Die Linke: Auferstanden aus Ruinen und dem Abgrund zugewandt
Der Traum der Sozialisten von einer rot-rot-grünen Koalition platzte bei der Bundestagswahl. Nun streiten sie über ihren Kurs gegenüber Putins Russland – und sie haben ein Sexismus-Problem. Die Aussichten: trübe.
Streit und Krisen gehören zum Erbgut der Linken. Das gilt auch für ihre Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Wobei es angesichts ihrer Historie fast schon an ein Wunder grenzt, dass sie die Zeit seit der friedlichen Revolution 1989/90 in der DDR überstanden hat. Jenem diktatorisch regierten Teil Deutschlands, dessen Nationalhymne nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit einer programmatischen Textzeile begann: “Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt.”
Keine Zukunft schien die über Jahrzehnte allmächtige Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) zu haben, aus der die heutige Linke hervorgegangen ist. Denn die SED war verantwortlich für den wirtschaftlichen Ruin der DDR und vor allem die vielen Toten an der Berliner Mauer und innerdeutschen Grenze. Trotzdem konnte sie sich unter dem neuen Namen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) in die Deutsche Einheit retten. 1990 zog sie bei der Bundestagswahl mit ihrem Vorsitzenden Gregor Gysi als Spitzenkandidat ins Parlament ein.
Streit und Krisen gehören zum Erbgut der Linken. Das gilt auch für ihre Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Wobei es angesichts ihrer Historie fast schon an ein Wunder grenzt, dass sie die Zeit seit der friedlichen Revolution 1989/90 in der DDR überstanden hat. Jenem diktatorisch regierten Teil Deutschlands, dessen Nationalhymne nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit einer programmatischen Textzeile begann: “Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt.”
Schnell feierte die PDS Erfolge bei Wahlen in Ostdeutschland, also auf dem Gebiet der früheren DDR. In ihren besten Zeiten etablierte sie sich dort als Volkspartei. Als die auf Bundesebene regierende Koalition aus Sozialdemokraten (SPD) und Grünen (1998 bis 2005) mit ihrer Agenda 2010 den Arbeits- und Sozialmarkt radikal umbaute, verbündete sich die PDS mit Enttäuschten aus SPD und Gewerkschaften. Gemeinsam gaben sie sich abermals einen neuen Namen: Die Linke.
Alte Hochburgen dort, wo die DDR war
Ihr Ziel: sich endlich in ganz Deutschland politisch links von der SPD zu etablieren. Im Osten sind Regierungsbeteiligungen lange Realität. Aber im Westen ist die neue, alte Partei aufgrund ihrer Vergangenheit für die meisten Menschen ein Fremdkörper geblieben. In bevölkerungsstarken Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz hat sie noch nie den Sprung ins Parlament geschafft. Dafür sind fünf Prozent der Stimmen nötig.
Ein wichtiger Grund für das häufige Scheitern sind die oft widersprüchlichen Positionen der Linken in der Außen- und Sicherheitspolitik. Aktuelles Beispiel: die Reaktionen auf Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Die Mehrheit der Bundestagsfraktion unterstützte zwar einen Antrag, in dem Wladimir Putin als “brutaler Aggressor und Eroberer” bezeichnet wird. Auch Wirtschaftssanktionen gegen Oligarchen und Kriegsprofiteure wurden begrüßt.
Einen anderen Akzent setzen hingegen Abgeordnete um die frühere Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Zwar verurteilen auch sie den russischen Präsidenten Putin, kritisieren aber zugleich die Osterweiterung des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (NATO). Entsetzt reagierte darauf der außenpolitische Sprecher und frühere Parteichef Gregor Gysi. Sein Vorwurf: “völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid”.
Die Gruppe um Wagenknecht sei nur daran interessiert, ihre “alte Ideologie” in jeder Hinsicht zu retten: “Die NATO ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse”, zitierte die Zeitung “Neues Deutschland” aus einem Brief Gysis an seine innerparteilichen Widersacher. Dabei habe die NATO aktuell “keinen einzigen Fehler begangen, der den Krieg Russlands rechtfertigte”, schreibt Gysi.
Einigkeit demonstriert die Linke hingegen, wenn es um die Aufrüstung der Bundeswehr geht. Das dafür geplante sogenannte Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro lehnt sie geschlossen ab. Ob ihr das bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (8. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (15. Mai) helfen wird, ist unwahrscheinlich. In Umfragen liegt die Partei seit Monaten in beiden Ländern unter der Sperrminorität von fünf Prozent. Und fände jetzt eine Bundestagswahl statt, käme sie laut aktuellem Deutschlandtrend nur noch auf drei Prozent – ein historischer Tiefstand.
