Ukraine aktuell: Kiew meldet Rettung von mehr als 3000 Bewohnern von Mariupol
Laut Präsident Selenskyj konnten insgesamt mehr als 6200 Menschen evakuiert werden. Zugleich gab es weitere russische Angriffe auf mehrere Städte. Die USA wollen die Ukraine mit mehr Waffen versorgen. Ein Überblick.
Das Wichtigste in Kürze:
Aus der eingekesselten südukrainischen Stadt Mariupol haben sich nach ukrainischen Angaben tausende Menschen in Sicherheit gebracht. Mehr als 3000 Mariupoler seien “gerettet” worden, teilte Staatschef Wolodymyr Selenskyj in der Nacht mit. Im Laufe des Tages soll es einen neuen Anlauf für die Evakuierungsaktion des Roten Kreuzes in Mariupol geben. “Heute gab es in drei Regionen humanitäre Korridore: Donezk, Luhansk und Saporischschja”, sagte Selenskyj in einer Video-Ansprache. “Uns ist es gelungen, 6266 Menschen zu retten, darunter 3071 Menschen aus Mariupol.”
Das Wichtigste in Kürze:
Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk führte aus, dass 1431 Menschen aus Berdjansk und Melitopol auf eigene Faust nach Saporischschja geflohen seien. Von ihnen kamen demnach 771 ursprünglich aus Mariupol. Außerdem seien aus dem von Russland besetzten Berdjansk 42 Busse mit Einwohnern von Mariupol sowie zwölf weitere Busse aus Melitopl nach Saporischschja aufgebrochen, gut 300 Privatfahrzeuge seien ihnen gefolgt. Für diesem Samstag seien weitere derartige Evakuierungsaktionen geplant, sagte Wereschtschuk.
Ukraine: Beschuss von Odessa, Dnipro und Krywyj Rih
Die Situation in Mariupol wird nach Aussage des Ukrainischen Roten Kreuzes von Tag zu Tag schlimmer. Die stellvertretende Generaldirektorin des Roten Kreuzes in der Ukraine, Olena Stokoz, sagte im DW-Interview, sie hätten seit mehr als einer Woche nichts mehr von ihren Mitarbeitern in Mariupol gehört. Es gebe auch Schwierigkeiten mit ihren Fahrzeugen dort, sie seien teilweise zerstört. Und nicht zum ersten Mal habe es Angriffe mit Molotow-Cocktails auf das Büro des Roten Kreuzes gegeben.
Russische Truppen haben in der Nacht nach ukrainischen Angaben mehrere Großstädte im Süden des Landes mit Raketen beschossen. Das ukrainische Militär erklärte, seine Luftabwehr habe einen versuchten Angriff auf kritische Infrastruktur im Hafen von Odessa am Schwarzen Meer verhindert. Der Gouverneur von Odessa, Maksym Marchenko, sagte, drei Raketen hätten aber ein Wohnviertel getroffen. Es habe Verletzte gegeben. Die Raketen seien von einem Iskander-Raketensystem auf der Krim abgefeuert worden, der Halbinsel, die 2014 von Russland annektiert wurde. Russland bestreitet Angriffe auf Zivilisten. In Odessa ist der größte Hafen der Ukraine und das Hauptquartier der ukrainischen Marine.
In der Stadt Dnipro seien zwei oder drei schwere Explosionen zu hören gewesen, berichtete das Portal “Ukrajinska Prawda” unter Berufung auf die Gebietsverwaltung. Die Umgebung der Stadt Krywyj Rih wurde demnach mit Raketenwerfern beschossen. Dabei sei eine Tankstelle in Brand geraten, teilte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, mit. Seinen Angaben nach setzten die russischen Kräfte Mehrfachraketenwerfer vom Typ Grad (Hagel) ein.
Laut dem Regionalgouverneur der Region Poltawa wurde auch die gleichnamige zentralukrainische Stadt in der Nacht von russischen Raketen getroffen. Es seien Infrastruktureinrichtungen getroffen worden, schreibt Dmitri Lunin in einem Online-Posting. Auch die Stadt Krementschuk sei angegriffen worden. Es habe zunächst keine Angaben über mögliche Opfer gegeben.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch diese Meldungen: Die ukrainische Hauptstadt Kiew kann sich in der sechsten Woche des Krieges erstmal aus einer versuchten Umklammerung durch russische Truppen befreien. Die militärisch bislang gescheiterten Angreifer scheinen sich, wie von Moskau angekündigt, aus dem Gebiet der Metropole komplett zurückzuziehen – und auch aus dem nördlich gelegenen Tschernihiw.
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Menschen im russisch kontrollierten Süden des Landes ermahnt, keine Posten in dem Besatzungsregime anzunehmen. In seiner Videoansprache in der Nacht zum Samstag bezeichnete er solche Leute als Gauleiter wie bei den Nationalsozialisten. “Meine Botschaft an sie ist einfach: Die Verantwortung für die Kollaboration ist unausweichlich”, sagte Selenskyj in Kiew. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen.
