Welt

Europäische Union auf Tuchfühlung mit ihren Bürgern

Fast 200 Bürger sprechen dieses Wochenende in Maastricht über die Zukunft der EU. Werden die Bürger wirklich etwas bewegen?

Die “Konferenz zur Zukunft Europas” beginnt, wie wohl die meisten Veranstaltungen dieser Tage, erst einmal mit Schlange stehen. Zuerst das COVID-Zertifikat zeigen, dann registrieren, und schließlich braucht es noch das Tablet für die Verdolmetschung. Eines wird aber sofort klar: Im niederländischen Maastricht findet an diesem Wochenende keine normale Konferenz statt. Es gibt keine Männer und Frauen in Businessanzügen, die sich über die neuesten Trends ihrer Branche oder den aktuellen Forschungsstand austauschen. Stattdessen herrschen maskiertes Gewusel und Sprachen-Wirrwarr. Eigentlich ganz so, wie man es erwartet, wenn fast 200 Bürger Europas zusammenkommen. Genauer gesagt sind es 161 Bürger aus allen 27 EU-Ländern. Sie sind angereist, um über die Europäische Union zu sprechen. 23 Bürger werden online hinzugeschaltet. 

Mittendrin im Getümmel ist die 22-jährige Alisa Wegner aus Bad Hersfeld. Zusammen mit Berit und Linnea sucht Sie sich einen Platz in dem Saal. Die drei kennen sich bereits vom letzten Treffen. Die Veranstaltung beginnt. Aufmerksam hören die Studentinnen zu, was in den nächsten Tagen auf sie zukommt. Vor ihnen liegt ein straffes Programm mit klarem Ziel: Die Zukunft Europas in den Bereichen Migration und Stellung in der Welt mitzubestimmen.

Die “Konferenz zur Zukunft Europas” beginnt, wie wohl die meisten Veranstaltungen dieser Tage, erst einmal mit Schlange stehen. Zuerst das COVID-Zertifikat zeigen, dann registrieren, und schließlich braucht es noch das Tablet für die Verdolmetschung. Eines wird aber sofort klar: Im niederländischen Maastricht findet an diesem Wochenende keine normale Konferenz statt. Es gibt keine Männer und Frauen in Businessanzügen, die sich über die neuesten Trends ihrer Branche oder den aktuellen Forschungsstand austauschen. Stattdessen herrschen maskiertes Gewusel und Sprachen-Wirrwarr. Eigentlich ganz so, wie man es erwartet, wenn fast 200 Bürger Europas zusammenkommen. Genauer gesagt sind es 161 Bürger aus allen 27 EU-Ländern. Sie sind angereist, um über die Europäische Union zu sprechen. 23 Bürger werden online hinzugeschaltet. 

Dafür wird Alisa die nächsten Tage in Arbeitsgruppen konkrete Handlungsempfehlungen und Wünsche über die Stellung der EU in der Welt formulieren. Ausgesucht hat sie sich das Thema nicht. Aber von dem Format ist sie überzeugt: “Ich finde es ist eine superwichtige Sache sich so ein Event überhaupt erst mal auszudenken und zu organisieren und durchzuführen.” Der Politikstudentin geht es dabei vor allem darum, dass die EU den Bürgern nähergebracht wird. Durch ihr Studium kennt sie zwar die EU-Politik, gibt aber zu bedenken: “Ich komme vom Land und da sieht das alles ganz anders aus, da können sich unter EU-Politik viele Leute nichts vorstellen und auch nicht, was die in Brüssel machen.”

Konkrete Handlungsempfehlungen sollen entstehen

Um die Bürger geht es auch der EU-Kommissarin Dubravka Šuica, Vizepräsidentin der EU-Kommission und zuständig für Demokratie und Demographie. “Das Ziel ist es, dass die europäischen Bürger sehen, dass sie europäische Politik beeinflussen können. Und dass diese nicht nur in der sogenannten –  und so wahrgenommenen – Brüsseler Blase entsteht”, sagt die EU-Kommissarin. 

Deshalb beugen sich Alisa, Berit und Linnea nun also über einen dicken Stapel Vorschläge zu EU-Migrationspolitik und der Stellung der EU in der Welt. Aus diesem suchen sie diejenigen Empfehlungen aus, die ihnen am wichtigsten sind.  Um sie herum, in dem großen hellen Saal des modernen Messegebäudes, herrscht reges Treiben.

An hohen Tischen sitzen die Bürger in Gruppen zusammen. Man hört angeregte Diskussionen auf Italienisch, Schwedisch, Deutsch, Französisch und immer wieder auch Wortfetzen eines durch verschiedenste Akzente geprägtem Englisch. Mit bunten Klebepunkten bewaffnet, erstellen die Teilnehmer dann eine Rangliste der Vorschläge. Diese werden am Nachmittag in Arbeitskreisen diskutiert. Am Sonntag wird dann entschieden, welche Vorschläge es tatsächlich zu den Politikern schaffen sollen. Insgesamt gibt es vier verschiedene solcher Bürgerforen zu unterschiedlichen Themen bei der EU-Zukunftskonferenz. 

