Seeminen bedrohen Handelsrouten im Schwarzen Meer
Anrainerstaaten des Schwarzen Meers haben treibende Seeminen entdeckt und unschädlich gemacht. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, die Minen gelegt zu haben. Unklar ist, wie viele es sind.
Die türkische Marine hat, so ließ sie wissen, seit dem vergangenen Wochenende mehrere frei umhertreibende Seeminen unschädlich gemacht. Eine der Minen wurde in der Nähe des Bosporus neutralisiert und die Meerenge kurzzeitig für die Schifffahrt gesperrt.
Auch die rumänischen Streitkräfte wollen Anfang der Woche einen treibenden Sprengkörper zur Explosion gebracht haben, den Fischer vor der Küste des Landes entdeckt hatten.
Die türkische Marine hat, so ließ sie wissen, seit dem vergangenen Wochenende mehrere frei umhertreibende Seeminen unschädlich gemacht. Eine der Minen wurde in der Nähe des Bosporus neutralisiert und die Meerenge kurzzeitig für die Schifffahrt gesperrt.
Offenbar handelt es sich um sogenannte Ankertauminen, die Bojen ähneln. Sie treiben allerdings nicht auf der Wasseroberfläche, sondern knapp darunter. Ein Anker hält den schwimmfähigen Minenkörper an einem Drahtseil unter Wasser, um ihn zu verbergen. Bei Kontakt mit einem Schiffsrumpf explodiert der Sprengsatz.
Hunderte Minen – oder nur zehn?
Bereits Anfang vergangener Woche hatten der russische Geheimdienst FSB und das Moskauer Verteidigungsministerium vor treibenden ukrainischen Seeminen gewarnt, die sich vor Odessa durch einen Sturm aus ihren Verankerungen gelöst hätten. Zunächst war von mehreren Hundert umherirrenden Minen die Rede. Nun berichtigte das russische Verteidigungsministerium: Von etwa 370 ausgelegten Minen hätten sich schätzungsweise zehn gelöst.
Die Ukraine hatte dies umgehend als Falschinformation zurückgewiesen. Die entdeckten Sprengkörper stammten zwar aus ukrainischen Beständen, allerdings aus denen in Sewastopol auf der Halbinsel Krim, die Russland seit 2014 besetzt hält. Nach Darstellung Kiews lässt Russland die Minen absichtlich durch das Schwarze Meer treiben, um den internationalen Ruf der Ukraine zu beschädigen.
“Beide Versionen sind sachlich zunächst einmal plausibel”, sagt Johannes Peters, Experte für Maritime Strategie und Sicherheit an der Universität Kiel. Auf den publizierten Bildern sei zu erkennen, dass es sich um alte Modelle, vermutlich aus Sowjetproduktion, mit ukrainischer Markierung handle. Dies hatten auch die türkischen Behörden angedeutet. Klar sei aber auch: “Spätestens seit der Krim-Annexion hat auch die russische Marine Zugriff auf solche Minen.”
Mit ihren Anschuldigungen werfen sich die beiden Kriegsparteien gegenseitig einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht vor. Anders als bei Landminen gibt es zwar kein internationales Abkommen, das Seeminen verbietet. Aber die entsprechende Haager Konvention, die zum humanitären Völkerrecht gehört, bindet ihren Einsatz an bestimmte Regeln. Diese schließen aus, Minen ziellos in internationalen Gewässern treiben zu lassen.
Erlaubt ist hingegen, für die Zeit von Krisen und bewaffneten Konflikten in eigenen Gewässern fest installierte Seeminen zu legen, um sich gegen Angriffe vom Meer aus zu schützen. Aber: “Bei jeder Form des Minenlegens (…) sind die Grundsätze der wirksamen Überwachung, der Gefahrenbeherrschung und der Warnung zu beachten”, heißt es dazu in einer Broschüre des Bundesverteidigungsministeriums.
Dementsprechend hatte die Ukraine die Schifffahrt ausdrücklich davor gewarnt, als sie die Küstengewässer im Nordosten des Schwarzen Meers großflächig verminte. Theoretisch hätte Kiew nach dem Haager Abkommen auch vor etwaigen losgerissen Minen warnen müssen.
Nachdem die türkische Marine eine der aufgefundenen Minen unschädlich gemacht hatte und der Bosporus gesperrt wurde, untersagten die türkischen Behörden außerdem bis auf weiteres nächtliche Fischerei im Schwarzen Meer.
