Welche Alternativen gibt es zu Erdgas aus Russland?
Russlands Drohung, Europa den Gashahn zuzudrehen, hat eine eilige Suche nach Alternativen ausgelöst. Auf dem Tisch liegen Kernkraft, Kohle, Wasserstoff und LNG, doch keiner der Vorschläge ist wirklich brauchbar.
Was viele befürchtet haben, ist nun eingetreten: Russland hat gedroht, Gaslieferungen nach Europa einzustellen. Nun will auch die EU russische Energieimporte schrittweise beenden. Die Abnehmerländer suchen nun hektisch nach Alternativen. Dazu gehört auch in Deutschland, der größte Abnehmer von russischem Erdgas überhaupt. Mehr als die Hälfte seines Gases bezieht Deutschland aus Russland.
Dementsprechend diskutiert man viele Möglichkeiten – darunter die Laufzeitverlängerungen für Kern- und Kohlekraftwerke. Sogar der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sagt, es gebe keine Denktabus. Doch welche Vorschläge sind überhaupt gangbare Alternativen zu Erdgas als Energieträger? Die Antworten sind ernüchternd.
Was viele befürchtet haben, ist nun eingetreten: Russland hat gedroht, Gaslieferungen nach Europa einzustellen. Nun will auch die EU russische Energieimporte schrittweise beenden. Die Abnehmerländer suchen nun hektisch nach Alternativen. Dazu gehört auch in Deutschland, der größte Abnehmer von russischem Erdgas überhaupt. Mehr als die Hälfte seines Gases bezieht Deutschland aus Russland.
Die Betreiber der Atomkraftwerke haben Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber auch klargemacht: Eine Laufzeitverlängerung ist nicht ohne Weiteres zu machen – unter anderem, weil es an Brennstäben mangelt und das Know-how fehlt, weil die Kraftwerksführer bereits im Ruhestand sind oder auf dem Weg dahin.
Atomausstieg hinausschieben
Unüberwindbare Hindernisse sind das vielleicht nicht, aber Atommeiler können Gaskraftwerke im Netz gar nicht ersetzten: Die drei verbliebenen Kernkraftwerke – die eigentlich im Laufe des Jahres vom Netz gehen sollen – können gut vier Gigawatt (GW) Strom erzeugen – etwa sieben Prozent des durchschnittlichen Strombedarfs – und zwar mit nahezu vollkommener Konstanz. Der deutsche Stromverbrauch schwankt aber innerhalb 24 Stunden zwischen 35 bis 40 GW in der Nacht und 75 bis 80 GW in den Spitzenzeiten an Werktagen.
Dass Kernkraftwerke fast immer auf Volllast gefahren werden, ist nicht nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Sie lassen sich auch technisch nicht so einfach hoch- und runterfahren wie zum Beispiel Gaskraftwerke, in denen meist Gasturbinen den Generator antreiben.
Im Stromnetz sind sie deshalb hauptsächlich dafür zuständig, rapide Lastschwankungen auszugleichen, die zum Beispiel entstehen, wenn morgens Millionen von Menschen das Licht und die Kaffeemaschinen einschalten, während Industriebetriebe die Produktion aufnehmen.
Kohlekraftwerke sind flexibler als Atomkraftwerke, aber bei weitem nicht in dem Maße wie Gaskraftwerke. Ihre Leistung wird im Tagesverlauf so angepasst, dass sie grob die Lücke zwischen der – nach Wetterlage – erwartbaren Einspeisung der Erneuerbaren und dem prognostizierbaren Verbrauchsprofil schließen. Kurzfristige oder unvorhersehbare Lastwechsel können sie aber nicht abfangen.
Inzwischen laufen Gaskraftwerke häufiger auch zur Mittagszeit, weil sie die Lücke schließen müssen, die inzwischen stillgelegte Kohlekraftwerke hinterlassen haben. Hier könnte eine Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken also tatsächlich eine noch größere Abhängigkeit von Erdgas verhindern, eine Reaktivierung könnte sie sogar etwas mindern.
