Migration: Bund und Länder streiten ums Geld
Die Bundesländer verlangen mehr Geld für Geflüchtete. Die Bundesregierung in Berlin will nicht mehr zahlen. Nun ein Krisengipfel im Kanzleramt – der Konflikt im Überblick.
Über eine Million Menschen aus der Ukraine sind als Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert. Dazu kommen 218.000 Migrantinnen und Migranten, die 2022 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben. Plus 102.000 Menschen in den ersten vier Monaten dieses Jahres – ein Anstieg von 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
29,84 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, 26,65 Milliarden in diesem Jahr – Bundesfinanzminister Christian Linder ließ vor kurzem ausrechnen, wieviel der Bund bereits für Geflüchtete ausgebe – darunter fallen allerdings auch knapp elf Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen ins Ausland.
Über eine Million Menschen aus der Ukraine sind als Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert. Dazu kommen 218.000 Migrantinnen und Migranten, die 2022 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben. Plus 102.000 Menschen in den ersten vier Monaten dieses Jahres – ein Anstieg von 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Mit fünf Milliarden Euro übernimmt der Bund den Löwenanteil für die Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Ebenso hoch ist der Betrag für Sozialleistungen für Geflüchtete aus anderen Regionen. Hinzu kommen Integrationsleistungen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro und eine allgemeine Pauschale von 2,75 Milliarden Euro, die über die Umsatzsteuer an die Länder fließt. Mit eigenen Programmen unterstützt der Bund außerdem den Kita-Ausbau, die Digitalisierung der Schulen und den Wohnungsbau.
Wie hoch sind aktuell die Kosten des Bundes?
Die Bundesregierung will die Flüchtlingshilfen für Länder und Kommunen nicht wesentlich erhöhen, weil die Schulden des Bundes immer weiter stiegen, während viele Länder und Kommunen über Haushaltsüberschüsse verfügten.
Die Ampel-Regierung verweist auf das Grundgesetz, wonach Länder und Kommunen für die Finanzierung der Flüchtlinge zuständig seien. Auch der Bundesrechnungshof habe festgestellt, dass der Bund schon jetzt in erheblichem Maße Ausgaben finanziere, die nach dem Grundgesetz von Ländern und Kommunen zu leisten seien. 24 Milliarden Euro waren es im Jahr 2021.
Eine weitere Begründung: Länder und Kommunen erhielten immer größere Anteile aus den Steuereinnahmen des Staates und sollten damit ihre Aufgaben erfüllen können. Der Bund will die Länder in Zukunft dazu verpflichten, anzugeben, wieviel Geld der Bundespauschale von 3,5 Milliarden Euro sie für die Kommunen tatsächlich weitergegeben haben.
Steigen die Flüchtlingszahlen, müssen auch die Leistungen des Bundes steigen, der Bund müsse sich erheblich bewegen – auf diese Linie haben sich die 16 Bundesländer vor dem geplanten Treffen im Kanzleramt am Mittwoch (10. Mai 2023) verständigt. Der Bund habe faktisch seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz wieder steigender Flüchtlingszahlen zurückgefahren, von 9,1 Milliarden Euro 2016 auf jetzt 2,75 Milliarden Euro.
Dazu passe laut dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst auch der Anteil der Kosten, die vom Bund getragen würden. Hätte dieser auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise noch 40 Prozent betragen, sei er aktuell deutlich unter 20 Prozent gefallen. “Parteiübergreifend haben sich die 16 Länder verständigt, dass sich der Bund und die Länder die Kosten teilen sollten, also wenigstens 50:50”, so Wüst gegenüber der “Rheinischen Post”.
Die Kosten für Integration, Betreuung, Kitas und Schulen stiegen demnach immer mehr an. Zudem kämen immer mehr Geflüchtete nicht aus der Ukraine, so dass Länder und Kommunen die Kosten vollständig übernehmen müssten.
Geht es nach den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer, sollte Deutschland zu einer Pro-Kopf-Pauschale pro Flüchtling zurückkehren. Von 2016 bis 2021 überwies der Bund den Ländern 670 Euro pro Asylbewerber und Monat, jetzt sollte diese Fallpauschale auf circa 1000 Euro aufgestockt werden. Entscheidender Vorteil: Bund und Länder müssten nicht immer wieder über die Kosten von Geflüchteten neu verhandeln.
