Wirtschaft

Europas LNG-Zukunft: Viel Geld für nichts?

Europa versucht, russisches Gas durch LNG zu ersetzen und investiert Milliarden in die Infrastruktur. Das könnte sich als teure Sackgasse erweisen. Sowohl für die Steuerzahler als auch für das Klima.

Am 5. März, Russland war gerade in die Ukraine einmarschiert, machte Ursula von der Leyen einen Fehler – der keiner war: “Die EU muss sich von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreien”, twitterte die EU-Kommissionspräsidenten aus Sorge, Russland könnte Europa den Gashahn zudrehen, und lobte, dass “Spanien mit seinem hohen Anteil an erneuerbaren Energien und LNG-Kapazitäten ein Vorreiter” sei.

Das Problem: Auch LNG, sogenanntes Flüssiggas, ist fossiles Gas. Es wird aus der Erde gepumpt, teils gefrackt und am Ende klimazerstörerisch verbrannt. Das ist auch von der Leyen bekannt. Trotzdem vermischt die Erfinderin des European Green Deals, mit dem der Kontinent sich dekarbonisieren soll, das Thema LNG mit dem Thema Erneuerbare Energien immer wieder. 

Am 5. März, Russland war gerade in die Ukraine einmarschiert, machte Ursula von der Leyen einen Fehler – der keiner war: “Die EU muss sich von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreien”, twitterte die EU-Kommissionspräsidenten aus Sorge, Russland könnte Europa den Gashahn zudrehen, und lobte, dass “Spanien mit seinem hohen Anteil an erneuerbaren Energien und LNG-Kapazitäten ein Vorreiter” sei.

Diese Klima-Flunkerei könnte für Europa noch teuer werden – ökologisch und finanziell. Denn Infrastruktur, in die Europa milliardenschwer investiert, dürfte bald nutzlos oder viel teurer werden, will die EU die Klimakrise nicht weiter verschärfen. 

LNG boomt und die Kosten sind hoch

Der größte Gas-Verbraucher in Europa ist Deutschland, gefolgt von Italien, den Niederlanden, der Slowakei und Frankreich, so Eurostat. Besonders diese Länder versuchen ihre Gas-Importe aus Russland durch Lieferungen aus anderen Quellen zu ersetzen. 

“Seit Beginn des Krieges sind die LNG-Exporte nach Europa um 58 Prozent gestiegen”, sagt Paula Di Mattia Peraire, Gasanalystin des Independent Commodity Intelligence Service (ICIS). Besonders Deutschland, Griechenland, Italien, aber auch Irland, Frankreich, die Niederlande und Polen bauen ihre Küsteninfrastruktur aus. 

“In Europa wird derzeit viel in LNG investiert”, sagt Analystin Peraire vom ICIS. “Wenn alle diese Projekte verwirklicht werden, – wir sprechen von etwa 15 neuen bis Ende 2024 – wird die Regasifizierungskapazität um 70 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen.”

Besonders viel Staatsgeld fließt derzeit in Küsten-Terminals, an denen das heruntergekühlte Flüssiggas abgeladen und erwärmt wird, bis es wieder gasförmig in die Leitungsnetze eingespeist wird. Derzeit stehen zu wenige – insbesondere in der Nord- und Ostsee – zur Verfügung, um Europas Gasbedarf zu decken. 

Allerdings gibt es nicht nur einen, sondern neben den Terminals noch zwei weitere Engpässe beim Import von Gas.

Soll russisches Pipeline-Gas ersetzt werden, muss Gas aus anderen Quellen erst mit Tankern nach Europa verschifft werden. Diese LNG-Tanker, gut erkennbar an den typischen Kugeltanks, fassen bis zu 175.000 Kubikmeter Flüssiggas, was 90 Millionen Kubikmeter weniger dichtem Pipelinegas entspricht. Um die jährlichen 167 Milliarden Kubikmeter russischen Gases zu ersetzen, sind also rund 1800 Schiffsladungen für Europa nötig – bzw. fünf pro Tag.

