Sport

Schwimmen lernen, Tragödien vermeiden

In Europa ertrinken zu viele Kinder. Eine Hochschul-Initiative möchte daher schon die Schwimmfähigkeit der Jüngsten verbessern. Erste Ergebnisse machen Mut, aber Probleme bei Infrastruktur und Personal bleiben.

Der Tod durch Ertrinken ist in den meisten Fällen eine lautlose Tragödie. Die Opfer verschwinden einfach unter der Wasseroberfläche und tauchen nicht mehr auf. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen nach aktuellsten Untersuchungen alleine in Europa jährlich etwa 19.000 Menschen durch Ertrinken ums Leben (Stand: 2019). Bei Kindern in der Altersgruppe der Fünf- bis 14-Jährigen ist es nach Infektionen und Unfällen die dritthäufigste Todesursache. Viele dieser Todesfälle hätten sich möglicherweise vermeiden lassen, wären die Kinder früher und besser im Schwimmen ausgebildet worden.

Allein in Deutschland sind laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Jahr 2021 299 Menschen ertrunken, davon waren 17 Kinder im Alter bis zehn Jahre. Dabei soll laut den Schul-Lehrplänen eigentlich jedes Kind bis zum Ende der Grundschulzeit in der Lage sein zu schwimmen. Die Realität ist aber oft eine andere. “Gerade durch die Situation, die in der Corona-Pandemie entstanden ist, schätzen wir die Lage in der Lehre als dramatisch ein”, sagt DLRG-Sprecher Martin Holzhause der DW.

Der Tod durch Ertrinken ist in den meisten Fällen eine lautlose Tragödie. Die Opfer verschwinden einfach unter der Wasseroberfläche und tauchen nicht mehr auf. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen nach aktuellsten Untersuchungen alleine in Europa jährlich etwa 19.000 Menschen durch Ertrinken ums Leben (Stand: 2019). Bei Kindern in der Altersgruppe der Fünf- bis 14-Jährigen ist es nach Infektionen und Unfällen die dritthäufigste Todesursache. Viele dieser Todesfälle hätten sich möglicherweise vermeiden lassen, wären die Kinder früher und besser im Schwimmen ausgebildet worden.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnte aufgrund des Infektionsgeschehens so gut wie keine Schwimmausbildung stattfinden. Auch schon vor der Pandemie waren die Möglichkeiten durch zu wenige Schwimmhallen, zunehmende Schwimmbad-Schließungen, zu geringe Hallenkapazitäten sowie den Mangel an qualifizierten Lehrkräften alles andere als ausreichend. 

60 Prozent keine sicheren Schwimmer

Die aktuellste Forsa-Umfrage, die die DLRG im Jahr 2017 in Auftrag gegeben hat, ergab schon damals, dass 59 Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer sind. Im Vergleich zur Studie davor – aus dem Jahr 2010 – bedeutete dieses Ergebnis eine Verschlechterung um rund zehn Prozent.

“Wir versuchen jetzt mit besonderen Kampagnen aufzuholen”, sagt Holzhause. “Und wir werden unsere nächste Forsa-Umfrage vorziehen. Das zeigt aber die ganze Dramatik. Das Problem ist erkannt, wird von Seiten des Staats auch gefördert. Aber es fehlen vielfach Hallenkapazitäten und -zeiten.”

Hinzu kommt, dass die Erhebung der Schwimmfähigkeit nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten europäischen Raum nicht einheitlich geregelt ist. Alle Länder und Verbände treffen ihr eigenes Urteil und ihre eigenen Regelungen – eine objektive Beurteilung der (Schwimm-) Lage ist daher schwierig bis unmöglich. Bei den Ergebnissen der DLRG handelt es sich beispielsweise um eine Eltern-Befragung, die zwar repräsentativ ist, aber doch größeren Schwankungsfaktoren unterworfen ist. “Wir von der DLRG würden es sehr begrüßen, wenn es wissenschaftliche Methoden zu einer objektiven Erfassung geben würde”, sagt Holzhause.  

