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Viel Lob, wenig Details: Der Holocaust als geplantes Unterrichtsthema in den VAE

Als erstes arabisches Land im Nahen Osten wollen die Vereinigten Arabischen Emirate den Holocaust als reguläres Unterrichtsthema an ihren Schulen einführen – ein Meilenstein. Viele Einzelheiten scheinen aber noch offen.

Die Nachricht erregte Aufsehen: Anfang Januar teilte die Botschaft der Vereinten Arabischen Emirate (VAE) in Washington über Twitter mit, das Land werde den Holocaust als Unterrichtsthema in den Lehrplan für Grund- und Sekundarschulen aufnehmen. Das Vorhaben, so ist dem Tweet zu entnehmen, ist aus Sicht der VAE eine logische Folge aus den vor gut zwei Jahren unterzeichneten Abraham-Abkommen mehrerer Länder zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel. 

Nicht nur die VAE, auch Länder wie Bahrain, Marokko und Sudan haben die Abkommen unterzeichnet – ähnlich wie Jahrzehnte zuvor bereits Ägypten und Jordanien Israel offiziell anerkannt hatten, während andere Länder bis heute jeden offiziellen Kontakt mit dem jüdischen Staat ablehnen. Die VAE nehmen bei den jüngsten Bemühungen zur Versöhnung zwischen Israel und arabischer Staatenwelt jedoch erkennbar eine Vorreiterrolle ein.

Die Nachricht erregte Aufsehen: Anfang Januar teilte die Botschaft der Vereinten Arabischen Emirate (VAE) in Washington über Twitter mit, das Land werde den Holocaust als Unterrichtsthema in den Lehrplan für Grund- und Sekundarschulen aufnehmen. Das Vorhaben, so ist dem Tweet zu entnehmen, ist aus Sicht der VAE eine logische Folge aus den vor gut zwei Jahren unterzeichneten Abraham-Abkommen mehrerer Länder zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel. 

Eine führende Rolle suchen die VAE nun offenbar auch bei der Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Der Holocaust als reguläres Unterrichtsthema für Schulkinder, das wäre nach bisherigem Stand einmalig in der arabischen Welt, ein Durchbruch. Bereits im November vergangenen Jahres hatte Ali Al Nuaimi, Mitglied des Nationalen Rats der VAE, in Washington erklärt, das Gedenken an die Opfer des Holocaust sei “von entscheidender Bedeutung”. 

Lob aus Israel und den USA

Die arabische Welt, in der viele Bürger im Nahost-Konflikt mit den Palästinensern sympathisieren, tut sich allerdings in Teilen weiterhin schwer damit, den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden anzuerkennen. Zwar hat es in den vergangenen Jahren teilweise eine Sensibilisierung für das Thema gegeben. Aber auch Judenfeindlichkeit ist in vielen Ländern präsent. In Debatten auf sozialen Netzwerken und auch von manchen arabischen Politikern wird der Holocaust weiterhin teils geleugnet. Außerdem wird teils versucht, die massenhafte Ermordung von Juden in Deutschland und Europa während der Nazi-Zeit durch Hinweise auf das Schicksal der Palästinenser in Israel und in den palästinensischen Gebieten historisch aufzurechnen und zu relativieren.  

Entsprechend positiv reagierte das israelische Außenministerium auf die Nachricht aus der VAE-Botschaft. Es lobte in einem arabischsprachigen Tweet die “historische Entscheidung” der Emirate. 

Auch die Antisemitismus-Beauftragte des US-Außenministeriums, Deborah Lipstadt, würdigte das Vorhaben und erklärte auf Twitter, sie erwarte, dass nun auch andere Länder diesen Schritt gehen würden.

Allerdings: Über die konkrete Ausarbeitung der Schulbücher ist bislang wenig bekannt. Laut einem Bericht der in den VAE erscheinenden regierungsnahen Zeitung “The National” erfolgt die Konzeption in Zusammenarbeit mit der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und dem israelisch-britischen Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education, (Impact-se).

Viel Konkretes ist dort bisher aber noch nicht zu erfahren. Man habe die VAE gerne beraten und Informationen zur Verfügung gestellt, von denen man hoffe, dass sie im Unterricht über den Holocaust nützlich seien, sagt Marcus Sheff, Direktor von Impact-se, im Interview mit der DW. Und: Eine Durchsicht der bisher vorliegenden Lehrmaterialien zum Holocaust habe gezeigt, dass diese den von der UNESCO definierten Standards für Frieden und Toleranz entsprächen. Allerdings kennt das Institut noch nicht den finalen Entwurf der Unterrichtsmaterialien. Diese liegen nach DW-Informationen auch der Gedenkstätte Yad Vashem noch nicht vor. Laut “National” ist die finale Version des Lehrplans in Arbeit, einen Zeitplan gebe es noch nicht.