Als Teil der Verbindung zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer ist der Bosporus eine essentielle Handelsroute für sämtliche Anrainerstaaten mit Ausnahme der Türkei. Er ist aber auch ein Nadelöhr für Weizenexporte aus Russland und – normalerweise – der Ukraine. Eine Sperrung des Seewegs könnte die Weizenpreise noch einmal in die Höhe treiben.
Viele Reedereien stehen wegen des Kriegs in der Ukraine ohnehin unter Druck: Der Verband Deutscher Reeder (VDR) schätzt, dass mindestens 60 Schiffe der internationalen Handelsflotten in ukrainischen Häfen festsitzen. Nun sorgen die treibenden Minenkörper für weitere Probleme.
“Wir sind sehr besorgt”, sagte Gökhan Özcan vom türkischen Reederei-Verband KOSDER im Interview mit der türkischen Tageszeitung “Dünya”. Er bekomme zahlreiche Anrufe von besorgten Partnern insbesondere aus Mittelmeerländern, die wissen möchten, ob sie es wagen könnten, ihre Containerschiffe durch den Bosporus zu schicken.
Neben der Sorge um die Besatzung treibt sie das unternehmerische Risiko um, denn Transportversicherer lehnen es derzeit faktisch ab, Kriegsschäden zu versichern. Die Reedereien handeln also auf eigenes finanzielles Risiko, wenn sie ihre Schiffe nach Rumänien, Moldau, Bulgarien oder auch Russland und Georgien schicken.
Inzwischen erscheint die Gefahr deutlich kleiner als zunächst angenommen, weil wohl nur ein Bruchteil der zunächst vermuteten Anzahl Minen umhertreibt. Zudem kann man sich fragen, wie einsatzfähig die alten Sprengladungen tatsächlich sind. “Den Bildern nach sind die Minen in einem schlechten Wartungszustand, manche scheinen nicht einmal scharf geschaltet zu sein”, sagt Marine-Experte Peters. “Das heißt aber nicht, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht.”
Im Gegenteil: Gerade das Alter und das salzige Meerwasser, indem sie schwimmen, könnten auch bedeuten, dass die Zünder bei leichteren Kontakten auslösen, als eigentlich vorgesehen – etwa beim Kontakt mit einer Luftmatratze. Deshalb warnt Peters davor, die Gefahr zu unterschätzen: “Minen sind und bleiben große Kugeln voller Sprengstoff.”
Die türkische Marine hat, so ließ sie wissen, seit dem vergangenen Wochenende mehrere frei umhertreibende Seeminen unschädlich gemacht. Eine der Minen wurde in der Nähe des Bosporus neutralisiert und die Meerenge kurzzeitig für die Schifffahrt gesperrt.
Auch die rumänischen Streitkräfte wollen Anfang der Woche einen treibenden Sprengkörper zur Explosion gebracht haben, den Fischer vor der Küste des Landes entdeckt hatten.
Hunderte Minen – oder nur zehn?
Offenbar handelt es sich um sogenannte Ankertauminen, die Bojen ähneln. Sie treiben allerdings nicht auf der Wasseroberfläche, sondern knapp darunter. Ein Anker hält den schwimmfähigen Minenkörper an einem Drahtseil unter Wasser, um ihn zu verbergen. Bei Kontakt mit einem Schiffsrumpf explodiert der Sprengsatz.
Bereits Anfang vergangener Woche hatten der russische Geheimdienst FSB und das Moskauer Verteidigungsministerium vor treibenden ukrainischen Seeminen gewarnt, die sich vor Odessa durch einen Sturm aus ihren Verankerungen gelöst hätten. Zunächst war von mehreren Hundert umherirrenden Minen die Rede. Nun berichtigte das russische Verteidigungsministerium: Von etwa 370 ausgelegten Minen hätten sich schätzungsweise zehn gelöst.
Die Ukraine hatte dies umgehend als Falschinformation zurückgewiesen. Die entdeckten Sprengkörper stammten zwar aus ukrainischen Beständen, allerdings aus denen in Sewastopol auf der Halbinsel Krim, die Russland seit 2014 besetzt hält. Nach Darstellung Kiews lässt Russland die Minen absichtlich durch das Schwarze Meer treiben, um den internationalen Ruf der Ukraine zu beschädigen.
