Kultur

Von Kiew nach München: Spektakuläre Kunstrettung

Wie eine Kunsthändlerin und ein Galerist aus der Ukraine es geschafft haben, Kunstwerke aus dem Kriegsgebiet sicher nach München zu bringen.

Die Geschichte dieser Rettungsaktion klingt wie ein Spielfilm-Plot: Eine ukrainische Kunsthändlerin und ein ukrainischer Galerist riskieren ihr Leben, um Kunstwerke aus der umkämpften Stadt Kiew zu retten. Sie tun dies nicht im Auftrag der Regierung oder irgendeiner anderen Organisation, sondern aus Eigeninitiative und aus Liebe zur Kunst. Im DW-Gespräch berichten Katharina Vozianova und Oleksandr Shchelushchenko, wie sie es geschafft haben, die Kunstwerke nach Deutschland zu bringen.

Im Februar floh die ukrainische Kunsthändlerin Katharina Vozianova Hals über Kopf aus Kiew. Für die Rettung ihrer Kunst blieb ihr damals wenig Zeit. “Als der Krieg anfing, bin ich mit drei anderen Leuten in mein Auto gesprungen und losgefahren. Ich hatte nur einen kleinen Koffer und ein kleines Gemälde von Ievgen Petrow bei mir”, erzählt sie. 

Die Geschichte dieser Rettungsaktion klingt wie ein Spielfilm-Plot: Eine ukrainische Kunsthändlerin und ein ukrainischer Galerist riskieren ihr Leben, um Kunstwerke aus der umkämpften Stadt Kiew zu retten. Sie tun dies nicht im Auftrag der Regierung oder irgendeiner anderen Organisation, sondern aus Eigeninitiative und aus Liebe zur Kunst. Im DW-Gespräch berichten Katharina Vozianova und Oleksandr Shchelushchenko, wie sie es geschafft haben, die Kunstwerke nach Deutschland zu bringen.

Die gebürtige Kiewerin arbeitete vor dem Krieg mit verschiedenen Galerien in Kiew und London zusammen und handelte mit zeitgenössischer und avantgardistischer Kunst. Sie hätte nie erwartet, dass sich ihr Leben so schnell komplett verändern würde.

“Es war sehr beängstigend”

Mit dem Galeristen Oleksandr Shchelushchenko hatte sie eigentlich schon ihre nächste große Ausstellung mit Werken des ukrainischen Malers Ievgen Petrow geplant. Dutzende seiner Kunstwerke lagerten bereits in Shchelushchenkos Galerie “TSEKH” in Kiew. 

Nach einem kurzen Aufenthalt in München kehrte Vozianova wieder in ihre Heimatstadt zurück – sie wollte nicht, dass ihre Kunst dem Krieg zum Opfer fällt.

Shchelushchenko erinnert sich an Katharinas Rückkehr: “Sie schlug mir vor, unsere Kunstwerke nach Deutschland zu schaffen, wo sie gut vernetzt ist. Sie würde als Kurierin die Kunst transportieren und alles Drumherum organisieren.” 

Und so begann die kühne Rettungsaktion der beiden: Während die russische Armee Kiew angriff, fuhr Shchelushchenko in seine Galerie und nahm die Bilder aus den Rahmen. “Als ich am 7. März nach Kiew kam, war die Stimmung sehr aggressiv. Kiew wurde bombardiert. Rund um die Galerie gab es Bombeneinschläge.” Unterstützt wurde er von bewaffneten Helfern. “Natürlich kamen wir mit Gewehren und spezieller Schutzkleidung.”

Shchelushchenko selbst lernte bei der Rettungsaktion vollkommen neue Dinge zu schätzen: “Für mich war es sehr interessant zu sehen, dass im Krieg alles sehr schnell geschehen muss. Man hat keine Zeit für: ‘Oh, das gefällt mir. Oh, das mag ich aber nicht.’ Man hat keine Zeit für Sensibilitäten. Entweder handelt man schnell oder man stirbt.” 

Beim Verpacken der Bilder bewies der Galerist Einfallsreichtum. Er rollte die Kunstwerke der zeitgenössischen Künstler Ievgen Petrow und Mykola Bilous mit seinen Helfern auf und steckte sie in Abwasserrohre. Dadurch waren sie geschützt. “Es waren drei riesige Röhren, fast so groß wie ich”, sagt Vozianova.

Während Shchelushchenko die Bilder behutsam einrollte, machte Vozianova eine Tour durch Kiew. Sie rettete weitere Gemälde aus ihrer eigenen Wohnung und sammelte Wertsachen ein, die ihre Freunde bei der Flucht zurückgelassen hatten. 

Dann holte sie die mit Kunstwerken befüllten Röhren bei Shchelushchenko ab, lud sie in ihr Auto und fuhr nach Czernowitz. Die westukrainische Stadt liegt etwa 45 Autominuten von Rumänien entfernt.

