Schwierige Sahel-Mission für Kanzler Scholz
Auf seiner ersten Afrikareise muss Bundeskanzler Scholz mit sich verschiebenden Kräfteverhältnissen im Sahel jonglieren. Nach Stationen im Senegal und im Niger wird Scholz in Südafrika erwartet.
Es ist ein Antrittsbesuch, der in turbulenten Zeiten so etwas wie Kontinuität vermitteln soll: Erst im Februar zwang der russische Angriffskrieg in der Ukraine Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Afrikareise im Senegal vorzeitig abzubrechen – und genau hier nimmt nun Bundeskanzler Olaf Scholz den Faden wieder auf, gefolgt von Besuchen in den wichtigen Partnerländern Niger und Südafrika. Russland ist seither unterschwellig Thema bei allen außenpolitischen Unternehmungen der Bundesrepublik.
Zunächst reist der seit knapp sechs Monaten amtierende Bundeskanzler in zwei Staaten, die als Stabilitätsanker im krisengeplagten Westafrika eine wichtige Rolle spielen: Senegal, das zurzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union innehat, ist neues Partnerland der G7. Niger ist als militärischer Partner und Transitland für die Migration nach Europa schon länger wichtiges Schlüsselland in den Afrikastrategien Europas. Beide Länder grenzen an das von Putschisten regierte Mali, das sich mit seinen jüngsten Entscheidungen immer mehr von seinen europäischen und afrikanischen Partnern entfernt hat.
Es ist ein Antrittsbesuch, der in turbulenten Zeiten so etwas wie Kontinuität vermitteln soll: Erst im Februar zwang der russische Angriffskrieg in der Ukraine Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Afrikareise im Senegal vorzeitig abzubrechen – und genau hier nimmt nun Bundeskanzler Olaf Scholz den Faden wieder auf, gefolgt von Besuchen in den wichtigen Partnerländern Niger und Südafrika. Russland ist seither unterschwellig Thema bei allen außenpolitischen Unternehmungen der Bundesrepublik.
Im Kampf gegen den Terror im Sahel hatte die EU unter französischer Führung bis vor einem Jahr auf die Zusammenarbeit mit Mali gesetzt. Dann beendete Paris die französische Militärmission Barkhane nach Diskrepanzen mit Juntaführer und Übergangspräsident Assimi Goita. Die EU hat ihre Ausbildungsmission suspendiert. Niger, das bereits Soldaten aus mehreren westlichen Ländern beherbergt – darunter aus Mali verlegte französische Truppen -, könnte diesen oder nachfolgenden Missionen eine neue Basis bieten. Die Regierung in Niamey sendet bislang positive Signale.
Ein militärischer Partner und die Angst vor Nebenwirkungen
Auch wenn die Sicherheit der Einsatzkräfte durch den Rückzugs Frankreichs ungeklärt ist, hat der Deutsche Bundestag jüngst die Beteiligung der Bundeswehr am UN-Einsatz in Mali für ein weiteres Jahr gebilligt. “Deutschland trägt im Sahel nicht das gleiche Gepäck mit sich wie Frankreich”, sagt der Sicherheitsexperte Priyal Singh von der südafrikanischen Denkfabrik Institute for Security Studies (ISS). Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich stand bis zuletzt immer wieder in der Kritik, eine eigene Agenda in Westafrika zu verfolgen. “Deutschland dürfte ein etwas neutralerer Partner als Frankreich sein, auch, weil es den Fokus bisher auf Wirtschaftsbeziehungen gelegt hat”, so Singh im DW-Interview.
Die nigrische Bevölkerung ist sehr zurückhaltend, was eine weitere militärische Präsenz internationaler Truppen im Land angeht. Das betont Olaf Bernau, der dem Steuerkreis des deutschen zivilgesellschaftlichen Netzwerks Fokus Sahel angehört. In Gesprächen seines Netzwerks mit Menschen im Niger überwiege die Angst, internationale Truppen könnten auch den Konflikt mit dschihadistischen Gruppen weiter in den Sahel-Staat hineintragen, sagt Bernau der DW. Die Botschaft der Bevölkerung an Bundeskanzler Scholz könne demnach nur die Bitte sein, Frankreich von einer weiteren Verlegung seiner Truppen nach Niger abzubringen.
Deutschland selbst bildet seit 2018 Deutschland in der “Operation Gazelle” nigrische Spezialkräfte aus. Die Operation, die nach bisherigen Planungen zum Jahresende auslaufen soll, wird vom Verteidigungsministerium als erfolgreicher Prototyp der internationalen Sicherheitszusammenarbeit gefeiert. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sprach bei ihrem Truppenbesuch im April von einem “Vorzeigeprojekt” – und nährte damit Spekulationen, Niger könne Standort einer Nachfolgemission für EUTM werden.
