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Deutschland: Ist die Bundeswehr einsatzfähig?

Nach Russlands Angriff der Ukraine wollte die deutsche Regierung die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro modernisieren. Doch scheint wenig vom Geld anzukommen.

Nur für zwei Tage intensiver Kämpfe – über so viel Munition soll die Bundeswehr lediglich verfügen. Es waren alarmierende Schlagzeilen, die in deutschen Medien in den vergangenen Tagen über den Zustand des hiesigen Militärs erschienen. Die Zahl sickerte offenbar von ungenannten Quellen aus Verteidigungskreisen durch.

Sollte dies zutreffen (was nicht bestätigt werden kann, da es sich um ein Staatsgeheimnis handelt), liegen die deutschen Munitionsvorräte weit unter den von der NATO erwarteten Standards, die von jedem Mitgliedsland einen Munitionsvorrat für 30 Tage verlangt. Allein um dieses Defizit auszugleichen, müsste Deutschland nach Ansicht von Verteidigungsexperten 20 bis 30 Milliarden Euro investieren.

Nur für zwei Tage intensiver Kämpfe – über so viel Munition soll die Bundeswehr lediglich verfügen. Es waren alarmierende Schlagzeilen, die in deutschen Medien in den vergangenen Tagen über den Zustand des hiesigen Militärs erschienen. Die Zahl sickerte offenbar von ungenannten Quellen aus Verteidigungskreisen durch.

Weitere Engpässe gibt es zuhauf. Der Zustand der Ausrüstung der Bundeswehr ist seit langem ein Thema, das Sorgen bereitet: Geschichten über reparaturbedürftige Panzer und Hubschrauber, Gewehre, die nicht richtig schießen, und Soldaten, die in der Kälte ohne Thermounterwäsche trainieren müssen, füllen seit Jahren die Medien.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine “Zeitenwende” an, die von vielen im In- und Ausland als Wende in der Außenpolitik und Militärstrategie des Landes bejubelt wurde.

Um zu beweisen, dass er es ernst meinte, kündigte Scholz eine Aufstockung des jährlichen Verteidigungshaushalts an, wodurch dieser zum größten in ganz Europa würde, sowie einen einmaligen Sonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Modernisierung des Militärs.

Neun Monate später fragen sich einige, wo dieser Geldregen geblieben ist.

Der Munitionsstreit entfachte einen unappetitlichen Disput zwischen Regierung und der deutschen Rüstungsindustrie darüber, wer die Initiative hätte ergreifen sollen: Ist es Sache der Industrie, die Kapazitäten zuerst zu erhöhen, oder hätte die Regierung schneller Aufträge erteilen sollen?

“Das, was ich jetzt erwarte von der Rüstungsindustrie ist, dass man Kapazitäten aufbaut”, sagte Lars Klingbeil, Bundesvorsitzender der SPD, zu Beginn der Woche in der ARD. “Aber abzuwarten und zu sagen: erst einmal gucken wir, was die Politik uns bietet – das ist keine Haltung, mit der wir jetzt erfolgreich diese Defizite abbauen werden.”

Und er ergänzt: “Wenn die deutsche Rüstungsindustrie das nicht hinbekommt … dann müssen wir gucken, was können wir auch im Ausland, zum Beispiel bei anderen NATO-Staaten, einkaufen.”

Klingbeil liege “ziemlich falsch”, war die prompte Reaktion von Hans Christoph Atzpodien, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Atzpodien sagte der Nachrichtenagentur dpa, große deutsche Rüstungsunternehmen hätten ihre Kapazitäten bereits in den Wochen nach Beginn des Krieges in der Ukraine verdoppelt.

“Es ist lächerlich, was für ein Theater sich zwischen der Rüstungsindustrie und der Regierung abspielt”, sagt Rafael Loss, Verteidigungsanalyst beim European Council on Foreign Relations (ECFR), im Gespräch mit der DW.

