Bischofskonferenz: Nach vorne gehen – und ratlos bleiben
Die katholischen deutschen Bischöfe tagen – und sie sind im Krisen-Modus: Kirchenaustritte, Reformrufe. Zusätzlich werden sie von der Not der Ukrainer nach dem russischen Überfall herausgefordert.
Die Widerstandsfähigkeit der “Kirche gegenüber Veränderungen hat nicht mehr länger Halt”, sagt Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. “Wir müssen nach vorne gehen” und “Veränderungen zeigen”. Sonst verlören viele Gemeinden an Kraft.
Als sich Bätzing, der nun seit zwei Jahren der Frontmann der 69 katholischen Bischöfe ist, bei ihrer Frühjahrskonferenz äußert, redet er nicht um den heißen Brei herum. Es sei “für nicht wenige katholische Christinnen und Christen unerträglich” geworden, in der Kirche zu bleiben.
Die Widerstandsfähigkeit der “Kirche gegenüber Veränderungen hat nicht mehr länger Halt”, sagt Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. “Wir müssen nach vorne gehen” und “Veränderungen zeigen”. Sonst verlören viele Gemeinden an Kraft.
Die Bischöfe tagen im oberfränkischen Vierzehnheiligen. Katholischer kann es kaum werden in deutschen Landen. Eine mächtige Barockkirche oberhalb eines Tales in einer Gegend, die voll ist mit Wegkreuzen, Kapellen, lokalen Pilgerwegen. “Gottesgarten” nennt der Volksmund diesen Landstrich im Norden Bayerns. Aber auch in diesem “Gottesgarten” schneiden dieser Tage im Schatten der mächtigen Kirche kundige Männer Totholz oder fällen Bäume, die ihre Zeit hatten.
Totes Holz im Gottesgarten
Ein Detail zeigt, dass auch in dieser Idylle die Menschen auf Distanz zu Kirche gehen. Für das Jahr 2021 verzeichnete die zuständige Gemeinde Bad Staffelstein, wie ein Sprecher der Deutschen Welle sagt, 100 Kirchenaustritte. So viele wie nie. Bis Anfang März waren es bereits 45 weitere. Zuletzt berichteten mehrere Bischöfe, dass sich seit Ende Januar die Kirchenaustritte häuften und auch engagierte Christen gingen – nach der Veröffentlichung eines Gutachtens im Erzbistum München-Freising und einer zunächst falschen Auskunft des früheren Papstes Benedikt, der Anfang der 1980er Jahre fünf Jahre Erzbischof von München war. Ob Geistliche in den Gemeinden oder Bischöfe in der Kirchenleitung, die meisten können Geschichten erzählen von Kirchenaustritten, die sie erschüttern.
Einer der Bischöfe, der 2021 häufig im medialen Mittelpunkt stand und für Ärger sorgte, war der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. In der Großstadt am Rhein scheint das Tischtuch zerrissen zwischen der kirchlichen Basis und dem Erzbischof, auch nachdem dieser gut vier Monate “Auszeit” außerhalb des Bistums verbrachte. Das Treffen in Vierzehnheiligen bedeutet so etwas wie die Rückkehr Woelkis in den Kreis der “Mitbrüder”. Bischöfe sind laut Statut zur Teilnahme an einer Vollversammlung verpflichtet. Sie können nur mit formeller Begründung fernbleiben.
Rund zehn Minuten berichtet Woelki hinter verschlossenen Türen, dann geht’s weiter im Programm. Am Rande ist zu spüren, dass es bei einer ganzen Reihe von Bischöfen noch Frage- und Redebedarf gibt. Woelki selbst vermeidet in Vierzehnheiligen jeden öffentlichen Auftritt und verzichtet auch auf das Angebot zu predigen. Und am Mittwochabend reist er bereits wieder ab.
Man wisse um die “Ungeduld” vieler Gläubiger, sagt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Rande. Andere sprechen auch von Polarisierungen in der Konferenz. Das zeigt sich zum Beispiel, als die Bischöfe – erstmals überhaupt – ein Papier zur “Seelsorge” vorlegen. Das ist kirchliches Kerngeschäft. “In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche”, heißt es. Es würdigt die Arbeit auch hauptamtlicher Seelsorgerinnen, die es in der katholischen Kirche in Deutschland längst gibt. Aber zu der Frage, ob diese Frauen teilhätten am “geistlichen Amt”, das traditionell Männern vorbehalten ist, findet sich kein Wort. Immerhin auch kein Nein. Die Frage bleibt offen, betonen mehrere Bischöfe.
Und auch eine ungewöhnliche Gästegruppe steht dafür, dass die Bischöfe vorangehen müssen. Oder müssten. Ende Januar hatte deutschlandweit und international 125 Menschen mit einer Aktion und einem Film unter dem Titel “Out in Church” Aufsehen ausgelöst. Sie alle, die in der katholischen Kirche arbeiten, outeten sich als homosexuell oder queer und forderten ein Ende ihrer Diskriminierung durch ihre Kirche. Und wollen den Segen der Kirche für die Vielfalt von Lebensformen.