Mehr als fünf Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges hat es ukrainischen Angaben zufolge einen weiteren Gefangenenaustausch gegeben. Die russische Seite habe 71 ukrainische Soldaten und 15 Soldatinnen aus der Kriegsgefangenschaft freigelassen und dafür ebenso viele eigene Leute übergeben bekommen, schrieb die ukrainische Vize-Regierungschefin Wereschtschuk auf Facebook. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Mitte März hatte die russische Seite etwa den zwischenzeitlich entführten Bürgermeister der Stadt Melitopol freigelassen – ukrainischen Angaben zufolge im Austausch für neun russische Wehrdienstleistende.
Das US-Verteidigungsministerium will der Ukraine weitere Waffen im Wert von 300 Millionen Dollar zukommen lassen. Unter anderem soll das neue Paket verschiedene Drohnen, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge umfassen. Die US-Regierung hat der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits Militärhilfen und Waffenlieferungen im Wert von 1,65 Milliarden US-Dollar zugesagt. Seit Anfang vergangenen Jahres summieren sich die US-Hilfen auf 2,3 Milliarden Dollar.
Die Ukraine will zur Verringerung der europäischen Abhängigkeit von Russland zukünftig Gas und Wasserstoff in erheblichem Umfang liefern, fordert zunächst aber ein Energie-Embargo gegen den Kriegsgegner. Dies sagte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko dem “Tagesspiegel”. Damit solle Russland das Geld für eine Fortsetzung seines Angriffskrieges entzogen werden.
Nach einem Ende des Krieges biete der Export von Wasserstoff in andere europäische Länder seinem Land “Perspektiven und Wachstumsmöglichkeiten”, so der Minister weiter. Ukrainische Atomkraftwerke produzierten bereits Wasserstoff in kleinen Mengen – “und wir bauen gerade eine größere H2-Anlage. Technologisch ist das sehr gut machbar.” Schwieriger sei es, das Erdgas-Pipelinesystem für den Wasserstoff-Transport aufzurüsten, “aber mit großen Investitionen ist auch das möglich”.
Sein Land investiere zudem in erneuerbare Energien. “Vor allem in unserem sonnigen Süden haben wir bereits erhebliche Solarkapazitäten aufgebaut”, konstatierte Galuschtschenko. Die Ukraine habe “ein großes Potenzial für die Stromerzeugung aus Biomasse, Biogas und Wasserkraft” und könne zudem ihre Gasförderung deutlich ausbauen.
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
sti/as/fab/wa (dpa, rtr, afp, DW)
Das Wichtigste in Kürze:
Aus der eingekesselten südukrainischen Stadt Mariupol haben sich nach ukrainischen Angaben tausende Menschen in Sicherheit gebracht. Mehr als 3000 Mariupoler seien “gerettet” worden, teilte Staatschef Wolodymyr Selenskyj in der Nacht mit. Im Laufe des Tages soll es einen neuen Anlauf für die Evakuierungsaktion des Roten Kreuzes in Mariupol geben. “Heute gab es in drei Regionen humanitäre Korridore: Donezk, Luhansk und Saporischschja”, sagte Selenskyj in einer Video-Ansprache. “Uns ist es gelungen, 6266 Menschen zu retten, darunter 3071 Menschen aus Mariupol.”
Ukraine: Beschuss von Odessa, Dnipro und Krywyj Rih
Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk führte aus, dass 1431 Menschen aus Berdjansk und Melitopol auf eigene Faust nach Saporischschja geflohen seien. Von ihnen kamen demnach 771 ursprünglich aus Mariupol. Außerdem seien aus dem von Russland besetzten Berdjansk 42 Busse mit Einwohnern von Mariupol sowie zwölf weitere Busse aus Melitopl nach Saporischschja aufgebrochen, gut 300 Privatfahrzeuge seien ihnen gefolgt. Für diesem Samstag seien weitere derartige Evakuierungsaktionen geplant, sagte Wereschtschuk.
Die Situation in Mariupol wird nach Aussage des Ukrainischen Roten Kreuzes von Tag zu Tag schlimmer. Die stellvertretende Generaldirektorin des Roten Kreuzes in der Ukraine, Olena Stokoz, sagte im DW-Interview, sie hätten seit mehr als einer Woche nichts mehr von ihren Mitarbeitern in Mariupol gehört. Es gebe auch Schwierigkeiten mit ihren Fahrzeugen dort, sie seien teilweise zerstört. Und nicht zum ersten Mal habe es Angriffe mit Molotow-Cocktails auf das Büro des Roten Kreuzes gegeben.
Russische Truppen haben in der Nacht nach ukrainischen Angaben mehrere Großstädte im Süden des Landes mit Raketen beschossen. Das ukrainische Militär erklärte, seine Luftabwehr habe einen versuchten Angriff auf kritische Infrastruktur im Hafen von Odessa am Schwarzen Meer verhindert. Der Gouverneur von Odessa, Maksym Marchenko, sagte, drei Raketen hätten aber ein Wohnviertel getroffen. Es habe Verletzte gegeben. Die Raketen seien von einem Iskander-Raketensystem auf der Krim abgefeuert worden, der Halbinsel, die 2014 von Russland annektiert wurde. Russland bestreitet Angriffe auf Zivilisten. In Odessa ist der größte Hafen der Ukraine und das Hauptquartier der ukrainischen Marine.