Eben dieser Problematik wollen sich nun europäische Hochschulen – angeführt von der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) – annehmen, und im Rahmen des von der Europäischen Union initiierten und finanzierten Erasmus-Programms umsetzen. “Es geht darum, ein komplexes Messverfahren zu entwickeln, um motorische Fähigkeiten bei den Kindern zu erfassen, aber zudem auch die Selbsteinschätzungen der Kinder über die eigenen Fähigkeiten zu berücksichtigen”, sagt Schwimm-Expertin Ilka Staub vom Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten an der DSHS der DW. Start soll im August 2022 sein.

Man könne sich das Projekt vorstellen wie eine Pisa-Studie. Sieben Länder (Frankreich, Deutschland, Norwegen, Belgien, Portugal, Litauen, Polen) und dortige Universitäten und Städte nehmen teil. Es werden jeweils 100 Kinder getestet und befragt. So soll auch festgestellt werden, welchen politischen und kulturellen Umgang es in den teilnehmenden Ländern mit dem “Schwimmen lernen” gibt. Es gehe erst einmal darum, einen Status Quo abzubilden. “Das wird uns einen Eindruck liefern, was wir verbessern können und von wem wir etwas lernen können”, sagt Staub. 

Aus den aktuellsten Ergebnissen der WHO aus dem Jahr 2019 geht hervor, dass der EU-Durchschnitt bei 2,1 Todesfällen durch Ertrinken pro 100.000 Einwohnern liegt. Ein positives Beispiel ist dabei neben Deutschland (0,5) Portugal, das auch am Erasmus-Programm teilnimmt und mit einem Durchschnittswert von 0,8 pro 100.000 Einwohner im vorderen Drittel des Rankings liegt.

Einen Grund dafür meint Aldo Matos da Costa zu kennen: “Ich glaube, dass heute mehr Kinder schwimmen können, weil in den vergangenen 25 oder 30 Jahren die Infrastruktur stark ausgebaut wurde. Heute gibt es in Portugal mehr als 600 Schwimmbäder”, sagt der Präsident des portugiesischen Schwimmverbandes. “Das hat mehr Möglichkeiten für den Schwimmunterricht in der Schule geschaffen.”

“Schwimmen ist in Portugal eine kulturelle Tradition”, sagt Joao Paulo Vilas-Boas der DW. Er lehrt an der Universität von Porto Sport. “In Portugal gibt es schon seit vielen Jahren Schwimmschulen für Kleinkinder. Aber leider gibt es auch viele Fälle von Ertrinken. Die Menschen sind also sensibel für das Thema.” 

Im Gegensatz zu Deutschland und Portugal führt die Erhebung zur Schwimmfähigkeit Erasmus-Programm-Teilnehmer Litauen auf dem viertletzten Rang. Hier liegt der Wert bei 5,4. Beim litauischen Schwimmverband versuchen die Verantwortlichen bereits seit längerer Zeit, dem gezielt entgegenzusteuern.

“2009 wurde festgestellt, dass in Litauen zu viele Menschen durch Ertrinken starben. Daraufhin initiierte der litauische Schwimmverband zusammen mit der Regierung ein spezielles Programm, um mehr Kinder für das Schwimmen zu begeistern. Es richtete sich besonders an Zweitklässler”, sagt Milda Seibokaite der DW. Sie ist die Leiterin der Abteilung Information und Sonderprojekte beim litauischen Schwimmverband. Das Projekt habe bereits positive Ergebnisse hervorgebracht: “Während vor zehn bis zwölf Jahren in Litauen jährlich noch 25 bis 30 Kinder ertranken, sind es jetzt nur noch vier bis acht”, sagt sie. 

Auch Donatas Balandis, der in Litauens Hauptstadt Vilnius als Schwimmtrainer arbeitet, sieht eine erfolgreiche Entwicklung. “Schwimmen ist in den vergangenen zehn Jahren in Mode gekommen”, sagt er. “Wenn man sich die Zahl der Kinder ansieht, die in und außerhalb der Schule Schwimmunterricht nehmen, schlägt Schwimmen sogar knapp Basketball, das in Litauen immer die Sportart Nummer eins war.”