Unbekannt ist deshalb auch, wann der Unterricht starten soll. Ein zu dieser Frage vereinbartes Interview mit der VAE-Botschaft in Berlin kam nicht zustande, aus anderen Quellen ist dies zur Zeit nicht verlässlich in Erfahrung zu bringen.

Gleichwohl begrüßt die kleine jüdische Gemeinde in den VAE das Vorhaben bereits ausdrücklich. Er sei “stolz” darauf, zitiert die Nachrichtenagentur afp Alex Peterfreund, einen Vorsteher der Gemeinde. “Wenn sie den Holocaust lehren, wollen die VAE zeigen, was passieren kann, wenn Menschen verschiedener Religionen und Kulturen nicht zusammenleben können”, so der seit 2014 in den VAE lebende Belgier, dessen Großeltern im Holocaust ermordet wurden.

Als ermutigendes Zeichen könnte zudem interpretiert werden, dass Hebräisch-Kurse in den VAE und anderen Golfstaaten bereits in den letzten Jahren deutlich stärker nachgefragt wurden als früher.

Juden leben seit mehr als 1000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen VAE. Die heutige jüdische Gemeinschaft – schätzungsweise rund 3000 Menschen – setzt sich aus deren Nachfahren, vor allem jedoch aus zugereisten Ausländern zusammen, die oftmals aus beruflichen Gründen dort leben. Inzwischen ist die jüdische Gemeinschaft im Land durchaus sichtbar: So gibt es mehrere Synagogen, koschere Restaurants bieten ihre Dienste an, ein jüdisches Zentrum hat eröffnet. “Das jüdische Leben hier blüht”, sagte der in den VAE lebende Rabbiner Levi Duchman im vergangenen September der “Jerusalem Post”. Vor einigen Jahren fanden auch einige von der radikalislamistischen Rebellengruppe der Huthis bedrängte Juden aus dem Bürgerkriegsland Jemen Schutz bei Verwandten in den VAE.

Eine größere Welle der Ablehnung oder Empörung ist bisher ausgeblieben. Dennoch werden in den VAE und weiteren Ländern der Region die Pläne für den Holocaust-Unterricht durchaus kontrovers diskutiert.

Ebtesam al-Ketbi, Direktor des “Emirates Policy Center” in Abu Dhabi, lobt die Entscheidung. Die Initiative sei Teil der von den Emiraten gestarteten Initiativen für Toleranz und Koexistenz, so al-Ketbi im DW-Gespräch. “Es ist wichtig, Schüler über ein solches Ereignis zu unterrichten, damit sich solche schmerzhaften historischen Erfahrungen nicht wiederholen.” Der Holocaust sei das “bedeutendste Beispiel für Rassismus gegenüber Personen, die anders sind, sei es in religiöser oder ethnischer Hinsicht”. 

Ähnlich sieht es Ahmed Obaid Almansoori, Gründer des “Crossroads of Civilizations Museum” in Dubai, das sogar eine historische Ausstellung zum Holocaust beherbergt. Der Holocaust werde immer noch vielfach geleugnet, beklagte Almansoori kürzlich in einem Gespräch mit afp: “Wenn wir wollen, dass die Menschen mit uns sympathisieren, müssen wir auch mit anderen sympathisieren.”

Das sehen offenbar nicht alle so. Im Gästebuch zur Ausstellung finden sich neben lobenden Einträgen laut afp auch ablehnende oder hasserfüllte Kommentare, darunter Parolen wie “Nieder mit dem zionistischen Imperialismus”. 

Für Aufmerksamkeit sorgte auch ein Tweet des emiratischen Politologen Abdul Khaleq Abdulla. Der Holocaust habe als Unterrichtsfach “weder nationalen noch pädagogischen Wert”, schrieb er auf Twitter und wurde damit auch in unterschiedlichen Medien zitiert. Er hoffe, dass die angekündigten Pläne nicht wahr seien. Noch schärfer ablehnend äußerte sich die über den Gazastreifen herrschende und von der EU als Terrororganisation eingestufte Palästinenser-Organisation Hamas. Der Unterricht sei eine “Unterstützung der zionistischen Erzählung”, erklärte ein Sprecher der militanten Organisation, die den Holocaust 2009 als “eine von den Zionisten erfundene Lüge” verleugnete.