Doch mit militärischer Kooperation allein, darüber sind sich Experten einig, wird sich die Sicherheitskrise im Sahel nicht lösen lassen. “Der folgerichtige Schritt wären lokale Frieden schaffende Maßnahmen unter deutscher Führung”, sagt Sicherheitsexperte Priyal Singh. Deutschland habe in diesem Bereich einschlägige Erfahrung. “Es könnte so Vertrauen aufbauen und Graswurzelbewegungen neuen Auftrieb geben”, schätzt Singh.
Auch Wirtschaftsvertreter legen große Hoffnungen in die Antrittsreise des Bundeskanzlers. Sie komme genau zur richtigen Zeit, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, im DW-Gespräch. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, aber auch der anhaltende Lockdown in Shanghai hätten einseitige Abhängigkeiten, etwa im Energiesektor, verdeutlicht. “Wir müssen uns mit vielen Ländern in anderer Art und Weise austauschen, Rahmenabkommen für Energie und auch in sicherheitspolitischen Fragen schließen”, betont Treier.
In diesen Bereichen bietet Afrika Deutschland wichtige Ansätze – und das nicht nur mit Blick auf die fossilen Energien wie Flüssiggas. Senegal hat in den letzten Jahren viel in Solarenergie investiert und könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
Auch auf Scholz letzter Station, in Südafrika, spielt die Energiewende eine große Rolle. Das Land sei stark auf Kohleimporte angewiesen und habe einen großen Bedarf, seinen Energiesektor zu diversifizieren, sagt Sicherheitsexperte Singh: “Südafrika steckt mindestens seit 2008 in einer Energiekrise. Die Versorgung kommt unseren Anforderungen nicht nach. Es gibt hier unglaubliches Potenzial für eine Partnerschaft zwischen Südafrika und Deutschland, was Investitionen oder auch die Vermittlung von technischem Knowhow angeht.”
Eine positive Entwicklung auf dem Kontinent spielt dem laut DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier in die Hände: Das Anfang 2021 in Kraft getretene Afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA könne ein ähnliches Potenzial entfalten wie der europäische Binnenmarkt, sagt er voraus. Damit gebe es eine bessere Grundlage für deutsche Unternehmen, in Afrika zu investieren und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Neben Rohstoffen könnten dann auch verstärkt afrikanische Produkte in den internationalen Lieferketten eine Rolle spielen.
Korrektur am 21.05.2022: In einer früheren Version dieses Artikels war der Name eines Interviewpartners falsch geschrieben. Dies wurde korrigiert. Die Redaktion bittet den Fehler zu entschuldigen.
Es ist ein Antrittsbesuch, der in turbulenten Zeiten so etwas wie Kontinuität vermitteln soll: Erst im Februar zwang der russische Angriffskrieg in der Ukraine Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Afrikareise im Senegal vorzeitig abzubrechen – und genau hier nimmt nun Bundeskanzler Olaf Scholz den Faden wieder auf, gefolgt von Besuchen in den wichtigen Partnerländern Niger und Südafrika. Russland ist seither unterschwellig Thema bei allen außenpolitischen Unternehmungen der Bundesrepublik.
Zunächst reist der seit knapp sechs Monaten amtierende Bundeskanzler in zwei Staaten, die als Stabilitätsanker im krisengeplagten Westafrika eine wichtige Rolle spielen: Senegal, das zurzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union innehat, ist neues Partnerland der G7. Niger ist als militärischer Partner und Transitland für die Migration nach Europa schon länger wichtiges Schlüsselland in den Afrikastrategien Europas. Beide Länder grenzen an das von Putschisten regierte Mali, das sich mit seinen jüngsten Entscheidungen immer mehr von seinen europäischen und afrikanischen Partnern entfernt hat.
Ein militärischer Partner und die Angst vor Nebenwirkungen
Im Kampf gegen den Terror im Sahel hatte die EU unter französischer Führung bis vor einem Jahr auf die Zusammenarbeit mit Mali gesetzt. Dann beendete Paris die französische Militärmission Barkhane nach Diskrepanzen mit Juntaführer und Übergangspräsident Assimi Goita. Die EU hat ihre Ausbildungsmission suspendiert. Niger, das bereits Soldaten aus mehreren westlichen Ländern beherbergt – darunter aus Mali verlegte französische Truppen -, könnte diesen oder nachfolgenden Missionen eine neue Basis bieten. Die Regierung in Niamey sendet bislang positive Signale.
