Kultur

Neu im Kino: “Der Waldmacher” von Volker Schlöndorff

Klimaveränderungen und Welthunger bekämpfen – keine geringeren Ziele verfolgt Tony Rinaudo, auch “Waldmacher” genannt. Volker Schlöndorff begleitet diesen ungewöhnlichen Mann durch Afrika.

“Es hieß, er lasse ganze Wälder wachsen, ohne einen einzigen Baum zu pflanzen. Dadurch wurde ich auf ihn aufmerksam und wollte mehr wissen über seine Arbeit”, sagt eine ruhige Stimme aus dem Off. Sie gehört  Volker Schlöndorff, dem Regisseur des Film-Essays “Der Waldmacher”. Der, über den Schlöndorff da spricht, ist der 2018 mit dem “Alternativen Nobelpreis” ausgezeichnete australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo. 

Anders als in seinen Literaturverfilmungen vermittelt Schlöndorff mit diesem Dokumentarfilm, in dem er auch selbst zu sehen ist, einen sehr persönlichen Zugang zu einem Stoff von großer Tragweite. Diesen aufzugreifen, sei ihm auch deshalb wichtig erschienen, weil es Rinaudos Methode trotz der Aufmerksamkeit durch die Preisvergabe noch an “Jüngern” gefehlt habe, wie Schlöndorff gegenüber dem BR erwähnte. Rinaudo propagiere weitgehend selbst, worauf er vor etwas mehr als 40 Jahren im westafrikanischen Niger gestoßen war. Das zu ändern, ist Schlöndorffs filmische Mission.

“Es hieß, er lasse ganze Wälder wachsen, ohne einen einzigen Baum zu pflanzen. Dadurch wurde ich auf ihn aufmerksam und wollte mehr wissen über seine Arbeit”, sagt eine ruhige Stimme aus dem Off. Sie gehört  Volker Schlöndorff, dem Regisseur des Film-Essays “Der Waldmacher”. Der, über den Schlöndorff da spricht, ist der 2018 mit dem “Alternativen Nobelpreis” ausgezeichnete australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo. 

Rinaudo gilt als die “Mutter Teresa Afrikas”, was der anpackende Wissenschaftler laut Schlöndorff nicht gerne hört. Er ist nicht für einen Orden, sondern als Entwicklungshelfer für die Organisation World Vision im Einsatz. Seine Mission lautet, verwüstete Landschaften wieder zu begrünen – also Wälder wachsen und fruchtbaren Ackerboden entstehen zu lassen. Seine auf einer eher zufälligen Entdeckung basierende Methode hilft, eine Lebensgrundlage in Gegenden zu schaffen, in denen sie teilweise bereits entzogen schien. Beispielsweise in der Sahelzone, wo sich Wüsten bereits ausbreiteten.

Tony Rinaudo entdeckte einen unterirdischen Wald

Gegenüber der DW erklärte Rinaudo in einem Interview im Jahr 2019: “Wenn Boden von Vegetation befreit wird, dann wird er schlechter und weniger produktiv. Man kann immer weniger anbauen und weniger Profit daraus ziehen. Damit wächst die Verzweiflung der Leute. Es gibt also eine enge Verbindung zwischen Bodendegradierung und Konflikten und Bodendegradierung und Migration.”

Schuld an dem Verlust der Vegetation tragen häufig Rodungen. Im Niger waren durch sie die Böden derart ausgelaugt, dass Setzlinge nicht anwachsen konnten und eingingen, wie Rinaudo zu Beginn seiner Arbeit dort selbst feststellen musste. Doch dann entdeckte er, dass unter der Erde ein Wurzel-Netzwerk existiert, das neue Triebe hervorbringt, die es lediglich zu schützen gilt – beispielsweise vor grasenden Ziegen.

Sein Konzept setzt auf eine von Landwirten selbst verwaltete natürliche Regeneration. Die gebräuchliche englische Abkürzung dafür lautet “FMNR” und steht für “Farmer Managed Natural Regeneration”. Dass FMNR bereits in mehr als 20 afrikanischen Ländern zur Anwendung kommt, kann Anhaltspunkt sein, dass sich Rinaudos hehre Ziele, die “Verringerung des Welthungers” sowie eine “Milderung der Klimaveränderungen”, in Zukunft tatsächlich erreichen lassen. 

