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Tiktok fliegt von immer mehr Behördenhandys

Erst die EU-Kommission, nun die USA, Kanada und das EU-Parlament: Die chinesische App Tiktok wird von Diensthandys verbannt. Ein internationaler Überblick – und weshalb das Thema gerade jetzt wieder hochkocht.

Auf den ersten Blick ist Tiktok eine harmlose und banale App: Wer sie aufruft, sieht einen endlosen Stream kurzweiliger Videos – ursprünglich vor allem Musik-Performances zu Playback, inzwischen alles Mögliche. Dabei kuratiert – wie auch bei Instagram, Twitter und Facebook, den großen sozialen Netzen aus den USA – ein Algorithmus anhand des Nutzungsverhaltens jene Inhalte, die einen speziellen User mutmaßlich am meisten interessieren. Nutzer generieren also wertvolle Daten. Und weil Tiktok aus China kommt, wächst das Unbehagen, was man dort mit diesen Daten anstellen könnte – aber auch, dass Tiktok selbst zur Beeinflussung oder Ausspähung der User missbraucht werden könnte.

Den Aufschlag machte vor wenigen Tagen die EU-Kommission: Mitarbeitende müssen bis spätestens 15. März die App von ihren Diensthandys entfernen. Das gleiche gilt für deren private Smartphones, sofern darauf digitale Dienste ihres Arbeitgebers installiert sind. “Die Kommission will sicherstellen, dass ihre Beschäftigten gut gegen wachsende Cyber-Bedrohungen und Vorfälle geschützt sind. Daher ist es unsere Pflicht, so früh wie möglich auf potenzielle Cyber-Warnungen zu reagieren”, erklärte die Kommission. Am Dienstagnachmittag zog das EU-Parlament mit einer ähnlich klingenden Dienstanweisung nach.

Auf den ersten Blick ist Tiktok eine harmlose und banale App: Wer sie aufruft, sieht einen endlosen Stream kurzweiliger Videos – ursprünglich vor allem Musik-Performances zu Playback, inzwischen alles Mögliche. Dabei kuratiert – wie auch bei Instagram, Twitter und Facebook, den großen sozialen Netzen aus den USA – ein Algorithmus anhand des Nutzungsverhaltens jene Inhalte, die einen speziellen User mutmaßlich am meisten interessieren. Nutzer generieren also wertvolle Daten. Und weil Tiktok aus China kommt, wächst das Unbehagen, was man dort mit diesen Daten anstellen könnte – aber auch, dass Tiktok selbst zur Beeinflussung oder Ausspähung der User missbraucht werden könnte.

Kurz zuvor verkündeten die Regierungen der USA und Kanadas ähnliche Schritte. In den USA hat Präsident Joe Biden eine 30-Tage-Frist verhängt, binnen derer die App von Diensthandys und anderen Geräten von Regierungsbehörden entfernt werden muss. In Repräsentantenhaus und Senat, dem Weißen Haus, dem Außenministerium sowie den Ressorts für Verteidigung und Heimatschutz gelten bereits entsprechende Vorschriften. Der republikanische Senator Marco Rubio kündigte zudem ein überparteiliches Gesetzesvorhaben an, das Tiktok landesweit auch von Privathandys verbannen könnte.

Wie positionieren sich die EU, die USA und Kanada in der  Tiktok-Frage?

In Kanada trat das Verbot bei Regierungshandys sogar mit sofortiger Wirkung in Kraft. Die zuständige Ministerin Mona Fortier sprach von einem “inakzeptablen Risiko für die Privatsphäre und die Sicherheit”. Zugleich war jedoch auch die Rede von einer Vorsichtsmaßnahme – es gebe keine Beweise, dass Regierungsinformationen betroffen seien.

Auch das dänische Parlament gab bekannt, alle Abgeordneten und ihre Mitarbeiter müssten die App wegen eines “Spionagerisikos” löschen.

