Nickel, Palladium, Neon-Gas: Autoindustrie alarmiert wegen fehlender Rohstoffe als Folge des Ukraine-Kriegs
Wichtige Rohstoffe könnten in Folge des Ukraine-Kriegs immer knapper werden. Noch ist kaum absehbar, was das für Deutschlands Autohersteller bedeutet. Die Schlüsselindustrie muss neue Konzepte entwickeln.
Die deutsche Autoindustrie gerät durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine immer mehr unter Druck. Nach der Corona-Pandemie und Halbleiterkrise drohen neben den explodierenden Preisen für Öl, Gas und Kohle nun auch Lieferengpässe und Kostensteigerungen bei wichtigen anderen Rohstoffen.
Ein Sprecher von Volkswagen, Europas größtem Autokonzern, wollte sich auf DW-Anfrage zu dieser Thematik aktuell nicht dezidiert äußern. In einer Mail heißt es lediglich: “Wir bekommen derzeit viele Anfragen, obwohl oder weil das Thema seit einiger Zeit virulent ist. Es ist auch sehr volatil. Haben Antworten in der Endabstimmung.” Was zumindest zeigt: Die Lage ist ernst.
Die deutsche Autoindustrie gerät durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine immer mehr unter Druck. Nach der Corona-Pandemie und Halbleiterkrise drohen neben den explodierenden Preisen für Öl, Gas und Kohle nun auch Lieferengpässe und Kostensteigerungen bei wichtigen anderen Rohstoffen.
“Man sollte die drohenden Lieferausfälle bei wichtigen Rohstoffen für die Autohersteller und ihre Zulieferer nicht unterschätzen”, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management gegenüber der DW. “Das führt letztendlich zu steigenden Preisen, zu noch längeren Wartezeiten bei Neuwagen für die Kunden und bremst das Hochfahren der Elektromobilität.”
Neon-Gas für Halbleiterproduktion aus der Ukraine
Die Ukraine sei beispielsweise einer der wichtigsten Lieferanten des Edelgases Neon, teilt der Verband der Automobilindustrie (VDA) auf DW-Anfrage mit. Daher könne es in diesem Zusammenhang Auswirkungen auf die europäische Halbleiterproduktion geben. Verschärfend komme hinzu, dass Chips bereits seit einiger Zeit weltweit und für fast alle Industrien Mangelware seien. Bei der Halbleiterproduktion kämen Hochleistungs-Laser zum Einsatz, die unter anderem Neon benötigten.
“Rohstoffe werden künftig noch wichtiger”, sagt eine VDA-Sprecherin. Aus Russland würden bisher unter anderem Palladium und Nickel importiert.
Palladium wird für Katalysatoren von Benzinmotoren benötigt. “Russland ist mit einem Weltmarktanteil von 38 Prozent zweitwichtigster Lieferant nach Südafrika mit 39 Prozent”, erläutert Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) gegenüber der DW.
Der Preis von Palladium ist laut dem Experten seit 2015 stark gestiegen. Im Juni 2021 erreichte er mit 2900 US-Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) einen vorläufigen Höchststand, fiel dann auf rund 1800 US-Dollar, stieg aber dem Ausbruch des Ukraine Krieges wieder an. Anfang dieser Woche lag er bei rund 2270 US-Dollar.
Dass mögliche Lieferausfälle von Palladium aus Russland von anderen Förderländern kompensiert werden könnten, sei schwer vorstellbar, meint Schmidt. “Der Palladiummarkt ist seit Jahren im Defizit. Das wird sich auch nicht ändern.”
Der Palladiumbedarf für Abgasreinigungssysteme bei Autos mit Benzinmotoren sei entgegen dem von Platin, das bei Dieselfahrzeugen benötigt werde, nicht gesunken. Im Gegenteil. Diesel würden durch Benziner und Fahrzeuge mit hybriden Elektro/Benzinmotoren ersetzt. Defizite, die durch Sanktionen gegen Russland entstünden, würden zwar durch Lagerbestände kompensiert. “Das geht jedoch nicht auf Dauer. Die Produktion in Südafrika kann nicht kurzfristig und nach Belieben gesteigert werden”, so Schmidt.