An derukrainisch-rumänischen Grenze war der Krieg zwar weit weg, doch Vozianova musste sich dort ganz banalen Herausforderungen stellen: “Man kann ja nicht einfach so über die Grenze fahren. Ich musste Dokumente vorlegen, die bewiesen, dass die Bilder kein nationales Kulturgut sind, dass es sich um zeitgenössische Kunst handelt.”

Auch am Flughafen ließen sie die Security-Mitarbeiter zunächst nicht einchecken. “Sie sahen mich, ein kleines Mädchen mit diesen riesen Röhren in den Armen, und fragten: ‘Was zum Teufel ist da drin?’ Und dann haben sie sie erst einmal durchleuchtet, um zu sehen, ob nicht doch Waffen darin sind.”

 

Die Bilder überstanden die Reise von Kiew nach München unbeschadet. Was jetzt mit ihnen geschieht, ist noch ungewiss. Katharina Vozianova und Oleksandr Shchelushchenko würden sie gerne ausstellen und an Sammler verkaufen. “Wir haben bereits Einladungen zur Berlin Art Week und zur Art Vienna”, erzählt Shchelushchenko zuversichtlich.

Zunächst werden die Bilder bei der ARTMUC in München ausgestellt. Anschließend sollen sie in einer Pop-up-Galerie zu sehen sein. “Sie sollen zusammen mit anderer Kunst aus der Ukraine gezeigt werden. Wir wollen damit die Künstler unterstützen, die in der Ukraine festsitzen”, sagt Vozianova. Es gebe dort überhaupt keinen Kunstmarkt mehr. Viele ihrer Künstler seien depressiv geworden, hätten angefangen zu trinken und aufgehört zu malen. Der Krieg laste sehr auf ihnen, erzählt Shchelushchenko, der Kiew den Rücken gekehrt hat, weil er sich dort nicht mehr sicher fühlt. Er lebt nun außerhalb der Stadt und kümmert sich um seine Mutter. 

“Wir stehen in ständigem Kontakt mit ihnen”, ergänzt Vozianova. “Mykola Bilous ist ein wirklich starker Mann. Er sagte mir: ‘Ich werde mein Haus und mein Studio beschützen, ich werde auf keinen Fall gehen.'” Auch Ievgen Petrow will die Ukraine nicht verlassen. “Keiner von ihnen will das.” Aber sobald sie ihre Meinung ändern, sagt die Kunsthändlerin, “werden wir sie sofort dort rausholen”.

Die ARTMUC findet vom 13. bis 15. Mai in München statt. 

Ukrainische Kunst in der Galerie ARTMUC in München
Kateryna Vozianova bei einer Kunstausstellung in Zürich
Galerist Sasha Shchelushchenko in zivil lächelt in die Kamera; neben ihm der Kunstsammler Maksym Cherkasenko in Militäruniform

Die Geschichte dieser Rettungsaktion klingt wie ein Spielfilm-Plot: Eine ukrainische Kunsthändlerin und ein ukrainischer Galerist riskieren ihr Leben, um Kunstwerke aus der umkämpften Stadt Kiew zu retten. Sie tun dies nicht im Auftrag der Regierung oder irgendeiner anderen Organisation, sondern aus Eigeninitiative und aus Liebe zur Kunst. Im DW-Gespräch berichten Katharina Vozianova und Oleksandr Shchelushchenko, wie sie es geschafft haben, die Kunstwerke nach Deutschland zu bringen.

Im Februar floh die ukrainische Kunsthändlerin Katharina Vozianova Hals über Kopf aus Kiew. Für die Rettung ihrer Kunst blieb ihr damals wenig Zeit. “Als der Krieg anfing, bin ich mit drei anderen Leuten in mein Auto gesprungen und losgefahren. Ich hatte nur einen kleinen Koffer und ein kleines Gemälde von Ievgen Petrow bei mir”, erzählt sie. 

“Es war sehr beängstigend”

Die gebürtige Kiewerin arbeitete vor dem Krieg mit verschiedenen Galerien in Kiew und London zusammen und handelte mit zeitgenössischer und avantgardistischer Kunst. Sie hätte nie erwartet, dass sich ihr Leben so schnell komplett verändern würde.

Mit dem Galeristen Oleksandr Shchelushchenko hatte sie eigentlich schon ihre nächste große Ausstellung mit Werken des ukrainischen Malers Ievgen Petrow geplant. Dutzende seiner Kunstwerke lagerten bereits in Shchelushchenkos Galerie “TSEKH” in Kiew. 

Nach einem kurzen Aufenthalt in München kehrte Vozianova wieder in ihre Heimatstadt zurück – sie wollte nicht, dass ihre Kunst dem Krieg zum Opfer fällt.

