Anfeindungen gegen die russische Community in Deutschland
Jugendliche, die in Bussen angepöbelt werden, Drohungen gegen russische Schulen – mit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine steigt auch die Stimmungsmache gegen lange in Deutschland lebende Russen.
Roman Friedrich ist, wenn man so will, gerade in Deutschland als Feuerwehrmann unterwegs. Der Streetworker im Kölner Stadtteil Chorweiler versucht verzweifelt, alle Brände zu löschen, die der Angriffskrieg des russischen Präsidenten hierzulande entfacht hat. Das heißt, er organisiert Tag und Nacht Hilfe für ukrainische Flüchtlinge, die in der Domstadt ankommen, hat aber gleichzeitig ständig ein Ohr für diejenigen, die für Putins Krieg verantwortlich gemacht werden: die russische Community in Deutschland.
“Was mich am meisten schockiert hat, war die Aufforderung einer Lehrerin in einer Grundschule an ein russisches Kind, aufzustehen und sich deutlich zu Putins Politik zu positionieren und distanzieren”, sagt Friedrich.
Roman Friedrich ist, wenn man so will, gerade in Deutschland als Feuerwehrmann unterwegs. Der Streetworker im Kölner Stadtteil Chorweiler versucht verzweifelt, alle Brände zu löschen, die der Angriffskrieg des russischen Präsidenten hierzulande entfacht hat. Das heißt, er organisiert Tag und Nacht Hilfe für ukrainische Flüchtlinge, die in der Domstadt ankommen, hat aber gleichzeitig ständig ein Ohr für diejenigen, die für Putins Krieg verantwortlich gemacht werden: die russische Community in Deutschland.
Der Sozialarbeiter, der im russischen Omsk geboren wurde und dessen Großmutter aus der Ukraine stammt, hat in den letzten Tagen viele Anrufe über ähnliche Anfeindungen erhalten: Von einem Jungen auf einem Kölner Gymnasium, der von seinen Mitschülern festgehalten und verprügelt wurde. Von einer Polin, die in einem Baumarkt für eine Russin gehalten und bepöbelt wurde. Von einer Schule, die darüber diskutiert, Russisch vom Lehrplan zu streichen und durch Ukrainisch zu ersetzen.
Nerven liegen blank, Beleidigungen gegen Russen nehmen zu
Von täglicher Stimmungsmache an Arbeitsplätzen, in Verkehrsmitteln, auf dem Schulhof. Ein gefundenes Fressen auch für den russischen Propagandaapparat, der dies für seine Zwecke nutzt. Und sogar noch Geschichten dazuerfindet, wie dass Busse aus antirussischen Motiven beschädigt worden seien, wie die Tagesschau berichtet.
“Noch sind die Anfeindungen keine breitflächige Tendenz, aber schon eine große Häufung von Einzelfällen, und das ist keine Panikmache. Vor dem Krieg waren die Russen für viele die AFD-Sympathisanten, jetzt sind es die Putin-Versteher. Die Konsequenz ist, dass sich diese Menschen in die Opferrolle hereinsteigern und weiter abkapseln”, befürchtet Friedrich.
Vor kurzem hat sich Friedrich, der fließend Russisch und Ukrainisch spricht, mit dem Inhaber eines Supermarktes unterhalten. Nach einem Anschlag in Oberhausen auf ein russisch-polnisches Geschäft mit zerstörten Fensterscheiben und Schmierereien sind viele Ladenbesitzer unschlüssig, ob sie nicht besser ihre russischen Produkte aus dem Sortiment entfernen sollten.
Die Mix Märkte mit 330 Filialen in ganz Europa berichten in zwei Fällen von Sachschäden und kündigten auf Anfrage der DW an, den sowieso schon geringen Anteil der Waren aus Russland auf Null zu fahren: “Unsere Teigtaschen Pelmeni werden in Nürnberg produziert, der Frischkäse Tworog (eine slawische Spezialität) kommt aus Polen, die gezuckerte Kondensmilch Sgushenka wird in Holland produziert, das Milcherzeugnis Rjazhenka kommt aus Litauen, die ‘russischen’ Würste werden in Bayern produziert, Bier stammt von der dänischen Carlsberg Brauerei oder von Anheuser Busch und unser Gebäck und die Süßigkeiten werden in der Ukraine produziert.”