Es bleibt abzuwarten, in welchem Maß schulische Aufklärung künftig der Leugnung oder Relativierung des Holocaust entgegenwirken kann.

Mitarbeit: Emad Hassan

Die Nachricht erregte Aufsehen: Anfang Januar teilte die Botschaft der Vereinten Arabischen Emirate (VAE) in Washington über Twitter mit, das Land werde den Holocaust als Unterrichtsthema in den Lehrplan für Grund- und Sekundarschulen aufnehmen. Das Vorhaben, so ist dem Tweet zu entnehmen, ist aus Sicht der VAE eine logische Folge aus den vor gut zwei Jahren unterzeichneten Abraham-Abkommen mehrerer Länder zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel. 

Nicht nur die VAE, auch Länder wie Bahrain, Marokko und Sudan haben die Abkommen unterzeichnet – ähnlich wie Jahrzehnte zuvor bereits Ägypten und Jordanien Israel offiziell anerkannt hatten, während andere Länder bis heute jeden offiziellen Kontakt mit dem jüdischen Staat ablehnen. Die VAE nehmen bei den jüngsten Bemühungen zur Versöhnung zwischen Israel und arabischer Staatenwelt jedoch erkennbar eine Vorreiterrolle ein.

Lob aus Israel und den USA

Eine führende Rolle suchen die VAE nun offenbar auch bei der Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Der Holocaust als reguläres Unterrichtsthema für Schulkinder, das wäre nach bisherigem Stand einmalig in der arabischen Welt, ein Durchbruch. Bereits im November vergangenen Jahres hatte Ali Al Nuaimi, Mitglied des Nationalen Rats der VAE, in Washington erklärt, das Gedenken an die Opfer des Holocaust sei “von entscheidender Bedeutung”. 

Die arabische Welt, in der viele Bürger im Nahost-Konflikt mit den Palästinensern sympathisieren, tut sich allerdings in Teilen weiterhin schwer damit, den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden anzuerkennen. Zwar hat es in den vergangenen Jahren teilweise eine Sensibilisierung für das Thema gegeben. Aber auch Judenfeindlichkeit ist in vielen Ländern präsent. In Debatten auf sozialen Netzwerken und auch von manchen arabischen Politikern wird der Holocaust weiterhin teils geleugnet. Außerdem wird teils versucht, die massenhafte Ermordung von Juden in Deutschland und Europa während der Nazi-Zeit durch Hinweise auf das Schicksal der Palästinenser in Israel und in den palästinensischen Gebieten historisch aufzurechnen und zu relativieren.  

Entsprechend positiv reagierte das israelische Außenministerium auf die Nachricht aus der VAE-Botschaft. Es lobte in einem arabischsprachigen Tweet die “historische Entscheidung” der Emirate. 

Auch die Antisemitismus-Beauftragte des US-Außenministeriums, Deborah Lipstadt, würdigte das Vorhaben und erklärte auf Twitter, sie erwarte, dass nun auch andere Länder diesen Schritt gehen würden.

Viele Details noch unbekannt

Allerdings: Über die konkrete Ausarbeitung der Schulbücher ist bislang wenig bekannt. Laut einem Bericht der in den VAE erscheinenden regierungsnahen Zeitung “The National” erfolgt die Konzeption in Zusammenarbeit mit der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und dem israelisch-britischen Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education, (Impact-se).

Jüdische Gemeinde “stolz”

Viel Konkretes ist dort bisher aber noch nicht zu erfahren. Man habe die VAE gerne beraten und Informationen zur Verfügung gestellt, von denen man hoffe, dass sie im Unterricht über den Holocaust nützlich seien, sagt Marcus Sheff, Direktor von Impact-se, im Interview mit der DW. Und: Eine Durchsicht der bisher vorliegenden Lehrmaterialien zum Holocaust habe gezeigt, dass diese den von der UNESCO definierten Standards für Frieden und Toleranz entsprächen. Allerdings kennt das Institut noch nicht den finalen Entwurf der Unterrichtsmaterialien. Diese liegen nach DW-Informationen auch der Gedenkstätte Yad Vashem noch nicht vor. Laut “National” ist die finale Version des Lehrplans in Arbeit, einen Zeitplan gebe es noch nicht.