In einem Hallenbad liegen zwei Schwimmflügel und ein Schwimmbrett auf einem Startblock
Rettungsstaffeln der DLRG und der Feuerwehr stehen am Rand eines Flusses und wollen ein Boot besteigen
Ein Junge atmet unter Wasser aus und erzeugt große Luftblasen

Der Tod durch Ertrinken ist in den meisten Fällen eine lautlose Tragödie. Die Opfer verschwinden einfach unter der Wasseroberfläche und tauchen nicht mehr auf. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen nach aktuellsten Untersuchungen alleine in Europa jährlich etwa 19.000 Menschen durch Ertrinken ums Leben (Stand: 2019). Bei Kindern in der Altersgruppe der Fünf- bis 14-Jährigen ist es nach Infektionen und Unfällen die dritthäufigste Todesursache. Viele dieser Todesfälle hätten sich möglicherweise vermeiden lassen, wären die Kinder früher und besser im Schwimmen ausgebildet worden.

Allein in Deutschland sind laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Jahr 2021 299 Menschen ertrunken, davon waren 17 Kinder im Alter bis zehn Jahre. Dabei soll laut den Schul-Lehrplänen eigentlich jedes Kind bis zum Ende der Grundschulzeit in der Lage sein zu schwimmen. Die Realität ist aber oft eine andere. “Gerade durch die Situation, die in der Corona-Pandemie entstanden ist, schätzen wir die Lage in der Lehre als dramatisch ein”, sagt DLRG-Sprecher Martin Holzhause der DW.

60 Prozent keine sicheren Schwimmer

In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnte aufgrund des Infektionsgeschehens so gut wie keine Schwimmausbildung stattfinden. Auch schon vor der Pandemie waren die Möglichkeiten durch zu wenige Schwimmhallen, zunehmende Schwimmbad-Schließungen, zu geringe Hallenkapazitäten sowie den Mangel an qualifizierten Lehrkräften alles andere als ausreichend. 

Die aktuellste Forsa-Umfrage, die die DLRG im Jahr 2017 in Auftrag gegeben hat, ergab schon damals, dass 59 Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer sind. Im Vergleich zur Studie davor – aus dem Jahr 2010 – bedeutete dieses Ergebnis eine Verschlechterung um rund zehn Prozent.

“Wir versuchen jetzt mit besonderen Kampagnen aufzuholen”, sagt Holzhause. “Und wir werden unsere nächste Forsa-Umfrage vorziehen. Das zeigt aber die ganze Dramatik. Das Problem ist erkannt, wird von Seiten des Staats auch gefördert. Aber es fehlen vielfach Hallenkapazitäten und -zeiten.”

Hinzu kommt, dass die Erhebung der Schwimmfähigkeit nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten europäischen Raum nicht einheitlich geregelt ist. Alle Länder und Verbände treffen ihr eigenes Urteil und ihre eigenen Regelungen – eine objektive Beurteilung der (Schwimm-) Lage ist daher schwierig bis unmöglich. Bei den Ergebnissen der DLRG handelt es sich beispielsweise um eine Eltern-Befragung, die zwar repräsentativ ist, aber doch größeren Schwankungsfaktoren unterworfen ist. “Wir von der DLRG würden es sehr begrüßen, wenn es wissenschaftliche Methoden zu einer objektiven Erfassung geben würde”, sagt Holzhause.  

Wie eine Pisa-Studie

Eben dieser Problematik wollen sich nun europäische Hochschulen – angeführt von der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) – annehmen, und im Rahmen des von der Europäischen Union initiierten und finanzierten Erasmus-Programms umsetzen. “Es geht darum, ein komplexes Messverfahren zu entwickeln, um motorische Fähigkeiten bei den Kindern zu erfassen, aber zudem auch die Selbsteinschätzungen der Kinder über die eigenen Fähigkeiten zu berücksichtigen”, sagt Schwimm-Expertin Ilka Staub vom Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten an der DSHS der DW. Start soll im August 2022 sein.

