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Sudan: Abschied von den UN, Umarmung mit Moskau?

Die Militärregierung des Sudan geht auf verbale Konfrontation zur UN-Mission im Land. Zugleich intensivieren sich die Kontakte zu Russland. Die Zivilgesellschaft fürchtet die internationale Isolation des Landes.

Flaggen in den Landesfarben, Slogans, die eine neue Politik fordern: Auch ein gutes halbes Jahr nach dem Putsch des Militärs bringen viele Sudanesen ihren Unmut über die neue, vom General Abdel Fattah al-Burhan geführte Regierung auf die Straße – derzeit, im Ramadan, oftmals in nächtlichen Kundgebungen. Sie fordern neben politischen auch soziale Reformen, insbesondere Maßnahmen gegen die Preissteigerungen der vergangenen Monate.

Diese seien drastisch, sagt Christine-Felice Röhrs, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Khartum. Nach dem Putsch vom vergangenen Oktober – damals stürzten die Militärs die nach langen Verhandlungen gebildete Übergangsregierung – hatte die internationale Gemeinschaft die Unterstützungszahlungen an den Sudan ausgesetzt. “Das hat in Kombination mit gestrichenen Subventionen, der Dürre und zuletzt dem russischen Angriff auf die Ukraine die Preise enorm steigen lassen”, so Röhrs im DW-Gespräch. “Ein Zehn-Liter-Kanister mit Trinkwasser kostet heute dreimal so viel wie vor sechs Monaten. Ein kleines Paket Hühnerfleisch doppelt so viel. Auch der Preis für Diesel hat sich verdoppelt, der für Zucker sogar verdreifacht. In einem der ärmsten Länder der Welt wird all das zur Überlebensfrage.”

Flaggen in den Landesfarben, Slogans, die eine neue Politik fordern: Auch ein gutes halbes Jahr nach dem Putsch des Militärs bringen viele Sudanesen ihren Unmut über die neue, vom General Abdel Fattah al-Burhan geführte Regierung auf die Straße – derzeit, im Ramadan, oftmals in nächtlichen Kundgebungen. Sie fordern neben politischen auch soziale Reformen, insbesondere Maßnahmen gegen die Preissteigerungen der vergangenen Monate.

Wie angespannt die Lage ist, zeigt sich derzeit im angespannten Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und dem “Souveränen Rat”, der vom Militär dominierten Staatsspitze des Sudan. Ende März schilderte der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für den Sudan und Leiter der “United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan” (UNITAMS), der deutsche Politikwissenschaftler und Diplomat Volker Perthes, im UN-Sicherheitsrat die dramatische Lage des Landes. “Da es keine politische Lösung für die Krise gibt, hat sich auch die Sicherheitslage im ganzen Land verschlechtert”, so Perthes vor dem hohen UN-Gremium. “Kriminalität und Gesetzlosigkeit haben zugenommen.” Auch würden bei Protestkundgebungen Demonstranten getötet oder durch scharfe Munition schwer verletzt.

Konflikt mit den UN

Auf diese Äußerungen von Perthes reagierte General Burhan, der Vorsitzende des Souveränen Rats, mit einer unverhohlenen Drohung: “Wir haben seine Verleumdungen neulich gehört, er lügt, er lügt unverhohlen”, so Burhan Anfang April während einer militärischen Zeremonie. “Wenn Sie Ihr Mandat überschreiten, werden wir Sie aus dem Sudan vertreiben”, drohte er Perthes.

Die UNITAMS lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken, ebenso wenig von medialen Angriffen in sudanesischen Medien, die die verbalen Attacken des Militärs flankieren. Ohne ihn direkt zu nennen, warf die UNITAMS dem Souveränem Rat auf Twitter “Hassverbrechen” vor. Der Tweet lässt offen, worauf genau er sich bezieht.

Die angespannte Stimmung zwischen der sudanesischen Staatsführung und den Vereinten Nationen kontrastiert mit dem demonstrativ guten Verhältnis, das mehrere Regierungsmitglieder in Khartum zu Russland pflegen. Am 24. Februar – an jenem Tag begann Russland seinen Angriff auf die Ukraine – führte Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, stellvertretender Präsident des herrschenden Militärrates, in Moskau Gespräche mit hochrangigen russischen Regierungsmitgliedern, unter anderem Außenminister Sergej Lawrow.

Allerdings ist Dagalo nicht nur zweiter Mann des Militärrats, sondern auch der Kommandant der so genannten “Schnellen Unterstützungskräfte” (Rapid Support Forces, RSF), einer paramilitärischen Gruppe, gegründet unter dem 2019 abgesetzten Diktator Omar al-Baschir. Der RSF wurden während des Darfur-Kriegs zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. In den vergangenen Jahren soll sie eng mit der so genannten Wagner-Gruppe zusammengearbeitet haben, einem international agierenden russischen Söldner-Unternehmen mit engen Beziehungen zur russischen Regierung.

