SIPRI: Welt stolpert in Ära neuer Gefahren
Das Friedensforschungsinstitut SIPRI sieht die Welt von komplexen und unvorhersehbaren Sicherheitsrisiken bedroht. Doch nach seinem jüngsten Bericht bereitet sich die Politik auf die “neue Ära” nicht ausreichend vor.
SIPRI zeichnet das große Bild: die Weltlage angesichts zunehmend komplexer und unvorhersehbarer Krisen. Seine Analyse “Umwelt des Friedens: Sicherheit in einer neuen Ära des Risikos” könnte zunächst kaum beunruhigender ausfallen – um dann doch Hoffnung zu machen.
Wir befinden uns demnach “in einer planetarischen Notlage”, warnt das Stockholm International Peace Research Institute, das durch seine jährlichen Rüstungsexportberichte bekannt geworden ist. Sich zuspitzende Umweltkrisen und Sicherheitslagen verstärkten sich gegenseitig auf gefährliche Weise. Das Abholzen von Wäldern, das Schmelzen der Gletscher sowie die Verschmutzung der Ozeane durch Plastik gehe einher mit dem Anstieg von Toten in Konflikten, Rüstungsausgaben und hungernden Menschen. Wie durch das Coronavirus ausgelöste Pandemien sorgten für weitere Gefahren.
SIPRI zeichnet das große Bild: die Weltlage angesichts zunehmend komplexer und unvorhersehbarer Krisen. Seine Analyse “Umwelt des Friedens: Sicherheit in einer neuen Ära des Risikos” könnte zunächst kaum beunruhigender ausfallen – um dann doch Hoffnung zu machen.
Beispiel Somalia. In dem ostafrikanischen Land hätten eine anhaltende Dürre in Verbindung mit Armut, mangelnder Vorsorge und einer schwachen Regierung die Menschen in die Arme der islamistischen Extremistengruppe al-Shabab getrieben. Zu den leidtragenden Regionen gehöre auch Mittelamerika. Dort hätten Ernteausfälle als Folge des Klimawandels in Verbindung mit Gewalt und Korruption Fluchtbewegungen in Richtung der USA ausgelöst.
Globale Notlage wegen multipler Krisen
Es fehle an einem länderübergreifenden Plan. Die Welt “stolpere” der neuen, komplexen Gefahrenlage entgegen. “Natur und Frieden sind so eng miteinander verbunden, dass die Schädigung des einen das andere belastet, während die Förderung des einen das andere stärkt. Handeln ist möglich. Und die Zeit zum Handeln ist jetzt”, mahnt SIPRI-Direktor Dan Smith im DW-Gespräch.
Das schwedische Friedensforschungsinstituts versteht seinen jüngsten Bericht, der kurz vor der Eröffnung des neunten Stockholmer Forums für Frieden und Entwicklung veröffentlicht wurde, als Weckruf an Politiker und sonstige Entscheider. Einige Regierungen hätten die Schwere der Krise nicht erkannt, weggeschaut, oder sogar Unsicherheit geschürt, lautet ein Vorwurf. “Andere Staats- und Regierungschefs wiederum würden gerne handeln, aber sie haben andere Prioritäten, die dringend Zeit und Aufmerksamkeit erfordern – wie die Corona-Pandemie der letzten zwei Jahre und aktuell der Krieg in der Ukraine”, sagt Smith.
Die 30 Autoren des Friedensforschungsinstituts und anderer Institutionen schlussfolgern: “Die menschliche Gesellschaft mag reicher sein als früher, aber sie ist deutlich unsicherer.” Auf 93 Seiten beschreiben sie die globalen Folgen, die regionale Ereignisse in der heutigen, vernetzten Welt haben können.
Durch den Klimawandel verursachte Wetterkatastrophen und die Corona-Pandemie bedrohen globale Lieferketten. Gewalt und Erntekatastrophen machen das Leben vieler Bauern unerträglich und tragen zur weltweiten Migration bei. Leidtragende seien “oftmals Länder, die bereits unter Armut und schlechter Regierungsführung leiden.”