Bis ein Politiker die Ideen der Bürger in der Hand hält müssen sie aber noch etwas Strecke machen. In einer weiteren Sitzung werden sogenannte Botschafter die gesammelten Wünsche der Bürger vortragen. Bürger, die nicht vor Ort sind, können sich auch über eine Onlineplattform in die Konferenz einbringen. Die Plenarversammlung, bestehend aus diesen Botschaftern und weiteren Vertretern, darunter Politikern aus dem EU-Parlament und nationalen Parlamenten, werden die Ideen der Bürger diskutieren und die Empfehlungen weiterentwickeln. Nach derzeitiger Planung soll das Ende April 2022 sein. Ein weiteres Komitee wird dann einen Abschlussbericht erstellen. Dieser geht dann zur weiteren Bearbeitung an die EU-Kommission, das EU-Parlaments und den Rat der Europäischen Union. Die drei Institutionen haben sich dazu verpflichtet den Bürgern zuzuhören, sowie die Empfehlungen nach Maßgabe ihrer Zuständigkeit mit einzubeziehen.  Das sei ein “großes Versprechen”, sagt die Vizepräsidentin der EU-Kommission Dubravka Šuica. Nicht einmal die relativ hohe Hürde einer EU-Vertragsänderung schließt sie im Gespräch mit der DW ausdrücklich aus. Sie wolle der Entscheidung der Bürger nicht vorgreifen, betont die EU-Politikerin.

Die Aufnahme besonders kontroverser Vorschläge in den Abschlussbericht, erwartet Andreas Hofmann, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, aufgrund der politisch vorgeschalteten Kontrolle nicht.  Auch schätzt er die Breitenwirkung der Konferenz als eher gering ein. Dafür macht Hofmann auch die COVID-19-Pandemie verantwortlich: “Noch ein weiteres Zoom-Meeting eines Bürgerforums ist eben nicht unbedingt das, was für Schlagzeilen sorgt.” Es sei mit der Zukunftskonferenz nichts verloren, sagt Hofmann und weist im Anschluss auf die Gefahr hin, “dass die Beteiligten enttäuscht sind, über den fehlenden Widerhall ihres Engagements.”

Allzu groß scheinen die Hoffnungen aber ohnehin nicht zu sein. Bei Peter Marschall, einem Rentner aus Wuppertal, ist die Erwartungshaltung an das Ergebnis der Konferenz eher gedämpft. Sein Gefühl ist, dass der ganze Prozess etwas zu ändern “extrem mühselig sein wird”.  Alisa ist ein wenig optimistischer. Sie wünscht sich, dass die Vorschläge der Bürger von den Politikern ernst genommen werden und vielleicht der ein oder andere sagt: “Okay, damit können wir weiterarbeiten oder das nehmen wir in unsere Parlamentsdebatten mit rein.” 

EU Zukunftskonferenz
EU Zukunftskonferenz
EU Zukunftskonferenz

Die “Konferenz zur Zukunft Europas” beginnt, wie wohl die meisten Veranstaltungen dieser Tage, erst einmal mit Schlange stehen. Zuerst das COVID-Zertifikat zeigen, dann registrieren, und schließlich braucht es noch das Tablet für die Verdolmetschung. Eines wird aber sofort klar: Im niederländischen Maastricht findet an diesem Wochenende keine normale Konferenz statt. Es gibt keine Männer und Frauen in Businessanzügen, die sich über die neuesten Trends ihrer Branche oder den aktuellen Forschungsstand austauschen. Stattdessen herrschen maskiertes Gewusel und Sprachen-Wirrwarr. Eigentlich ganz so, wie man es erwartet, wenn fast 200 Bürger Europas zusammenkommen. Genauer gesagt sind es 161 Bürger aus allen 27 EU-Ländern. Sie sind angereist, um über die Europäische Union zu sprechen. 23 Bürger werden online hinzugeschaltet. 

Mittendrin im Getümmel ist die 22-jährige Alisa Wegner aus Bad Hersfeld. Zusammen mit Berit und Linnea sucht Sie sich einen Platz in dem Saal. Die drei kennen sich bereits vom letzten Treffen. Die Veranstaltung beginnt. Aufmerksam hören die Studentinnen zu, was in den nächsten Tagen auf sie zukommt. Vor ihnen liegt ein straffes Programm mit klarem Ziel: Die Zukunft Europas in den Bereichen Migration und Stellung in der Welt mitzubestimmen.

Konkrete Handlungsempfehlungen sollen entstehen

Dafür wird Alisa die nächsten Tage in Arbeitsgruppen konkrete Handlungsempfehlungen und Wünsche über die Stellung der EU in der Welt formulieren. Ausgesucht hat sie sich das Thema nicht. Aber von dem Format ist sie überzeugt: “Ich finde es ist eine superwichtige Sache sich so ein Event überhaupt erst mal auszudenken und zu organisieren und durchzuführen.” Der Politikstudentin geht es dabei vor allem darum, dass die EU den Bürgern nähergebracht wird. Durch ihr Studium kennt sie zwar die EU-Politik, gibt aber zu bedenken: “Ich komme vom Land und da sieht das alles ganz anders aus, da können sich unter EU-Politik viele Leute nichts vorstellen und auch nicht, was die in Brüssel machen.”