“Im Stromsektor wäre also möglicherweise eine begrenzte Substitution von Erdgas möglich”, sagt Christoph Nolden von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG. “Aber das ist unser geringstes Problem.” Lediglich etwa ein Sechstel des deutschen Nettoverbrauchs von Erdgas entfallen auf die Stromerzeugung.
Mit rund der Hälfte des Erdgases wird in Deutschland Wärme und Warmwasser in Haushalten und dem GHD-Sektor (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen) sowie Fernwärme erzeugt. Den Rest, etwa ein Drittel, nutzt die Industrie als Energiequelle und für chemische Prozesse.
Kohlekraft wird – im Gegensatz zur Atomkraft – zwar auch zur Erzeugung von Fernwärme eingesetzt. Allerdings werden Fernwärmenetze für gewöhnlich entweder mit Kohle oder mit Erdgas betrieben. Auch hier kann die Kohle das Gas also nicht ersetzen. Man könnte höchstens die mancherorts anstehende Umstellung von alten Kohle- auf emissionseffizientere Gasheizwerke hinauszögern. Die knapp sieben Millionen Haushalte mit Gasheizungen können nicht auf Kohle umsatteln.
Abgesehen davon: Steinkohle kommt zum Teil ebenfalls aus Russland.
Tatsächlich kann das Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht, mit 20 Volumenprozent reinem Wasserstoff versetzt werden, ohne die Nutzbarkeit des Gasgemischs in Heizthermen und Gasherden zu gefährden. Der Energiegehalt des Gasgemischs wäre aber geringer, sodass eine 20-prozentige Beimischung nur etwa 7,5 Prozent Erdgas ersetzen würden.
Kurzfristig scheidet aber auch diese Möglichkeit aus, um Deutschlands Abhängigkeit von Russland spürbar zu senken. Denn rund 95 Prozent des heute verfügbaren Wasserstoffs in Deutschland wird gewonnen aus: Erdgas und Kohle. Und die kommen – wenn auch in unterschiedlichem Maße aus: Russland.
Auch per Elektrolyse erzeugter Wasserstoff könnte in den kommenden beiden Wintern nur einen winzigen Teil des Erdgases ersetzen, sagt Gas-Experte Nolden: “Die Kapazitäten sind marginal.” Und ohnehin würde der verfügbare Strom dafür wohl nicht reichen. “Auch in der Industrie gibt es kurzfristig kaum Alternativen zu Erdgas”, sagt Nolden.
Wenn russisches Erdgas nicht einfach zu ersetzen ist, müsste es also woanders herkommen. Als Lieferländer werden Katar, Australien, Kanada und die USA genannt. Der Großteil ihrer Produktion ist aber bereits in langfristigen Lieferverträgen gebunden. Die am Spotmarkt verfügbaren Mengen könnten aber rechnerisch gerade eben ausreichen, um das russische Gas zu ersetzen.
Fraglich ist hingegen, ob und wie das Gas auch bei den Verbrauchern ankommt, sagt Nolden. Spanien hat zwar erhebliche Anlandungskapazitäten für LNGund es ist über das europäische Gasnetz auch mit Deutschland und Osteuropa verbunden, aber: “Die Fließrichtung des Gases ist normalerweise von Norden und Osten, nach Süden und Westen. Ob sich das physisch einfach umkehren lässt, ist völlig offen.”
In der kommenden Woche wollen Nolden und andere Mitglied der bundesweiten Forschungsgruppe TransHyDe einen Bericht darüber vorlegen, wie sich die Versorgungssicherheit in Deutschland auch ohne russisches Gas zumindest erhöhen lassen könnte. Einen verbindlichen Ausblick wollte Nolden der DW vor den anstehenden Betrachtungen nicht geben. Aber seine bisherige Prognose ist verhalten: “Das Positive ist: Im Gegensatz zu einem Stromnetz bricht ein Gasnetz nicht zusammen, wenn es unterversorgt ist. Aber echte Alternativen zu russischem Erdgas sehe ich ad hoc nicht.”