Schon bei der Landtagswahl im kleinen Saarland stürzte die Partei Ende März von fast 13 auf 2,6 Prozent und verschwand in der außerparlamentarischen Bedeutungslosigkeit. Ein Schicksal, das ihr bei der Bundestagswahl 2021 nur knapp erspart geblieben war. Zwar scheiterte die Linke mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, zog aber wegen einer Besonderheit im deutschen Wahlrecht trotzdem in Fraktionsstärke ins Parlament ein: Sie gewann die dafür erforderlichen drei Direktmandate.
Glück im Unglück, wie der Volksmund sagt. Aber Susanne Hennig-Wellsow, die erst im Februar 2021 zusammen mit Janine Wissler in einer Doppelspitze zur Parteivorsitzenden gewählt worden war, ist nun trotzdem zurückgetreten. Schon nach der Wahl-Schlappe im Saarland beschrieb sie ihre Gemütslage mit den Worten “Schnauze voll”. Das Fass zum Überlaufen gebracht haben Berichte über Fälle von Sexismus in der Partei.
Jetzt gibt es also eine MeToo-Debatte in der Linken, die den Feminismus schon früh auf ihre Fahnen geschrieben hat. Trübe Aussichten für eine Partei, die noch kurz vor der Bundestagswahl zwar vage, aber keineswegs völlig aussichtslos hoffen durfte, Teil der nächsten Bundesregierung zu werden. Rechnerisch schien auf der Basis des Deutschlandtrends für einen kurzen Moment das von der Linken erträumte Bündnis mit Sozialdemokraten und Grünen möglich zu sein.
Dafür engagierte sich besonders Susanne Hennig-Wellsow, die jetzt enttäuscht das Handtuch geworfen hat. Bevor sie Bundesvorsitzende wurde, war sie in Thüringen die wichtigste Stütze des ersten und einzigen linken Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, gewesen. Der sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): “Eine Partei, die sich nur für ihre ideologischen Konflikte interessiert, die außerhalb keinerlei Relevanz haben, kann ganz schnell von der Bildfläche verschwinden.”
Eine berechtigte Sorge, die den Pragmatiker Ramelow seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs noch stärker umtreibt. Putin ist in seinen Augen ein “Diktator”. Und an die Adresse der NATO-Kritiker in den eigenen Reihen sagt der Chef einer rot-rot-grünen Koalition in Thüringen: “Einfach nur NATO-Bashing löst da ja gar kein Problem.”
Im Juni soll auf dem Bundesparteitag der Linken in Erfurt ein neuer Vorstand gewählt werden. Wer auch immer die zerstrittene Partei danach anführen wird – um diese Aufgabe ist wohl niemand zu beneiden. In Anlehnung an die einstige DDR-Nationalhymne ließe sich die Lage so beschreiben: Auferstanden aus Ruinen und dem Abgrund zugewandt.
Streit und Krisen gehören zum Erbgut der Linken. Das gilt auch für ihre Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Wobei es angesichts ihrer Historie fast schon an ein Wunder grenzt, dass sie die Zeit seit der friedlichen Revolution 1989/90 in der DDR überstanden hat. Jenem diktatorisch regierten Teil Deutschlands, dessen Nationalhymne nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit einer programmatischen Textzeile begann: “Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt.”
Keine Zukunft schien die über Jahrzehnte allmächtige Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) zu haben, aus der die heutige Linke hervorgegangen ist. Denn die SED war verantwortlich für den wirtschaftlichen Ruin der DDR und vor allem die vielen Toten an der Berliner Mauer und innerdeutschen Grenze. Trotzdem konnte sie sich unter dem neuen Namen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) in die Deutsche Einheit retten. 1990 zog sie bei der Bundestagswahl mit ihrem Vorsitzenden Gregor Gysi als Spitzenkandidat ins Parlament ein.
Alte Hochburgen dort, wo die DDR war
Schnell feierte die PDS Erfolge bei Wahlen in Ostdeutschland, also auf dem Gebiet der früheren DDR. In ihren besten Zeiten etablierte sie sich dort als Volkspartei. Als die auf Bundesebene regierende Koalition aus Sozialdemokraten (SPD) und Grünen (1998 bis 2005) mit ihrer Agenda 2010 den Arbeits- und Sozialmarkt radikal umbaute, verbündete sich die PDS mit Enttäuschten aus SPD und Gewerkschaften. Gemeinsam gaben sie sich abermals einen neuen Namen: Die Linke.
Ihr Ziel: sich endlich in ganz Deutschland politisch links von der SPD zu etablieren. Im Osten sind Regierungsbeteiligungen lange Realität. Aber im Westen ist die neue, alte Partei aufgrund ihrer Vergangenheit für die meisten Menschen ein Fremdkörper geblieben. In bevölkerungsstarken Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz hat sie noch nie den Sprung ins Parlament geschafft. Dafür sind fünf Prozent der Stimmen nötig.