Für Roman Friedrich sind das alles Nebelkerzen. Die Politik sei jetzt gefragt, die russische Gemeinschaft in Deutschland zu schützen, gerade angesichts der aufgeheizten Stimmung hierzulande. “Bei einem konkreten Fall der Volksverhetzung ist das ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Es darf nicht das gesamte russische Volk in Verantwortung gezogen werden. Die Gesellschaft und der Rechtsstaat müssen proaktiv und entschieden gegen solche Entwicklungen kämpfen.”
25 Kilometer weiter südlich in Bonn spielt auch Narina Karitzky seit Beginn des Krieges Feuerwehr, und auch bei ihr ist es ein Vollzeitjob. Die Lehrerin hat 2011 die Russische Schule in Bonn gegründet und ist bis jetzt deren Leiterin – anfangs ein kleines Projekt zur Nachhilfe für die russische Sprache, ist die Nachmittagsschule heute Anlaufpunkt für 500 Familien und deren Kinder, 25 Lehrer unterrichten außerdem Kunst, Ballett und sogar Robotertechnik.
“Meine Kollegin hat neulich einen Anruf bekommen von einem Herrn, der irgendwo bei uns in der Nähe der Schule wohnt, der gesagt hat, wir seien eine Schande für die ganze Straße. ‘Ihr Mörder’ schrie er ins Telefon”, sagt sie.
Karitzky kann von ähnlichen Anfeindungen wie Friedrich erzählen. Von Jugendlichen, die auf der Straße angepöbelt werden. Von Erwachsenen, die Kinder im Bus anschreien, weil diese sich auf Russisch unterhalten. Von Lehrern, die von ihren Schülern ein klares Bekenntnis gegen Putin einfordern. Und von vielen Eltern, die nach dem Angriff auf den russischen Supermarkt in Oberhausen fragen, ob sie ihre Kinder überhaupt noch zur Russischen Schule schicken könnten. “Sie haben Angst, dass ihren Kindern etwas passiert”, sagt sie.
Dabei müsste die Russische Schule eigentlich Osteuropa-Schule heißen, dort tummeln sich auch Kinder aus Armenien, Kasachstan oder Georgien. Mehr als jede dritte Familie kommt sogar aus der Ukraine. Als der Krieg beginnt, erhält Narina Karitzky, Russin mit armenischen Wurzeln, Post von einer ukrainischen Mutter.
“Sie schrieb mir, dass sie so gerne ihre Kinder zu uns bringt und sie möchten auch weiterhin bleiben, aber sie fragte: Was halten Sie von der Invasion? Sind Sie dafür oder dagegen? Für sie war es wichtig, wie wir dazu stehen. Als Russischsprachiger schämst du dich, auch wenn du nichts dafür kannst.”
Die Leiterin der Russischen Schule hat sich klar positioniert und den völkerrechtswidrigen Angriff in aller Öffentlichkeit und Schärfe verurteilt, sogar der Bonner Oberbürgermeisterin hat sie einen Brief geschrieben. Umso erstaunter ist Karitzky, als das Bonner Landeskundemuseum ein für den Ende Mai geplantes Schultheaterstück, die Bremer Stadtmusikanten auf Russisch, kurzfristig absagt.
“Am 1. März kam eine kurze und knappe Nachricht in einem Satz: ‘Wir ziehen das Angebot aus politischen Gründen zurück.’ Das hat sehr weh getan. Dabei nehmen bei dem Theaterstück auch Menschen aus der Ukraine teil, aber das ist für viele schwer zu begreifen, weil wir das Russische Institut Bonn sind”, sagt sie.
Mittlerweile ist das Museum, das eine Kooperation über viele Jahre mit der Russischen Schule pflegt, zurückgerudert und hat bei Narina Karitzky um Entschuldigung gebeten. Das Theaterstück findet statt.