Was viele befürchtet haben, ist nun eingetreten: Russland hat gedroht, Gaslieferungen nach Europa einzustellen. Nun will auch die EU russische Energieimporte schrittweise beenden. Die Abnehmerländer suchen nun hektisch nach Alternativen. Dazu gehört auch in Deutschland, der größte Abnehmer von russischem Erdgas überhaupt. Mehr als die Hälfte seines Gases bezieht Deutschland aus Russland.
Dementsprechend diskutiert man viele Möglichkeiten – darunter die Laufzeitverlängerungen für Kern- und Kohlekraftwerke. Sogar der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sagt, es gebe keine Denktabus. Doch welche Vorschläge sind überhaupt gangbare Alternativen zu Erdgas als Energieträger? Die Antworten sind ernüchternd.
Atomausstieg hinausschieben
Die Betreiber der Atomkraftwerke haben Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber auch klargemacht: Eine Laufzeitverlängerung ist nicht ohne Weiteres zu machen – unter anderem, weil es an Brennstäben mangelt und das Know-how fehlt, weil die Kraftwerksführer bereits im Ruhestand sind oder auf dem Weg dahin.
Unüberwindbare Hindernisse sind das vielleicht nicht, aber Atommeiler können Gaskraftwerke im Netz gar nicht ersetzten: Die drei verbliebenen Kernkraftwerke – die eigentlich im Laufe des Jahres vom Netz gehen sollen – können gut vier Gigawatt (GW) Strom erzeugen – etwa sieben Prozent des durchschnittlichen Strombedarfs – und zwar mit nahezu vollkommener Konstanz. Der deutsche Stromverbrauch schwankt aber innerhalb 24 Stunden zwischen 35 bis 40 GW in der Nacht und 75 bis 80 GW in den Spitzenzeiten an Werktagen.
Dass Kernkraftwerke fast immer auf Volllast gefahren werden, ist nicht nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Sie lassen sich auch technisch nicht so einfach hoch- und runterfahren wie zum Beispiel Gaskraftwerke, in denen meist Gasturbinen den Generator antreiben.
Im Stromnetz sind sie deshalb hauptsächlich dafür zuständig, rapide Lastschwankungen auszugleichen, die zum Beispiel entstehen, wenn morgens Millionen von Menschen das Licht und die Kaffeemaschinen einschalten, während Industriebetriebe die Produktion aufnehmen.
Kohleblöcke wieder in Betrieb nehmen
Kohlekraftwerke sind flexibler als Atomkraftwerke, aber bei weitem nicht in dem Maße wie Gaskraftwerke. Ihre Leistung wird im Tagesverlauf so angepasst, dass sie grob die Lücke zwischen der – nach Wetterlage – erwartbaren Einspeisung der Erneuerbaren und dem prognostizierbaren Verbrauchsprofil schließen. Kurzfristige oder unvorhersehbare Lastwechsel können sie aber nicht abfangen.
Erdgasnetz durch Wasserstoff ersetzen
Inzwischen laufen Gaskraftwerke häufiger auch zur Mittagszeit, weil sie die Lücke schließen müssen, die inzwischen stillgelegte Kohlekraftwerke hinterlassen haben. Hier könnte eine Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken also tatsächlich eine noch größere Abhängigkeit von Erdgas verhindern, eine Reaktivierung könnte sie sogar etwas mindern.
“Im Stromsektor wäre also möglicherweise eine begrenzte Substitution von Erdgas möglich”, sagt Christoph Nolden von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG. “Aber das ist unser geringstes Problem.” Lediglich etwa ein Sechstel des deutschen Nettoverbrauchs von Erdgas entfallen auf die Stromerzeugung.