Auch wenn die Sicherheit der Einsatzkräfte durch den Rückzugs Frankreichs ungeklärt ist, hat der Deutsche Bundestag jüngst die Beteiligung der Bundeswehr am UN-Einsatz in Mali für ein weiteres Jahr gebilligt. “Deutschland trägt im Sahel nicht das gleiche Gepäck mit sich wie Frankreich”, sagt der Sicherheitsexperte Priyal Singh von der südafrikanischen Denkfabrik Institute for Security Studies (ISS). Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich stand bis zuletzt immer wieder in der Kritik, eine eigene Agenda in Westafrika zu verfolgen. “Deutschland dürfte ein etwas neutralerer Partner als Frankreich sein, auch, weil es den Fokus bisher auf Wirtschaftsbeziehungen gelegt hat”, so Singh im DW-Interview.
Die nigrische Bevölkerung ist sehr zurückhaltend, was eine weitere militärische Präsenz internationaler Truppen im Land angeht. Das betont Olaf Bernau, der dem Steuerkreis des deutschen zivilgesellschaftlichen Netzwerks Fokus Sahel angehört. In Gesprächen seines Netzwerks mit Menschen im Niger überwiege die Angst, internationale Truppen könnten auch den Konflikt mit dschihadistischen Gruppen weiter in den Sahel-Staat hineintragen, sagt Bernau der DW. Die Botschaft der Bevölkerung an Bundeskanzler Scholz könne demnach nur die Bitte sein, Frankreich von einer weiteren Verlegung seiner Truppen nach Niger abzubringen.
Deutschland selbst bildet seit 2018 Deutschland in der “Operation Gazelle” nigrische Spezialkräfte aus. Die Operation, die nach bisherigen Planungen zum Jahresende auslaufen soll, wird vom Verteidigungsministerium als erfolgreicher Prototyp der internationalen Sicherheitszusammenarbeit gefeiert. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sprach bei ihrem Truppenbesuch im April von einem “Vorzeigeprojekt” – und nährte damit Spekulationen, Niger könne Standort einer Nachfolgemission für EUTM werden.
Perspektive: Militärausbildung und Stärkung der zivilen Mechanismen
Doch mit militärischer Kooperation allein, darüber sind sich Experten einig, wird sich die Sicherheitskrise im Sahel nicht lösen lassen. “Der folgerichtige Schritt wären lokale Frieden schaffende Maßnahmen unter deutscher Führung”, sagt Sicherheitsexperte Priyal Singh. Deutschland habe in diesem Bereich einschlägige Erfahrung. “Es könnte so Vertrauen aufbauen und Graswurzelbewegungen neuen Auftrieb geben”, schätzt Singh.
Win-Win: Wege aus der Abhängigkeit im Energiesektor
Auch Wirtschaftsvertreter legen große Hoffnungen in die Antrittsreise des Bundeskanzlers. Sie komme genau zur richtigen Zeit, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, im DW-Gespräch. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, aber auch der anhaltende Lockdown in Shanghai hätten einseitige Abhängigkeiten, etwa im Energiesektor, verdeutlicht. “Wir müssen uns mit vielen Ländern in anderer Art und Weise austauschen, Rahmenabkommen für Energie und auch in sicherheitspolitischen Fragen schließen”, betont Treier.
In diesen Bereichen bietet Afrika Deutschland wichtige Ansätze – und das nicht nur mit Blick auf die fossilen Energien wie Flüssiggas. Senegal hat in den letzten Jahren viel in Solarenergie investiert und könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
Auch auf Scholz letzter Station, in Südafrika, spielt die Energiewende eine große Rolle. Das Land sei stark auf Kohleimporte angewiesen und habe einen großen Bedarf, seinen Energiesektor zu diversifizieren, sagt Sicherheitsexperte Singh: “Südafrika steckt mindestens seit 2008 in einer Energiekrise. Die Versorgung kommt unseren Anforderungen nicht nach. Es gibt hier unglaubliches Potenzial für eine Partnerschaft zwischen Südafrika und Deutschland, was Investitionen oder auch die Vermittlung von technischem Knowhow angeht.”
Energie-Investitionen erwünscht
Eine positive Entwicklung auf dem Kontinent spielt dem laut DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier in die Hände: Das Anfang 2021 in Kraft getretene Afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA könne ein ähnliches Potenzial entfalten wie der europäische Binnenmarkt, sagt er voraus. Damit gebe es eine bessere Grundlage für deutsche Unternehmen, in Afrika zu investieren und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Neben Rohstoffen könnten dann auch verstärkt afrikanische Produkte in den internationalen Lieferketten eine Rolle spielen.
Korrektur am 21.05.2022: In einer früheren Version dieses Artikels war der Name eines Interviewpartners falsch geschrieben. Dies wurde korrigiert. Die Redaktion bittet den Fehler zu entschuldigen.