Fußball und Krypto – eine himmlische Ehe?
Kryptofirmen treten im Profifußball zunehmend als Sponsoren auf. Kritiker halten diese Verflechtung für unverantwortlich.
Mitte Februar hat der europäische Fußballverband UEFA eine Sponsoringvereinbarung mit Socios.com angekündigt. Das Unternehmen verkauft digitale Fanartikel, sogenannte Fan-Token, die nur mit der hauseigenen Kryptowährung namens Chiliz erworben werden können.
Socios Fan-Token sind digitale Vereinsabzeichen. Durch einen Eintrag in die Blockchain werden sie als digitale Originale (NFT) ausgewiesen und damit zu potentiellen Vermögenswerten, die weiterverkauft werden können. Besitzer von Fan-Token erhalten zudem Vergünstigungen und können gelegentlich über kleinere Vereinsangelegenheiten abstimmen.
Mitte Februar hat der europäische Fußballverband UEFA eine Sponsoringvereinbarung mit Socios.com angekündigt. Das Unternehmen verkauft digitale Fanartikel, sogenannte Fan-Token, die nur mit der hauseigenen Kryptowährung namens Chiliz erworben werden können.
Football Supporters Europe, ein europäisches Fan-Netzwerk, zeigte sich “entsetzt” über den Deal der UEFA. “Das ist ein unverständlicher Schritt in einer Zeit, in der der Fußball Schutz vor Krypto-Söldnern braucht”, heißt es in einer Erklärung.
Vorreiter Premier League
Der Vertrag zwischen UEFA und Socios ist Teil eines Trends. In den vergangenen zwei Jahren haben zahlreiche Krypto-Firmen stark in den Profifußball investiert.
17 der 20 englischen Premier-League-Vereine haben mindestens eine kommerzielle Vereinbarung mit einem Unternehmen aus dem Kryptowährungssektor. Sechs davon, darunter Arsenal und Manchester City, haben Verträge mit Socios. Einige Clubs tragen die Symbole von Kryptowährungen sogar auf ihren Trikots. Bei Southampton ist es das Logo von Bitcoin, bei Watford das von Dogecoin – einer kleineren Kryptowährung, die als “Scherz” in Leben gerufen wurde und auch vom Unternehmer Elon Musk unterstützt wird.
Socios hat Vereinbarungen mit Vereinen und Ligen in ganz Europa und Südamerika. Andere Krypto-Firmen haben bedeutende Deals in Ländern wie der Türkei, Italien und Argentinien abgeschlossen. Beim Geschäft mit digitalen Originalen (non-fungible token – NFT) mischen einzelne Vereine ebenso mit wie ganze Fußball-Ligen. Sie bieten Bilder oder Videos an, die ge- und wieder verkauft werden können. Mehrere hochkarätige Fußballspieler, darunter der brasilianische Star Neymar, rühren die Werbetrommel für NFT:
Bisher findet sich noch kein Verein der deutschen Bundesliga unter den Vertragspartnern von Socios. Allerdings hat die TSG Hoffenheim Anfang Februar eine NFT-Partnerschaft mit der Kryptowährung Babydoge angekündigt. Die Bundesliga selbst hatte Ende 2021 eine NFT-Partnerschaft mit dem Fußballmanager-Spiel Sorare vereinbart.
Die zunehmende Verflechtung von Fußball und Krypto ist alarmierend, auch weil der weitgehend unregulierte Kryptosektor ein Risiko für die Finanzstabilität darstellt. Ein Gremium, das die G20 in Finanzfragen berät, forderte kürzlich dringend bessere Regeln für digitale Vermögenswerte.
Ein “perfekter Sturm” habe die Verbindung zwischen Fußball und Krypto beschleunigt, sagt Martin Calladine, britischer Investigativ-Reporter und Autor des Buches The Ugly Game. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben die Fußballvereine in eine Finanzkrise gestürzt, gleichzeitig aber für einen dramatischen Anstieg des Kryptohandels gesorgt, so Calladine zur DW. In den vergangenen zwei Jahren ist der globale Marktwert des Kryptosektors um mehr als 500 Prozent gestiegen.