Die Abschaffung dieser Pauschale vor zwei Jahren hatten die Bundesländer allerdings mitgetragen. Außerdem wollen die Länder eine Pauschale für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und eine vollständige Erstattung der Kosten für die Unterkünfte der Flüchtlinge. Der Bund müsse zudem eigene Immobilien für die Flüchtlingsunterbringung bereitstellen, forderte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig.
Beim Gipfel wird es auch um zusätzliche Maßnahmen gehen, auf die sich Bund und Länder einigen sollen. Bis Ende 2024 sollen die Ausländerbehörden in der Lage sein, ihre Arbeitsprozesse automatisiert unter Nutzung elektronischer Akten abwickeln zu können, fordert der Bund.
Geht es nach dem Bund, soll die Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern in die Heimatländer vereinfacht werden. Gesetzliche Regeln, die Abschiebungen bisher erschwerten, sollen angepasst werden, konkret: Die Durchsuchungsmöglichkeiten der Polizei sollen erweitert und der sogenannte Ausreisegewahrsam von zehn auf 28 Tage verlängert werden.
Zudem will die Ampel-Regierung die Abschiebehaft unabhängig von Asylanträgen ermöglichen, Klagen gegen Einreise und Aufenthaltsverbote sollen bei Abschiebungen keine aufschiebende Wirkung mehr haben.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat vorgeschlagen, Moldau und Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Über die Einstufung eines Landes als sicherer Herkunftsstaat entscheiden letztendlich Bundestag und Bundesrat. CDU und CSU hatten vor dem Flüchtlingsgipfel gefordert, Herkunftsstaaten die Entwicklungshilfe zu kürzen, wenn sie abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen. Die Regierung hatte dies jedoch abgelehnt.
Bundesonnenministerin Nancy Faeser möchte in der Europäischen Union durchsetzen, dass über den Asylantrag in bestimmten Fällen bereits in Zentren an den EU-Außengrenzen entschieden wird. Geflüchtete aus Pakistan, Bangladesch, Marokko oder Georgien könnten so im Falle einer Ablehnung direkt in ihre Heimat abgeschoben werden.
Menschen aus Syrien und Afghanistan, die 2022 in Deutschland die größte Gruppe der Geflüchteten stellten, sollen wie bisher behandelt werden – die Kommunen und Länder würde dies also mittelfristig nicht entlasten.
Über eine Million Menschen aus der Ukraine sind als Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert. Dazu kommen 218.000 Migrantinnen und Migranten, die 2022 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben. Plus 102.000 Menschen in den ersten vier Monaten dieses Jahres – ein Anstieg von 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
29,84 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, 26,65 Milliarden in diesem Jahr – Bundesfinanzminister Christian Linder ließ vor kurzem ausrechnen, wieviel der Bund bereits für Geflüchtete ausgebe – darunter fallen allerdings auch knapp elf Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen ins Ausland.
Wie hoch sind aktuell die Kosten des Bundes?
Mit fünf Milliarden Euro übernimmt der Bund den Löwenanteil für die Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Ebenso hoch ist der Betrag für Sozialleistungen für Geflüchtete aus anderen Regionen. Hinzu kommen Integrationsleistungen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro und eine allgemeine Pauschale von 2,75 Milliarden Euro, die über die Umsatzsteuer an die Länder fließt. Mit eigenen Programmen unterstützt der Bund außerdem den Kita-Ausbau, die Digitalisierung der Schulen und den Wohnungsbau.
Die Bundesregierung will die Flüchtlingshilfen für Länder und Kommunen nicht wesentlich erhöhen, weil die Schulden des Bundes immer weiter stiegen, während viele Länder und Kommunen über Haushaltsüberschüsse verfügten.
Die Ampel-Regierung verweist auf das Grundgesetz, wonach Länder und Kommunen für die Finanzierung der Flüchtlinge zuständig seien. Auch der Bundesrechnungshof habe festgestellt, dass der Bund schon jetzt in erheblichem Maße Ausgaben finanziere, die nach dem Grundgesetz von Ländern und Kommunen zu leisten seien. 24 Milliarden Euro waren es im Jahr 2021.
Eine weitere Begründung: Länder und Kommunen erhielten immer größere Anteile aus den Steuereinnahmen des Staates und sollten damit ihre Aufgaben erfüllen können. Der Bund will die Länder in Zukunft dazu verpflichten, anzugeben, wieviel Geld der Bundespauschale von 3,5 Milliarden Euro sie für die Kommunen tatsächlich weitergegeben haben.