Mit rund der Hälfte des Erdgases wird in Deutschland Wärme und Warmwasser in Haushalten und dem GHD-Sektor (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen) sowie Fernwärme erzeugt. Den Rest, etwa ein Drittel, nutzt die Industrie als Energiequelle und für chemische Prozesse.
Flüssiggasimporte aus anderen Ländern
Kohlekraft wird – im Gegensatz zur Atomkraft – zwar auch zur Erzeugung von Fernwärme eingesetzt. Allerdings werden Fernwärmenetze für gewöhnlich entweder mit Kohle oder mit Erdgas betrieben. Auch hier kann die Kohle das Gas also nicht ersetzen. Man könnte höchstens die mancherorts anstehende Umstellung von alten Kohle- auf emissionseffizientere Gasheizwerke hinauszögern. Die knapp sieben Millionen Haushalte mit Gasheizungen können nicht auf Kohle umsatteln.
Abgesehen davon: Steinkohle kommt zum Teil ebenfalls aus Russland.
Fazit: Wärmer anziehen
Tatsächlich kann das Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht, mit 20 Volumenprozent reinem Wasserstoff versetzt werden, ohne die Nutzbarkeit des Gasgemischs in Heizthermen und Gasherden zu gefährden. Der Energiegehalt des Gasgemischs wäre aber geringer, sodass eine 20-prozentige Beimischung nur etwa 7,5 Prozent Erdgas ersetzen würden.
Kurzfristig scheidet aber auch diese Möglichkeit aus, um Deutschlands Abhängigkeit von Russland spürbar zu senken. Denn rund 95 Prozent des heute verfügbaren Wasserstoffs in Deutschland wird gewonnen aus: Erdgas und Kohle. Und die kommen – wenn auch in unterschiedlichem Maße aus: Russland.
Auch per Elektrolyse erzeugter Wasserstoff könnte in den kommenden beiden Wintern nur einen winzigen Teil des Erdgases ersetzen, sagt Gas-Experte Nolden: “Die Kapazitäten sind marginal.” Und ohnehin würde der verfügbare Strom dafür wohl nicht reichen. “Auch in der Industrie gibt es kurzfristig kaum Alternativen zu Erdgas”, sagt Nolden.
Wenn russisches Erdgas nicht einfach zu ersetzen ist, müsste es also woanders herkommen. Als Lieferländer werden Katar, Australien, Kanada und die USA genannt. Der Großteil ihrer Produktion ist aber bereits in langfristigen Lieferverträgen gebunden. Die am Spotmarkt verfügbaren Mengen könnten aber rechnerisch gerade eben ausreichen, um das russische Gas zu ersetzen.
Fraglich ist hingegen, ob und wie das Gas auch bei den Verbrauchern ankommt, sagt Nolden. Spanien hat zwar erhebliche Anlandungskapazitäten für LNGund es ist über das europäische Gasnetz auch mit Deutschland und Osteuropa verbunden, aber: “Die Fließrichtung des Gases ist normalerweise von Norden und Osten, nach Süden und Westen. Ob sich das physisch einfach umkehren lässt, ist völlig offen.”
In der kommenden Woche wollen Nolden und andere Mitglied der bundesweiten Forschungsgruppe TransHyDe einen Bericht darüber vorlegen, wie sich die Versorgungssicherheit in Deutschland auch ohne russisches Gas zumindest erhöhen lassen könnte. Einen verbindlichen Ausblick wollte Nolden der DW vor den anstehenden Betrachtungen nicht geben. Aber seine bisherige Prognose ist verhalten: “Das Positive ist: Im Gegensatz zu einem Stromnetz bricht ein Gasnetz nicht zusammen, wenn es unterversorgt ist. Aber echte Alternativen zu russischem Erdgas sehe ich ad hoc nicht.”