Krieg zwischen Russland und der Ukraine: Kann man noch in den Osten Europas reisen?
Die Corona-Pandemie hat die Tourismusindustrie arg gebeutelt. Als die Branche auf ein besseres Jahr 2022 hoffte, begann der Krieg in der Ukraine. Ist Urlaub in Mittel- und Osteuropa jetzt möglich und sinnvoll?
Die Jahre 2020 und 2021 waren hart für die Tourismusindustrie. Die Corona-Pandemie hat weltweit zu immensen Einbußen in der Branche geführt. Alle Hoffnungen richteten sich auf das Jahr 2022. Viele Lockerungen und steigende Buchungszahlen gaben einen Hinweis darauf, dass die Krise im Tourismus 2022 überstanden sein könnte. Dann kam der 24. Februar. Russland greift die Ukraine an. Löst nun der Krieg die Corona-Krise als Urlaubshemmnis ab? Werden Touristen nun die Länder in Mittel- und Osteuropa, speziell die Nachbarländer der Ukraine, meiden?
Wer sich eines der Nachbarländer der Ukraine als Reiseziel ausgesucht hat, ist jetzt verunsichert: Kann man in der aktuellen Lage nach Polen, Ungarn oder ins Baltikum reisen? “Es spricht nichts dagegen”, sagt Samed Kizgin im Gespräch mit der Deutschen Welle. Kizgin ist Experte für Reisesicherheit bei dem Unternehmen A3M Global Monitoring, das für Reiseveranstalter und international tätige Unternehmen die Sicherheit von Reisen in bestimmte Gebiete bewertet. Das Auswärtige Amt habe auch keine Reisewarnung ausgegeben. Insofern könne man dorthin reisen. Allenfalls könnten in bestimmten Gebieten Flüchtlingsströme zu Einschränkungen führen. Die Frage ist also vielmehr, ob man dorthin reisen möchte.
Die Jahre 2020 und 2021 waren hart für die Tourismusindustrie. Die Corona-Pandemie hat weltweit zu immensen Einbußen in der Branche geführt. Alle Hoffnungen richteten sich auf das Jahr 2022. Viele Lockerungen und steigende Buchungszahlen gaben einen Hinweis darauf, dass die Krise im Tourismus 2022 überstanden sein könnte. Dann kam der 24. Februar. Russland greift die Ukraine an. Löst nun der Krieg die Corona-Krise als Urlaubshemmnis ab? Werden Touristen nun die Länder in Mittel- und Osteuropa, speziell die Nachbarländer der Ukraine, meiden?
Die Zahl der Touristen ist in den Ländern Mittel- und Osteuropas – so wie in den meisten anderen Ländern der Erde – in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen. Generell liegt das an Corona, bei den Nachbarstaaten der Ukraine aber auch noch an etwas anderem, sagt Reisesicherheitsexperte Kizgin: “Der Tourismus in der Region ist seit Jahren gehemmt, weil der Ukraine-Konflikt schon länger schwelt und man wusste, irgendwann wird es zu einem großen Knall kommen”. Der ist nun eingetreten. Der Konflikt war das eine Hemmnis, Corona das andere.
“Man wusste, irgendwann wird der Knall kommen”
Wer an Urlaub in Europa denkt, der denkt meist an die Länder im Süden und Westen des Kontinents. Länder wie Spanien, Frankreich und Italien ziehen die meisten Touristen an. Mittel- und Osteuropa fallen da etwas ab. Ungarn und Tschechien als Länder ohne Küste sind gefragt für Wellnessaufenthalte und Städtereisen. Polen ist wegen seiner Ostseeküste mit schönen Stränden, aber auch für Städtereisen bekannt. Rumänien als direkter Nachbarstaat der Ukraine und vor allem dessen südlicher Nachbar Bulgarien ziehen mit ihrer Lage am Schwarzen Meer speziell Strandtouristen an. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im hohen Norden mit Grenzen zu Russland und Weißrussland sind bei Touristen im Vergleich weniger gefragt. Sie ziehen vor allem Menschen an, die weite Landschaften und kleine, ruhige Städte mögen, gerne Wandern oder Radfahren – also Menschen, die sich oft auch in Skandinavien wohlfühlen.
Schaut man sich die zwei Ukraine-Anrainer-Staaten mit den meisten Touristen an, erkennt man die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich. Kamen nach Ungarn und Polen im Vor-Corona-Jahr 2019 laut dem europäischen Statistikamt Eurostat in den touristenstärksten Sommermonaten Juli und August jeweils rund 900.000 Touristen, schrumpften die Besucherzahlen 2020 auf etwa ein Drittel dessen zusammen. Die meisten ausländischen Touristen in Polen kommen aus Deutschland – rund ein Drittel. Aber nicht nur sie, auch die Touristen aus anderen Ländern kamen in deutlich geringerer Anzahl – oder blieben ganz aus. “Aus China verzeichneten wir vor der Pandemie ein sehr starkes Wachstum; dieser Markt ist leider komplett zusammengebrochen”, teilt Konrad Guldon, Leiter des polnischen Fremdenverkehrsamts in Berlin, der Deutschen Welle mit.