In der Stadt Dnipro seien zwei oder drei schwere Explosionen zu hören gewesen, berichtete das Portal “Ukrajinska Prawda” unter Berufung auf die Gebietsverwaltung. Die Umgebung der Stadt Krywyj Rih wurde demnach mit Raketenwerfern beschossen. Dabei sei eine Tankstelle in Brand geraten, teilte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, mit. Seinen Angaben nach setzten die russischen Kräfte Mehrfachraketenwerfer vom Typ Grad (Hagel) ein.
Beschuss von Poltawa und Krementschuk
Laut dem Regionalgouverneur der Region Poltawa wurde auch die gleichnamige zentralukrainische Stadt in der Nacht von russischen Raketen getroffen. Es seien Infrastruktureinrichtungen getroffen worden, schreibt Dmitri Lunin in einem Online-Posting. Auch die Stadt Krementschuk sei angegriffen worden. Es habe zunächst keine Angaben über mögliche Opfer gegeben.
Selenskyj warnt Kollaborateure: Es sind “Gauleiter”
Auf der anderen Seite gibt es aber auch diese Meldungen: Die ukrainische Hauptstadt Kiew kann sich in der sechsten Woche des Krieges erstmal aus einer versuchten Umklammerung durch russische Truppen befreien. Die militärisch bislang gescheiterten Angreifer scheinen sich, wie von Moskau angekündigt, aus dem Gebiet der Metropole komplett zurückzuziehen – und auch aus dem nördlich gelegenen Tschernihiw.
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Menschen im russisch kontrollierten Süden des Landes ermahnt, keine Posten in dem Besatzungsregime anzunehmen. In seiner Videoansprache in der Nacht zum Samstag bezeichnete er solche Leute als Gauleiter wie bei den Nationalsozialisten. “Meine Botschaft an sie ist einfach: Die Verantwortung für die Kollaboration ist unausweichlich”, sagte Selenskyj in Kiew. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen.
Mehr als fünf Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges hat es ukrainischen Angaben zufolge einen weiteren Gefangenenaustausch gegeben. Die russische Seite habe 71 ukrainische Soldaten und 15 Soldatinnen aus der Kriegsgefangenschaft freigelassen und dafür ebenso viele eigene Leute übergeben bekommen, schrieb die ukrainische Vize-Regierungschefin Wereschtschuk auf Facebook. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Austausch von Gefangenen
Mitte März hatte die russische Seite etwa den zwischenzeitlich entführten Bürgermeister der Stadt Melitopol freigelassen – ukrainischen Angaben zufolge im Austausch für neun russische Wehrdienstleistende.
Das US-Verteidigungsministerium will der Ukraine weitere Waffen im Wert von 300 Millionen Dollar zukommen lassen. Unter anderem soll das neue Paket verschiedene Drohnen, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge umfassen. Die US-Regierung hat der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits Militärhilfen und Waffenlieferungen im Wert von 1,65 Milliarden US-Dollar zugesagt. Seit Anfang vergangenen Jahres summieren sich die US-Hilfen auf 2,3 Milliarden Dollar.
Weitere 300 Millionen US-Dollar für Waffen an die Ukraine
Die Ukraine will zur Verringerung der europäischen Abhängigkeit von Russland zukünftig Gas und Wasserstoff in erheblichem Umfang liefern, fordert zunächst aber ein Energie-Embargo gegen den Kriegsgegner. Dies sagte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko dem “Tagesspiegel”. Damit solle Russland das Geld für eine Fortsetzung seines Angriffskrieges entzogen werden.
Kiew stellt Energie für Europa in Aussicht
Nach einem Ende des Krieges biete der Export von Wasserstoff in andere europäische Länder seinem Land “Perspektiven und Wachstumsmöglichkeiten”, so der Minister weiter. Ukrainische Atomkraftwerke produzierten bereits Wasserstoff in kleinen Mengen – “und wir bauen gerade eine größere H2-Anlage. Technologisch ist das sehr gut machbar.” Schwieriger sei es, das Erdgas-Pipelinesystem für den Wasserstoff-Transport aufzurüsten, “aber mit großen Investitionen ist auch das möglich”.
Sein Land investiere zudem in erneuerbare Energien. “Vor allem in unserem sonnigen Süden haben wir bereits erhebliche Solarkapazitäten aufgebaut”, konstatierte Galuschtschenko. Die Ukraine habe “ein großes Potenzial für die Stromerzeugung aus Biomasse, Biogas und Wasserkraft” und könne zudem ihre Gasförderung deutlich ausbauen.
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
sti/as/fab/wa (dpa, rtr, afp, DW)