Portugal hat kulturelle Verbundenheit zum Schwimmen

Man könne sich das Projekt vorstellen wie eine Pisa-Studie. Sieben Länder (Frankreich, Deutschland, Norwegen, Belgien, Portugal, Litauen, Polen) und dortige Universitäten und Städte nehmen teil. Es werden jeweils 100 Kinder getestet und befragt. So soll auch festgestellt werden, welchen politischen und kulturellen Umgang es in den teilnehmenden Ländern mit dem “Schwimmen lernen” gibt. Es gehe erst einmal darum, einen Status Quo abzubilden. “Das wird uns einen Eindruck liefern, was wir verbessern können und von wem wir etwas lernen können”, sagt Staub. 

Aus den aktuellsten Ergebnissen der WHO aus dem Jahr 2019 geht hervor, dass der EU-Durchschnitt bei 2,1 Todesfällen durch Ertrinken pro 100.000 Einwohnern liegt. Ein positives Beispiel ist dabei neben Deutschland (0,5) Portugal, das auch am Erasmus-Programm teilnimmt und mit einem Durchschnittswert von 0,8 pro 100.000 Einwohner im vorderen Drittel des Rankings liegt.

Einen Grund dafür meint Aldo Matos da Costa zu kennen: “Ich glaube, dass heute mehr Kinder schwimmen können, weil in den vergangenen 25 oder 30 Jahren die Infrastruktur stark ausgebaut wurde. Heute gibt es in Portugal mehr als 600 Schwimmbäder”, sagt der Präsident des portugiesischen Schwimmverbandes. “Das hat mehr Möglichkeiten für den Schwimmunterricht in der Schule geschaffen.”

Litauen arbeitet verstärkt daran, sich zu verbessern

“Schwimmen ist in Portugal eine kulturelle Tradition”, sagt Joao Paulo Vilas-Boas der DW. Er lehrt an der Universität von Porto Sport. “In Portugal gibt es schon seit vielen Jahren Schwimmschulen für Kleinkinder. Aber leider gibt es auch viele Fälle von Ertrinken. Die Menschen sind also sensibel für das Thema.” 

Im Gegensatz zu Deutschland und Portugal führt die Erhebung zur Schwimmfähigkeit Erasmus-Programm-Teilnehmer Litauen auf dem viertletzten Rang. Hier liegt der Wert bei 5,4. Beim litauischen Schwimmverband versuchen die Verantwortlichen bereits seit längerer Zeit, dem gezielt entgegenzusteuern.

“2009 wurde festgestellt, dass in Litauen zu viele Menschen durch Ertrinken starben. Daraufhin initiierte der litauische Schwimmverband zusammen mit der Regierung ein spezielles Programm, um mehr Kinder für das Schwimmen zu begeistern. Es richtete sich besonders an Zweitklässler”, sagt Milda Seibokaite der DW. Sie ist die Leiterin der Abteilung Information und Sonderprojekte beim litauischen Schwimmverband. Das Projekt habe bereits positive Ergebnisse hervorgebracht: “Während vor zehn bis zwölf Jahren in Litauen jährlich noch 25 bis 30 Kinder ertranken, sind es jetzt nur noch vier bis acht”, sagt sie. 

Auch Donatas Balandis, der in Litauens Hauptstadt Vilnius als Schwimmtrainer arbeitet, sieht eine erfolgreiche Entwicklung. “Schwimmen ist in den vergangenen zehn Jahren in Mode gekommen”, sagt er. “Wenn man sich die Zahl der Kinder ansieht, die in und außerhalb der Schule Schwimmunterricht nehmen, schlägt Schwimmen sogar knapp Basketball, das in Litauen immer die Sportart Nummer eins war.”

Die Litauerin Milda Seibokaite steht vor einem Schwimmbecken

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