Ischgl: Erst der Corona-Schock, jetzt der Ukrainekrieg
Gerade erholte sich das Skigebiet rund um Ischgl im österreichischen Tirol von den coronabedingten Einnahmeausfällen. Die Gäste blieben weg. Dann kam der Ukrainekrieg. Die Tourismusbranche bangt vor den Auswirkungen.
Ein Selfie vor dem “Kitzloch”. Immer wieder bleiben Skifahrer vor Ischgls bekannter Après-Ski-Bar stehen. Das Szene-Lokal wurde im März 2020 über Nacht international berühmt, nachdem hier beim Personal das Coronavirus nachgewiesen wurde. Infizierte Urlauber trugen das Virus nach ganz Europa. Der bei Wintersport-Touristen populäre Ort in Österreich kämpft seitdem mit dem Image als Virenschleuder. Denn Ischgl war stets nicht nur ein internationales Wintersportparadies mit über 200 Pistenkilometern. Sondern auch ein Partyort mit viel Rummel, ein Mekka für Après-Ski Liebhaber.
Die Folgen der Pandemie haben Ischgl und das ganze Paznauntal in Tirol schwer getroffen. Die Skisaison musste vorzeitig beendet werden. Es folgten Corona-Beschränkungen, ein Lockdown, geschlossene Skigebiete, ein wirtschaftlicher Totalausfall. Die Übernachtungszahlen in den Gemeinden des Paznaun, darunter See, Kappl, Ischgl und Galtür, brachen in der Wintersaison komplett ein: von über 2,3 Millionen in 2019 auf 900 in 2021. Zwar blieb die Zahl der Sommergäste in diesem Zeitraum noch einigermaßen stabil – 2021 wurden über 440.000 Übernachtungen gezählt und damit in etwa so viele wie in vergangenen Jahren. Doch der Sommer-Tourismus macht nur etwa 20 Prozent des Gesamtaufkommens aus. Das große Geld wird im Winter verdient.
Ein Selfie vor dem “Kitzloch”. Immer wieder bleiben Skifahrer vor Ischgls bekannter Après-Ski-Bar stehen. Das Szene-Lokal wurde im März 2020 über Nacht international berühmt, nachdem hier beim Personal das Coronavirus nachgewiesen wurde. Infizierte Urlauber trugen das Virus nach ganz Europa. Der bei Wintersport-Touristen populäre Ort in Österreich kämpft seitdem mit dem Image als Virenschleuder. Denn Ischgl war stets nicht nur ein internationales Wintersportparadies mit über 200 Pistenkilometern. Sondern auch ein Partyort mit viel Rummel, ein Mekka für Après-Ski Liebhaber.
“Wir verlieren zusammen, wir gewinnen zusammen. Das Tal hält zusammen”, gibt Alexander von der Thannen die Parole aus. Der Obmann des Tourismusverbands Paznaun war wie viele Einheimische geschockt und frustriert über die Negativ-Schlagzeilen.
Einbruch wegen Corona
Das mediale Trommelfeuer auf Ischgl konnten viele hier nicht nachvollziehen, “denn weder haben wir das Virus nach Ischgl gebracht noch haben wir es gezüchtet”, sagt von der Thannen. Viren fänden überall einen guten Nährboden, wo viele internationale Gäste seien. Gut die Hälfte der 1500 Einwohner von Ischgl hätten sich damals selbst infiziert.
Doch die Pandemie hat auch ein Umdenken angestoßen. Der exzessive Partytourismus soll eingedämmt werden. “Früher waren wir laut, es kamen viele Busse mit Tagesgästen, die schon vorgeglüht haben”, sagt Alexander von der Thannen. “Jetzt wird es im Dorf etwas leiser.” Statt Ballermann-Tourismus setze Ischgl mehr auf “gepflegten Après-Ski mit gutem Champagner und gutem Wein”.