Firmen wie Socios preisen ihre Dienste damit an, sie würden das “Fan-Engagement” verbessern, also die Beziehung zwischen Fans und Vereinen. Calladine glaubt dagegen, das Hauptziel von Socios und Co. sei es, Menschen zum Kauf der unternehmenseigenen Kryptowährung zu bewegen. “Es ist ganz offensichtlich, dass die Mehrheit dieser Token nicht von Fans gehalten wird”, sagt er. “Und wenn Fans Token kaufen, dann nicht, um ihre Loyalität oder ihr Engagement auszudrücken, sondern wegen der Profitchancen.”
Die Tatsache, dass jeder – nicht nur Fans – die Token eines Vereins kaufen kann, zeigt laut Calladine, dass sie kein sinnvolles Instrument zur Fanbindung sind. Beim kürzlich erfolgten Erstverkauf von Token des Premier-League-Clubs Crystal Palace zeigte sich, dass mehr als 90 Prozent der Käufer zuvor schon Token anderer Vereine erworben hatten.
Die Vereinsumfragen, bei denen Token-Besitzer abstimmen können, betreffen laut Calladine meist nur bedeutungslose Themen, entsprechend gering sei die Beteiligung. “Das kann einfach kein Produkt zur Fan-Bindung sein”, so Calladine. “Falls doch, ist es das schlechteste der Welt.”
Der CEO von Socio, Alexandre Dreyfus, sieht seine Token dagegen durchaus als Mittel zur Fan-Bindung, weniger als Spekulationsobjekte. “Ein Fan, der abstimmen will, wird nicht mit den Token handeln, die meisten werden niemals damit handeln”, sagte er kürzlich im Podcast Sportspro StreamTime. “Es gibt Fans, die bei zwei Euro gekauft haben und verkaufen, wenn der Kurs bei zehn Euro liegt. Aber wer kann ihnen das vorwerfen?”
Das Tempo, mit der sich die Marke Socios entwickelt hat, hält der Sportjournalist Calladine für “bemerkenswert”. Doch bei vielen Kryptofirmen, die sich nun im Sportbereich tummeln, gibt es Zweifel an der Seriosität.
So hatte Manchester City im November vergangenen Jahres eine Partnerschaft mit einem Unternehmen namens 3Key angekündigt, das in Pressemitteilungen als “DeFi-centric crypto company” beschrieben wurde – als Kryptofirma, die sich auf dezentrale Finanzierungsinstrumente konzentriere, die ohne Banken, Börsen und Makler auskommen.
Nur zwei Tage später legte der Club den Deal auf Eis. Nachforschungen von Calladine und anderen hatten Zweifel aufkommen lassen, ob die Firma und ihr Führungspersonal überhaupt existieren.
Etwa zur gleichen Zeit sagte der FC Barcelona ein Geschäft mit dem NFT-Unternehmen Ownix ab, nachdem der spanische Verein herausgefunden hatte, dass Führungskräfte von Ownix wegen sexueller Übergriffe und Betrugs angeklagt waren.
Kritiker wie Calladine warnen, dass gewöhnliche Fans erhebliche Geldbeträge verlieren können, wenn sie in Kryptowährungen investieren, die über ihren Verein beworben werden. Wie seine Recherchen zeigen, ist die Nachfrage nach Token in Brasilien und der Türkei besonders groß – also in fußballverrückten Ländern mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen.
“Die Token gibt es nur, um Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen”, sagt er. “Der Fußball wird dabei benutzt, um etwas Glaubwürdigkeit zu verleihen.”
Die britische Behörde für Werbeaufsicht verbot kürzlich zwei Werbekampagnen für Fan-Tokens des Londoner Clubs Arsenal. In der Begründung hieß es, die Werbung “nutzt die Unerfahrenheit oder Leichtgläubigkeit der Verbraucher aus, verharmlost Investitionen in Krypto-Vermögenswerte, stellt das Investitionsrisiko falsch dar und macht nicht deutlich, dass es sich bei den ‘Token’ um einen Krypto-Vermögenswert handelt.”
Mitte Februar hat der europäische Fußballverband UEFA eine Sponsoringvereinbarung mit Socios.com angekündigt. Das Unternehmen verkauft digitale Fanartikel, sogenannte Fan-Token, die nur mit der hauseigenen Kryptowährung namens Chiliz erworben werden können.