Zum barocken Bischofstreffen kamen sie nun mit mehr als 117.650 Unterschriften von Menschen, die ihre Forderungen nach Änderungen am kirchlichen Arbeitsrecht und einem offenen Umgang mit homosexuellen und queeren Lebensformen unterstützen. Rainer Teuber, Leiter der Museumspädagogik am Essener Dom und homosexuell, berichtet von einem offenen und guten Gespräch mit drei Bischöfen. Der Konferenz-Vorsitzende Bätzing habe zu verstehen gegeben, dass er die Anliegen mittrage. Die Bischöfe wollten bis Jahresende das kirchliche Arbeitsrecht novellieren.
Das Outing der Kirchenmitarbeitenden und die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema scheint keineswegs ein deutsches Sonder-Problem. Mittlerweile bieten die Akteure laut Teuber ihr Manifest und weitere Informationen in 14 Sprachen an. Es gebe “großes internationales Interesse”, so Teuber. Unter anderem aus jedem europäischen Land, aus den USA, Kanada und Australien habe es Anfragen gegeben.
Bei allem Druck zu Veränderungen und Reformen. Ein Thema überschattet jeden Gottesdienst und viele Wortmeldungen während der vier Tage in Vierzehnheiligen: die Ukraine-Krise. Bischof Bätzing nennt den russischen Angriff völkerrechtswidrig. “Da werden Menschen, da werden Zivilisten vertrieben. Da wird versucht, eine legitime Regierung zu entmachten.” Und der Augsburger Bischof Bertram Meier sagt. “Die Russische Föderation ist dazu weder provoziert worden noch wurde sie bedroht. Nichts, was die Führung in Moskau zur Begründung des Angriffs vorbereitet hat, vermag zu überzeugen,.”
Zwei Mal ist der ranghöchste Geistliche der katholischen Ukrainer in Deutschland, Bischof Bohdan Dzyurakh, zu Gast in Vierzehnheiligen. Er betet mit den Bischöfen flehentlich um Frieden. Vor allem schildert er engagiert die Aktivitäten der bundesweit rund 50 ukrainischen katholischen Gemeinden für Hilfstransporte und für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. Sie schickten bereits hunderte Tonnen Hilfsgüter in die alte Heimat. Und er dankt für “beeindruckende Solidarität und Unterstützung”. Klar ist auch: In Zeiten einer geschwächten Kirche hofft Dzyurakh auf viele starke engagierte Kirchengemeinden, die die kommenden Wochen und Monate seine Katholikinnen und Katholiken unterstützen.
Die Widerstandsfähigkeit der “Kirche gegenüber Veränderungen hat nicht mehr länger Halt”, sagt Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. “Wir müssen nach vorne gehen” und “Veränderungen zeigen”. Sonst verlören viele Gemeinden an Kraft.
Als sich Bätzing, der nun seit zwei Jahren der Frontmann der 69 katholischen Bischöfe ist, bei ihrer Frühjahrskonferenz äußert, redet er nicht um den heißen Brei herum. Es sei “für nicht wenige katholische Christinnen und Christen unerträglich” geworden, in der Kirche zu bleiben.
Totes Holz im Gottesgarten
Die Bischöfe tagen im oberfränkischen Vierzehnheiligen. Katholischer kann es kaum werden in deutschen Landen. Eine mächtige Barockkirche oberhalb eines Tales in einer Gegend, die voll ist mit Wegkreuzen, Kapellen, lokalen Pilgerwegen. “Gottesgarten” nennt der Volksmund diesen Landstrich im Norden Bayerns. Aber auch in diesem “Gottesgarten” schneiden dieser Tage im Schatten der mächtigen Kirche kundige Männer Totholz oder fällen Bäume, die ihre Zeit hatten.
Ein Detail zeigt, dass auch in dieser Idylle die Menschen auf Distanz zu Kirche gehen. Für das Jahr 2021 verzeichnete die zuständige Gemeinde Bad Staffelstein, wie ein Sprecher der Deutschen Welle sagt, 100 Kirchenaustritte. So viele wie nie. Bis Anfang März waren es bereits 45 weitere. Zuletzt berichteten mehrere Bischöfe, dass sich seit Ende Januar die Kirchenaustritte häuften und auch engagierte Christen gingen – nach der Veröffentlichung eines Gutachtens im Erzbistum München-Freising und einer zunächst falschen Auskunft des früheren Papstes Benedikt, der Anfang der 1980er Jahre fünf Jahre Erzbischof von München war. Ob Geistliche in den Gemeinden oder Bischöfe in der Kirchenleitung, die meisten können Geschichten erzählen von Kirchenaustritten, die sie erschüttern.