Gewollt sind Wintersportler, die in Ischgl länger bleiben als nur einen Tag. Rund 12.000 Betten kann der Ort für Übernachtungen anbieten. Viele davon im gehobenen 4-5 Sterne Segment. Die Ischgler freuen sich, dass das Angebot endlich wieder angenommen wird: In der aktuellen Wintersaison konnten bereits rund 600.000 Übernachtungen verbucht werden (Stand März).
Fast alle im Paznaun leben vom Tourismus – Gastwirte, Restaurantbesitzer, Skiliftbetreiber. In Vor-Corona-Zeiten lag allein der Jahresumsatz der Silvrettaseilbahn AG bei rund 80 Millionen Euro. Diese Zahl will Günther Zangerl, Vorstand der Seilbahngesellschaft, auch künftig wieder einfahren. Die Wintersaison 2021/22 startete verheißungsvoll, “in manchen Wochen war es heuer so voll wie vor der Pandemie.”
Doch immer noch liegen die Einbußen derzeit bei rund 30 Prozent. Und für Zangerl ziehen dunkle Wolken über den Bergen auf: Der Krieg in der Ukraine wirkt sich bereits jetzt auf die Gewinne aus. “Die Energiepreise gehen durch die Decke.” Allein die Strompreise hätten sich fast vervierfacht. Die Betreiber der energieintensiven Seilbahnen rechnen schon mit einer deutlichen Verteuerung der Liftkarten in der nächsten Saison, “bis zu sieben Prozent mehr”, so Zangerl.
“Gegen den Ukraine-Krieg dürften für uns die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie noch harmlos ausfallen”, prophezeit Tourismuschef von der Thannen. Er ist auch Besitzer des Luxushotels Trofana Royal im Herzen von Ischgl. Steigende Energiekosten, befürchten hier viele, könnten höhere Zimmerpreise nach sich ziehen. “Wir haben kein Hotel, kein Unternehmen gegründet, damit wir am Ende nur eine schwarze Null schreiben”, so von der Thannen. Er glaubt, dass so mancher Gast, der zwei- bis dreimal pro Jahr in Ischgl Urlaub gemacht hat, sich das nicht mehr leisten wird.
Spürbar in Ischgl ist auch das Wegbleiben russischer Gäste. In der Vergangenheit kamen fast die Hälfte der Russen, die ihren Winterurlaub in den Alpen verbrachten, nach Tirol. Doch seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 erhielt das Geschäft mit den meist zahlungskräftigen Urlaubern einen Dämpfer. Zu Hochzeiten zählte Ischgl allein fast 70.000 Übernachtungen russischer Wintersportler. In 2020 waren es nicht einmal die Hälfte. Beigetragen dazu habe sicherlich auch, dass Österreich das russische Vakzin Sputnik V nicht anerkannt hat, so von der Thannen. Wer sich als Gast vor dem Restaurantbesuch oder dem Skifahren testen lassen müsse, weil entsprechende Corona-Auflagen gelten, der bleibe eher ganz weg.
Mit dem Ukraine-Krieg hat sich die Lage nochmals verschärft. Die Sanktionen gegen Russland, die Sperrung des Luftraums für russische Flüge, der Rubelverfall – sie machen einen Urlaub in Ischgl für viele Russen unmöglich. “Es sind deutlich weniger ‘Pelztiere’ hier als sonst,” beobachtet auch Skifahrer Claus aus München. Er fährt seit vielen Jahren nach Ischgl, oft mehrmals im Jahr. Russen, die ihren Reichtum zeigten und mit Pelzmantel durch die Shopping-Meile im Dorf gingen, sehe er kaum noch.
In Galtür am nördlichen Ende des Paznauntals rechnet auch Gastwirt Walter Wagner wegen des Ukraine-Kriegs mit steigenden Übernachtungspreisen. Er hat vor kurzem eine Solaranlage aufs Dach gebaut, das macht ihn etwas unabhängiger von den Stromanbietern. Ihn beunruhige aber vielmehr, wie sich das Klima in der Region verändert: “Die Schneesicherheit im Dezember ist weg, der Jamtalgletscher vor der Haustür schmilzt rasant,” sagt er.