Für den am 07. April 2022 in deutschen Kinos anlaufenden Film ist Volker Schlöndorff mit Tony Rinaudo zum Ursprungsort seiner Tätigkeit in Afrika gereist. Begleitet wurden sie im Niger von einer bewaffneten Eskorte, zum Schutz vor möglichen extremistischen Handlungen. 

Dass Rinaudo, ein weißer Wissenschaftler, bei der schwarzen Bevölkerung anerkannt ist, macht Schlöndorffs Film schnell deutlich. Vor einer Zusammenkunft mit älteren und jüngeren, weiblichen und männlichen Dorfbewohnern wird er freudestrahlend empfangen. Gemeinsam erinnern sie sich an die Zeit vor der Aufforstung, als ein Sandsturm es verunmöglichte, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Jetzt würden die Bäume den Sand aufhalten. 

Für Schlöndorff ist Rinaudo laut Interview mit dem BR ein “Held des Alltags”, der praktisch vermittelt, wie “das Wurzelwerk in der Erde von den Bäumen, die da früher überall mal standen, bevor abgeholzt wurde, (…) wie ein Kraftwerk plötzlich wieder angeworfen” werden kann. Doch nicht nur Rinaudo ist für Schlöndorff ein Held, auch die vielen Bauern und Bäuerinnen sind es, die sich dem Kampf ums Überleben vor allem in der Sahelzone stellen.

Über Rinaudo sagte Schlöndorff bewundernd: “Das Schöne an Tony (…) ist, dass er ein bescheidener Held ist. Er ist niemand, der sich an die Brust klopft und stolz ist, obwohl er allen Anlass dazu hätte, sondern er wiegelt immer ab und hat einen wunderbaren Sinn für Humor.” Für Schlöndorff war Rinaudo damit “der ideale Hauptdarsteller”.

Wie Rinaudo zu dem wurde, was er ist – auch das erzählt Schlöndorffs Film. In seiner australischen Heimat war er auf zwei Werke des britischen Baumaktivisten Richard St. Barbe Baker aus den 1940er-Jahren gestoßen. Diese hatten Rinaudo derart inspiriert, dass er Anfang der Achtziger Jahre begann, sich für die Wiederaufforstung in Afrika einzusetzen. Von Barbe Baker hatte er Folgendes gelernt: “Wenn die Wälder verschwinden, verschwindet das Wasser, die Fische und das Wild, die Ernten, die Herden. Die Fruchtbarkeit geht. Dann kommen die Geister alter Zeiten zurück, heimlich, einer nach dem anderen. Flut, Dürre, Feuer, Hunger und die Pest.”

“Der Waldmacher” ist nicht Volker Schlöndorffs erster Dokumentarfilm. Dabei ist der Name des oscargekrönten Regisseurs, der 2019 seinen 80. Geburtstag feierte spätestens seit der Verfilmung von Günther Grass’ “Die Blechtrommel” aus dem Jahr 1979 mit einem anderen Genre verbunden: der Literaturverfilmung. Auch vor seiner international beachteten Umsetzung des Romans über den ständig trommelnden und nicht wachsen wollenden Oskar Matzerath hatte Schlöndorff bereits literarische Stoffe verfilmt, angefangen 1966 mit Robert Musils “Der junge Törless” über Bertolt Brechts Drama “Baal” (1970) hin zu Heinrich Bölls Erzählung “Die verlorene Ehre der Katharina Blum” (1975). Damit war auch nach seinem Erfolg mit der “Blechtrommel” nicht Schluss. 

Schlöndorff ist kein unpolitischer Filmemacher, wie sich gerade am Böll-Film und an Projekten in den Jahren nach dem RAF-Terror in Westdeutschland zeigte. Sozialpolitisch brisant ist das Thema seines aktuellen Films, den er mit ruhigen Instrumentalklängen unterlegt hat, mindestens seit Greta Thunberg und Fridays for Future gegen den Klimawandel auf die Straße gehen. Dass sich Rinaudos Methode nicht nur zur Anwendung in verschiedenen Ländern Afrikas eignet, wie Schlöndorff gegenüber dem BR mit Bezug auf den indonesischen Regenwald und ehemalige Kolchosefelder Brandenburgs erwähnt, macht die Dimension des Themas deutlich: Sie ist global.