Nach den Zahlen von “Umwelt des Friedens: Sicherheit in einer neuen Ära des Risikos” (Environment of Peace: Security in a New Era of Risk) verdoppelten sich die bewaffneten Konflikte zwischen Staaten in den Jahren 2010 bis 2020 auf 56. Ebenfalls verdoppelte sich die Anzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen. Sie kletterte auf 82,4 Millionen. Zudem gab es 2020 einen Zuwachs an Atomsprengköpfen – nach Jahren der Reduzierung. Und 2021 überstiegen die weltweiten Militärausgaben die Grenze von zwei Billionen US-Dollar. Zum ersten Mal überhaupt.
Auch in Bezug auf die Umwelt beschreibt das SIPRI-Papier eine desaströse Lage. Etwa ein Viertel aller Arten seien vom Aussterben bedroht. Der Bestand bestäubender Insekten gehe rapide zurück. Die Bodenqualität nehme ab, “während die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Wälder und Fische auf einem unhaltbaren Niveau anhält.” Der Klimawandel führe zu häufigeren und intensiveren Wetterextremen.
Der ehemaligen schwedischen Außenministerin und EU-Kommissarin für Umwelt, Margot Wallström, hat die Corona-Pandemie vor Augen geführt, “welche Risiken wir eingehen, wenn wir uns nicht vorbereiten”. Während sich die Umwelt- und Sicherheitskrisen verschlimmerten, “müssen die Regierungen die bevorstehenden Risiken einschätzen, die Fähigkeit entwickeln, mit ihnen umzugehen, und die Gesellschaften widerstandsfähiger machen”, fordert Wallström. Sie gehört zum internationalen Expertengremium, das die SIPRI-Initiative Umwelt des Friedens berät.
Wie man vorausschauend handelt, hat nach Einschätzung der Friedensforscher Südkorea gezeigt. Das asiatische Land habe seine Lehren aus dem SARS-Ausbruch von 2002 angewendet. Es sei ihm gelungen, seine COVID-19-Sterblichkeitsrate in den ersten zwei Jahren der Pandemie auf etwa zehn Prozent der Sterblichkeitsrate von Ländern mit vergleichbarer Bevölkerungszahl zu senken. Dadurch habe Südkorea einen Großteil der wirtschaftlichen und sozialen Probleme vermieden, “die in anderen Ländern zu spüren gewesen seien, die sich auf die Pandemie nicht ausreichend vorbereitet hatten”.
In ihrem Bericht zeigen die SIPRI-Autoren mögliche Wege aus der Krise – als Richtschnur für politische Entscheidungsträger. So werden unter anderem weitsichtige Visionen benötigt, aber auch kurzfristiges Handeln. Die neue Ära der Risiken erfordere eine neue Art der Zusammenarbeit, um gemeinsamen Bedrohungen zu begegnen. Bei allen Entscheidungsprozessen von den Vereinten Nationen bis hin zu kommunalen Projekten sollten die am meisten betroffenen Menschen einbezogen werden.
Doch sind diese Empfehlungen realistisch? Ist eine neue, bessere Qualität internationaler Zusammenarbeit nicht reines Wunschdenken – angesichts der russischen Invasion in der Ukraine, eines drohenden neuen Eisernen Vorhangs und zunehmender Spannungen des Westens mit China? “Wenn man annimmt, dass etwas unmöglich ist, wird es auch unmöglich”, entgegnet SIPRI-Direktor Dan Smith.
Die Staats- und Regierungschefs aller Länder müssten schon aus Eigeninteresse handeln. “Sie wissen, dass die Umweltzerstörung zu mehr Unsicherheit führt. Weil sie Sicherheit brauchen, müssen sie die Umweltzerstörung bekämpfen. Das könnten sie nur gemeinsam tun.” So wie das China und die USA in ihrer gemeinsamen Erklärung zur Zusammenarbeit beim Klimaschutz auf der COP 26 im vergangenen November getan hätten.
Für Smith spielt Deutschland als große Wirtschaftsmacht eine wichtige politische Rolle bei der Gestaltung des erforderlichen Wandels. Deutschland sei das erste Land gewesen, “das den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheitsrisiken im UN-Sicherheitsrat zur Sprache brachte.” Jetzt könne Deutschland eine Energiewende einleiten, “die sich nicht nur von russischen fossilen Brennstoffen loslöst, sondern von fossilen Brennstoffen insgesamt”.