Das ganze Paznaun müsse sich darauf einstellen, dass irgendwann kein Wintersport mehr möglich sei: “Das ist die wirkliche Herausforderung, vor der wir stehen. Die Pandemie geht, der Ukraine-Krieg geht. Doch der Klimawandel, der bleibt.” Gegensteuern könne man nur mit mehr Nachhaltigkeit im Tourismus. Wenn sich das Tal darauf nicht einstelle, könnte es für alle hier richtig teuer werden.
Ein Selfie vor dem “Kitzloch”. Immer wieder bleiben Skifahrer vor Ischgls bekannter Après-Ski-Bar stehen. Das Szene-Lokal wurde im März 2020 über Nacht international berühmt, nachdem hier beim Personal das Coronavirus nachgewiesen wurde. Infizierte Urlauber trugen das Virus nach ganz Europa. Der bei Wintersport-Touristen populäre Ort in Österreich kämpft seitdem mit dem Image als Virenschleuder. Denn Ischgl war stets nicht nur ein internationales Wintersportparadies mit über 200 Pistenkilometern. Sondern auch ein Partyort mit viel Rummel, ein Mekka für Après-Ski Liebhaber.
Die Folgen der Pandemie haben Ischgl und das ganze Paznauntal in Tirol schwer getroffen. Die Skisaison musste vorzeitig beendet werden. Es folgten Corona-Beschränkungen, ein Lockdown, geschlossene Skigebiete, ein wirtschaftlicher Totalausfall. Die Übernachtungszahlen in den Gemeinden des Paznaun, darunter See, Kappl, Ischgl und Galtür, brachen in der Wintersaison komplett ein: von über 2,3 Millionen in 2019 auf 900 in 2021. Zwar blieb die Zahl der Sommergäste in diesem Zeitraum noch einigermaßen stabil – 2021 wurden über 440.000 Übernachtungen gezählt und damit in etwa so viele wie in vergangenen Jahren. Doch der Sommer-Tourismus macht nur etwa 20 Prozent des Gesamtaufkommens aus. Das große Geld wird im Winter verdient.
Einbruch wegen Corona
“Wir verlieren zusammen, wir gewinnen zusammen. Das Tal hält zusammen”, gibt Alexander von der Thannen die Parole aus. Der Obmann des Tourismusverbands Paznaun war wie viele Einheimische geschockt und frustriert über die Negativ-Schlagzeilen.
Das mediale Trommelfeuer auf Ischgl konnten viele hier nicht nachvollziehen, “denn weder haben wir das Virus nach Ischgl gebracht noch haben wir es gezüchtet”, sagt von der Thannen. Viren fänden überall einen guten Nährboden, wo viele internationale Gäste seien. Gut die Hälfte der 1500 Einwohner von Ischgl hätten sich damals selbst infiziert.
Doch die Pandemie hat auch ein Umdenken angestoßen. Der exzessive Partytourismus soll eingedämmt werden. “Früher waren wir laut, es kamen viele Busse mit Tagesgästen, die schon vorgeglüht haben”, sagt Alexander von der Thannen. “Jetzt wird es im Dorf etwas leiser.” Statt Ballermann-Tourismus setze Ischgl mehr auf “gepflegten Après-Ski mit gutem Champagner und gutem Wein”.
Gewollt sind Wintersportler, die in Ischgl länger bleiben als nur einen Tag. Rund 12.000 Betten kann der Ort für Übernachtungen anbieten. Viele davon im gehobenen 4-5 Sterne Segment. Die Ischgler freuen sich, dass das Angebot endlich wieder angenommen wird: In der aktuellen Wintersaison konnten bereits rund 600.000 Übernachtungen verbucht werden (Stand März).
Zu Unrecht am Pranger
Fast alle im Paznaun leben vom Tourismus – Gastwirte, Restaurantbesitzer, Skiliftbetreiber. In Vor-Corona-Zeiten lag allein der Jahresumsatz der Silvrettaseilbahn AG bei rund 80 Millionen Euro. Diese Zahl will Günther Zangerl, Vorstand der Seilbahngesellschaft, auch künftig wieder einfahren. Die Wintersaison 2021/22 startete verheißungsvoll, “in manchen Wochen war es heuer so voll wie vor der Pandemie.”