Laut des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik bräuchte es dafür 160 neue Tanker. Bei einem Stückpreis von 220 Millionen US-Dollar ein Investment von 35 Milliarden US-Dollar. 

Außerdem muss LNG-Gas künftig von Spanien, Frankreich und den Niederlanden nach Mittel- und Osteuropa fließen, statt wie bisher von Ost nach West. Da Gasfernleitungen jedoch meist Einbahnstraßen sind, ist ein “Reverse-Flow” nur beschränkt möglich. Die derzeitigen für Europa zentralen deutschen Kapazitäten müssten dafür laut Fraunhofer Institut mindestens verdoppelt werden. 

All das steht im krassen Gegensatz zu den Klimazielen der EU. Der Block will bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland ab 2045. Verbrennt die EU mehr LNG, steigen aber die Emissionen. 

“Wir haben einen Klima-Notfall”, sagt Energieexpertin Ganna Gladkykh bei der European Energy Research Alliance (EERA). “Selbst die IEA sagt, ab sofort sollte es keine Investitionen in fossile Brennstoffe mehr geben. Nur dann können wir die Klimaziele erreichen.” Trotzdem investiere die EU nun Milliarden in Gas-Infrastruktur. “Es macht keinen Sinn, in LNG zu investieren, schon gar nicht in Europa.”

Lösen sollen das Problem klimafreundlich hergestellte Gase. Statt fossilem Erdgas sollen in ein paar Jahren Ammoniak und vor allem Flüssigwasserstoff verarbeitet werden. Einzig dann ließen sich die ansonsten nutzlosen Tanker, Terminale und Transitleitungen weiterverwenden – so zumindest die Hoffnung. 

Doch Gladkykh hat Zweifel an der Umstellung. “Die Politik sagt, dass die Infrastruktur für Wasserstoff bereit ist, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Die Geschichte, die die Entscheidungsträger verkaufen, ist, dass wir zwar in fossiles LNG investieren, diese Investitionen aber nicht umsonst sind, wenn wir auf eine umweltfreundlichere Wasserstofftechnologie umstellen.”

“Die Umstellung ist aber nicht geklärt”, sagt Rainer Quitzow, Forschungsgruppenleiter vom Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS). Wasserstoff wird heute, 2022, noch gar nicht verschifft.” Dafür brauche man andere Legierungen und Materialien, so Quitzow, denn Wasserstoff sei explosiver und deswegen gefährlicher: “Es wird eine deutliche Zusatzinvestitionen erfordern.” 

Die International Renewable Energy Agency schätzt die Mehrkosten für den Austausch von Pumpen, Ventilen, Instrumenten und Sicherheitssystemen auf bis zu 20 Prozent einer LNG-Anlage. Wasserstoff müsse um weitere 100 Grad herunter gekühlt werden als das ohnehin schon minus 160 Grad kalte LNG. Die derzeitigen LNG-Tanker und Terminals könnten dafür nicht genutzt werden. 

Zudem müssen alle Wasserstoffe erst einmal nachhaltig durch Windkraft oder Sonnenenergie erzeugt und nach Europa transportiert werden. Denn um Europas Energiedurst nach Wasserstoff zu stillen, reicht die von Sonnen- und Windenergie hierzulande nicht aus. 

Ein Flüssiggastanker vor den Kanarischen Inseln

Am 5. März, Russland war gerade in die Ukraine einmarschiert, machte Ursula von der Leyen einen Fehler – der keiner war: “Die EU muss sich von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreien”, twitterte die EU-Kommissionspräsidenten aus Sorge, Russland könnte Europa den Gashahn zudrehen, und lobte, dass “Spanien mit seinem hohen Anteil an erneuerbaren Energien und LNG-Kapazitäten ein Vorreiter” sei.