Socios Fan-Token sind digitale Vereinsabzeichen. Durch einen Eintrag in die Blockchain werden sie als digitale Originale (NFT) ausgewiesen und damit zu potentiellen Vermögenswerten, die weiterverkauft werden können. Besitzer von Fan-Token erhalten zudem Vergünstigungen und können gelegentlich über kleinere Vereinsangelegenheiten abstimmen.
Vorreiter Premier League
Football Supporters Europe, ein europäisches Fan-Netzwerk, zeigte sich “entsetzt” über den Deal der UEFA. “Das ist ein unverständlicher Schritt in einer Zeit, in der der Fußball Schutz vor Krypto-Söldnern braucht”, heißt es in einer Erklärung.
Der Vertrag zwischen UEFA und Socios ist Teil eines Trends. In den vergangenen zwei Jahren haben zahlreiche Krypto-Firmen stark in den Profifußball investiert.
17 der 20 englischen Premier-League-Vereine haben mindestens eine kommerzielle Vereinbarung mit einem Unternehmen aus dem Kryptowährungssektor. Sechs davon, darunter Arsenal und Manchester City, haben Verträge mit Socios. Einige Clubs tragen die Symbole von Kryptowährungen sogar auf ihren Trikots. Bei Southampton ist es das Logo von Bitcoin, bei Watford das von Dogecoin – einer kleineren Kryptowährung, die als “Scherz” in Leben gerufen wurde und auch vom Unternehmer Elon Musk unterstützt wird.
Socios hat Vereinbarungen mit Vereinen und Ligen in ganz Europa und Südamerika. Andere Krypto-Firmen haben bedeutende Deals in Ländern wie der Türkei, Italien und Argentinien abgeschlossen. Beim Geschäft mit digitalen Originalen (non-fungible token – NFT) mischen einzelne Vereine ebenso mit wie ganze Fußball-Ligen. Sie bieten Bilder oder Videos an, die ge- und wieder verkauft werden können. Mehrere hochkarätige Fußballspieler, darunter der brasilianische Star Neymar, rühren die Werbetrommel für NFT:
Die Geldbörsen der Fans
Bisher findet sich noch kein Verein der deutschen Bundesliga unter den Vertragspartnern von Socios. Allerdings hat die TSG Hoffenheim Anfang Februar eine NFT-Partnerschaft mit der Kryptowährung Babydoge angekündigt. Die Bundesliga selbst hatte Ende 2021 eine NFT-Partnerschaft mit dem Fußballmanager-Spiel Sorare vereinbart.
Zwielichtige Unternehmen
Die zunehmende Verflechtung von Fußball und Krypto ist alarmierend, auch weil der weitgehend unregulierte Kryptosektor ein Risiko für die Finanzstabilität darstellt. Ein Gremium, das die G20 in Finanzfragen berät, forderte kürzlich dringend bessere Regeln für digitale Vermögenswerte.
Ein “perfekter Sturm” habe die Verbindung zwischen Fußball und Krypto beschleunigt, sagt Martin Calladine, britischer Investigativ-Reporter und Autor des Buches The Ugly Game. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben die Fußballvereine in eine Finanzkrise gestürzt, gleichzeitig aber für einen dramatischen Anstieg des Kryptohandels gesorgt, so Calladine zur DW. In den vergangenen zwei Jahren ist der globale Marktwert des Kryptosektors um mehr als 500 Prozent gestiegen.
Firmen wie Socios preisen ihre Dienste damit an, sie würden das “Fan-Engagement” verbessern, also die Beziehung zwischen Fans und Vereinen. Calladine glaubt dagegen, das Hauptziel von Socios und Co. sei es, Menschen zum Kauf der unternehmenseigenen Kryptowährung zu bewegen. “Es ist ganz offensichtlich, dass die Mehrheit dieser Token nicht von Fans gehalten wird”, sagt er. “Und wenn Fans Token kaufen, dann nicht, um ihre Loyalität oder ihr Engagement auszudrücken, sondern wegen der Profitchancen.”
