in der Zentralafrikanischen Republik. “Eduardo dos Santos war ein außergewöhnlicher Führer”, sagt sein Parteikollege João Pinto. “Nur wenige afrikanische Politiker sind seinem Vorbild gefolgt. Die meisten von ihnen sind durch einen Putsch an die Macht gekommen oder haben sich an die Macht geklammert, ohne grundlegende Reformen durchzubringen. Dos Santos war anders.”

Frieden als politisches Großprojekt

Kritiker sehen das anders. Denn auch dos Santos klammerte sich an die Macht. 2001 kündigt er erstmals an, bei den darauffolgenden Präsidentschaftswahlen nicht wieder zu kandidieren. Trotzdem tritt er sieben Jahre später wieder an. 2010 verabschiedet das Parlament eine neue Verfassung. Nun wird der Vorsitzende der stärksten Partei automatisch Präsident.

Bei den Parlamentswahlen 2012 bekommt die Regierungspartei MPLA wieder die Mehrheit. Dos Santos bleibt Präsident. Wahlbeobachter kritisieren, dass die Opposition bei den Wahlen keine fairen Chancen bekommen habe.  Erst bei der Wahl 2017 war es dann soweit, als dos Santos nicht mehr antrat. Als sein Nachfolger wurde João Lourenço am 26. September 2017 vereidigt. Die Parteiführung behielt dos Santos aber auch nach seinem Rücktritt weiter.

Mit Geld und Macht kontrolliert er weiterhin Parlament, Gerichte und Regierung. Medien und Opposition werden eingeschüchtert. Die Opposition kritisiert ihn für die grassierende Vetternwirtschaft. “In Angola haben wir eine Diktatur unter der Maske der Demokratie”, sagt der Aktivist Pedrowski Teca im DW-Gespräch. “Wenn man in seiner beruflichen oder akademischen Laufbahn erfolgreich sein will, bleibt einem nichts anderes übrig als Parteimitglied zu sein.”

Auch wirtschaftspolitisch hält dos Santos die Zügel in der Hand. Offiziell rückt er schon in den 1990er-Jahren vom Marxismus ab und führt die Marktwirtschaft ein. Angola wächst dadurch zur drittgrößten Wirtschaftsmacht und zum zweitgrößten Erdölproduzenten Afrikas heran. 2014 macht das Africa World Magazine dos Santos für seinen Einsatz zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zum Mann des Jahres.

Auch bei Investoren ist Angola beliebt. China ist der Lieblingspartner des Präsidenten. Das Land wird Hauptabnehmer angolanischen Erdöls. Aus Peking fließen Milliarden-Kredite für wichtige Infrastrukturprojekte. Anders als westliche Geber verliert die chinesische Führung keine kritischen Worte über die Menschenrechtsverletzungen und die fehlende Transparenz bei Staatsausgaben.

Denn viele Gewinne aus dem Erdölgeschäft fließen in dos Santos Tasche und in die seiner Gönner. Auf dem Index von Transparency International liegt Angola auf Platz 168 von 182 Staaten. Immer wieder wird der Regierung vorgeworfen, Gelder zu veruntreuen. Zum Beispiel fehlten von den Einnahmen der staatliche Erdölfirma Sonangol einmal rund 32 Milliarden Dollar.

Dos Santos weist solche Vorwürfe stets brüsk zurück. “Westliche Organisationen verbreiten mit Absicht das Bild von dem korrupten, reichen Afrikaner, um damit diejenigen einzuschüchtern, die lediglich Zugang zum Reichtum ihres eigenen Landes haben wollen”, sagt er 2013 in seiner Rede zur Lage der Nation. “Wenn man sich einmal die Konten von amerikanischen, englischen, französischen und portugiesischen Ölfirmen anguckt, sieht man, dass die es sind, die jedes Jahr Milliarden Dollar aus Angola schöpfen. Wieso können private Unternehmen in diesen Dimensionen verdienen, aber nicht wir Angolaner?”