Unbekannt ist deshalb auch, wann der Unterricht starten soll. Ein zu dieser Frage vereinbartes Interview mit der VAE-Botschaft in Berlin kam nicht zustande, aus anderen Quellen ist dies zur Zeit nicht verlässlich in Erfahrung zu bringen.

Gleichwohl begrüßt die kleine jüdische Gemeinde in den VAE das Vorhaben bereits ausdrücklich. Er sei “stolz” darauf, zitiert die Nachrichtenagentur afp Alex Peterfreund, einen Vorsteher der Gemeinde. “Wenn sie den Holocaust lehren, wollen die VAE zeigen, was passieren kann, wenn Menschen verschiedener Religionen und Kulturen nicht zusammenleben können”, so der seit 2014 in den VAE lebende Belgier, dessen Großeltern im Holocaust ermordet wurden.

“Schmerzhafte historische Erfahrungen”

Als ermutigendes Zeichen könnte zudem interpretiert werden, dass Hebräisch-Kurse in den VAE und anderen Golfstaaten bereits in den letzten Jahren deutlich stärker nachgefragt wurden als früher.

Juden leben seit mehr als 1000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen VAE. Die heutige jüdische Gemeinschaft – schätzungsweise rund 3000 Menschen – setzt sich aus deren Nachfahren, vor allem jedoch aus zugereisten Ausländern zusammen, die oftmals aus beruflichen Gründen dort leben. Inzwischen ist die jüdische Gemeinschaft im Land durchaus sichtbar: So gibt es mehrere Synagogen, koschere Restaurants bieten ihre Dienste an, ein jüdisches Zentrum hat eröffnet. “Das jüdische Leben hier blüht”, sagte der in den VAE lebende Rabbiner Levi Duchman im vergangenen September der “Jerusalem Post”. Vor einigen Jahren fanden auch einige von der radikalislamistischen Rebellengruppe der Huthis bedrängte Juden aus dem Bürgerkriegsland Jemen Schutz bei Verwandten in den VAE.

Eine größere Welle der Ablehnung oder Empörung ist bisher ausgeblieben. Dennoch werden in den VAE und weiteren Ländern der Region die Pläne für den Holocaust-Unterricht durchaus kontrovers diskutiert.

Ebtesam al-Ketbi, Direktor des “Emirates Policy Center” in Abu Dhabi, lobt die Entscheidung. Die Initiative sei Teil der von den Emiraten gestarteten Initiativen für Toleranz und Koexistenz, so al-Ketbi im DW-Gespräch. “Es ist wichtig, Schüler über ein solches Ereignis zu unterrichten, damit sich solche schmerzhaften historischen Erfahrungen nicht wiederholen.” Der Holocaust sei das “bedeutendste Beispiel für Rassismus gegenüber Personen, die anders sind, sei es in religiöser oder ethnischer Hinsicht”. 

Israel Jerusalem | Yad Vashem. The World Holocaust Remembrance Center | Hall of Names

Ähnlich sieht es Ahmed Obaid Almansoori, Gründer des “Crossroads of Civilizations Museum” in Dubai, das sogar eine historische Ausstellung zum Holocaust beherbergt. Der Holocaust werde immer noch vielfach geleugnet, beklagte Almansoori kürzlich in einem Gespräch mit afp: “Wenn wir wollen, dass die Menschen mit uns sympathisieren, müssen wir auch mit anderen sympathisieren.”

Das sehen offenbar nicht alle so. Im Gästebuch zur Ausstellung finden sich neben lobenden Einträgen laut afp auch ablehnende oder hasserfüllte Kommentare, darunter Parolen wie “Nieder mit dem zionistischen Imperialismus”. 

Für Aufmerksamkeit sorgte auch ein Tweet des emiratischen Politologen Abdul Khaleq Abdulla. Der Holocaust habe als Unterrichtsfach “weder nationalen noch pädagogischen Wert”, schrieb er auf Twitter und wurde damit auch in unterschiedlichen Medien zitiert. Er hoffe, dass die angekündigten Pläne nicht wahr seien. Noch schärfer ablehnend äußerte sich die über den Gazastreifen herrschende und von der EU als Terrororganisation eingestufte Palästinenser-Organisation Hamas. Der Unterricht sei eine “Unterstützung der zionistischen Erzählung”, erklärte ein Sprecher der militanten Organisation, die den Holocaust 2009 als “eine von den Zionisten erfundene Lüge” verleugnete.

Es bleibt abzuwarten, in welchem Maß schulische Aufklärung künftig der Leugnung oder Relativierung des Holocaust entgegenwirken kann.

Mitarbeit: Emad Hassan

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