“Beide Versionen sind sachlich zunächst einmal plausibel”, sagt Johannes Peters, Experte für Maritime Strategie und Sicherheit an der Universität Kiel. Auf den publizierten Bildern sei zu erkennen, dass es sich um alte Modelle, vermutlich aus Sowjetproduktion, mit ukrainischer Markierung handle. Dies hatten auch die türkischen Behörden angedeutet. Klar sei aber auch: “Spätestens seit der Krim-Annexion hat auch die russische Marine Zugriff auf solche Minen.”
Seeminen keine geächteten Waffen
Mit ihren Anschuldigungen werfen sich die beiden Kriegsparteien gegenseitig einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht vor. Anders als bei Landminen gibt es zwar kein internationales Abkommen, das Seeminen verbietet. Aber die entsprechende Haager Konvention, die zum humanitären Völkerrecht gehört, bindet ihren Einsatz an bestimmte Regeln. Diese schließen aus, Minen ziellos in internationalen Gewässern treiben zu lassen.
Zivile Schifffahrt unter Druck
Erlaubt ist hingegen, für die Zeit von Krisen und bewaffneten Konflikten in eigenen Gewässern fest installierte Seeminen zu legen, um sich gegen Angriffe vom Meer aus zu schützen. Aber: “Bei jeder Form des Minenlegens (…) sind die Grundsätze der wirksamen Überwachung, der Gefahrenbeherrschung und der Warnung zu beachten”, heißt es dazu in einer Broschüre des Bundesverteidigungsministeriums.
Dementsprechend hatte die Ukraine die Schifffahrt ausdrücklich davor gewarnt, als sie die Küstengewässer im Nordosten des Schwarzen Meers großflächig verminte. Theoretisch hätte Kiew nach dem Haager Abkommen auch vor etwaigen losgerissen Minen warnen müssen.
Nachdem die türkische Marine eine der aufgefundenen Minen unschädlich gemacht hatte und der Bosporus gesperrt wurde, untersagten die türkischen Behörden außerdem bis auf weiteres nächtliche Fischerei im Schwarzen Meer.
Handelsfahrten auf eigenes Risiko
Als Teil der Verbindung zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer ist der Bosporus eine essentielle Handelsroute für sämtliche Anrainerstaaten mit Ausnahme der Türkei. Er ist aber auch ein Nadelöhr für Weizenexporte aus Russland und – normalerweise – der Ukraine. Eine Sperrung des Seewegs könnte die Weizenpreise noch einmal in die Höhe treiben.
Viele Reedereien stehen wegen des Kriegs in der Ukraine ohnehin unter Druck: Der Verband Deutscher Reeder (VDR) schätzt, dass mindestens 60 Schiffe der internationalen Handelsflotten in ukrainischen Häfen festsitzen. Nun sorgen die treibenden Minenkörper für weitere Probleme.
Wie gefährlich sind alte Minen?
“Wir sind sehr besorgt”, sagte Gökhan Özcan vom türkischen Reederei-Verband KOSDER im Interview mit der türkischen Tageszeitung “Dünya”. Er bekomme zahlreiche Anrufe von besorgten Partnern insbesondere aus Mittelmeerländern, die wissen möchten, ob sie es wagen könnten, ihre Containerschiffe durch den Bosporus zu schicken.
Neben der Sorge um die Besatzung treibt sie das unternehmerische Risiko um, denn Transportversicherer lehnen es derzeit faktisch ab, Kriegsschäden zu versichern. Die Reedereien handeln also auf eigenes finanzielles Risiko, wenn sie ihre Schiffe nach Rumänien, Moldau, Bulgarien oder auch Russland und Georgien schicken.
Inzwischen erscheint die Gefahr deutlich kleiner als zunächst angenommen, weil wohl nur ein Bruchteil der zunächst vermuteten Anzahl Minen umhertreibt. Zudem kann man sich fragen, wie einsatzfähig die alten Sprengladungen tatsächlich sind. “Den Bildern nach sind die Minen in einem schlechten Wartungszustand, manche scheinen nicht einmal scharf geschaltet zu sein”, sagt Marine-Experte Peters. “Das heißt aber nicht, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht.”
Im Gegenteil: Gerade das Alter und das salzige Meerwasser, indem sie schwimmen, könnten auch bedeuten, dass die Zünder bei leichteren Kontakten auslösen, als eigentlich vorgesehen – etwa beim Kontakt mit einer Luftmatratze. Deshalb warnt Peters davor, die Gefahr zu unterschätzen: “Minen sind und bleiben große Kugeln voller Sprengstoff.”