Seit dem kometenhaften Aufstieg Tiktoks – nach eigenen Angaben wird die App von mehr als einer Milliarde Menschen genutzt – sorgen sich westliche Vertreter immer wieder um die Sicherheit der Nutzerdaten. Tiktok gehört dem Pekinger Unternehmen Bytedance, das regelmäßig den Vorwurf zurückweist, dass der chinesische Staat auf die App zugreifen könnte. “Seit dem Beginn der Transparenzberichte 2019 haben wir keine einzige Datenanfrage von der chinesischen Regierung erhalten”, sagte ein Sprecher im November dem britischen “Guardian”.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, welche Inhalte ausgespielt werden – und welche nicht. Aufsehen erregte 2019 ein gelöschtes Video: Darin präsentierte eine 17-Jährige zunächst Schminktipps, nach ein paar Sätzen prangerte sie jedoch den Umgang Pekings mit den muslimischen Uiguren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang an. Nach einem Sturm der Entrüstung über die Löschung sprach Tiktok von einem “menschlichen Fehler bei der Moderation”.

Eine Recherche des deutschen öffentlich-rechtlichen Senderverbunds ARD belegte im März 2022, dass Tiktok auch in Deutschland Filter verwendete, die Inhalte mit bestimmten Schlagworten aus dem Verkehr zogen. Darunter zum Beispiel “LGBTQ”, “Sex”, “Nationalsozialismus” – und der Name der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die einem Sportfunktionär sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatte. Tiktok versprach nach der Recherche eine “gründliche Überprüfung”.

Die Neubewertungen in Europa und Nordamerika sind unter anderem eine Reaktion auf eine neue Datenschutzrichtlinie, die Tiktok im November vorgestellt hatte – ironischerweise mit dem Vorsatz, mehr Transparenz über den Umgang mit europäischen Userdaten herzustellen. Diese werden demnach auf Servern in den USA und in Singapur gespeichert. Allerdings sollen diese von “bestimmten Angestellten” in einer Reihe anderer Staaten eingesehen werden dürfen – darunter China. Dass Tiktok hiermit schwarz auf weiß einräumte, dass Daten europäischer User nach China fließen, sorgte für Entrüstung.

Im Dezember warnte dann der Chef des US-Geheimdienstes FBI, Christopher Wray, Tiktok sei unter Kontrolle der chinesischen Regierung, “die nicht unsere Werte teilt”. Das FBI habe Bedenken, dass Peking den Empfehlungs-Algorithmus der App kontrolliere, “was ihnen erlaubt, die Inhalte zu manipulieren” und “zur Beeinflussung” einzusetzen.

In Deutschland gilt in einzelnen Regierungsstellen wie dem Bundespresseamt ein Tiktok-Verbot auf Dienstgeräten. Andere Institutionen wie das Bundesinnenministerium haben entschieden, die Software nicht im internen Appstore anzubieten, über den Programme auf Dienstgeräte aufgespielt werden. Ein generelles Tiktok-Verbot für öffentliche Stellen in Deutschland gibt es jedoch nicht. Das Bundesgesundheitsministerium betreibt sogar einen eigenen Kanal bei Tiktok – allerdings mit separaten Geräten, die nicht mit den Ministeriumsservern verbunden sind.

Es ist gut möglich, dass auf die jüngsten Neubewertungen weitere nationale Regelungen folgen. Anfang Februar musste sich die norwegische Justizministerin Emilie Enger Mehl entschuldigen – sie hatte die App kurzzeitig installiert und war wegen Sicherheitsbedenken kritisiert worden.

Bereits seit zwei Jahren ist Tiktok auf Regierungshandys in Estland nicht mehr erlaubt. Wenn dort Behörden und Ministerien Tiktok nutzen müssen, etwa weil sie dort selbst Kanäle unterhalten, um in die Bevölkerung hinein zu kommunizieren, sollen dafür separate Geräte genutzt werden. Zugleich stellte die estnische Regierung klar, dass Privatbürger davon nicht betroffen seien – eine App ganz aus dem Appstore verbannen, das könnten nur Gerichte.

Andere Länder sind diesen Schritt hingegen bereits gegangen: In Taiwan wurde Tiktok im Dezember komplett gesperrt – und als Software eingestuft, die “die nationale Informations- und Kommunikationssicherheit gefährdet”. Tiktok wird dort als Vehikel für das politische Ziel Pekings gesehen, Taiwan unter seine Kontrolle zu bringen. Politische Hintergründe hat auch die Sperrung in Indien, wo 2020 eine ganze Reihe chinesischer Apps aufgrund von Streitigkeiten mit dem nördlichen Nachbarn blockiert wurden. Zudem erwägen die radikalislamischen Taliban, die App in Afghanistan zu sperren: Die Machthaber befürchten, junge Menschen würden durch Tiktok und andere Programme “vom rechten Weg abgebracht”.

