Welt

Sinn Fein liegt bei Nordirland-Wahl deutlich vorne

Zum ersten Mal in der Geschichte Nordirlands wird eine irisch-nationalistische Partei wohl stärkste Kraft im Parlament. Was steckt hinter der Sinn Fein und welche Bedeutung kann das Ergebnis haben?

Die Partei Sinn Fein, die Nordirland mit Irland vereinigen will, hat die Nase nach der ersten Zählrunde deutlich vorn. Die Auszählung der Stimmen, die am späten Freitagabend zunächst pausiert wurde, sollte am Samstag weitergehen. Nach Angaben der BBC liegt die Partei mit 29 Prozent der Stimmen weit vor der zweitstärksten Partei, der protestantisch-unionistischen DUP, auf die 21,3 Prozent entfielen. Die Alliance Party, die für keines der beiden dominierenden Lager steht, sondern die Grabenkämpfe hinter sich lassen will, vereinte nach der ersten Auszählungsrunde 13,5 Prozent der Stimmen hinter sich. Sollten die ersten Auszählungen bestätigt werden, wäre das für den Landesteil des Vereinigten Königreichs ein historisches Ergebnis. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Hintergründe.

Die Partei der überwiegend katholischen Nationalisten strebt eine Herauslösung Nordirlands aus dem Vereinigten Königreich mit England, Schottland und Wales und eine Vereinigung der britischen Provinz mit dem EU-Staat Irland an. Ihre schärfsten politischen Konkurrenten, die protestantischen Unionisten, stehen dem kategorisch entgegen. Jahrzehntelang war das Land durch die sogenannten “Troubles” geprägt: Die Kämpfe der Unionisten und der Nationalisten kosteten rund 3.500 Menschen das Leben. Erst im Karfreitagsabkommen 1998 wurde Frieden geschlossen und der mehr als drei Jahrzehnte dauernde Bürgerkrieg beendet. Die Sinn Fein galt lange als politischer Arm der IRA.

Die Partei Sinn Fein, die Nordirland mit Irland vereinigen will, hat die Nase nach der ersten Zählrunde deutlich vorn. Die Auszählung der Stimmen, die am späten Freitagabend zunächst pausiert wurde, sollte am Samstag weitergehen. Nach Angaben der BBC liegt die Partei mit 29 Prozent der Stimmen weit vor der zweitstärksten Partei, der protestantisch-unionistischen DUP, auf die 21,3 Prozent entfielen. Die Alliance Party, die für keines der beiden dominierenden Lager steht, sondern die Grabenkämpfe hinter sich lassen will, vereinte nach der ersten Auszählungsrunde 13,5 Prozent der Stimmen hinter sich. Sollten die ersten Auszählungen bestätigt werden, wäre das für den Landesteil des Vereinigten Königreichs ein historisches Ergebnis. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Hintergründe.

Die IRA wurde im Vereinigten Königreich als Terrororganisation eingestuft und erklärte erst im Sommer 2005, sieben Jahre nach dem Karfreitagsabkommen, das Ende des bewaffneten Kampfes. 

Wofür steht die Sinn Fein?

Einen großen Anteil am Wahlerfolg der Sinn Fein hat die charismatische Spitzenkandidatin der Partei, Michelle O’Neill. An Stelle der belasteten Vergangenheit des Landes rückte die 45-Jährige alltägliche Sorgen der Menschen in den Vordergrund. O’Neill gab sich bodenständig und versprach, die drängenden Probleme im Gesundheitswesen zu beheben, Menschen zu helfen, die von steigenden Preisen betroffen sind, und präsentierte sich als Kandidatin, die Interessen aller Nordirinnen und Nordiren im Blick habe. Allerdings lassen sich auch in ihrem engen familiären Umfeld die dunklen Schatten der Vergangenheit nicht ausblenden. Zwei ihrer Cousins gehörten der IRA an. Einer wurde erschossen, der andere durch Schüsse verwundet und 2017 zu einer Haftstrafe verurteilt. Auch ihr Vater saß wegen Verbindungen zu der Gruppe im Gefängnis.

Das starke Abschneiden Sinn Feins lag auch an der Schwäche der DUP, der Democratic Unionist Party. Seit Anfang des neuen Jahrtausends war die pro-britische Partei aus jeder Parlamentswahl als stärkste Kraft hervorgegangen. In ihren besten Jahren kam sie auf Werte um die 30 Prozent. Doch mit der Entscheidung zum Brexit geriet in Nordirland vieles ins Wanken: Besonders umstritten ist das sogenannte Nordirland-Protokoll, das die Handelsströme zwischen Großbritannien und der irischen Insel regelt. Um eine harte Grenze innerhalb Irlands zu vermeiden, wurde beschlossen, eine Seegrenze einzuziehen. Dadurch bleibt der Warenverkehr zwischen Irland und Nordirland weitgehend frei. Gleichzeitig muss sich Nordirland aber weiter an viele EU-Bestimmungen halten, selbst wenn Waren aus Großbritannien in das Land importiert werden.

