Meinung: Wasser auf die Mühlen der AfD
Die Rechtspopulisten haben keinen Anspruch auf einen Platz im Bundestagspräsidium, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Dennoch sollte das Parlament seine Regeln und sein Verhalten überdenken, meint Marcel Fürstenau.
“Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.” So steht es in der Geschäftsordnung, die sich das Parlament selbst gegeben hat. Die Realität sieht jedoch anders aus, denn die Alternative für Deutschland (AfD) hat keinen Platz im wichtigsten Gremium der Volksvertretung.
Ein Widerspruch? Ja und Nein. Denn in der Geschäftsordnung steht auch dieser Satz: “Der Bundestag wählt mit verdeckten Stimmzetteln in besonderen Wahlhandlungen den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode.” Die AfD ging dabei jedes Mal leer aus, weil ihre seit 2017 für das Präsidium vorgeschlagenen sechs Männer und eine Frau die nötige Mehrheit stets deutlich verfehlten.
“Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.” So steht es in der Geschäftsordnung, die sich das Parlament selbst gegeben hat. Die Realität sieht jedoch anders aus, denn die Alternative für Deutschland (AfD) hat keinen Platz im wichtigsten Gremium der Volksvertretung.
Weil alle Parlamentarier einzig und allein ihrem Gewissen unterworfen sind, müssen sie natürlich auch niemand gegen ihre Überzeugung wählen. Und im Falle der AfD sind sich alle anderen Fraktionen einig: keine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten, schon gar nicht im Präsidium des Deutschen Bundestages. Ein Gremium, das die Sitzungen des Parlaments leitet und dieses auch nach außen repräsentiert.
Zweifel an der demokratischen Gesinnung der AfD
Wer dem Bundestagspräsidium angehört, ist also besonders auf das Vertrauen der Abgeordneten angewiesen. Und das fehlt der überwältigenden Mehrheit gegenüber der AfD generell. Verständlich ist diese Haltung allemal. Wenn es noch Zweifel an der Gefährlichkeit dieser Partei gegeben haben sollte, sind sie durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln hinfällig: demnach ist die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtens.
Jetzt hat sogar das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis des Bundestages gebilligt. Zwar hätten die Fraktionen “ein Recht auf formal gleiche Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung”, aber die Berücksichtigung einer Fraktion bei der Besetzung des Präsidiums stehe “unter dem Vorbehalt der Wahl durch die Abgeordneten”. Damit attestiert das höchste deutsche Gericht im Kern vor allem eines: dass die Geschäftsordnung des Bundestages korrekt angewendet wird.
Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack und den haben nicht die Richterinnen und Richter in Karlsruhe zu verantworten, sondern der Bundestag selbst. Wenn seine Mehrheit meint, die AfD auf Dauer aus dem Präsidium fernhalten zu müssen, dann sollte die missverständlich formulierte Geschäftsordnung schleunigst geändert werden. Denn der schon eingangs zitierte und hier wiederholte Satz liest sich nun mal wie ein Anspruch: “Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.”
Also weg damit! Dann aber auch erklären, warum man die Geschäftsordnung ändert. Und bitte daran erinnern, seit wann und weshalb es sie überhaupt gibt. Beschlossen wurde sie nämlich 1994, nachdem die 1983 erstmals in den Bundestag gewählten Grünen in drei Legislaturperioden nacheinander vergeblich einen Platz im Präsidium beantragt hatten. Der wurde ihnen über ein Jahrzehnt lang von den anderen Fraktionen – CDU/CSU, FDP und SPD – verweigert.
Warum? Weil man die damals noch sehr linksorientierten und zuweilen durchaus radikal auftretenden Neuen für gefährlich hielt. Immerhin waren die Grünen in ihrer frühen Phase – um nur zwei Beispiele zu nennen – für die Auflösung NATO und hatten einigen Ex-Kommunisten in ihren Reihen. Erst als die Partei zahmer und bürgerlicher wurde, gewährten ihr die Anderen einen Platz im Bundestagspräsidium.
Dort ist seit Ende der 1990er-Jahre auch die Linke vertreten, anfangs durch ihre Vorgängerin unter dem Namen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Diese Beispiele zeigen, dass man sich demokratische Reife in den Augen der Parlamentsmehrheit auch erarbeiten kann. Dass die AfD diesen Prozess ebenfalls durchläuft, ist angesichts ihres Auftretens innerhalb und außerhalb des Bundestages im Moment so gut wie ausgeschlossen.
Dass eine solche Partei mal mit zweistelligen Ergebnissen ins Parlament gewählt werden würde, konnten sich die etablierten Parteien bis 2017 offenbar nicht vorstellen. Seitdem haben sie es leider versäumt, sich eine den Namen verdienende Geschäftsordnung zu geben. Nur deshalb kann sich die AfD mit einer gewissen Berechtigung darüber beklagen, ausgeschlossen zu werden.