Dann kamen die Corona-Lockerungen – und damit eine gewisse positive Stimmung. Anfang Februar sei man noch sehr zuversichtlich ins Reisejahr 2022 gegangen, erklärt Guldon. Dann sei mit dem Krieg in der Ukraine die Verunsicherung gekommen. Auswirkungen der Krise auf Urlauber in Polen sieht er nicht. Es würden zwar Geflüchtete auch in Hotels und Pensionen untergebracht. “Es betrifft aber nicht die Ferienanlagen, die üblicherweise von deutschen oder anderen ausländischen Gästen gebucht werden”, so Guldon. Die beliebten Urlaubsregionen lägen nicht in der Grenzregion zur Ukraine. Ostseeküste, Riesengebirge und Hirschberger Tal seien bei den Touristen beliebt und die lägen ähnlich weit vom Kriegsgeschehen entfernt wie Berlin. Ob es zu Stornierungen kommt, bleibt abzuwarten.
Ähnlich die Situation in Ungarn. Das ungarische Tourismusamt teilte auf Anfrage der Deutschen Welle mit: “Seit dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Konflikts ist die Zahl der täglichen internationalen Ankünfte noch nicht wesentlich zurückgegangen.” Da es aber keine Flüge mehr von Russland nach Ungarn gebe, sei die Zahl der russischen Reisenden deutlich gesunken.
Für eine generelle Einschätzung zur Auswirkungen des Kriegs auf die Urlaubssaison 2022 ist es zu früh. Anke Budde, Vize-Präsidentin des Bundesverbands der Allianz Selbständiger Reiseunternehmer, sieht aber, dass am bis dato blauen Himmel erste Wolken aufziehen. So habe es im Januar und Februar wegen der vielen Buchungen eine regelrechte Euphorie gegeben. Jetzt spürt sie eine Art Buchungsstopp. “Es ist wie eine Schockstarre”, sagt Budde im Gespräch mit der Deutschen Welle. Viele Leute seien einfach mit den Gedanken beim Krieg, viele engagierten sich ehrenamtlich, so dass für sie das Thema Urlaub grade weit weg sei.
Zudem gebe es neben Corona und Krieg noch einen dritten Faktor, der das Reisevergnügen trübe: die immer weiter steigenden Rohstoffpreise. “Die Heizkosten steigen, die Benzinkosten steigen. Die Menschen haben damit immer weniger Geld zur Verfügung”, erklärt Anke Budde. Zudem könnten damit die Reisen teurer werden. Reisen ins Baltikum oder in die östlichen Länder allgemein, fielen dabei aber kaum ins Gewicht, weil das kein klassisches Reisebürogeschäft sei. Ähnlich äußert sich auch der weltgrößte Reisekonzern TUI auf Anfrage der Deutschen Welle. Mittel- und Osteuropa seien kein Schwerpunkt. Der liege im Bereich Spanien, Italien, Griechenland und Portugal.
Der Krieg im Osten Europas trifft kleinere Reiseveranstalter dafür umso härter. Jochen Szech ist nicht nur Präsident der Allianz Selbständiger Reiseunternehmer, sondern auch Inhaber von Go East Reisen, eines auf Osteuropa- und Asienreisen spezialisierten Reisebüros. Es gebe zwar kaum Stornierungen, aber auch kaum Neubuchungen. Und das, obwohl seine Kollegen in Polen und im Baltikum ihm versichern, bei ihnen sei die Lage normal.
Was ihn mehr als das Finanzielle trifft ist das Menschliche. Jochen Szech bietet seit rund 30 Jahren Reisen in die Ukraine und nach Russland an. “Ich habe viele Freunde dort. Das ist für mich unvorstellbar”, sagt Szech im Gespräch mit der Deutschen Welle. Drei Tage lang hat er versucht, den Mitarbeiter seines ukrainischen Partnerunternehmens zu erreichen. Zum Glück klappte es. Er lebt und war aktuell damit beschäftigt, eine sichere Ausreise für seine Familie zu organisieren. Die Ansprechpartnerin seines Partnerunternehmens in Russland konnte er leichter erreichen. Die alleinerziehende Mutter, mit der er seit rund 20 Jahren zusammenarbeitet, brach während des Videogesprächs in Tränen aus. Sie hatte soeben von ihrem Chef erfahren, dass er alle Mitarbeiter entlässt – weil keine Touristen mehr nach Russland kommen.