Noch extremere Entwicklungen beim Preis gibt es beim Schwermetall Nickel. Von 20.000 bis 25.000 US-Dollar pro Tonne schnellte er nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine auf mehr als 100.000 US-Dollar. Inzwischen ist der Nickelpreis zwar wieder gesunken, aber Rohstoff-Analysten rechnen mit rund 34.000 US-Dollar zur Jahresmitte.
“Die Russische Föderation ist im weltweiten Maßstab das drittgrößte Förderland für Nickelerze”, sagt Michael Szurlies von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Gespräch mit der DW. “Mögliche Lieferausfälle aus Russland betreffen ausschließlich das Raffinadeprodukt Nickelmetall. Kurzfristige Lieferausfälle sind grundsätzlich schwer zu kompensieren.”
Nickel ist für Legierungen, aber auch für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien wichtig. “Die wiederum sind besonders für den Umstieg auf Elektromobilität von entscheidender Bedeutung, dementsprechend erwarten wir grundsätzlich einen Anstieg des Nickel-Bedarfs”, so die VDA-Sprecherin.
Russische Nickelsanktionen würden die Preise von Elektrofahrzeugen in die Höhe treiben und damit die Fortschritte bei der CO2-Reduzierung der westlichen Volkswirtschaften verlangsamen, warnt die in London ansässige Beratungsfirma GlobalData.
Die Argumentation leuchtet ein: Je langsamer die Elektromobilität in Gang kommt, desto länger werden wir auf russisches Öl und Gas angewiesen sein. “Jetzt ist ein kritischer Zeitpunkt für die Einführung von Elektro-Fahrzeugen, denn die Industrienationen wollen den Prozess der Dekarbonisierung beschleunigen”, sagt GlobalData-Analyst Daniel Clarke.
Elektroauto- und Batteriehersteller in China könnten dagegen von den Sanktionen gegen Russland profitieren, indem sie an Stelle der westlichen Kundschaft als Käufer für Rohstoffe aus Russland anböten – selbstverständlich zu niedrigeren Preisen.
“China hat bereits eine starke Position in der Versorgungskette für Batteriemetalle und würde seine globale Wettbewerbsposition weiter stärken, wenn es russisches Nickel aufgrund der Sanktionen billig kaufen könnte”, so Clarke.
Für die westlichen Hersteller bliebe nur ein Ausbau der Geschäftsbeziehungen zu anderen nickelproduzierenden Ländern wie Indonesien oder den Philippinen, fügt GlobalData-Analystin Lil Read hinzu. Daraus ergäben sich aber weitere Probleme. Denn durch die weitere geographische Entfernung der beiden Produktionsländer stiegen die Emissionen beim Transport, bei intensiverer Gewinnung der Rohstoffe dort würden verstärkt Umweltprobleme auftreten.
Außerdem würde die Abhängigkeit von China zunehmen, da chinesische Unternehmen eine Schlüsselrolle bei den wichtigsten Nickelminen in diesen Ländern spielten.
Vor diesem Hintergrund glaubt Read, dass sich neue Batterie-Technologien auf Dauer durchsetzen könnten. “Das Innovationstempo im Batteriebereich war in den letzten Jahrzehnten atemberaubend, aber Innovationen gibt es nicht über Nacht. Wir gehen davon aus, dass Lithium-Ionen-Phosphat-Batterien (LFP), die weder Nickel noch Kobalt enthalten, mittelfristig an Popularität und Akzeptanz gewinnen werden, wenn der Konflikt anhält.”
Nach Einschätzung des Branchenverbands VDA macht die Ukraine-Krise besonders deutlich, dass Deutschland und die EU ihre Abhängigkeit reduzieren müssen. Deshalb fordert der VDA, dass Deutschland und die EU die heimische Rohstoffgewinnung auf- und ausbauen, fairen Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland mittels Rohstoffabkommen sichern und den Auf- und Ausbau der Kreislaufwirtschaft forcieren müssen. “Darüber hinaus braucht es Energie- und Rohstoffpartnerschaften, die Märkte werden hier weltweit gerade weitgehend ohne Deutschland verteilt.”