Xinjiang Police Files
USA Washington | FBI Director Christopher Wray

Deutschlands erfolgreichster Tiktoker

Auf den ersten Blick ist Tiktok eine harmlose und banale App: Wer sie aufruft, sieht einen endlosen Stream kurzweiliger Videos – ursprünglich vor allem Musik-Performances zu Playback, inzwischen alles Mögliche. Dabei kuratiert – wie auch bei Instagram, Twitter und Facebook, den großen sozialen Netzen aus den USA – ein Algorithmus anhand des Nutzungsverhaltens jene Inhalte, die einen speziellen User mutmaßlich am meisten interessieren. Nutzer generieren also wertvolle Daten. Und weil Tiktok aus China kommt, wächst das Unbehagen, was man dort mit diesen Daten anstellen könnte – aber auch, dass Tiktok selbst zur Beeinflussung oder Ausspähung der User missbraucht werden könnte.

Den Aufschlag machte vor wenigen Tagen die EU-Kommission: Mitarbeitende müssen bis spätestens 15. März die App von ihren Diensthandys entfernen. Das gleiche gilt für deren private Smartphones, sofern darauf digitale Dienste ihres Arbeitgebers installiert sind. “Die Kommission will sicherstellen, dass ihre Beschäftigten gut gegen wachsende Cyber-Bedrohungen und Vorfälle geschützt sind. Daher ist es unsere Pflicht, so früh wie möglich auf potenzielle Cyber-Warnungen zu reagieren”, erklärte die Kommission. Am Dienstagnachmittag zog das EU-Parlament mit einer ähnlich klingenden Dienstanweisung nach.

Wie positionieren sich die EU, die USA und Kanada in der  Tiktok-Frage?

Kurz zuvor verkündeten die Regierungen der USA und Kanadas ähnliche Schritte. In den USA hat Präsident Joe Biden eine 30-Tage-Frist verhängt, binnen derer die App von Diensthandys und anderen Geräten von Regierungsbehörden entfernt werden muss. In Repräsentantenhaus und Senat, dem Weißen Haus, dem Außenministerium sowie den Ressorts für Verteidigung und Heimatschutz gelten bereits entsprechende Vorschriften. Der republikanische Senator Marco Rubio kündigte zudem ein überparteiliches Gesetzesvorhaben an, das Tiktok landesweit auch von Privathandys verbannen könnte.

In Kanada trat das Verbot bei Regierungshandys sogar mit sofortiger Wirkung in Kraft. Die zuständige Ministerin Mona Fortier sprach von einem “inakzeptablen Risiko für die Privatsphäre und die Sicherheit”. Zugleich war jedoch auch die Rede von einer Vorsichtsmaßnahme – es gebe keine Beweise, dass Regierungsinformationen betroffen seien.

Auch das dänische Parlament gab bekannt, alle Abgeordneten und ihre Mitarbeiter müssten die App wegen eines “Spionagerisikos” löschen.

Seit dem kometenhaften Aufstieg Tiktoks – nach eigenen Angaben wird die App von mehr als einer Milliarde Menschen genutzt – sorgen sich westliche Vertreter immer wieder um die Sicherheit der Nutzerdaten. Tiktok gehört dem Pekinger Unternehmen Bytedance, das regelmäßig den Vorwurf zurückweist, dass der chinesische Staat auf die App zugreifen könnte. “Seit dem Beginn der Transparenzberichte 2019 haben wir keine einzige Datenanfrage von der chinesischen Regierung erhalten”, sagte ein Sprecher im November dem britischen “Guardian”.

Was sind die grundsätzlichen Bedenken gegen die Tiktok-App?

Ein weiterer Kritikpunkt ist, welche Inhalte ausgespielt werden – und welche nicht. Aufsehen erregte 2019 ein gelöschtes Video: Darin präsentierte eine 17-Jährige zunächst Schminktipps, nach ein paar Sätzen prangerte sie jedoch den Umgang Pekings mit den muslimischen Uiguren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang an. Nach einem Sturm der Entrüstung über die Löschung sprach Tiktok von einem “menschlichen Fehler bei der Moderation”.