Das Problem: Auch LNG, sogenanntes Flüssiggas, ist fossiles Gas. Es wird aus der Erde gepumpt, teils gefrackt und am Ende klimazerstörerisch verbrannt. Das ist auch von der Leyen bekannt. Trotzdem vermischt die Erfinderin des European Green Deals, mit dem der Kontinent sich dekarbonisieren soll, das Thema LNG mit dem Thema Erneuerbare Energien immer wieder. 

LNG boomt und die Kosten sind hoch

Diese Klima-Flunkerei könnte für Europa noch teuer werden – ökologisch und finanziell. Denn Infrastruktur, in die Europa milliardenschwer investiert, dürfte bald nutzlos oder viel teurer werden, will die EU die Klimakrise nicht weiter verschärfen. 

Der größte Gas-Verbraucher in Europa ist Deutschland, gefolgt von Italien, den Niederlanden, der Slowakei und Frankreich, so Eurostat. Besonders diese Länder versuchen ihre Gas-Importe aus Russland durch Lieferungen aus anderen Quellen zu ersetzen. 

“Seit Beginn des Krieges sind die LNG-Exporte nach Europa um 58 Prozent gestiegen”, sagt Paula Di Mattia Peraire, Gasanalystin des Independent Commodity Intelligence Service (ICIS). Besonders Deutschland, Griechenland, Italien, aber auch Irland, Frankreich, die Niederlande und Polen bauen ihre Küsteninfrastruktur aus. 

“In Europa wird derzeit viel in LNG investiert”, sagt Analystin Peraire vom ICIS. “Wenn alle diese Projekte verwirklicht werden, – wir sprechen von etwa 15 neuen bis Ende 2024 – wird die Regasifizierungskapazität um 70 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen.”

Engpässe für den LNG Ausbau: Schiffe und Leitungsnetz 

Besonders viel Staatsgeld fließt derzeit in Küsten-Terminals, an denen das heruntergekühlte Flüssiggas abgeladen und erwärmt wird, bis es wieder gasförmig in die Leitungsnetze eingespeist wird. Derzeit stehen zu wenige – insbesondere in der Nord- und Ostsee – zur Verfügung, um Europas Gasbedarf zu decken. 

Energieexperte: “Das macht keinen Sinn!”

Allerdings gibt es nicht nur einen, sondern neben den Terminals noch zwei weitere Engpässe beim Import von Gas.

Soll russisches Pipeline-Gas ersetzt werden, muss Gas aus anderen Quellen erst mit Tankern nach Europa verschifft werden. Diese LNG-Tanker, gut erkennbar an den typischen Kugeltanks, fassen bis zu 175.000 Kubikmeter Flüssiggas, was 90 Millionen Kubikmeter weniger dichtem Pipelinegas entspricht. Um die jährlichen 167 Milliarden Kubikmeter russischen Gases zu ersetzen, sind also rund 1800 Schiffsladungen für Europa nötig – bzw. fünf pro Tag.

Wasserstoff soll LNG ablösen

Laut des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik bräuchte es dafür 160 neue Tanker. Bei einem Stückpreis von 220 Millionen US-Dollar ein Investment von 35 Milliarden US-Dollar. 

Außerdem muss LNG-Gas künftig von Spanien, Frankreich und den Niederlanden nach Mittel- und Osteuropa fließen, statt wie bisher von Ost nach West. Da Gasfernleitungen jedoch meist Einbahnstraßen sind, ist ein “Reverse-Flow” nur beschränkt möglich. Die derzeitigen für Europa zentralen deutschen Kapazitäten müssten dafür laut Fraunhofer Institut mindestens verdoppelt werden. 

Pipeline-Gas oder LNG: Was ist schädlicher fürs Klima? 

All das steht im krassen Gegensatz zu den Klimazielen der EU. Der Block will bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland ab 2045. Verbrennt die EU mehr LNG, steigen aber die Emissionen. 

Russlands eingefrorene LNG-Pläne

“Wir haben einen Klima-Notfall”, sagt Energieexpertin Ganna Gladkykh bei der European Energy Research Alliance (EERA). “Selbst die IEA sagt, ab sofort sollte es keine Investitionen in fossile Brennstoffe mehr geben. Nur dann können wir die Klimaziele erreichen.” Trotzdem investiere die EU nun Milliarden in Gas-Infrastruktur. “Es macht keinen Sinn, in LNG zu investieren, schon gar nicht in Europa.”