Wie argumentiert die Bundesregierung?
Steigen die Flüchtlingszahlen, müssen auch die Leistungen des Bundes steigen, der Bund müsse sich erheblich bewegen – auf diese Linie haben sich die 16 Bundesländer vor dem geplanten Treffen im Kanzleramt am Mittwoch (10. Mai 2023) verständigt. Der Bund habe faktisch seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz wieder steigender Flüchtlingszahlen zurückgefahren, von 9,1 Milliarden Euro 2016 auf jetzt 2,75 Milliarden Euro.
Wie argumentieren die Länder?
Dazu passe laut dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst auch der Anteil der Kosten, die vom Bund getragen würden. Hätte dieser auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise noch 40 Prozent betragen, sei er aktuell deutlich unter 20 Prozent gefallen. “Parteiübergreifend haben sich die 16 Länder verständigt, dass sich der Bund und die Länder die Kosten teilen sollten, also wenigstens 50:50”, so Wüst gegenüber der “Rheinischen Post”.
Die Kosten für Integration, Betreuung, Kitas und Schulen stiegen demnach immer mehr an. Zudem kämen immer mehr Geflüchtete nicht aus der Ukraine, so dass Länder und Kommunen die Kosten vollständig übernehmen müssten.
Geht es nach den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer, sollte Deutschland zu einer Pro-Kopf-Pauschale pro Flüchtling zurückkehren. Von 2016 bis 2021 überwies der Bund den Ländern 670 Euro pro Asylbewerber und Monat, jetzt sollte diese Fallpauschale auf circa 1000 Euro aufgestockt werden. Entscheidender Vorteil: Bund und Länder müssten nicht immer wieder über die Kosten von Geflüchteten neu verhandeln.
Welchen Vorschlag haben die Länder?
Die Abschaffung dieser Pauschale vor zwei Jahren hatten die Bundesländer allerdings mitgetragen. Außerdem wollen die Länder eine Pauschale für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und eine vollständige Erstattung der Kosten für die Unterkünfte der Flüchtlinge. Der Bund müsse zudem eigene Immobilien für die Flüchtlingsunterbringung bereitstellen, forderte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig.
Beim Gipfel wird es auch um zusätzliche Maßnahmen gehen, auf die sich Bund und Länder einigen sollen. Bis Ende 2024 sollen die Ausländerbehörden in der Lage sein, ihre Arbeitsprozesse automatisiert unter Nutzung elektronischer Akten abwickeln zu können, fordert der Bund.
Bis wann sollen die Ausländerbehörden vollständig digitalisiert sein?
Geht es nach dem Bund, soll die Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern in die Heimatländer vereinfacht werden. Gesetzliche Regeln, die Abschiebungen bisher erschwerten, sollen angepasst werden, konkret: Die Durchsuchungsmöglichkeiten der Polizei sollen erweitert und der sogenannte Ausreisegewahrsam von zehn auf 28 Tage verlängert werden.
Was soll mit abgelehnten Asylbewerbern passieren?
Zudem will die Ampel-Regierung die Abschiebehaft unabhängig von Asylanträgen ermöglichen, Klagen gegen Einreise und Aufenthaltsverbote sollen bei Abschiebungen keine aufschiebende Wirkung mehr haben.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat vorgeschlagen, Moldau und Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Über die Einstufung eines Landes als sicherer Herkunftsstaat entscheiden letztendlich Bundestag und Bundesrat. CDU und CSU hatten vor dem Flüchtlingsgipfel gefordert, Herkunftsstaaten die Entwicklungshilfe zu kürzen, wenn sie abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen. Die Regierung hatte dies jedoch abgelehnt.
Bundesonnenministerin Nancy Faeser möchte in der Europäischen Union durchsetzen, dass über den Asylantrag in bestimmten Fällen bereits in Zentren an den EU-Außengrenzen entschieden wird. Geflüchtete aus Pakistan, Bangladesch, Marokko oder Georgien könnten so im Falle einer Ablehnung direkt in ihre Heimat abgeschoben werden.
Menschen aus Syrien und Afghanistan, die 2022 in Deutschland die größte Gruppe der Geflüchteten stellten, sollen wie bisher behandelt werden – die Kommunen und Länder würde dies also mittelfristig nicht entlasten.