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Praxis unter Verweis auf das Grundgesetz und die freie Ausübung des Mandats nun für korrekt erklärt hat, bleibt die missverständlich formulierte Regelung Wasser auf die Mühlen der AfD. Doch das ließe sich leicht ändern und wäre ein Beitrag zu mehr Glaubwürdigkeit.
“Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.” So steht es in der Geschäftsordnung, die sich das Parlament selbst gegeben hat. Die Realität sieht jedoch anders aus, denn die Alternative für Deutschland (AfD) hat keinen Platz im wichtigsten Gremium der Volksvertretung.
Ein Widerspruch? Ja und Nein. Denn in der Geschäftsordnung steht auch dieser Satz: “Der Bundestag wählt mit verdeckten Stimmzetteln in besonderen Wahlhandlungen den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode.” Die AfD ging dabei jedes Mal leer aus, weil ihre seit 2017 für das Präsidium vorgeschlagenen sechs Männer und eine Frau die nötige Mehrheit stets deutlich verfehlten.
Zweifel an der demokratischen Gesinnung der AfD
Weil alle Parlamentarier einzig und allein ihrem Gewissen unterworfen sind, müssen sie natürlich auch niemand gegen ihre Überzeugung wählen. Und im Falle der AfD sind sich alle anderen Fraktionen einig: keine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten, schon gar nicht im Präsidium des Deutschen Bundestages. Ein Gremium, das die Sitzungen des Parlaments leitet und dieses auch nach außen repräsentiert.
Wer dem Bundestagspräsidium angehört, ist also besonders auf das Vertrauen der Abgeordneten angewiesen. Und das fehlt der überwältigenden Mehrheit gegenüber der AfD generell. Verständlich ist diese Haltung allemal. Wenn es noch Zweifel an der Gefährlichkeit dieser Partei gegeben haben sollte, sind sie durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln hinfällig: demnach ist die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtens.
Jetzt hat sogar das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis des Bundestages gebilligt. Zwar hätten die Fraktionen “ein Recht auf formal gleiche Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung”, aber die Berücksichtigung einer Fraktion bei der Besetzung des Präsidiums stehe “unter dem Vorbehalt der Wahl durch die Abgeordneten”. Damit attestiert das höchste deutsche Gericht im Kern vor allem eines: dass die Geschäftsordnung des Bundestages korrekt angewendet wird.
Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack und den haben nicht die Richterinnen und Richter in Karlsruhe zu verantworten, sondern der Bundestag selbst. Wenn seine Mehrheit meint, die AfD auf Dauer aus dem Präsidium fernhalten zu müssen, dann sollte die missverständlich formulierte Geschäftsordnung schleunigst geändert werden. Denn der schon eingangs zitierte und hier wiederholte Satz liest sich nun mal wie ein Anspruch: “Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.”
Schlecht formulierte Geschäftsordnung
Also weg damit! Dann aber auch erklären, warum man die Geschäftsordnung ändert. Und bitte daran erinnern, seit wann und weshalb es sie überhaupt gibt. Beschlossen wurde sie nämlich 1994, nachdem die 1983 erstmals in den Bundestag gewählten Grünen in drei Legislaturperioden nacheinander vergeblich einen Platz im Präsidium beantragt hatten. Der wurde ihnen über ein Jahrzehnt lang von den anderen Fraktionen – CDU/CSU, FDP und SPD – verweigert.
Auch die Grünen galten einst als Feinde der Demokratie
Warum? Weil man die damals noch sehr linksorientierten und zuweilen durchaus radikal auftretenden Neuen für gefährlich hielt. Immerhin waren die Grünen in ihrer frühen Phase – um nur zwei Beispiele zu nennen – für die Auflösung NATO und hatten einigen Ex-Kommunisten in ihren Reihen. Erst als die Partei zahmer und bürgerlicher wurde, gewährten ihr die Anderen einen Platz im Bundestagspräsidium.
Dort ist seit Ende der 1990er-Jahre auch die Linke vertreten, anfangs durch ihre Vorgängerin unter dem Namen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Diese Beispiele zeigen, dass man sich demokratische Reife in den Augen der Parlamentsmehrheit auch erarbeiten kann. Dass die AfD diesen Prozess ebenfalls durchläuft, ist angesichts ihres Auftretens innerhalb und außerhalb des Bundestages im Moment so gut wie ausgeschlossen.
Dass eine solche Partei mal mit zweistelligen Ergebnissen ins Parlament gewählt werden würde, konnten sich die etablierten Parteien bis 2017 offenbar nicht vorstellen. Seitdem haben sie es leider versäumt, sich eine den Namen verdienende Geschäftsordnung zu geben. Nur deshalb kann sich die AfD mit einer gewissen Berechtigung darüber beklagen, ausgeschlossen zu werden.
Politische Reife kann man sich erarbeiten
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Praxis unter Verweis auf das Grundgesetz und die freie Ausübung des Mandats nun für korrekt erklärt hat, bleibt die missverständlich formulierte Regelung Wasser auf die Mühlen der AfD. Doch das ließe sich leicht ändern und wäre ein Beitrag zu mehr Glaubwürdigkeit.