Loss verweist auf Vorschriften, die die Rüstungsunternehmen daran hinderten, proaktiv Waffen zu produzieren oder Banken um Kredite zu bitten, ohne einen staatlichen Auftrag zu haben.

Er befürchte, dass es Deutschland an einem Gefühl der Dringlichkeit mangele, auf die geopolitischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu reagieren. “Andere Länder, vor allem in Osteuropa, haben viel schneller die entsprechenden Arbeitsgruppen zwischen Regierung und Industrie eingerichtet”, sagt Loss.

Schon jetzt sind die NATO-Partner in Nordosteuropa besorgt, dass sie sich nicht mehr auf Deutschland als militärischen Partner verlassen können. “Wir sind bereit zu sterben. Sie auch?”, fragte der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks auf einer Konferenz in Berlin Ende Oktober seine europäischen Kollegen. Direkt an die Deutschen gewandt, sagte er: “Sehr viel wird von der Militärmacht ihres Landes abhängen, und, Entschuldigung, ihre Militärmacht ist aktuell nicht da.”

“Um Scholz gegenüber fair zu bleiben, denke ich, dass seine Zeitenwende-Rede angedeutet hat, dass er sich implizit dieser bedeutenden Herausforderung bewusst ist”, sagt Loss. “Aber es sieht so aus, als würde das Verteidigungsministerium und andere Institutionen der Aufgabe, all diese Bälle in der Luft zu halten, nicht wirklich gewachsen sein.”

Unter Scholz wurden bereits wichtige Aufträge erteilt. Deutschland hat einen Vertrag über den Kauf von 35 Kampfjets des Typs F-35 aus amerikanischer Produktion unterzeichnet, die die alternde Tornado-Flotte ersetzen sollen und jeweils 200 Millionen Euro kosten. Allerdings werden sie erst 2027 einsatzbereit sein.

Die Beschaffung von Militärgütern ist immer langwierig und andere westeuropäische Länder stehen vor ähnlichen Problemen bei der Erneuerung ihrer Strukturen aus Friedenszeiten. Ob Socken oder Kampfflugzeuge, fast alles, was das Militär braucht, muss erst bestellt und dann hergestellt werden. “Sie werden bestimmte Systeme nicht einfach im Baumarkt aus dem Regal holen können”, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Haushaltsdebatte des Bundestages vergangene Woche.

“Um eine nachhaltige Versorgung mit Munition für die an die Ukraine gelieferten Waffen zu gewährleisten und gleichzeitig die Bundeswehr in dem erforderlichen Umfang wieder aufzubauen”, so Loss, “benötigen wir etwa das 15-fache an Munition.”

Aber es gibt zahlreiche langfristige Probleme. In den letzten Jahrzehnten hat die Bundeswehr viele ihrer aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden Lagerbunker verkauft. Das bedeutet, dass das Militär selbst dann, wenn es über die von der NATO vorgeschriebene Munition für 30 Tage verfügen würde, Schwierigkeiten hätte, sie irgendwo unterzubringen.

Für Verteidigungsexperte Loss ist die Kritik der oppositionellen Christlich-Demokratischen Union (CDU) hohle Worte. “Die Dinge waren in den letzten 16 Jahren nicht anders, als die CDU an der Macht war”, sagte er. “Es ist amüsant zu sehen, wie SPD und CDU sich gegenseitig die Schuld für den traurigen Zustand der Bundeswehr geben, aber ich denke, dass beide ungefähr gleich viel Schuld tragen.”

Das in Litauen stationierte NATO-Bataillon Forward Forces
Verteidigungsministerin Lambrecht in Vilnius

Scholz will Bundeswehr besser ausrüsten

Nur für zwei Tage intensiver Kämpfe – über so viel Munition soll die Bundeswehr lediglich verfügen. Es waren alarmierende Schlagzeilen, die in deutschen Medien in den vergangenen Tagen über den Zustand des hiesigen Militärs erschienen. Die Zahl sickerte offenbar von ungenannten Quellen aus Verteidigungskreisen durch.