Narina Karitzkys Appell: “Die Menschen müssen differenzieren zwischen einem Angriffskrieg auf der einen Seite und friedlich lebenden Kindern und Familien auf der anderen Seite, die hier leben und damit überhaupt nichts zu tun haben. Dieser Krieg mag zwar im Namen des Volkes geführt werden, aber wir sagen ganz klar: Das ist Putins Krieg. Das, was da gerade passiert, ist nicht Russland.”
Roman Friedrich ist, wenn man so will, gerade in Deutschland als Feuerwehrmann unterwegs. Der Streetworker im Kölner Stadtteil Chorweiler versucht verzweifelt, alle Brände zu löschen, die der Angriffskrieg des russischen Präsidenten hierzulande entfacht hat. Das heißt, er organisiert Tag und Nacht Hilfe für ukrainische Flüchtlinge, die in der Domstadt ankommen, hat aber gleichzeitig ständig ein Ohr für diejenigen, die für Putins Krieg verantwortlich gemacht werden: die russische Community in Deutschland.
“Was mich am meisten schockiert hat, war die Aufforderung einer Lehrerin in einer Grundschule an ein russisches Kind, aufzustehen und sich deutlich zu Putins Politik zu positionieren und distanzieren”, sagt Friedrich.
Nerven liegen blank, Beleidigungen gegen Russen nehmen zu
Der Sozialarbeiter, der im russischen Omsk geboren wurde und dessen Großmutter aus der Ukraine stammt, hat in den letzten Tagen viele Anrufe über ähnliche Anfeindungen erhalten: Von einem Jungen auf einem Kölner Gymnasium, der von seinen Mitschülern festgehalten und verprügelt wurde. Von einer Polin, die in einem Baumarkt für eine Russin gehalten und bepöbelt wurde. Von einer Schule, die darüber diskutiert, Russisch vom Lehrplan zu streichen und durch Ukrainisch zu ersetzen.
Von täglicher Stimmungsmache an Arbeitsplätzen, in Verkehrsmitteln, auf dem Schulhof. Ein gefundenes Fressen auch für den russischen Propagandaapparat, der dies für seine Zwecke nutzt. Und sogar noch Geschichten dazuerfindet, wie dass Busse aus antirussischen Motiven beschädigt worden seien, wie die Tagesschau berichtet.
“Noch sind die Anfeindungen keine breitflächige Tendenz, aber schon eine große Häufung von Einzelfällen, und das ist keine Panikmache. Vor dem Krieg waren die Russen für viele die AFD-Sympathisanten, jetzt sind es die Putin-Versteher. Die Konsequenz ist, dass sich diese Menschen in die Opferrolle hereinsteigern und weiter abkapseln”, befürchtet Friedrich.
Vor kurzem hat sich Friedrich, der fließend Russisch und Ukrainisch spricht, mit dem Inhaber eines Supermarktes unterhalten. Nach einem Anschlag in Oberhausen auf ein russisch-polnisches Geschäft mit zerstörten Fensterscheiben und Schmierereien sind viele Ladenbesitzer unschlüssig, ob sie nicht besser ihre russischen Produkte aus dem Sortiment entfernen sollten.
Supermärkte verbannen russische Ware aus dem Sortiment
Die Mix Märkte mit 330 Filialen in ganz Europa berichten in zwei Fällen von Sachschäden und kündigten auf Anfrage der DW an, den sowieso schon geringen Anteil der Waren aus Russland auf Null zu fahren: “Unsere Teigtaschen Pelmeni werden in Nürnberg produziert, der Frischkäse Tworog (eine slawische Spezialität) kommt aus Polen, die gezuckerte Kondensmilch Sgushenka wird in Holland produziert, das Milcherzeugnis Rjazhenka kommt aus Litauen, die ‘russischen’ Würste werden in Bayern produziert, Bier stammt von der dänischen Carlsberg Brauerei oder von Anheuser Busch und unser Gebäck und die Süßigkeiten werden in der Ukraine produziert.”