SIPRI zeichnet das große Bild: die Weltlage angesichts zunehmend komplexer und unvorhersehbarer Krisen. Seine Analyse “Umwelt des Friedens: Sicherheit in einer neuen Ära des Risikos” könnte zunächst kaum beunruhigender ausfallen – um dann doch Hoffnung zu machen.
Wir befinden uns demnach “in einer planetarischen Notlage”, warnt das Stockholm International Peace Research Institute, das durch seine jährlichen Rüstungsexportberichte bekannt geworden ist. Sich zuspitzende Umweltkrisen und Sicherheitslagen verstärkten sich gegenseitig auf gefährliche Weise. Das Abholzen von Wäldern, das Schmelzen der Gletscher sowie die Verschmutzung der Ozeane durch Plastik gehe einher mit dem Anstieg von Toten in Konflikten, Rüstungsausgaben und hungernden Menschen. Wie durch das Coronavirus ausgelöste Pandemien sorgten für weitere Gefahren.
Globale Notlage wegen multipler Krisen
Beispiel Somalia. In dem ostafrikanischen Land hätten eine anhaltende Dürre in Verbindung mit Armut, mangelnder Vorsorge und einer schwachen Regierung die Menschen in die Arme der islamistischen Extremistengruppe al-Shabab getrieben. Zu den leidtragenden Regionen gehöre auch Mittelamerika. Dort hätten Ernteausfälle als Folge des Klimawandels in Verbindung mit Gewalt und Korruption Fluchtbewegungen in Richtung der USA ausgelöst.
Es fehle an einem länderübergreifenden Plan. Die Welt “stolpere” der neuen, komplexen Gefahrenlage entgegen. “Natur und Frieden sind so eng miteinander verbunden, dass die Schädigung des einen das andere belastet, während die Förderung des einen das andere stärkt. Handeln ist möglich. Und die Zeit zum Handeln ist jetzt”, mahnt SIPRI-Direktor Dan Smith im DW-Gespräch.
Das schwedische Friedensforschungsinstituts versteht seinen jüngsten Bericht, der kurz vor der Eröffnung des neunten Stockholmer Forums für Frieden und Entwicklung veröffentlicht wurde, als Weckruf an Politiker und sonstige Entscheider. Einige Regierungen hätten die Schwere der Krise nicht erkannt, weggeschaut, oder sogar Unsicherheit geschürt, lautet ein Vorwurf. “Andere Staats- und Regierungschefs wiederum würden gerne handeln, aber sie haben andere Prioritäten, die dringend Zeit und Aufmerksamkeit erfordern – wie die Corona-Pandemie der letzten zwei Jahre und aktuell der Krieg in der Ukraine”, sagt Smith.
Die 30 Autoren des Friedensforschungsinstituts und anderer Institutionen schlussfolgern: “Die menschliche Gesellschaft mag reicher sein als früher, aber sie ist deutlich unsicherer.” Auf 93 Seiten beschreiben sie die globalen Folgen, die regionale Ereignisse in der heutigen, vernetzten Welt haben können.
Weckruf an Politik und Entscheider
Durch den Klimawandel verursachte Wetterkatastrophen und die Corona-Pandemie bedrohen globale Lieferketten. Gewalt und Erntekatastrophen machen das Leben vieler Bauern unerträglich und tragen zur weltweiten Migration bei. Leidtragende seien “oftmals Länder, die bereits unter Armut und schlechter Regierungsführung leiden.”
Mehr Risiken durch mangelnde Vorbereitung
Nach den Zahlen von “Umwelt des Friedens: Sicherheit in einer neuen Ära des Risikos” (Environment of Peace: Security in a New Era of Risk) verdoppelten sich die bewaffneten Konflikte zwischen Staaten in den Jahren 2010 bis 2020 auf 56. Ebenfalls verdoppelte sich die Anzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen. Sie kletterte auf 82,4 Millionen. Zudem gab es 2020 einen Zuwachs an Atomsprengköpfen – nach Jahren der Reduzierung. Und 2021 überstiegen die weltweiten Militärausgaben die Grenze von zwei Billionen US-Dollar. Zum ersten Mal überhaupt.