Einer der Bischöfe, der 2021 häufig im medialen Mittelpunkt stand und für Ärger sorgte, war der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. In der Großstadt am Rhein scheint das Tischtuch zerrissen zwischen der kirchlichen Basis und dem Erzbischof, auch nachdem dieser gut vier Monate “Auszeit” außerhalb des Bistums verbrachte. Das Treffen in Vierzehnheiligen bedeutet so etwas wie die Rückkehr Woelkis in den Kreis der “Mitbrüder”. Bischöfe sind laut Statut zur Teilnahme an einer Vollversammlung verpflichtet. Sie können nur mit formeller Begründung fernbleiben.
Rund zehn Minuten berichtet Woelki hinter verschlossenen Türen, dann geht’s weiter im Programm. Am Rande ist zu spüren, dass es bei einer ganzen Reihe von Bischöfen noch Frage- und Redebedarf gibt. Woelki selbst vermeidet in Vierzehnheiligen jeden öffentlichen Auftritt und verzichtet auch auf das Angebot zu predigen. Und am Mittwochabend reist er bereits wieder ab.
Woelki ist wieder da
Man wisse um die “Ungeduld” vieler Gläubiger, sagt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Rande. Andere sprechen auch von Polarisierungen in der Konferenz. Das zeigt sich zum Beispiel, als die Bischöfe – erstmals überhaupt – ein Papier zur “Seelsorge” vorlegen. Das ist kirchliches Kerngeschäft. “In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche”, heißt es. Es würdigt die Arbeit auch hauptamtlicher Seelsorgerinnen, die es in der katholischen Kirche in Deutschland längst gibt. Aber zu der Frage, ob diese Frauen teilhätten am “geistlichen Amt”, das traditionell Männern vorbehalten ist, findet sich kein Wort. Immerhin auch kein Nein. Die Frage bleibt offen, betonen mehrere Bischöfe.
#OutinChurch
Und auch eine ungewöhnliche Gästegruppe steht dafür, dass die Bischöfe vorangehen müssen. Oder müssten. Ende Januar hatte deutschlandweit und international 125 Menschen mit einer Aktion und einem Film unter dem Titel “Out in Church” Aufsehen ausgelöst. Sie alle, die in der katholischen Kirche arbeiten, outeten sich als homosexuell oder queer und forderten ein Ende ihrer Diskriminierung durch ihre Kirche. Und wollen den Segen der Kirche für die Vielfalt von Lebensformen.
Zum barocken Bischofstreffen kamen sie nun mit mehr als 117.650 Unterschriften von Menschen, die ihre Forderungen nach Änderungen am kirchlichen Arbeitsrecht und einem offenen Umgang mit homosexuellen und queeren Lebensformen unterstützen. Rainer Teuber, Leiter der Museumspädagogik am Essener Dom und homosexuell, berichtet von einem offenen und guten Gespräch mit drei Bischöfen. Der Konferenz-Vorsitzende Bätzing habe zu verstehen gegeben, dass er die Anliegen mittrage. Die Bischöfe wollten bis Jahresende das kirchliche Arbeitsrecht novellieren.
Das Outing der Kirchenmitarbeitenden und die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema scheint keineswegs ein deutsches Sonder-Problem. Mittlerweile bieten die Akteure laut Teuber ihr Manifest und weitere Informationen in 14 Sprachen an. Es gebe “großes internationales Interesse”, so Teuber. Unter anderem aus jedem europäischen Land, aus den USA, Kanada und Australien habe es Anfragen gegeben.
Das ukrainische Drama
Bei allem Druck zu Veränderungen und Reformen. Ein Thema überschattet jeden Gottesdienst und viele Wortmeldungen während der vier Tage in Vierzehnheiligen: die Ukraine-Krise. Bischof Bätzing nennt den russischen Angriff völkerrechtswidrig. “Da werden Menschen, da werden Zivilisten vertrieben. Da wird versucht, eine legitime Regierung zu entmachten.” Und der Augsburger Bischof Bertram Meier sagt. “Die Russische Föderation ist dazu weder provoziert worden noch wurde sie bedroht. Nichts, was die Führung in Moskau zur Begründung des Angriffs vorbereitet hat, vermag zu überzeugen,.”
Zwei Mal ist der ranghöchste Geistliche der katholischen Ukrainer in Deutschland, Bischof Bohdan Dzyurakh, zu Gast in Vierzehnheiligen. Er betet mit den Bischöfen flehentlich um Frieden. Vor allem schildert er engagiert die Aktivitäten der bundesweit rund 50 ukrainischen katholischen Gemeinden für Hilfstransporte und für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. Sie schickten bereits hunderte Tonnen Hilfsgüter in die alte Heimat. Und er dankt für “beeindruckende Solidarität und Unterstützung”. Klar ist auch: In Zeiten einer geschwächten Kirche hofft Dzyurakh auf viele starke engagierte Kirchengemeinden, die die kommenden Wochen und Monate seine Katholikinnen und Katholiken unterstützen.