Dies zeigt einmal mehr, dass Krieg fast nur Verlierer kennt – egal auf welcher Seite man sich befindet und wie weit man vom eigentlichen Krisengebiet entfernt ist. Der Krieg dürfte auch die Tourismusindustrie beeinträchtigen, nur wie stark, das ist noch unklar.
Die Jahre 2020 und 2021 waren hart für die Tourismusindustrie. Die Corona-Pandemie hat weltweit zu immensen Einbußen in der Branche geführt. Alle Hoffnungen richteten sich auf das Jahr 2022. Viele Lockerungen und steigende Buchungszahlen gaben einen Hinweis darauf, dass die Krise im Tourismus 2022 überstanden sein könnte. Dann kam der 24. Februar. Russland greift die Ukraine an. Löst nun der Krieg die Corona-Krise als Urlaubshemmnis ab? Werden Touristen nun die Länder in Mittel- und Osteuropa, speziell die Nachbarländer der Ukraine, meiden?
Wer sich eines der Nachbarländer der Ukraine als Reiseziel ausgesucht hat, ist jetzt verunsichert: Kann man in der aktuellen Lage nach Polen, Ungarn oder ins Baltikum reisen? “Es spricht nichts dagegen”, sagt Samed Kizgin im Gespräch mit der Deutschen Welle. Kizgin ist Experte für Reisesicherheit bei dem Unternehmen A3M Global Monitoring, das für Reiseveranstalter und international tätige Unternehmen die Sicherheit von Reisen in bestimmte Gebiete bewertet. Das Auswärtige Amt habe auch keine Reisewarnung ausgegeben. Insofern könne man dorthin reisen. Allenfalls könnten in bestimmten Gebieten Flüchtlingsströme zu Einschränkungen führen. Die Frage ist also vielmehr, ob man dorthin reisen möchte.
“Man wusste, irgendwann wird der Knall kommen”
Die Zahl der Touristen ist in den Ländern Mittel- und Osteuropas – so wie in den meisten anderen Ländern der Erde – in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen. Generell liegt das an Corona, bei den Nachbarstaaten der Ukraine aber auch noch an etwas anderem, sagt Reisesicherheitsexperte Kizgin: “Der Tourismus in der Region ist seit Jahren gehemmt, weil der Ukraine-Konflikt schon länger schwelt und man wusste, irgendwann wird es zu einem großen Knall kommen”. Der ist nun eingetreten. Der Konflikt war das eine Hemmnis, Corona das andere.
Wer an Urlaub in Europa denkt, der denkt meist an die Länder im Süden und Westen des Kontinents. Länder wie Spanien, Frankreich und Italien ziehen die meisten Touristen an. Mittel- und Osteuropa fallen da etwas ab. Ungarn und Tschechien als Länder ohne Küste sind gefragt für Wellnessaufenthalte und Städtereisen. Polen ist wegen seiner Ostseeküste mit schönen Stränden, aber auch für Städtereisen bekannt. Rumänien als direkter Nachbarstaat der Ukraine und vor allem dessen südlicher Nachbar Bulgarien ziehen mit ihrer Lage am Schwarzen Meer speziell Strandtouristen an. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im hohen Norden mit Grenzen zu Russland und Weißrussland sind bei Touristen im Vergleich weniger gefragt. Sie ziehen vor allem Menschen an, die weite Landschaften und kleine, ruhige Städte mögen, gerne Wandern oder Radfahren – also Menschen, die sich oft auch in Skandinavien wohlfühlen.
Schaut man sich die zwei Ukraine-Anrainer-Staaten mit den meisten Touristen an, erkennt man die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich. Kamen nach Ungarn und Polen im Vor-Corona-Jahr 2019 laut dem europäischen Statistikamt Eurostat in den touristenstärksten Sommermonaten Juli und August jeweils rund 900.000 Touristen, schrumpften die Besucherzahlen 2020 auf etwa ein Drittel dessen zusammen. Die meisten ausländischen Touristen in Polen kommen aus Deutschland – rund ein Drittel. Aber nicht nur sie, auch die Touristen aus anderen Ländern kamen in deutlich geringerer Anzahl – oder blieben ganz aus. “Aus China verzeichneten wir vor der Pandemie ein sehr starkes Wachstum; dieser Markt ist leider komplett zusammengebrochen”, teilt Konrad Guldon, Leiter des polnischen Fremdenverkehrsamts in Berlin, der Deutschen Welle mit.