Auch in Bezug auf die Umwelt beschreibt das SIPRI-Papier eine desaströse Lage. Etwa ein Viertel aller Arten seien vom Aussterben bedroht. Der Bestand bestäubender Insekten gehe rapide zurück. Die Bodenqualität nehme ab, “während die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Wälder und Fische auf einem unhaltbaren Niveau anhält.” Der Klimawandel führe zu häufigeren und intensiveren Wetterextremen.
Der ehemaligen schwedischen Außenministerin und EU-Kommissarin für Umwelt, Margot Wallström, hat die Corona-Pandemie vor Augen geführt, “welche Risiken wir eingehen, wenn wir uns nicht vorbereiten”. Während sich die Umwelt- und Sicherheitskrisen verschlimmerten, “müssen die Regierungen die bevorstehenden Risiken einschätzen, die Fähigkeit entwickeln, mit ihnen umzugehen, und die Gesellschaften widerstandsfähiger machen”, fordert Wallström. Sie gehört zum internationalen Expertengremium, das die SIPRI-Initiative Umwelt des Friedens berät.
Lösungsvorschläge zur Krisenverhinderung
Wie man vorausschauend handelt, hat nach Einschätzung der Friedensforscher Südkorea gezeigt. Das asiatische Land habe seine Lehren aus dem SARS-Ausbruch von 2002 angewendet. Es sei ihm gelungen, seine COVID-19-Sterblichkeitsrate in den ersten zwei Jahren der Pandemie auf etwa zehn Prozent der Sterblichkeitsrate von Ländern mit vergleichbarer Bevölkerungszahl zu senken. Dadurch habe Südkorea einen Großteil der wirtschaftlichen und sozialen Probleme vermieden, “die in anderen Ländern zu spüren gewesen seien, die sich auf die Pandemie nicht ausreichend vorbereitet hatten”.
In ihrem Bericht zeigen die SIPRI-Autoren mögliche Wege aus der Krise – als Richtschnur für politische Entscheidungsträger. So werden unter anderem weitsichtige Visionen benötigt, aber auch kurzfristiges Handeln. Die neue Ära der Risiken erfordere eine neue Art der Zusammenarbeit, um gemeinsamen Bedrohungen zu begegnen. Bei allen Entscheidungsprozessen von den Vereinten Nationen bis hin zu kommunalen Projekten sollten die am meisten betroffenen Menschen einbezogen werden.
Deutschlands Rolle für den Wandel
Doch sind diese Empfehlungen realistisch? Ist eine neue, bessere Qualität internationaler Zusammenarbeit nicht reines Wunschdenken – angesichts der russischen Invasion in der Ukraine, eines drohenden neuen Eisernen Vorhangs und zunehmender Spannungen des Westens mit China? “Wenn man annimmt, dass etwas unmöglich ist, wird es auch unmöglich”, entgegnet SIPRI-Direktor Dan Smith.
Die Staats- und Regierungschefs aller Länder müssten schon aus Eigeninteresse handeln. “Sie wissen, dass die Umweltzerstörung zu mehr Unsicherheit führt. Weil sie Sicherheit brauchen, müssen sie die Umweltzerstörung bekämpfen. Das könnten sie nur gemeinsam tun.” So wie das China und die USA in ihrer gemeinsamen Erklärung zur Zusammenarbeit beim Klimaschutz auf der COP 26 im vergangenen November getan hätten.
Für Smith spielt Deutschland als große Wirtschaftsmacht eine wichtige politische Rolle bei der Gestaltung des erforderlichen Wandels. Deutschland sei das erste Land gewesen, “das den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheitsrisiken im UN-Sicherheitsrat zur Sprache brachte.” Jetzt könne Deutschland eine Energiewende einleiten, “die sich nicht nur von russischen fossilen Brennstoffen loslöst, sondern von fossilen Brennstoffen insgesamt”.