Ein wichtiger Grund für das häufige Scheitern sind die oft widersprüchlichen Positionen der Linken in der Außen- und Sicherheitspolitik. Aktuelles Beispiel: die Reaktionen auf Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Die Mehrheit der Bundestagsfraktion unterstützte zwar einen Antrag, in dem Wladimir Putin als “brutaler Aggressor und Eroberer” bezeichnet wird. Auch Wirtschaftssanktionen gegen Oligarchen und Kriegsprofiteure wurden begrüßt.
Widersprüchliche Außen- und Sicherheitspolitik
Einen anderen Akzent setzen hingegen Abgeordnete um die frühere Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Zwar verurteilen auch sie den russischen Präsidenten Putin, kritisieren aber zugleich die Osterweiterung des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (NATO). Entsetzt reagierte darauf der außenpolitische Sprecher und frühere Parteichef Gregor Gysi. Sein Vorwurf: “völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid”.
“Die NATO ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse”
Die Gruppe um Wagenknecht sei nur daran interessiert, ihre “alte Ideologie” in jeder Hinsicht zu retten: “Die NATO ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse”, zitierte die Zeitung “Neues Deutschland” aus einem Brief Gysis an seine innerparteilichen Widersacher. Dabei habe die NATO aktuell “keinen einzigen Fehler begangen, der den Krieg Russlands rechtfertigte”, schreibt Gysi.
Einigkeit demonstriert die Linke hingegen, wenn es um die Aufrüstung der Bundeswehr geht. Das dafür geplante sogenannte Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro lehnt sie geschlossen ab. Ob ihr das bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (8. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (15. Mai) helfen wird, ist unwahrscheinlich. In Umfragen liegt die Partei seit Monaten in beiden Ländern unter der Sperrminorität von fünf Prozent. Und fände jetzt eine Bundestagswahl statt, käme sie laut aktuellem Deutschlandtrend nur noch auf drei Prozent – ein historischer Tiefstand.
Schon bei der Landtagswahl im kleinen Saarland stürzte die Partei Ende März von fast 13 auf 2,6 Prozent und verschwand in der außerparlamentarischen Bedeutungslosigkeit. Ein Schicksal, das ihr bei der Bundestagswahl 2021 nur knapp erspart geblieben war. Zwar scheiterte die Linke mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, zog aber wegen einer Besonderheit im deutschen Wahlrecht trotzdem in Fraktionsstärke ins Parlament ein: Sie gewann die dafür erforderlichen drei Direktmandate.
Geschlossen gegen die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr
Glück im Unglück, wie der Volksmund sagt. Aber Susanne Hennig-Wellsow, die erst im Februar 2021 zusammen mit Janine Wissler in einer Doppelspitze zur Parteivorsitzenden gewählt worden war, ist nun trotzdem zurückgetreten. Schon nach der Wahl-Schlappe im Saarland beschrieb sie ihre Gemütslage mit den Worten “Schnauze voll”. Das Fass zum Überlaufen gebracht haben Berichte über Fälle von Sexismus in der Partei.
Jetzt gibt es also eine MeToo-Debatte in der Linken, die den Feminismus schon früh auf ihre Fahnen geschrieben hat. Trübe Aussichten für eine Partei, die noch kurz vor der Bundestagswahl zwar vage, aber keineswegs völlig aussichtslos hoffen durfte, Teil der nächsten Bundesregierung zu werden. Rechnerisch schien auf der Basis des Deutschlandtrends für einen kurzen Moment das von der Linken erträumte Bündnis mit Sozialdemokraten und Grünen möglich zu sein.
Sexismus-Vorwürfe und ein Rücktritt
Dafür engagierte sich besonders Susanne Hennig-Wellsow, die jetzt enttäuscht das Handtuch geworfen hat. Bevor sie Bundesvorsitzende wurde, war sie in Thüringen die wichtigste Stütze des ersten und einzigen linken Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, gewesen. Der sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): “Eine Partei, die sich nur für ihre ideologischen Konflikte interessiert, die außerhalb keinerlei Relevanz haben, kann ganz schnell von der Bildfläche verschwinden.”
Bodo Ramelow warnt seine Partei vor Bedeutungslosigkeit
Eine berechtigte Sorge, die den Pragmatiker Ramelow seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs noch stärker umtreibt. Putin ist in seinen Augen ein “Diktator”. Und an die Adresse der NATO-Kritiker in den eigenen Reihen sagt der Chef einer rot-rot-grünen Koalition in Thüringen: “Einfach nur NATO-Bashing löst da ja gar kein Problem.”
Im Juni soll auf dem Bundesparteitag der Linken in Erfurt ein neuer Vorstand gewählt werden. Wer auch immer die zerstrittene Partei danach anführen wird – um diese Aufgabe ist wohl niemand zu beneiden. In Anlehnung an die einstige DDR-Nationalhymne ließe sich die Lage so beschreiben: Auferstanden aus Ruinen und dem Abgrund zugewandt.