Sollte dies zutreffen (was nicht bestätigt werden kann, da es sich um ein Staatsgeheimnis handelt), liegen die deutschen Munitionsvorräte weit unter den von der NATO erwarteten Standards, die von jedem Mitgliedsland einen Munitionsvorrat für 30 Tage verlangt. Allein um dieses Defizit auszugleichen, müsste Deutschland nach Ansicht von Verteidigungsexperten 20 bis 30 Milliarden Euro investieren.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Weitere Engpässe gibt es zuhauf. Der Zustand der Ausrüstung der Bundeswehr ist seit langem ein Thema, das Sorgen bereitet: Geschichten über reparaturbedürftige Panzer und Hubschrauber, Gewehre, die nicht richtig schießen, und Soldaten, die in der Kälte ohne Thermounterwäsche trainieren müssen, füllen seit Jahren die Medien.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine “Zeitenwende” an, die von vielen im In- und Ausland als Wende in der Außenpolitik und Militärstrategie des Landes bejubelt wurde.

Um zu beweisen, dass er es ernst meinte, kündigte Scholz eine Aufstockung des jährlichen Verteidigungshaushalts an, wodurch dieser zum größten in ganz Europa würde, sowie einen einmaligen Sonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Modernisierung des Militärs.

Neun Monate später fragen sich einige, wo dieser Geldregen geblieben ist.

Nachschub rollt gerade erst an

Der Munitionsstreit entfachte einen unappetitlichen Disput zwischen Regierung und der deutschen Rüstungsindustrie darüber, wer die Initiative hätte ergreifen sollen: Ist es Sache der Industrie, die Kapazitäten zuerst zu erhöhen, oder hätte die Regierung schneller Aufträge erteilen sollen?

Eine Geschichte der Unzulänglichkeiten

“Das, was ich jetzt erwarte von der Rüstungsindustrie ist, dass man Kapazitäten aufbaut”, sagte Lars Klingbeil, Bundesvorsitzender der SPD, zu Beginn der Woche in der ARD. “Aber abzuwarten und zu sagen: erst einmal gucken wir, was die Politik uns bietet – das ist keine Haltung, mit der wir jetzt erfolgreich diese Defizite abbauen werden.”

Und er ergänzt: “Wenn die deutsche Rüstungsindustrie das nicht hinbekommt … dann müssen wir gucken, was können wir auch im Ausland, zum Beispiel bei anderen NATO-Staaten, einkaufen.”

Klingbeil liege “ziemlich falsch”, war die prompte Reaktion von Hans Christoph Atzpodien, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Atzpodien sagte der Nachrichtenagentur dpa, große deutsche Rüstungsunternehmen hätten ihre Kapazitäten bereits in den Wochen nach Beginn des Krieges in der Ukraine verdoppelt.

“Es ist lächerlich, was für ein Theater sich zwischen der Rüstungsindustrie und der Regierung abspielt”, sagt Rafael Loss, Verteidigungsanalyst beim European Council on Foreign Relations (ECFR), im Gespräch mit der DW.

Loss verweist auf Vorschriften, die die Rüstungsunternehmen daran hinderten, proaktiv Waffen zu produzieren oder Banken um Kredite zu bitten, ohne einen staatlichen Auftrag zu haben.

Er befürchte, dass es Deutschland an einem Gefühl der Dringlichkeit mangele, auf die geopolitischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu reagieren. “Andere Länder, vor allem in Osteuropa, haben viel schneller die entsprechenden Arbeitsgruppen zwischen Regierung und Industrie eingerichtet”, sagt Loss.

Schon jetzt sind die NATO-Partner in Nordosteuropa besorgt, dass sie sich nicht mehr auf Deutschland als militärischen Partner verlassen können. “Wir sind bereit zu sterben. Sie auch?”, fragte der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks auf einer Konferenz in Berlin Ende Oktober seine europäischen Kollegen. Direkt an die Deutschen gewandt, sagte er: “Sehr viel wird von der Militärmacht ihres Landes abhängen, und, Entschuldigung, ihre Militärmacht ist aktuell nicht da.”