Finanziell flüssig, moralisch bankrott
Die Tatsache, dass jeder – nicht nur Fans – die Token eines Vereins kaufen kann, zeigt laut Calladine, dass sie kein sinnvolles Instrument zur Fanbindung sind. Beim kürzlich erfolgten Erstverkauf von Token des Premier-League-Clubs Crystal Palace zeigte sich, dass mehr als 90 Prozent der Käufer zuvor schon Token anderer Vereine erworben hatten.
Die Vereinsumfragen, bei denen Token-Besitzer abstimmen können, betreffen laut Calladine meist nur bedeutungslose Themen, entsprechend gering sei die Beteiligung. “Das kann einfach kein Produkt zur Fan-Bindung sein”, so Calladine. “Falls doch, ist es das schlechteste der Welt.”
Der CEO von Socio, Alexandre Dreyfus, sieht seine Token dagegen durchaus als Mittel zur Fan-Bindung, weniger als Spekulationsobjekte. “Ein Fan, der abstimmen will, wird nicht mit den Token handeln, die meisten werden niemals damit handeln”, sagte er kürzlich im Podcast Sportspro StreamTime. “Es gibt Fans, die bei zwei Euro gekauft haben und verkaufen, wenn der Kurs bei zehn Euro liegt. Aber wer kann ihnen das vorwerfen?”
Das Tempo, mit der sich die Marke Socios entwickelt hat, hält der Sportjournalist Calladine für “bemerkenswert”. Doch bei vielen Kryptofirmen, die sich nun im Sportbereich tummeln, gibt es Zweifel an der Seriosität.
So hatte Manchester City im November vergangenen Jahres eine Partnerschaft mit einem Unternehmen namens 3Key angekündigt, das in Pressemitteilungen als “DeFi-centric crypto company” beschrieben wurde – als Kryptofirma, die sich auf dezentrale Finanzierungsinstrumente konzentriere, die ohne Banken, Börsen und Makler auskommen.
Nur zwei Tage später legte der Club den Deal auf Eis. Nachforschungen von Calladine und anderen hatten Zweifel aufkommen lassen, ob die Firma und ihr Führungspersonal überhaupt existieren.
Etwa zur gleichen Zeit sagte der FC Barcelona ein Geschäft mit dem NFT-Unternehmen Ownix ab, nachdem der spanische Verein herausgefunden hatte, dass Führungskräfte von Ownix wegen sexueller Übergriffe und Betrugs angeklagt waren.
Kritiker wie Calladine warnen, dass gewöhnliche Fans erhebliche Geldbeträge verlieren können, wenn sie in Kryptowährungen investieren, die über ihren Verein beworben werden. Wie seine Recherchen zeigen, ist die Nachfrage nach Token in Brasilien und der Türkei besonders groß – also in fußballverrückten Ländern mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen.
“Die Token gibt es nur, um Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen”, sagt er. “Der Fußball wird dabei benutzt, um etwas Glaubwürdigkeit zu verleihen.”
Die britische Behörde für Werbeaufsicht verbot kürzlich zwei Werbekampagnen für Fan-Tokens des Londoner Clubs Arsenal. In der Begründung hieß es, die Werbung “nutzt die Unerfahrenheit oder Leichtgläubigkeit der Verbraucher aus, verharmlost Investitionen in Krypto-Vermögenswerte, stellt das Investitionsrisiko falsch dar und macht nicht deutlich, dass es sich bei den ‘Token’ um einen Krypto-Vermögenswert handelt.”
Calladine hofft, dass ein wachsendes Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas auch zu einer stärkeren Regulierung führen wird. Er verweist jedoch auf die traditionell engen Geschäftsbeziehungen zwischen englischen Fußballclubs und Glücksspiel- und Wettanbietern, außerdem die Übernahme von Newcastle United durch den Staatsfonds Saudi-Arabiens. Beispiele wie diese zeigen seiner Meinung nach, dass sich der Fußball gerne aus der Verantwortung stehle, wenn es ums Geld gehe.
“Amoralität und Geldgier des Fußballs gehen hier eine himmlische Ehe ein mit den Glücksrittern der Kryptowelt”, so Calladine. “Man kann sehen, wie fröhlich sie miteinander tanzen.”
“Amoralität und Geldgier des Fußballs gehen hier eine himmlische Ehe ein mit den Glücksrittern der Kryptowelt”, so Calladine. “Man kann sehen, wie fröhlich sie miteinander tanzen.”