Filmstill aus Der Waldmacher von Volker Schlöndorff, darauf sitzt Tony Rinaudo mit Hemd und Schiebermütze vor einer Gruppe afrikanischer Menschen
Still aus dem Film Der Waldmacher von Volker Schlöndorff, das Tony Rinaudos unter einem großen Baum in Ghana zeigt; im Hintergrund stehen weitere kleinere Bäume

“Es hieß, er lasse ganze Wälder wachsen, ohne einen einzigen Baum zu pflanzen. Dadurch wurde ich auf ihn aufmerksam und wollte mehr wissen über seine Arbeit”, sagt eine ruhige Stimme aus dem Off. Sie gehört  Volker Schlöndorff, dem Regisseur des Film-Essays “Der Waldmacher”. Der, über den Schlöndorff da spricht, ist der 2018 mit dem “Alternativen Nobelpreis” ausgezeichnete australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo. 

Anders als in seinen Literaturverfilmungen vermittelt Schlöndorff mit diesem Dokumentarfilm, in dem er auch selbst zu sehen ist, einen sehr persönlichen Zugang zu einem Stoff von großer Tragweite. Diesen aufzugreifen, sei ihm auch deshalb wichtig erschienen, weil es Rinaudos Methode trotz der Aufmerksamkeit durch die Preisvergabe noch an “Jüngern” gefehlt habe, wie Schlöndorff gegenüber dem BR erwähnte. Rinaudo propagiere weitgehend selbst, worauf er vor etwas mehr als 40 Jahren im westafrikanischen Niger gestoßen war. Das zu ändern, ist Schlöndorffs filmische Mission.

Tony Rinaudo entdeckte einen unterirdischen Wald

Rinaudo gilt als die “Mutter Teresa Afrikas”, was der anpackende Wissenschaftler laut Schlöndorff nicht gerne hört. Er ist nicht für einen Orden, sondern als Entwicklungshelfer für die Organisation World Vision im Einsatz. Seine Mission lautet, verwüstete Landschaften wieder zu begrünen – also Wälder wachsen und fruchtbaren Ackerboden entstehen zu lassen. Seine auf einer eher zufälligen Entdeckung basierende Methode hilft, eine Lebensgrundlage in Gegenden zu schaffen, in denen sie teilweise bereits entzogen schien. Beispielsweise in der Sahelzone, wo sich Wüsten bereits ausbreiteten.

Gegenüber der DW erklärte Rinaudo in einem Interview im Jahr 2019: “Wenn Boden von Vegetation befreit wird, dann wird er schlechter und weniger produktiv. Man kann immer weniger anbauen und weniger Profit daraus ziehen. Damit wächst die Verzweiflung der Leute. Es gibt also eine enge Verbindung zwischen Bodendegradierung und Konflikten und Bodendegradierung und Migration.”

Schuld an dem Verlust der Vegetation tragen häufig Rodungen. Im Niger waren durch sie die Böden derart ausgelaugt, dass Setzlinge nicht anwachsen konnten und eingingen, wie Rinaudo zu Beginn seiner Arbeit dort selbst feststellen musste. Doch dann entdeckte er, dass unter der Erde ein Wurzel-Netzwerk existiert, das neue Triebe hervorbringt, die es lediglich zu schützen gilt – beispielsweise vor grasenden Ziegen.

Sein Konzept setzt auf eine von Landwirten selbst verwaltete natürliche Regeneration. Die gebräuchliche englische Abkürzung dafür lautet “FMNR” und steht für “Farmer Managed Natural Regeneration”. Dass FMNR bereits in mehr als 20 afrikanischen Ländern zur Anwendung kommt, kann Anhaltspunkt sein, dass sich Rinaudos hehre Ziele, die “Verringerung des Welthungers” sowie eine “Milderung der Klimaveränderungen”, in Zukunft tatsächlich erreichen lassen. 

Natürliche Regeneration ist möglich

Für den am 07. April 2022 in deutschen Kinos anlaufenden Film ist Volker Schlöndorff mit Tony Rinaudo zum Ursprungsort seiner Tätigkeit in Afrika gereist. Begleitet wurden sie im Niger von einer bewaffneten Eskorte, zum Schutz vor möglichen extremistischen Handlungen. 