Warum ist die App gerade jetzt wieder so im Fokus?

Eine Recherche des deutschen öffentlich-rechtlichen Senderverbunds ARD belegte im März 2022, dass Tiktok auch in Deutschland Filter verwendete, die Inhalte mit bestimmten Schlagworten aus dem Verkehr zogen. Darunter zum Beispiel “LGBTQ”, “Sex”, “Nationalsozialismus” – und der Name der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die einem Sportfunktionär sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatte. Tiktok versprach nach der Recherche eine “gründliche Überprüfung”.

Die Neubewertungen in Europa und Nordamerika sind unter anderem eine Reaktion auf eine neue Datenschutzrichtlinie, die Tiktok im November vorgestellt hatte – ironischerweise mit dem Vorsatz, mehr Transparenz über den Umgang mit europäischen Userdaten herzustellen. Diese werden demnach auf Servern in den USA und in Singapur gespeichert. Allerdings sollen diese von “bestimmten Angestellten” in einer Reihe anderer Staaten eingesehen werden dürfen – darunter China. Dass Tiktok hiermit schwarz auf weiß einräumte, dass Daten europäischer User nach China fließen, sorgte für Entrüstung.

Im Dezember warnte dann der Chef des US-Geheimdienstes FBI, Christopher Wray, Tiktok sei unter Kontrolle der chinesischen Regierung, “die nicht unsere Werte teilt”. Das FBI habe Bedenken, dass Peking den Empfehlungs-Algorithmus der App kontrolliere, “was ihnen erlaubt, die Inhalte zu manipulieren” und “zur Beeinflussung” einzusetzen.

Wie ist die Lage in Deutschland?

In Deutschland gilt in einzelnen Regierungsstellen wie dem Bundespresseamt ein Tiktok-Verbot auf Dienstgeräten. Andere Institutionen wie das Bundesinnenministerium haben entschieden, die Software nicht im internen Appstore anzubieten, über den Programme auf Dienstgeräte aufgespielt werden. Ein generelles Tiktok-Verbot für öffentliche Stellen in Deutschland gibt es jedoch nicht. Das Bundesgesundheitsministerium betreibt sogar einen eigenen Kanal bei Tiktok – allerdings mit separaten Geräten, die nicht mit den Ministeriumsservern verbunden sind.

Es ist gut möglich, dass auf die jüngsten Neubewertungen weitere nationale Regelungen folgen. Anfang Februar musste sich die norwegische Justizministerin Emilie Enger Mehl entschuldigen – sie hatte die App kurzzeitig installiert und war wegen Sicherheitsbedenken kritisiert worden.

Wie gehen andere Länder mit Tiktok auf Regierungshandys um?

Bereits seit zwei Jahren ist Tiktok auf Regierungshandys in Estland nicht mehr erlaubt. Wenn dort Behörden und Ministerien Tiktok nutzen müssen, etwa weil sie dort selbst Kanäle unterhalten, um in die Bevölkerung hinein zu kommunizieren, sollen dafür separate Geräte genutzt werden. Zugleich stellte die estnische Regierung klar, dass Privatbürger davon nicht betroffen seien – eine App ganz aus dem Appstore verbannen, das könnten nur Gerichte.

Andere Länder sind diesen Schritt hingegen bereits gegangen: In Taiwan wurde Tiktok im Dezember komplett gesperrt – und als Software eingestuft, die “die nationale Informations- und Kommunikationssicherheit gefährdet”. Tiktok wird dort als Vehikel für das politische Ziel Pekings gesehen, Taiwan unter seine Kontrolle zu bringen. Politische Hintergründe hat auch die Sperrung in Indien, wo 2020 eine ganze Reihe chinesischer Apps aufgrund von Streitigkeiten mit dem nördlichen Nachbarn blockiert wurden. Zudem erwägen die radikalislamischen Taliban, die App in Afghanistan zu sperren: Die Machthaber befürchten, junge Menschen würden durch Tiktok und andere Programme “vom rechten Weg abgebracht”.

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