Die deutsche Autoindustrie gerät durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine immer mehr unter Druck. Nach der Corona-Pandemie und Halbleiterkrise drohen neben den explodierenden Preisen für Öl, Gas und Kohle nun auch Lieferengpässe und Kostensteigerungen bei wichtigen anderen Rohstoffen.
Ein Sprecher von Volkswagen, Europas größtem Autokonzern, wollte sich auf DW-Anfrage zu dieser Thematik aktuell nicht dezidiert äußern. In einer Mail heißt es lediglich: “Wir bekommen derzeit viele Anfragen, obwohl oder weil das Thema seit einiger Zeit virulent ist. Es ist auch sehr volatil. Haben Antworten in der Endabstimmung.” Was zumindest zeigt: Die Lage ist ernst.
Neon-Gas für Halbleiterproduktion aus der Ukraine
“Man sollte die drohenden Lieferausfälle bei wichtigen Rohstoffen für die Autohersteller und ihre Zulieferer nicht unterschätzen”, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management gegenüber der DW. “Das führt letztendlich zu steigenden Preisen, zu noch längeren Wartezeiten bei Neuwagen für die Kunden und bremst das Hochfahren der Elektromobilität.”
Die Ukraine sei beispielsweise einer der wichtigsten Lieferanten des Edelgases Neon, teilt der Verband der Automobilindustrie (VDA) auf DW-Anfrage mit. Daher könne es in diesem Zusammenhang Auswirkungen auf die europäische Halbleiterproduktion geben. Verschärfend komme hinzu, dass Chips bereits seit einiger Zeit weltweit und für fast alle Industrien Mangelware seien. Bei der Halbleiterproduktion kämen Hochleistungs-Laser zum Einsatz, die unter anderem Neon benötigten.
“Rohstoffe werden künftig noch wichtiger”, sagt eine VDA-Sprecherin. Aus Russland würden bisher unter anderem Palladium und Nickel importiert.
Palladium wird für Katalysatoren von Benzinmotoren benötigt. “Russland ist mit einem Weltmarktanteil von 38 Prozent zweitwichtigster Lieferant nach Südafrika mit 39 Prozent”, erläutert Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) gegenüber der DW.
Palladium und Nickel für Abgasreinigung und Batterien aus Russland
Der Preis von Palladium ist laut dem Experten seit 2015 stark gestiegen. Im Juni 2021 erreichte er mit 2900 US-Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) einen vorläufigen Höchststand, fiel dann auf rund 1800 US-Dollar, stieg aber dem Ausbruch des Ukraine Krieges wieder an. Anfang dieser Woche lag er bei rund 2270 US-Dollar.
Nickel wurde dramatisch teurer
Dass mögliche Lieferausfälle von Palladium aus Russland von anderen Förderländern kompensiert werden könnten, sei schwer vorstellbar, meint Schmidt. “Der Palladiummarkt ist seit Jahren im Defizit. Das wird sich auch nicht ändern.”
Der Palladiumbedarf für Abgasreinigungssysteme bei Autos mit Benzinmotoren sei entgegen dem von Platin, das bei Dieselfahrzeugen benötigt werde, nicht gesunken. Im Gegenteil. Diesel würden durch Benziner und Fahrzeuge mit hybriden Elektro/Benzinmotoren ersetzt. Defizite, die durch Sanktionen gegen Russland entstünden, würden zwar durch Lagerbestände kompensiert. “Das geht jedoch nicht auf Dauer. Die Produktion in Südafrika kann nicht kurzfristig und nach Belieben gesteigert werden”, so Schmidt.
Noch extremere Entwicklungen beim Preis gibt es beim Schwermetall Nickel. Von 20.000 bis 25.000 US-Dollar pro Tonne schnellte er nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine auf mehr als 100.000 US-Dollar. Inzwischen ist der Nickelpreis zwar wieder gesunken, aber Rohstoff-Analysten rechnen mit rund 34.000 US-Dollar zur Jahresmitte.