Tony Rinaudo: Ein bescheidener “Held des Alltags”

Dass Rinaudo, ein weißer Wissenschaftler, bei der schwarzen Bevölkerung anerkannt ist, macht Schlöndorffs Film schnell deutlich. Vor einer Zusammenkunft mit älteren und jüngeren, weiblichen und männlichen Dorfbewohnern wird er freudestrahlend empfangen. Gemeinsam erinnern sie sich an die Zeit vor der Aufforstung, als ein Sandsturm es verunmöglichte, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Jetzt würden die Bäume den Sand aufhalten. 

Für Schlöndorff ist Rinaudo laut Interview mit dem BR ein “Held des Alltags”, der praktisch vermittelt, wie “das Wurzelwerk in der Erde von den Bäumen, die da früher überall mal standen, bevor abgeholzt wurde, (…) wie ein Kraftwerk plötzlich wieder angeworfen” werden kann. Doch nicht nur Rinaudo ist für Schlöndorff ein Held, auch die vielen Bauern und Bäuerinnen sind es, die sich dem Kampf ums Überleben vor allem in der Sahelzone stellen.

Über Rinaudo sagte Schlöndorff bewundernd: “Das Schöne an Tony (…) ist, dass er ein bescheidener Held ist. Er ist niemand, der sich an die Brust klopft und stolz ist, obwohl er allen Anlass dazu hätte, sondern er wiegelt immer ab und hat einen wunderbaren Sinn für Humor.” Für Schlöndorff war Rinaudo damit “der ideale Hauptdarsteller”.

Volker Schlöndorff: Ein Dokumentarfilm mit über 80 Jahren

Wie Rinaudo zu dem wurde, was er ist – auch das erzählt Schlöndorffs Film. In seiner australischen Heimat war er auf zwei Werke des britischen Baumaktivisten Richard St. Barbe Baker aus den 1940er-Jahren gestoßen. Diese hatten Rinaudo derart inspiriert, dass er Anfang der Achtziger Jahre begann, sich für die Wiederaufforstung in Afrika einzusetzen. Von Barbe Baker hatte er Folgendes gelernt: “Wenn die Wälder verschwinden, verschwindet das Wasser, die Fische und das Wild, die Ernten, die Herden. Die Fruchtbarkeit geht. Dann kommen die Geister alter Zeiten zurück, heimlich, einer nach dem anderen. Flut, Dürre, Feuer, Hunger und die Pest.”

“Der Waldmacher” ist nicht Volker Schlöndorffs erster Dokumentarfilm. Dabei ist der Name des oscargekrönten Regisseurs, der 2019 seinen 80. Geburtstag feierte spätestens seit der Verfilmung von Günther Grass’ “Die Blechtrommel” aus dem Jahr 1979 mit einem anderen Genre verbunden: der Literaturverfilmung. Auch vor seiner international beachteten Umsetzung des Romans über den ständig trommelnden und nicht wachsen wollenden Oskar Matzerath hatte Schlöndorff bereits literarische Stoffe verfilmt, angefangen 1966 mit Robert Musils “Der junge Törless” über Bertolt Brechts Drama “Baal” (1970) hin zu Heinrich Bölls Erzählung “Die verlorene Ehre der Katharina Blum” (1975). Damit war auch nach seinem Erfolg mit der “Blechtrommel” nicht Schluss. 

Schlöndorff ist kein unpolitischer Filmemacher, wie sich gerade am Böll-Film und an Projekten in den Jahren nach dem RAF-Terror in Westdeutschland zeigte. Sozialpolitisch brisant ist das Thema seines aktuellen Films, den er mit ruhigen Instrumentalklängen unterlegt hat, mindestens seit Greta Thunberg und Fridays for Future gegen den Klimawandel auf die Straße gehen. Dass sich Rinaudos Methode nicht nur zur Anwendung in verschiedenen Ländern Afrikas eignet, wie Schlöndorff gegenüber dem BR mit Bezug auf den indonesischen Regenwald und ehemalige Kolchosefelder Brandenburgs erwähnt, macht die Dimension des Themas deutlich: Sie ist global.

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