Die engen sudanesisch-russischen Beziehungen sind nicht neu. “Der Sudan könnte Russlands Schlüssel für Afrika werden”, hatte der damalige Diktator Baschir während eines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi im Jahr 2017 erklärt. Damals erhielt das russische Unternehmen Unternehmen M Invest – dem US-Finanzministerium zufolge eine Deckfirma der Wagner-Gruppe – Schürfrechte für die sudanesischen Minen. Diese werden nun von den RSF zusammen mit M Invest ausgebeutet.

Das in erheblichen Mengen nach Russland gebrachte Gold hilft laut einem Bericht der britischen Zeitung “The Telegraph” Russland dabei, die nach dem Angriff auf die Ukraine vom Westen erlassenen Sanktionen abzufedern. Russland habe viele Geschäfte mit sudanesischem Gold gemacht, zitiert die britische Zeitung einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter eines großen sudanesischen Goldschürf-Unternehmens. “Ein großer Teil wird von kleinen, über das ganze Land verteilten Militärflughäfen aus mit Flugzeugen nach Russland geschmuggelt”, so der Informant des “Telegraph”.

Der Umstand, dass sich mit Dagalo kürzlich ein Vertreter des sudanesischen Regimes zu hochrangigen Gesprächen in Moskau aufhielt, löse in der Zivilgesellschaft erhebliche Sorgen aus, berichtet Christine-Felice Röhrs von der Ebert-Stiftung. “Man fürchtet, der Sudan könne in die gleiche internationale Isolation wie während des Baschir-Regimes zurückfallen. Ausgerechnet jetzt potentiell engere Verbindungen mit Russland zu unterhalten, das international zum Paria geworden ist: Das löst Alarmglocken aus.”

Theodore Murphy, Sudan-Spezialist am Think Tank European Council on Foreign Relations, deutet unterschiedliche Sichtweisen auch innerhalb des Militärs zu dieser Frage an. So fürchteten einige im Machtapparat, Dagalo – der ohnehin vielen Beobachtern als starker Mann hinter den Kulissen gilt – könne sich mit Hilfe der Russen auch sichtbar auch solcher positionieren, so Murphy. Auch Teile der internationalen Gemeinschaft hofften darauf, dass Kräfte innerhalb des Militärs Dagalo daran hindern, die Oberhand zu gewinnen. Der einzige wirkliche Schutz gegen Russlands Einfluss im Sudan sei aber die Zivilgesellschaft. “Und zwar darum, weil sie jegliche Art eines russischen Engagements ablehnt.”

Tatsächlich wende sich nahezu die gesamte sudanesische Zivilgesellschaft gegen die russischen Aktivitäten im Land, meint auch der in London lebende sudanesische Aktivist Mohammed Elnaiem im DW-Gespräch. “Wir werden Russland ebenso bekämpfen müssen wie den Einfluss der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens. Wir werden uns gegen jeden wehren müssen, der versucht, das sudanesische Volk daran zu hindern, einen demokratischen und zivilen Staat zu errichten.”

Sudan Khartum | UN-Sondergesandter Volker Perthes
Sudan Khartum | Mohamed Hamdan Dagalo

Flaggen in den Landesfarben, Slogans, die eine neue Politik fordern: Auch ein gutes halbes Jahr nach dem Putsch des Militärs bringen viele Sudanesen ihren Unmut über die neue, vom General Abdel Fattah al-Burhan geführte Regierung auf die Straße – derzeit, im Ramadan, oftmals in nächtlichen Kundgebungen. Sie fordern neben politischen auch soziale Reformen, insbesondere Maßnahmen gegen die Preissteigerungen der vergangenen Monate.

Diese seien drastisch, sagt Christine-Felice Röhrs, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Khartum. Nach dem Putsch vom vergangenen Oktober – damals stürzten die Militärs die nach langen Verhandlungen gebildete Übergangsregierung – hatte die internationale Gemeinschaft die Unterstützungszahlungen an den Sudan ausgesetzt. “Das hat in Kombination mit gestrichenen Subventionen, der Dürre und zuletzt dem russischen Angriff auf die Ukraine die Preise enorm steigen lassen”, so Röhrs im DW-Gespräch. “Ein Zehn-Liter-Kanister mit Trinkwasser kostet heute dreimal so viel wie vor sechs Monaten. Ein kleines Paket Hühnerfleisch doppelt so viel. Auch der Preis für Diesel hat sich verdoppelt, der für Zucker sogar verdreifacht. In einem der ärmsten Länder der Welt wird all das zur Überlebensfrage.”

Konflikt mit den UN

Wie angespannt die Lage ist, zeigt sich derzeit im angespannten Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und dem “Souveränen Rat”, der vom Militär dominierten Staatsspitze des Sudan. Ende März schilderte der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für den Sudan und Leiter der “United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan” (UNITAMS), der deutsche Politikwissenschaftler und Diplomat Volker Perthes, im UN-Sicherheitsrat die dramatische Lage des Landes. “Da es keine politische Lösung für die Krise gibt, hat sich auch die Sicherheitslage im ganzen Land verschlechtert”, so Perthes vor dem hohen UN-Gremium. “Kriminalität und Gesetzlosigkeit haben zugenommen.” Auch würden bei Protestkundgebungen Demonstranten getötet oder durch scharfe Munition schwer verletzt.