Höhere Autopreise, mehr CO2
“Die Russische Föderation ist im weltweiten Maßstab das drittgrößte Förderland für Nickelerze”, sagt Michael Szurlies von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Gespräch mit der DW. “Mögliche Lieferausfälle aus Russland betreffen ausschließlich das Raffinadeprodukt Nickelmetall. Kurzfristige Lieferausfälle sind grundsätzlich schwer zu kompensieren.”
Nickel ist für Legierungen, aber auch für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien wichtig. “Die wiederum sind besonders für den Umstieg auf Elektromobilität von entscheidender Bedeutung, dementsprechend erwarten wir grundsätzlich einen Anstieg des Nickel-Bedarfs”, so die VDA-Sprecherin.
China als lachender Dritter
Russische Nickelsanktionen würden die Preise von Elektrofahrzeugen in die Höhe treiben und damit die Fortschritte bei der CO2-Reduzierung der westlichen Volkswirtschaften verlangsamen, warnt die in London ansässige Beratungsfirma GlobalData.
Neue Technologien und Partnerschaften dringend benötigt
Die Argumentation leuchtet ein: Je langsamer die Elektromobilität in Gang kommt, desto länger werden wir auf russisches Öl und Gas angewiesen sein. “Jetzt ist ein kritischer Zeitpunkt für die Einführung von Elektro-Fahrzeugen, denn die Industrienationen wollen den Prozess der Dekarbonisierung beschleunigen”, sagt GlobalData-Analyst Daniel Clarke.
Elektroauto- und Batteriehersteller in China könnten dagegen von den Sanktionen gegen Russland profitieren, indem sie an Stelle der westlichen Kundschaft als Käufer für Rohstoffe aus Russland anböten – selbstverständlich zu niedrigeren Preisen.
“China hat bereits eine starke Position in der Versorgungskette für Batteriemetalle und würde seine globale Wettbewerbsposition weiter stärken, wenn es russisches Nickel aufgrund der Sanktionen billig kaufen könnte”, so Clarke.
Für die westlichen Hersteller bliebe nur ein Ausbau der Geschäftsbeziehungen zu anderen nickelproduzierenden Ländern wie Indonesien oder den Philippinen, fügt GlobalData-Analystin Lil Read hinzu. Daraus ergäben sich aber weitere Probleme. Denn durch die weitere geographische Entfernung der beiden Produktionsländer stiegen die Emissionen beim Transport, bei intensiverer Gewinnung der Rohstoffe dort würden verstärkt Umweltprobleme auftreten.
Außerdem würde die Abhängigkeit von China zunehmen, da chinesische Unternehmen eine Schlüsselrolle bei den wichtigsten Nickelminen in diesen Ländern spielten.
Vor diesem Hintergrund glaubt Read, dass sich neue Batterie-Technologien auf Dauer durchsetzen könnten. “Das Innovationstempo im Batteriebereich war in den letzten Jahrzehnten atemberaubend, aber Innovationen gibt es nicht über Nacht. Wir gehen davon aus, dass Lithium-Ionen-Phosphat-Batterien (LFP), die weder Nickel noch Kobalt enthalten, mittelfristig an Popularität und Akzeptanz gewinnen werden, wenn der Konflikt anhält.”
Nach Einschätzung des Branchenverbands VDA macht die Ukraine-Krise besonders deutlich, dass Deutschland und die EU ihre Abhängigkeit reduzieren müssen. Deshalb fordert der VDA, dass Deutschland und die EU die heimische Rohstoffgewinnung auf- und ausbauen, fairen Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland mittels Rohstoffabkommen sichern und den Auf- und Ausbau der Kreislaufwirtschaft forcieren müssen. “Darüber hinaus braucht es Energie- und Rohstoffpartnerschaften, die Märkte werden hier weltweit gerade weitgehend ohne Deutschland verteilt.”