Lehren aus der Pandemie
Doch immer noch liegen die Einbußen derzeit bei rund 30 Prozent. Und für Zangerl ziehen dunkle Wolken über den Bergen auf: Der Krieg in der Ukraine wirkt sich bereits jetzt auf die Gewinne aus. “Die Energiepreise gehen durch die Decke.” Allein die Strompreise hätten sich fast vervierfacht. Die Betreiber der energieintensiven Seilbahnen rechnen schon mit einer deutlichen Verteuerung der Liftkarten in der nächsten Saison, “bis zu sieben Prozent mehr”, so Zangerl.
“Gegen den Ukraine-Krieg dürften für uns die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie noch harmlos ausfallen”, prophezeit Tourismuschef von der Thannen. Er ist auch Besitzer des Luxushotels Trofana Royal im Herzen von Ischgl. Steigende Energiekosten, befürchten hier viele, könnten höhere Zimmerpreise nach sich ziehen. “Wir haben kein Hotel, kein Unternehmen gegründet, damit wir am Ende nur eine schwarze Null schreiben”, so von der Thannen. Er glaubt, dass so mancher Gast, der zwei- bis dreimal pro Jahr in Ischgl Urlaub gemacht hat, sich das nicht mehr leisten wird.
Spürbar in Ischgl ist auch das Wegbleiben russischer Gäste. In der Vergangenheit kamen fast die Hälfte der Russen, die ihren Winterurlaub in den Alpen verbrachten, nach Tirol. Doch seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 erhielt das Geschäft mit den meist zahlungskräftigen Urlaubern einen Dämpfer. Zu Hochzeiten zählte Ischgl allein fast 70.000 Übernachtungen russischer Wintersportler. In 2020 waren es nicht einmal die Hälfte. Beigetragen dazu habe sicherlich auch, dass Österreich das russische Vakzin Sputnik V nicht anerkannt hat, so von der Thannen. Wer sich als Gast vor dem Restaurantbesuch oder dem Skifahren testen lassen müsse, weil entsprechende Corona-Auflagen gelten, der bleibe eher ganz weg.
Sorge vor steigenden Energiepreisen…
Mit dem Ukraine-Krieg hat sich die Lage nochmals verschärft. Die Sanktionen gegen Russland, die Sperrung des Luftraums für russische Flüge, der Rubelverfall – sie machen einen Urlaub in Ischgl für viele Russen unmöglich. “Es sind deutlich weniger ‘Pelztiere’ hier als sonst,” beobachtet auch Skifahrer Claus aus München. Er fährt seit vielen Jahren nach Ischgl, oft mehrmals im Jahr. Russen, die ihren Reichtum zeigten und mit Pelzmantel durch die Shopping-Meile im Dorf gingen, sehe er kaum noch.
In Galtür am nördlichen Ende des Paznauntals rechnet auch Gastwirt Walter Wagner wegen des Ukraine-Kriegs mit steigenden Übernachtungspreisen. Er hat vor kurzem eine Solaranlage aufs Dach gebaut, das macht ihn etwas unabhängiger von den Stromanbietern. Ihn beunruhige aber vielmehr, wie sich das Klima in der Region verändert: “Die Schneesicherheit im Dezember ist weg, der Jamtalgletscher vor der Haustür schmilzt rasant,” sagt er.
…und Fernbleiben betuchter russischer Gäste
Das ganze Paznaun müsse sich darauf einstellen, dass irgendwann kein Wintersport mehr möglich sei: “Das ist die wirkliche Herausforderung, vor der wir stehen. Die Pandemie geht, der Ukraine-Krieg geht. Doch der Klimawandel, der bleibt.” Gegensteuern könne man nur mit mehr Nachhaltigkeit im Tourismus. Wenn sich das Tal darauf nicht einstelle, könnte es für alle hier richtig teuer werden.