Viele Unionisten sind enttäuscht, da durch das Protokoll so eine stärkere Distanz zu London aufgebaut wird.

Dass der Wahlsieg der Sinn Fein zu einem schnellen Zusammenschluss mit der Republik Irland führen wird, ist unwahrscheinlich. Zwar wird sich die Partei aller Voraussicht nach für die Festlegung eines Referendums einsetzen. Darin sollen Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob sich Nordirland mit der Republik im Süden vereinigen soll. Allerdings wird dies aus mehreren Gründen dauern. Das Ansetzen einer Volksabstimmung obliegt laut Karfreitagsabkommen der Regierung in London. Diese darf sich dem Ansinnen nicht verwehren, wenn es Aussicht auf Erfolg hat. Das aber lässt sich auch aus diesem Wahlergebnis nicht direkt ableiten. Eine Wiedervereinigung wird zurzeit von nicht einmal einem Drittel der Nordiren gewünscht. Priorität hat das Thema sogar nur für jeden Sechsten.

Auch hinsichtlich der Regierungsbildung steht das Karfreitagsabkommen allzu raschen Veränderungen im Wege. Zwar erhält die Sinn Fein durch den wahrscheinlichen Sieg das Recht, mit ihrer Spitzenkandidatin Michelle O’Neill die Chefin der Einheitsregierung des Landes zu stellen. Aus dem Abkommen folgt allerdings auch, dass O’Neill ein gleichberechtigter Stellvertreter oder Stellvertreterin aus der DUP an die Seite gestellt werden muss.

Hinzu kommt, dass ein absehbar gutes Wahlergebnis der neutralen Alliance die Regierungsbildung voraussichtlich weiter in die Länge ziehen könnte. Denn eine starke neutrale Partei ist in dem System des sogenannten “Power Sharing” laut Karfreitagsabkommen überhaupt nicht vorgesehen. Nicht verwunderlich, dass die Alliance das gesamte Abkommen reformieren will.

Nach dieser Wahl stehen also drei Parteien im Fokus, deren Absichten sich kaum vereinbaren lassen: Die nationalistische Sinn Fein drängt auf ein Referendum und hat kein Interesse daran, das eher spaltende Nordirland-Protokoll aufzuheben. Das genaue Gegenteil schwebt dagegen der DUP vor, während die Alliance das dualistische System, das beide Parteien begünstigt, aufbrechen will. Trotz des historischen Wahlsieges der Sinn Fein zeichnet sich in Belfast also eine längere Hängepartie ab. Ungewöhnlich sind solche unsicheren Zustände in Nordirland übrigens nicht:

Schon die letzte Regierung brach im Streit um das Nordirland-Protokoll auseinander. Für eine Lösung ist in der Verfassung schon gesorgt: Ohne handlungsfähige Regierung würden die Geschicke des Landes vorerst aus London gesteuert.

 

Symbolbild IRA Nordirland
Nordirland | Brexit | Leere Supermarkt
Michelle O'Neill Nordirland Wahlkampf

Die Partei Sinn Fein, die Nordirland mit Irland vereinigen will, hat die Nase nach der ersten Zählrunde deutlich vorn. Die Auszählung der Stimmen, die am späten Freitagabend zunächst pausiert wurde, sollte am Samstag weitergehen. Nach Angaben der BBC liegt die Partei mit 29 Prozent der Stimmen weit vor der zweitstärksten Partei, der protestantisch-unionistischen DUP, auf die 21,3 Prozent entfielen. Die Alliance Party, die für keines der beiden dominierenden Lager steht, sondern die Grabenkämpfe hinter sich lassen will, vereinte nach der ersten Auszählungsrunde 13,5 Prozent der Stimmen hinter sich. Sollten die ersten Auszählungen bestätigt werden, wäre das für den Landesteil des Vereinigten Königreichs ein historisches Ergebnis. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Hintergründe.

Die Partei der überwiegend katholischen Nationalisten strebt eine Herauslösung Nordirlands aus dem Vereinigten Königreich mit England, Schottland und Wales und eine Vereinigung der britischen Provinz mit dem EU-Staat Irland an. Ihre schärfsten politischen Konkurrenten, die protestantischen Unionisten, stehen dem kategorisch entgegen. Jahrzehntelang war das Land durch die sogenannten “Troubles” geprägt: Die Kämpfe der Unionisten und der Nationalisten kosteten rund 3.500 Menschen das Leben. Erst im Karfreitagsabkommen 1998 wurde Frieden geschlossen und der mehr als drei Jahrzehnte dauernde Bürgerkrieg beendet. Die Sinn Fein galt lange als politischer Arm der IRA.

Wofür steht die Sinn Fein?

Die IRA wurde im Vereinigten Königreich als Terrororganisation eingestuft und erklärte erst im Sommer 2005, sieben Jahre nach dem Karfreitagsabkommen, das Ende des bewaffneten Kampfes. 