Shchelushchenko erinnert sich an Katharinas Rückkehr: “Sie schlug mir vor, unsere Kunstwerke nach Deutschland zu schaffen, wo sie gut vernetzt ist. Sie würde als Kurierin die Kunst transportieren und alles Drumherum organisieren.” 

Der Krieg änderte alles

Und so begann die kühne Rettungsaktion der beiden: Während die russische Armee Kiew angriff, fuhr Shchelushchenko in seine Galerie und nahm die Bilder aus den Rahmen. “Als ich am 7. März nach Kiew kam, war die Stimmung sehr aggressiv. Kiew wurde bombardiert. Rund um die Galerie gab es Bombeneinschläge.” Unterstützt wurde er von bewaffneten Helfern. “Natürlich kamen wir mit Gewehren und spezieller Schutzkleidung.”

“Entweder handelt man oder man stirbt”

Shchelushchenko selbst lernte bei der Rettungsaktion vollkommen neue Dinge zu schätzen: “Für mich war es sehr interessant zu sehen, dass im Krieg alles sehr schnell geschehen muss. Man hat keine Zeit für: ‘Oh, das gefällt mir. Oh, das mag ich aber nicht.’ Man hat keine Zeit für Sensibilitäten. Entweder handelt man schnell oder man stirbt.” 

Beim Verpacken der Bilder bewies der Galerist Einfallsreichtum. Er rollte die Kunstwerke der zeitgenössischen Künstler Ievgen Petrow und Mykola Bilous mit seinen Helfern auf und steckte sie in Abwasserrohre. Dadurch waren sie geschützt. “Es waren drei riesige Röhren, fast so groß wie ich”, sagt Vozianova.

Während Shchelushchenko die Bilder behutsam einrollte, machte Vozianova eine Tour durch Kiew. Sie rettete weitere Gemälde aus ihrer eigenen Wohnung und sammelte Wertsachen ein, die ihre Freunde bei der Flucht zurückgelassen hatten. 

Verdächtige Röhren

Dann holte sie die mit Kunstwerken befüllten Röhren bei Shchelushchenko ab, lud sie in ihr Auto und fuhr nach Czernowitz. Die westukrainische Stadt liegt etwa 45 Autominuten von Rumänien entfernt.

An derukrainisch-rumänischen Grenze war der Krieg zwar weit weg, doch Vozianova musste sich dort ganz banalen Herausforderungen stellen: “Man kann ja nicht einfach so über die Grenze fahren. Ich musste Dokumente vorlegen, die bewiesen, dass die Bilder kein nationales Kulturgut sind, dass es sich um zeitgenössische Kunst handelt.”

Rund 40 Bilder haben es nach München geschafft

Auch am Flughafen ließen sie die Security-Mitarbeiter zunächst nicht einchecken. “Sie sahen mich, ein kleines Mädchen mit diesen riesen Röhren in den Armen, und fragten: ‘Was zum Teufel ist da drin?’ Und dann haben sie sie erst einmal durchleuchtet, um zu sehen, ob nicht doch Waffen darin sind.”

 

Ein freiwilliger ukrainischer Soldat rollt Bilder auf

Die Bilder überstanden die Reise von Kiew nach München unbeschadet. Was jetzt mit ihnen geschieht, ist noch ungewiss. Katharina Vozianova und Oleksandr Shchelushchenko würden sie gerne ausstellen und an Sammler verkaufen. “Wir haben bereits Einladungen zur Berlin Art Week und zur Art Vienna”, erzählt Shchelushchenko zuversichtlich.

Zunächst werden die Bilder bei der ARTMUC in München ausgestellt. Anschließend sollen sie in einer Pop-up-Galerie zu sehen sein. “Sie sollen zusammen mit anderer Kunst aus der Ukraine gezeigt werden. Wir wollen damit die Künstler unterstützen, die in der Ukraine festsitzen”, sagt Vozianova. Es gebe dort überhaupt keinen Kunstmarkt mehr. Viele ihrer Künstler seien depressiv geworden, hätten angefangen zu trinken und aufgehört zu malen. Der Krieg laste sehr auf ihnen, erzählt Shchelushchenko, der Kiew den Rücken gekehrt hat, weil er sich dort nicht mehr sicher fühlt. Er lebt nun außerhalb der Stadt und kümmert sich um seine Mutter. 

“Wir stehen in ständigem Kontakt mit ihnen”, ergänzt Vozianova. “Mykola Bilous ist ein wirklich starker Mann. Er sagte mir: ‘Ich werde mein Haus und mein Studio beschützen, ich werde auf keinen Fall gehen.'” Auch Ievgen Petrow will die Ukraine nicht verlassen. “Keiner von ihnen will das.” Aber sobald sie ihre Meinung ändern, sagt die Kunsthändlerin, “werden wir sie sofort dort rausholen”.

Die ARTMUC findet vom 13. bis 15. Mai in München statt. 

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