Fakt aber ist: Vom Erdölreichtum haben viele Menschen nichts. Mehr als die Hälfte der Angolaner lebt unter der Armutsgrenze, es herrscht Massenarbeitslosigkeit. 87 Prozent der Stadtbewohner leben in Slums, etwa ein Drittel der Bevölkerung ist von ausländischen Nahrungsmittelhilfen abhängig.

“Uns ging es deutlich besser, als wir noch unter portugiesischer Kolonialherrschaft waren, als heute unter der MPLA”, sagt Júlio Baião der DW. Der Veteran kämpfte erst in der portugiesischen Armee gegen die MPLA, nach der Unabhängigkeit schloss er sich der UNITA an. “Zu Kolonialzeiten hatten wenigstens alle Angolaner etwas zu Essen. Das Leid, dass die MPLA den Menschen zufügt ist größer, als das, was wir unter der Kolonialmacht gespürt haben.”

Für die Familie dos Santos gilt das nicht. Schon während des Bürgerkrieges übernahm Eduardo dos Santos etliche Unternehmen. Später verbot das angolanische Parlament dem Präsidenten, finanzielle Beteiligungen an Unternehmen und Organisationen zu halten. Als Antwort darauf lässt dos Santos Unternehmensanteile und Schmiergelder seiner Tochter zukommen.

Isabel dos Santos ist nach Berechnungen des US-Magazins “Forbes” Afrikas erste Milliardärin und rangiert als einzige Frau unter den zehn reichsten Afrikanern. Zu ihrem Imperium gehören unter anderem Banken, ein Fußballclub und Angolas staatliche Ölgesellschaft. Auch sonst führt dos Santos das Land wie einen Familienbetrieb. In vielen Schlüsselpositionen platziert er seine Kinder.

Doch das sollte sich unter dem neuen Amtsinhaber João Lourenço ändern – er meinte es ernst mit seinem Kampf gegen Personenkult und Korruption: Als eine seiner ersten Amtshandlungen entließ er die Ex-Präsidententochter Isabel dos Santos, die der Vater an die Spitze des staatlichen Ölkonzerns Sonangol gehievt hatte.

Die Geschäftsbeziehungen ihrer vielen Privatunternehmen mit dem Staat wurden einer Prüfung durch die angolanische Staatsanwaltschaft unterzogen und mehrere Verträge gekündigt. 2020 kam es dann zur Anklage gegen die Milliardärin wegen Betrugs und Geldwäsche.

Ihr Bruder José Filomeno dos Santos war nach einem langen Prozess 2020 zu fünf Jahre Haft verurteilt worden. Er war von Präsident Lourenço als Chef des fünf Milliarden-US-Dollar-schweren staatlichen Öl-Fonds ebenfalls sofort entlassen worden.

Die Familie des Ex-Präsidenten hat in Angola stark an Glaubwürdigkeit verloren, doch für dos Santos wird sie aus persönlichen Gründen immer wichtiger: Seine gesundheitlichen Probleme werden deutlicher, seine öffentlichen Auftritte seltener, Reden kürzer und die Urlaube in Spanien länger. Dort soll er sich immer wieder medizinischen Behandlungen unterzogen haben.

Jetzt ist José Eduardo dos Santos im Alter von 79 Jahren in Barcelona gestorben.

Jose Eduardo dos Santos (2008)
Angola Wahlkampf 2017 | MPLA Joao Lourenco
Unternehmerin Isabel dos Santos

José Eduardo dos Santos galt als leiser Autokrat. Er  war einer von Afrikas dienstältesten Staatschefs und prägte die Geschichte seines Landes über Jahrzehnte. Als er am 28. August 1942 geboren wird, ist Angola noch portugiesische Kolonie. Schon mit 16 tritt er der Befreiungsbewegung MPLA bei, die für die Unabhängigkeit Angolas ist. Als sie 1961 den bewaffneten Kampf gegen die Kolonialherren aufnimmt, geht dos Santos in Exil. Später studiert er in der Sowjetunion und wird Erdöl-Ingenieur. 1970 kehrt er in seine Heimat zurück.