Einen großen Anteil am Wahlerfolg der Sinn Fein hat die charismatische Spitzenkandidatin der Partei, Michelle O’Neill. An Stelle der belasteten Vergangenheit des Landes rückte die 45-Jährige alltägliche Sorgen der Menschen in den Vordergrund. O’Neill gab sich bodenständig und versprach, die drängenden Probleme im Gesundheitswesen zu beheben, Menschen zu helfen, die von steigenden Preisen betroffen sind, und präsentierte sich als Kandidatin, die Interessen aller Nordirinnen und Nordiren im Blick habe. Allerdings lassen sich auch in ihrem engen familiären Umfeld die dunklen Schatten der Vergangenheit nicht ausblenden. Zwei ihrer Cousins gehörten der IRA an. Einer wurde erschossen, der andere durch Schüsse verwundet und 2017 zu einer Haftstrafe verurteilt. Auch ihr Vater saß wegen Verbindungen zu der Gruppe im Gefängnis.

Das starke Abschneiden Sinn Feins lag auch an der Schwäche der DUP, der Democratic Unionist Party. Seit Anfang des neuen Jahrtausends war die pro-britische Partei aus jeder Parlamentswahl als stärkste Kraft hervorgegangen. In ihren besten Jahren kam sie auf Werte um die 30 Prozent. Doch mit der Entscheidung zum Brexit geriet in Nordirland vieles ins Wanken: Besonders umstritten ist das sogenannte Nordirland-Protokoll, das die Handelsströme zwischen Großbritannien und der irischen Insel regelt. Um eine harte Grenze innerhalb Irlands zu vermeiden, wurde beschlossen, eine Seegrenze einzuziehen. Dadurch bleibt der Warenverkehr zwischen Irland und Nordirland weitgehend frei. Gleichzeitig muss sich Nordirland aber weiter an viele EU-Bestimmungen halten, selbst wenn Waren aus Großbritannien in das Land importiert werden.

Viele Unionisten sind enttäuscht, da durch das Protokoll so eine stärkere Distanz zu London aufgebaut wird.

Charismatische Spitzenkandidatin

Dass der Wahlsieg der Sinn Fein zu einem schnellen Zusammenschluss mit der Republik Irland führen wird, ist unwahrscheinlich. Zwar wird sich die Partei aller Voraussicht nach für die Festlegung eines Referendums einsetzen. Darin sollen Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob sich Nordirland mit der Republik im Süden vereinigen soll. Allerdings wird dies aus mehreren Gründen dauern. Das Ansetzen einer Volksabstimmung obliegt laut Karfreitagsabkommen der Regierung in London. Diese darf sich dem Ansinnen nicht verwehren, wenn es Aussicht auf Erfolg hat. Das aber lässt sich auch aus diesem Wahlergebnis nicht direkt ableiten. Eine Wiedervereinigung wird zurzeit von nicht einmal einem Drittel der Nordiren gewünscht. Priorität hat das Thema sogar nur für jeden Sechsten.

Brexit schwächt die Konkurrenz

Auch hinsichtlich der Regierungsbildung steht das Karfreitagsabkommen allzu raschen Veränderungen im Wege. Zwar erhält die Sinn Fein durch den wahrscheinlichen Sieg das Recht, mit ihrer Spitzenkandidatin Michelle O’Neill die Chefin der Einheitsregierung des Landes zu stellen. Aus dem Abkommen folgt allerdings auch, dass O’Neill ein gleichberechtigter Stellvertreter oder Stellvertreterin aus der DUP an die Seite gestellt werden muss.

Hinzu kommt, dass ein absehbar gutes Wahlergebnis der neutralen Alliance die Regierungsbildung voraussichtlich weiter in die Länge ziehen könnte. Denn eine starke neutrale Partei ist in dem System des sogenannten “Power Sharing” laut Karfreitagsabkommen überhaupt nicht vorgesehen. Nicht verwunderlich, dass die Alliance das gesamte Abkommen reformieren will.

Nach dieser Wahl stehen also drei Parteien im Fokus, deren Absichten sich kaum vereinbaren lassen: Die nationalistische Sinn Fein drängt auf ein Referendum und hat kein Interesse daran, das eher spaltende Nordirland-Protokoll aufzuheben. Das genaue Gegenteil schwebt dagegen der DUP vor, während die Alliance das dualistische System, das beide Parteien begünstigt, aufbrechen will. Trotz des historischen Wahlsieges der Sinn Fein zeichnet sich in Belfast also eine längere Hängepartie ab. Ungewöhnlich sind solche unsicheren Zustände in Nordirland übrigens nicht:

Vereinigung mit Irland auf längere Zeit nicht zu erwarten

Schon die letzte Regierung brach im Streit um das Nordirland-Protokoll auseinander. Für eine Lösung ist in der Verfassung schon gesorgt: Ohne handlungsfähige Regierung würden die Geschicke des Landes vorerst aus London gesteuert.

 

Hängepartie bei Regierungsbildung erwartet 

Zur Not greift London ein

Belfast Premierminister Boris Johnson DUP Parteitag 2018

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"