Um die Bürger geht es auch der EU-Kommissarin Dubravka Šuica, Vizepräsidentin der EU-Kommission und zuständig für Demokratie und Demographie. “Das Ziel ist es, dass die europäischen Bürger sehen, dass sie europäische Politik beeinflussen können. Und dass diese nicht nur in der sogenannten –  und so wahrgenommenen – Brüsseler Blase entsteht”, sagt die EU-Kommissarin. 

Deshalb beugen sich Alisa, Berit und Linnea nun also über einen dicken Stapel Vorschläge zu EU-Migrationspolitik und der Stellung der EU in der Welt. Aus diesem suchen sie diejenigen Empfehlungen aus, die ihnen am wichtigsten sind.  Um sie herum, in dem großen hellen Saal des modernen Messegebäudes, herrscht reges Treiben.

An hohen Tischen sitzen die Bürger in Gruppen zusammen. Man hört angeregte Diskussionen auf Italienisch, Schwedisch, Deutsch, Französisch und immer wieder auch Wortfetzen eines durch verschiedenste Akzente geprägtem Englisch. Mit bunten Klebepunkten bewaffnet, erstellen die Teilnehmer dann eine Rangliste der Vorschläge. Diese werden am Nachmittag in Arbeitskreisen diskutiert. Am Sonntag wird dann entschieden, welche Vorschläge es tatsächlich zu den Politikern schaffen sollen. Insgesamt gibt es vier verschiedene solcher Bürgerforen zu unterschiedlichen Themen bei der EU-Zukunftskonferenz. 

Bis ein Politiker die Ideen der Bürger in der Hand hält müssen sie aber noch etwas Strecke machen. In einer weiteren Sitzung werden sogenannte Botschafter die gesammelten Wünsche der Bürger vortragen. Bürger, die nicht vor Ort sind, können sich auch über eine Onlineplattform in die Konferenz einbringen. Die Plenarversammlung, bestehend aus diesen Botschaftern und weiteren Vertretern, darunter Politikern aus dem EU-Parlament und nationalen Parlamenten, werden die Ideen der Bürger diskutieren und die Empfehlungen weiterentwickeln. Nach derzeitiger Planung soll das Ende April 2022 sein. Ein weiteres Komitee wird dann einen Abschlussbericht erstellen. Dieser geht dann zur weiteren Bearbeitung an die EU-Kommission, das EU-Parlaments und den Rat der Europäischen Union. Die drei Institutionen haben sich dazu verpflichtet den Bürgern zuzuhören, sowie die Empfehlungen nach Maßgabe ihrer Zuständigkeit mit einzubeziehen.  Das sei ein “großes Versprechen”, sagt die Vizepräsidentin der EU-Kommission Dubravka Šuica. Nicht einmal die relativ hohe Hürde einer EU-Vertragsänderung schließt sie im Gespräch mit der DW ausdrücklich aus. Sie wolle der Entscheidung der Bürger nicht vorgreifen, betont die EU-Politikerin.

Die Brüsseler Blase zerstechen 

Die Aufnahme besonders kontroverser Vorschläge in den Abschlussbericht, erwartet Andreas Hofmann, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, aufgrund der politisch vorgeschalteten Kontrolle nicht.  Auch schätzt er die Breitenwirkung der Konferenz als eher gering ein. Dafür macht Hofmann auch die COVID-19-Pandemie verantwortlich: “Noch ein weiteres Zoom-Meeting eines Bürgerforums ist eben nicht unbedingt das, was für Schlagzeilen sorgt.” Es sei mit der Zukunftskonferenz nichts verloren, sagt Hofmann und weist im Anschluss auf die Gefahr hin, “dass die Beteiligten enttäuscht sind, über den fehlenden Widerhall ihres Engagements.”

Der Weg zum Politiker ist lang 

Allzu groß scheinen die Hoffnungen aber ohnehin nicht zu sein. Bei Peter Marschall, einem Rentner aus Wuppertal, ist die Erwartungshaltung an das Ergebnis der Konferenz eher gedämpft. Sein Gefühl ist, dass der ganze Prozess etwas zu ändern “extrem mühselig sein wird”.  Alisa ist ein wenig optimistischer. Sie wünscht sich, dass die Vorschläge der Bürger von den Politikern ernst genommen werden und vielleicht der ein oder andere sagt: “Okay, damit können wir weiterarbeiten oder das nehmen wir in unsere Parlamentsdebatten mit rein.” 

Keine große Breitenwirkung 

Gedämpfte Erwartungen und leiser Optimismus

EU Zukunftskonferenz

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