Nach der Unabhängigkeit 1975 wird dos Santos Außenminister. Die MPLA verwandelt sich in eine politische Partei. Dos Santos und seine Mitstreiter bauen ein Einparteienregime nach sowjetischen Vorbild auf. Bald bricht der Bürgerkrieg mit der UNITA-Bewegung aus, die von Südafrika und den USA unterstützt wird. Dos Santos macht trotzdem als Planungsminister und stellvertretender Regierungschef Karriere. 1979 hat er sein Ziel erreicht: Nach dem Tod von Agostinho Neto wird er Staatspräsident und Parteichef der MPLA.

Frieden als politisches Großprojekt

Der Bürgerkrieg geht weiter. Erst nachdem Rebellenchef Jonas Savimbi 2002 im Gefecht getötet wird, kommt das Land zur Ruhe. Dos Santos vermittelt auch bei den Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo und in der Zentralafrikanischen Republik. “Eduardo dos Santos war ein außergewöhnlicher Führer”, sagt sein Parteikollege João Pinto. “Nur wenige afrikanische Politiker sind seinem Vorbild gefolgt. Die meisten von ihnen sind durch einen Putsch an die Macht gekommen oder haben sich an die Macht geklammert, ohne grundlegende Reformen durchzubringen. Dos Santos war anders.”

Kritiker sehen das anders. Denn auch dos Santos klammerte sich an die Macht. 2001 kündigt er erstmals an, bei den darauffolgenden Präsidentschaftswahlen nicht wieder zu kandidieren. Trotzdem tritt er sieben Jahre später wieder an. 2010 verabschiedet das Parlament eine neue Verfassung. Nun wird der Vorsitzende der stärksten Partei automatisch Präsident.

Bei den Parlamentswahlen 2012 bekommt die Regierungspartei MPLA wieder die Mehrheit. Dos Santos bleibt Präsident. Wahlbeobachter kritisieren, dass die Opposition bei den Wahlen keine fairen Chancen bekommen habe.  Erst bei der Wahl 2017 war es dann soweit, als dos Santos nicht mehr antrat. Als sein Nachfolger wurde João Lourenço am 26. September 2017 vereidigt. Die Parteiführung behielt dos Santos aber auch nach seinem Rücktritt weiter.

Mit Geld und Macht kontrolliert er weiterhin Parlament, Gerichte und Regierung. Medien und Opposition werden eingeschüchtert. Die Opposition kritisiert ihn für die grassierende Vetternwirtschaft. “In Angola haben wir eine Diktatur unter der Maske der Demokratie”, sagt der Aktivist Pedrowski Teca im DW-Gespräch. “Wenn man in seiner beruflichen oder akademischen Laufbahn erfolgreich sein will, bleibt einem nichts anderes übrig als Parteimitglied zu sein.”

Reiches Angola, arme Angolaner

Auch wirtschaftspolitisch hält dos Santos die Zügel in der Hand. Offiziell rückt er schon in den 1990er-Jahren vom Marxismus ab und führt die Marktwirtschaft ein. Angola wächst dadurch zur drittgrößten Wirtschaftsmacht und zum zweitgrößten Erdölproduzenten Afrikas heran. 2014 macht das Africa World Magazine dos Santos für seinen Einsatz zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zum Mann des Jahres.

Ein Land wird zum Familienunternehmen

Auch bei Investoren ist Angola beliebt. China ist der Lieblingspartner des Präsidenten. Das Land wird Hauptabnehmer angolanischen Erdöls. Aus Peking fließen Milliarden-Kredite für wichtige Infrastrukturprojekte. Anders als westliche Geber verliert die chinesische Führung keine kritischen Worte über die Menschenrechtsverletzungen und die fehlende Transparenz bei Staatsausgaben.

Denn viele Gewinne aus dem Erdölgeschäft fließen in dos Santos Tasche und in die seiner Gönner. Auf dem Index von Transparency International liegt Angola auf Platz 168 von 182 Staaten. Immer wieder wird der Regierung vorgeworfen, Gelder zu veruntreuen. Zum Beispiel fehlten von den Einnahmen der staatliche Erdölfirma Sonangol einmal rund 32 Milliarden Dollar.