Dann kamen die Corona-Lockerungen – und damit eine gewisse positive Stimmung. Anfang Februar sei man noch sehr zuversichtlich ins Reisejahr 2022 gegangen, erklärt Guldon. Dann sei mit dem Krieg in der Ukraine die Verunsicherung gekommen. Auswirkungen der Krise auf Urlauber in Polen sieht er nicht. Es würden zwar Geflüchtete auch in Hotels und Pensionen untergebracht. “Es betrifft aber nicht die Ferienanlagen, die üblicherweise von deutschen oder anderen ausländischen Gästen gebucht werden”, so Guldon. Die beliebten Urlaubsregionen lägen nicht in der Grenzregion zur Ukraine. Ostseeküste, Riesengebirge und Hirschberger Tal seien bei den Touristen beliebt und die lägen ähnlich weit vom Kriegsgeschehen entfernt wie Berlin. Ob es zu Stornierungen kommt, bleibt abzuwarten.
Von Zuversicht zu Verunsicherung
Ähnlich die Situation in Ungarn. Das ungarische Tourismusamt teilte auf Anfrage der Deutschen Welle mit: “Seit dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Konflikts ist die Zahl der täglichen internationalen Ankünfte noch nicht wesentlich zurückgegangen.” Da es aber keine Flüge mehr von Russland nach Ungarn gebe, sei die Zahl der russischen Reisenden deutlich gesunken.
“Es ist wie eine Schockstarre”
Für eine generelle Einschätzung zur Auswirkungen des Kriegs auf die Urlaubssaison 2022 ist es zu früh. Anke Budde, Vize-Präsidentin des Bundesverbands der Allianz Selbständiger Reiseunternehmer, sieht aber, dass am bis dato blauen Himmel erste Wolken aufziehen. So habe es im Januar und Februar wegen der vielen Buchungen eine regelrechte Euphorie gegeben. Jetzt spürt sie eine Art Buchungsstopp. “Es ist wie eine Schockstarre”, sagt Budde im Gespräch mit der Deutschen Welle. Viele Leute seien einfach mit den Gedanken beim Krieg, viele engagierten sich ehrenamtlich, so dass für sie das Thema Urlaub grade weit weg sei.
Zudem gebe es neben Corona und Krieg noch einen dritten Faktor, der das Reisevergnügen trübe: die immer weiter steigenden Rohstoffpreise. “Die Heizkosten steigen, die Benzinkosten steigen. Die Menschen haben damit immer weniger Geld zur Verfügung”, erklärt Anke Budde. Zudem könnten damit die Reisen teurer werden. Reisen ins Baltikum oder in die östlichen Länder allgemein, fielen dabei aber kaum ins Gewicht, weil das kein klassisches Reisebürogeschäft sei. Ähnlich äußert sich auch der weltgrößte Reisekonzern TUI auf Anfrage der Deutschen Welle. Mittel- und Osteuropa seien kein Schwerpunkt. Der liege im Bereich Spanien, Italien, Griechenland und Portugal.
Der Krieg im Osten Europas trifft kleinere Reiseveranstalter dafür umso härter. Jochen Szech ist nicht nur Präsident der Allianz Selbständiger Reiseunternehmer, sondern auch Inhaber von Go East Reisen, eines auf Osteuropa- und Asienreisen spezialisierten Reisebüros. Es gebe zwar kaum Stornierungen, aber auch kaum Neubuchungen. Und das, obwohl seine Kollegen in Polen und im Baltikum ihm versichern, bei ihnen sei die Lage normal.
“Das ist für mich unvorstellbar”
Was ihn mehr als das Finanzielle trifft ist das Menschliche. Jochen Szech bietet seit rund 30 Jahren Reisen in die Ukraine und nach Russland an. “Ich habe viele Freunde dort. Das ist für mich unvorstellbar”, sagt Szech im Gespräch mit der Deutschen Welle. Drei Tage lang hat er versucht, den Mitarbeiter seines ukrainischen Partnerunternehmens zu erreichen. Zum Glück klappte es. Er lebt und war aktuell damit beschäftigt, eine sichere Ausreise für seine Familie zu organisieren. Die Ansprechpartnerin seines Partnerunternehmens in Russland konnte er leichter erreichen. Die alleinerziehende Mutter, mit der er seit rund 20 Jahren zusammenarbeitet, brach während des Videogesprächs in Tränen aus. Sie hatte soeben von ihrem Chef erfahren, dass er alle Mitarbeiter entlässt – weil keine Touristen mehr nach Russland kommen.
Dies zeigt einmal mehr, dass Krieg fast nur Verlierer kennt – egal auf welcher Seite man sich befindet und wie weit man vom eigentlichen Krisengebiet entfernt ist. Der Krieg dürfte auch die Tourismusindustrie beeinträchtigen, nur wie stark, das ist noch unklar.