Lösen sollen das Problem klimafreundlich hergestellte Gase. Statt fossilem Erdgas sollen in ein paar Jahren Ammoniak und vor allem Flüssigwasserstoff verarbeitet werden. Einzig dann ließen sich die ansonsten nutzlosen Tanker, Terminale und Transitleitungen weiterverwenden – so zumindest die Hoffnung. 

Doch Gladkykh hat Zweifel an der Umstellung. “Die Politik sagt, dass die Infrastruktur für Wasserstoff bereit ist, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Die Geschichte, die die Entscheidungsträger verkaufen, ist, dass wir zwar in fossiles LNG investieren, diese Investitionen aber nicht umsonst sind, wenn wir auf eine umweltfreundlichere Wasserstofftechnologie umstellen.”

“Die Umstellung ist aber nicht geklärt”, sagt Rainer Quitzow, Forschungsgruppenleiter vom Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS). Wasserstoff wird heute, 2022, noch gar nicht verschifft.” Dafür brauche man andere Legierungen und Materialien, so Quitzow, denn Wasserstoff sei explosiver und deswegen gefährlicher: “Es wird eine deutliche Zusatzinvestitionen erfordern.” 

Die International Renewable Energy Agency schätzt die Mehrkosten für den Austausch von Pumpen, Ventilen, Instrumenten und Sicherheitssystemen auf bis zu 20 Prozent einer LNG-Anlage. Wasserstoff müsse um weitere 100 Grad herunter gekühlt werden als das ohnehin schon minus 160 Grad kalte LNG. Die derzeitigen LNG-Tanker und Terminals könnten dafür nicht genutzt werden. 

Zudem müssen alle Wasserstoffe erst einmal nachhaltig durch Windkraft oder Sonnenenergie erzeugt und nach Europa transportiert werden. Denn um Europas Energiedurst nach Wasserstoff zu stillen, reicht die von Sonnen- und Windenergie hierzulande nicht aus. 

“In Anbetracht all dessen würde ich sagen, dass es sich um eine Überinvestition handelt”, kritisiert Gladkykh die europäische und speziell die deutsche Energiepolitik. Auch IASS-Experte Quitzow sieht, “ein Risiko, wenn wir Infrastruktur aufbauen, die nicht sinnvoll ist, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen.” Er vermute allerdings, dass, “wenn man Terminals und Anlagen erst einmal hat, es schwer werden dürfte davon wegzukommen, eben weil man stark investiert hat”. Das Nachsehen hätte der Planet. 

Doch schon jetzt steigen die Klimaschäden: Grundsätzlich gilt, dass bei der Förderung von konventionellem, zum Beispiel russischem, Erdgas weniger Emissionen freigesetzt werden als beim Fracking. Gas aus Katar oder den USA muss dann, anders als russisches Pipeline-Gas, erst verflüssigt werden, um transportabel zu sein. Dafür wird das Gas durch Druck stark komprimiert und dann wieder “entspannt”, wobei es bei jedem Mal abkühlt. Dabei gehen acht bis 25 Prozent der Energieausbeute durch den Betrieb der Kompressoren verloren.

Doch schon jetzt steigen die Klimaschäden: Grundsätzlich gilt, dass bei der Förderung von konventionellem, zum Beispiel russischem, Erdgas weniger Emissionen freigesetzt werden als beim Fracking. Gas aus Katar oder den USA muss dann, anders als russisches Pipeline-Gas, erst verflüssigt werden, um transportabel zu sein. Dafür wird das Gas durch Druck stark komprimiert und dann wieder “entspannt”, wobei es bei jedem Mal abkühlt. Dabei gehen acht bis 25 Prozent der Energieausbeute durch den Betrieb der Kompressoren verloren.

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