Dos Santos weist solche Vorwürfe stets brüsk zurück. “Westliche Organisationen verbreiten mit Absicht das Bild von dem korrupten, reichen Afrikaner, um damit diejenigen einzuschüchtern, die lediglich Zugang zum Reichtum ihres eigenen Landes haben wollen”, sagt er 2013 in seiner Rede zur Lage der Nation. “Wenn man sich einmal die Konten von amerikanischen, englischen, französischen und portugiesischen Ölfirmen anguckt, sieht man, dass die es sind, die jedes Jahr Milliarden Dollar aus Angola schöpfen. Wieso können private Unternehmen in diesen Dimensionen verdienen, aber nicht wir Angolaner?”

Fakt aber ist: Vom Erdölreichtum haben viele Menschen nichts. Mehr als die Hälfte der Angolaner lebt unter der Armutsgrenze, es herrscht Massenarbeitslosigkeit. 87 Prozent der Stadtbewohner leben in Slums, etwa ein Drittel der Bevölkerung ist von ausländischen Nahrungsmittelhilfen abhängig.

“Uns ging es deutlich besser, als wir noch unter portugiesischer Kolonialherrschaft waren, als heute unter der MPLA”, sagt Júlio Baião der DW. Der Veteran kämpfte erst in der portugiesischen Armee gegen die MPLA, nach der Unabhängigkeit schloss er sich der UNITA an. “Zu Kolonialzeiten hatten wenigstens alle Angolaner etwas zu Essen. Das Leid, dass die MPLA den Menschen zufügt ist größer, als das, was wir unter der Kolonialmacht gespürt haben.”

Für die Familie dos Santos gilt das nicht. Schon während des Bürgerkrieges übernahm Eduardo dos Santos etliche Unternehmen. Später verbot das angolanische Parlament dem Präsidenten, finanzielle Beteiligungen an Unternehmen und Organisationen zu halten. Als Antwort darauf lässt dos Santos Unternehmensanteile und Schmiergelder seiner Tochter zukommen.

Isabel dos Santos ist nach Berechnungen des US-Magazins “Forbes” Afrikas erste Milliardärin und rangiert als einzige Frau unter den zehn reichsten Afrikanern. Zu ihrem Imperium gehören unter anderem Banken, ein Fußballclub und Angolas staatliche Ölgesellschaft. Auch sonst führt dos Santos das Land wie einen Familienbetrieb. In vielen Schlüsselpositionen platziert er seine Kinder.

Doch das sollte sich unter dem neuen Amtsinhaber João Lourenço ändern – er meinte es ernst mit seinem Kampf gegen Personenkult und Korruption: Als eine seiner ersten Amtshandlungen entließ er die Ex-Präsidententochter Isabel dos Santos, die der Vater an die Spitze des staatlichen Ölkonzerns Sonangol gehievt hatte.

Die Geschäftsbeziehungen ihrer vielen Privatunternehmen mit dem Staat wurden einer Prüfung durch die angolanische Staatsanwaltschaft unterzogen und mehrere Verträge gekündigt. 2020 kam es dann zur Anklage gegen die Milliardärin wegen Betrugs und Geldwäsche.

Ihr Bruder José Filomeno dos Santos war nach einem langen Prozess 2020 zu fünf Jahre Haft verurteilt worden. Er war von Präsident Lourenço als Chef des fünf Milliarden-US-Dollar-schweren staatlichen Öl-Fonds ebenfalls sofort entlassen worden.

Die Familie des Ex-Präsidenten hat in Angola stark an Glaubwürdigkeit verloren, doch für dos Santos wird sie aus persönlichen Gründen immer wichtiger: Seine gesundheitlichen Probleme werden deutlicher, seine öffentlichen Auftritte seltener, Reden kürzer und die Urlaube in Spanien länger. Dort soll er sich immer wieder medizinischen Behandlungen unterzogen haben.

Jetzt ist José Eduardo dos Santos im Alter von 79 Jahren in Barcelona gestorben.

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