F-35 Kampfjets der U.S. Air Force

“Um Scholz gegenüber fair zu bleiben, denke ich, dass seine Zeitenwende-Rede angedeutet hat, dass er sich implizit dieser bedeutenden Herausforderung bewusst ist”, sagt Loss. “Aber es sieht so aus, als würde das Verteidigungsministerium und andere Institutionen der Aufgabe, all diese Bälle in der Luft zu halten, nicht wirklich gewachsen sein.”

Unter Scholz wurden bereits wichtige Aufträge erteilt. Deutschland hat einen Vertrag über den Kauf von 35 Kampfjets des Typs F-35 aus amerikanischer Produktion unterzeichnet, die die alternde Tornado-Flotte ersetzen sollen und jeweils 200 Millionen Euro kosten. Allerdings werden sie erst 2027 einsatzbereit sein.

Die Beschaffung von Militärgütern ist immer langwierig und andere westeuropäische Länder stehen vor ähnlichen Problemen bei der Erneuerung ihrer Strukturen aus Friedenszeiten. Ob Socken oder Kampfflugzeuge, fast alles, was das Militär braucht, muss erst bestellt und dann hergestellt werden. “Sie werden bestimmte Systeme nicht einfach im Baumarkt aus dem Regal holen können”, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Haushaltsdebatte des Bundestages vergangene Woche.

“Um eine nachhaltige Versorgung mit Munition für die an die Ukraine gelieferten Waffen zu gewährleisten und gleichzeitig die Bundeswehr in dem erforderlichen Umfang wieder aufzubauen”, so Loss, “benötigen wir etwa das 15-fache an Munition.”

Aber es gibt zahlreiche langfristige Probleme. In den letzten Jahrzehnten hat die Bundeswehr viele ihrer aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden Lagerbunker verkauft. Das bedeutet, dass das Militär selbst dann, wenn es über die von der NATO vorgeschriebene Munition für 30 Tage verfügen würde, Schwierigkeiten hätte, sie irgendwo unterzubringen.

Für Verteidigungsexperte Loss ist die Kritik der oppositionellen Christlich-Demokratischen Union (CDU) hohle Worte. “Die Dinge waren in den letzten 16 Jahren nicht anders, als die CDU an der Macht war”, sagte er. “Es ist amüsant zu sehen, wie SPD und CDU sich gegenseitig die Schuld für den traurigen Zustand der Bundeswehr geben, aber ich denke, dass beide ungefähr gleich viel Schuld tragen.”

Grundlegende Nachschubprobleme sind seit langem ein Thema. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sagte kürzlich der Wochenzeitung “Die Zeit”, dass deutsche Soldaten immer noch ohne die notwendige Schutzausrüstung, Thermounterwäsche und andere wichtige Utensilien trainieren müssen.

Sie sprach von einer Kombination aus logistischer Ineffizienz, einem Tief nach der Pandemie und bürokratischer Trägheit: “Leider gibt es auch bei der Bundeswehr in den Ämtern manchmal Gleichgültigkeit und Desinteresse bei den zuständigen Beamten: ‘Haben wir nicht, geduldet euch, wird schon nicht so wichtig sein, schicken wir hinterher’, so etwas hören die Soldaten ständig.”

Sie sprach von einer Kombination aus logistischer Ineffizienz, einem Tief nach der Pandemie und bürokratischer Trägheit: “Leider gibt es auch bei der Bundeswehr in den Ämtern manchmal Gleichgültigkeit und Desinteresse bei den zuständigen Beamten: ‘Haben wir nicht, geduldet euch, wird schon nicht so wichtig sein, schicken wir hinterher’, so etwas hören die Soldaten ständig.”

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