Telefonterror gegen Russische Schule in Bonn
Für Roman Friedrich sind das alles Nebelkerzen. Die Politik sei jetzt gefragt, die russische Gemeinschaft in Deutschland zu schützen, gerade angesichts der aufgeheizten Stimmung hierzulande. “Bei einem konkreten Fall der Volksverhetzung ist das ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Es darf nicht das gesamte russische Volk in Verantwortung gezogen werden. Die Gesellschaft und der Rechtsstaat müssen proaktiv und entschieden gegen solche Entwicklungen kämpfen.”
25 Kilometer weiter südlich in Bonn spielt auch Narina Karitzky seit Beginn des Krieges Feuerwehr, und auch bei ihr ist es ein Vollzeitjob. Die Lehrerin hat 2011 die Russische Schule in Bonn gegründet und ist bis jetzt deren Leiterin – anfangs ein kleines Projekt zur Nachhilfe für die russische Sprache, ist die Nachmittagsschule heute Anlaufpunkt für 500 Familien und deren Kinder, 25 Lehrer unterrichten außerdem Kunst, Ballett und sogar Robotertechnik.
“Meine Kollegin hat neulich einen Anruf bekommen von einem Herrn, der irgendwo bei uns in der Nähe der Schule wohnt, der gesagt hat, wir seien eine Schande für die ganze Straße. ‘Ihr Mörder’ schrie er ins Telefon”, sagt sie.
Absage von Schultheaterstück erhitzt die Gemüter
Karitzky kann von ähnlichen Anfeindungen wie Friedrich erzählen. Von Jugendlichen, die auf der Straße angepöbelt werden. Von Erwachsenen, die Kinder im Bus anschreien, weil diese sich auf Russisch unterhalten. Von Lehrern, die von ihren Schülern ein klares Bekenntnis gegen Putin einfordern. Und von vielen Eltern, die nach dem Angriff auf den russischen Supermarkt in Oberhausen fragen, ob sie ihre Kinder überhaupt noch zur Russischen Schule schicken könnten. “Sie haben Angst, dass ihren Kindern etwas passiert”, sagt sie.
Dabei müsste die Russische Schule eigentlich Osteuropa-Schule heißen, dort tummeln sich auch Kinder aus Armenien, Kasachstan oder Georgien. Mehr als jede dritte Familie kommt sogar aus der Ukraine. Als der Krieg beginnt, erhält Narina Karitzky, Russin mit armenischen Wurzeln, Post von einer ukrainischen Mutter.
“Sie schrieb mir, dass sie so gerne ihre Kinder zu uns bringt und sie möchten auch weiterhin bleiben, aber sie fragte: Was halten Sie von der Invasion? Sind Sie dafür oder dagegen? Für sie war es wichtig, wie wir dazu stehen. Als Russischsprachiger schämst du dich, auch wenn du nichts dafür kannst.”
Die Leiterin der Russischen Schule hat sich klar positioniert und den völkerrechtswidrigen Angriff in aller Öffentlichkeit und Schärfe verurteilt, sogar der Bonner Oberbürgermeisterin hat sie einen Brief geschrieben. Umso erstaunter ist Karitzky, als das Bonner Landeskundemuseum ein für den Ende Mai geplantes Schultheaterstück, die Bremer Stadtmusikanten auf Russisch, kurzfristig absagt.
“Am 1. März kam eine kurze und knappe Nachricht in einem Satz: ‘Wir ziehen das Angebot aus politischen Gründen zurück.’ Das hat sehr weh getan. Dabei nehmen bei dem Theaterstück auch Menschen aus der Ukraine teil, aber das ist für viele schwer zu begreifen, weil wir das Russische Institut Bonn sind”, sagt sie.
Mittlerweile ist das Museum, das eine Kooperation über viele Jahre mit der Russischen Schule pflegt, zurückgerudert und hat bei Narina Karitzky um Entschuldigung gebeten. Das Theaterstück findet statt.
Narina Karitzkys Appell: “Die Menschen müssen differenzieren zwischen einem Angriffskrieg auf der einen Seite und friedlich lebenden Kindern und Familien auf der anderen Seite, die hier leben und damit überhaupt nichts zu tun haben. Dieser Krieg mag zwar im Namen des Volkes geführt werden, aber wir sagen ganz klar: Das ist Putins Krieg. Das, was da gerade passiert, ist nicht Russland.”