Auf diese Äußerungen von Perthes reagierte General Burhan, der Vorsitzende des Souveränen Rats, mit einer unverhohlenen Drohung: “Wir haben seine Verleumdungen neulich gehört, er lügt, er lügt unverhohlen”, so Burhan Anfang April während einer militärischen Zeremonie. “Wenn Sie Ihr Mandat überschreiten, werden wir Sie aus dem Sudan vertreiben”, drohte er Perthes.

Die UNITAMS lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken, ebenso wenig von medialen Angriffen in sudanesischen Medien, die die verbalen Attacken des Militärs flankieren. Ohne ihn direkt zu nennen, warf die UNITAMS dem Souveränem Rat auf Twitter “Hassverbrechen” vor. Der Tweet lässt offen, worauf genau er sich bezieht.

Die angespannte Stimmung zwischen der sudanesischen Staatsführung und den Vereinten Nationen kontrastiert mit dem demonstrativ guten Verhältnis, das mehrere Regierungsmitglieder in Khartum zu Russland pflegen. Am 24. Februar – an jenem Tag begann Russland seinen Angriff auf die Ukraine – führte Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, stellvertretender Präsident des herrschenden Militärrates, in Moskau Gespräche mit hochrangigen russischen Regierungsmitgliedern, unter anderem Außenminister Sergej Lawrow.

Anlehnung an Moskau

Allerdings ist Dagalo nicht nur zweiter Mann des Militärrats, sondern auch der Kommandant der so genannten “Schnellen Unterstützungskräfte” (Rapid Support Forces, RSF), einer paramilitärischen Gruppe, gegründet unter dem 2019 abgesetzten Diktator Omar al-Baschir. Der RSF wurden während des Darfur-Kriegs zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. In den vergangenen Jahren soll sie eng mit der so genannten Wagner-Gruppe zusammengearbeitet haben, einem international agierenden russischen Söldner-Unternehmen mit engen Beziehungen zur russischen Regierung.

Goldschmuggel nach Russland

Die engen sudanesisch-russischen Beziehungen sind nicht neu. “Der Sudan könnte Russlands Schlüssel für Afrika werden”, hatte der damalige Diktator Baschir während eines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi im Jahr 2017 erklärt. Damals erhielt das russische Unternehmen Unternehmen M Invest – dem US-Finanzministerium zufolge eine Deckfirma der Wagner-Gruppe – Schürfrechte für die sudanesischen Minen. Diese werden nun von den RSF zusammen mit M Invest ausgebeutet.

Das in erheblichen Mengen nach Russland gebrachte Gold hilft laut einem Bericht der britischen Zeitung “The Telegraph” Russland dabei, die nach dem Angriff auf die Ukraine vom Westen erlassenen Sanktionen abzufedern. Russland habe viele Geschäfte mit sudanesischem Gold gemacht, zitiert die britische Zeitung einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter eines großen sudanesischen Goldschürf-Unternehmens. “Ein großer Teil wird von kleinen, über das ganze Land verteilten Militärflughäfen aus mit Flugzeugen nach Russland geschmuggelt”, so der Informant des “Telegraph”.

Der Umstand, dass sich mit Dagalo kürzlich ein Vertreter des sudanesischen Regimes zu hochrangigen Gesprächen in Moskau aufhielt, löse in der Zivilgesellschaft erhebliche Sorgen aus, berichtet Christine-Felice Röhrs von der Ebert-Stiftung. “Man fürchtet, der Sudan könne in die gleiche internationale Isolation wie während des Baschir-Regimes zurückfallen. Ausgerechnet jetzt potentiell engere Verbindungen mit Russland zu unterhalten, das international zum Paria geworden ist: Das löst Alarmglocken aus.”

Kritik am russischen Einfluss

Theodore Murphy, Sudan-Spezialist am Think Tank European Council on Foreign Relations, deutet unterschiedliche Sichtweisen auch innerhalb des Militärs zu dieser Frage an. So fürchteten einige im Machtapparat, Dagalo – der ohnehin vielen Beobachtern als starker Mann hinter den Kulissen gilt – könne sich mit Hilfe der Russen auch sichtbar auch solcher positionieren, so Murphy. Auch Teile der internationalen Gemeinschaft hofften darauf, dass Kräfte innerhalb des Militärs Dagalo daran hindern, die Oberhand zu gewinnen. Der einzige wirkliche Schutz gegen Russlands Einfluss im Sudan sei aber die Zivilgesellschaft. “Und zwar darum, weil sie jegliche Art eines russischen Engagements ablehnt.”

Tatsächlich wende sich nahezu die gesamte sudanesische Zivilgesellschaft gegen die russischen Aktivitäten im Land, meint auch der in London lebende sudanesische Aktivist Mohammed Elnaiem im DW-Gespräch. “Wir werden Russland ebenso bekämpfen müssen wie den Einfluss der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens. Wir werden uns gegen jeden wehren müssen, der versucht, das sudanesische Volk daran zu hindern, einen demokratischen und zivilen Staat zu errichten.”

Sudan | Ariab Goldmine

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