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Hört Griechenlands Regierung Journalisten ab?

In Griechenland wurde auf dem Telefon eines Journalisten die Spyware Predator gefunden. Wer ist dafür verantwortlich? Spuren reichen bis in höchste Kreise.

“Thanasis, hast Du dich schon mit diesem Thema beschäftigt?” Diese Kurznachricht und einen Link erhielt der investigative Finanzjournalist Thanasis Koukakis am 12. Juli 2021 auf sein Handy. Absender: Eine unbekannte Handynummer. Für Journalisten und Journalistinnen ist das nichts Ungewöhnliches. Sie bekommen regelmäßig Hinweise von Unbekannten, die mitunter wichtige Erkenntnisse bringen können. Also klickte Koukakis auf den Link und erlaubte der Spionage-Software Predator somit unbewusst Zugriff auf sein Handy.

Predator ist ein Programm, das vom nordmazedonischen Start-Up Cytrox entwickelt und vertrieben wird, einer sogenannten Spyware-for-hire-Firma. Diese Unternehmen entwickeln Überwachungssysteme nicht im Auftrag von Regierungen, sondern bieten diese als Produkt auf dem freien Markt an. Crunchbase, eine US-amerikanische Webseite, die Informationen zu Start-Ups und Unternehmen recherchiert, beschreibt Cytrox als gewinnorientiertes Unternehmen, “das Regierungen operative Cyber-Lösungen für Design, Verwaltung und Implementierung von Cyber-Intelligenz bietet und innovative Maschinen, die Informationen aus Endgeräten und Clouds sammeln.”

“Thanasis, hast Du dich schon mit diesem Thema beschäftigt?” Diese Kurznachricht und einen Link erhielt der investigative Finanzjournalist Thanasis Koukakis am 12. Juli 2021 auf sein Handy. Absender: Eine unbekannte Handynummer. Für Journalisten und Journalistinnen ist das nichts Ungewöhnliches. Sie bekommen regelmäßig Hinweise von Unbekannten, die mitunter wichtige Erkenntnisse bringen können. Also klickte Koukakis auf den Link und erlaubte der Spionage-Software Predator somit unbewusst Zugriff auf sein Handy.

Das Citizen Lab, ein Projekt der Universität Toronto, das sich mit Fragen von Sicherheit und Menschenrechten im Kontext von Informationstechnologien befasst, hatte Predator im Jahr 2021 auf Koukakis Handy identifiziert und festgestellt, dass die Spyware über einen Zeitraum von zwei Monaten aktiv war. Doch nicht nur das. Ein Bericht des griechischen Investigativnetzwerks Reporters United hatte bereits im April 2022 nachweisen können, dass Koukakis vom griechischen Geheimdienst beobachtet wurde – aus Gründen nationaler Sicherheit, wie den Dokumenten zu entnehmen ist, die dem Investigativteam vorlagen.

Großoffensive mit Predator-Spyware?

In der Zeit, in der er überwacht wurde, recherchierte Koukakis im Umfeld von Banken. Wieso ihn das allerdings in einen Konflikt mit der nationalen Sicherheit bringen sollte, bleibt fraglich. “Als ich herausfand, dass ich überwacht wurde, habe ich das bei der zuständigen Behörde angezeigt – und die Überwachung wurde sofort beendet”, erklärt Koukakis im Gespräch mit der DW. Als er dann bei der Regierung Zugang zu den über ihn gesammelten Daten beantragte, änderte die Regierung ein Gesetz, so dass ihm die zuständige Unabhängige Behörde zur Gewährleistung der Vertraulichkeit von Kommunikation keine Auskunft mehr geben konnte.

Kurz nachdem die offizielle Überwachung der Regierung aufhörte, wurde Koukakis Handy mit Predator infiziert. Das Athener Nachrichtenportal Inside Story hat inzwischen herausgefunden, dass nicht nur der Finanzreporter Koukakis betroffen ist. Insgesamt wurden 50 sogenannte Phishing-Sites identifiziert, darunter angebliche Medienportale, die Transparenz-Organisation Vouliwatch, ein Fußballclub oder Autohersteller. Ein Klick eines unwissenden Users auf eine dieser täuschend echt aussehenden Seiten genügt, um die Spyware auf dem Handy zu installieren. Thanasis Koukakis vermutet die Regierung hinter dem Cyberangriff auf seine Privatsphäre. Diese aber streitet die Vorwürfe vehement ab. Eliza Triantafyllou, Investigativreporterin bei Inside Story aber fragt sich, wer sonst noch Interesse an solchen Daten haben könnte: “Es geht nicht nur um Journalisten und Journalistinnen, sondern eventuell auch um die Armee, um Diplomaten, Politiker oder andere Personen der Zivilgesellschaft”, so Triantafyllou.

Auf dem Anfang Mai 2022 von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Pressefreiheitsindex ist Griechenland von Platz 70 auf Platz 108 gerutscht und bildet somit das Schlusslicht in der EU. Im Sommer 2021 war ans Licht gekommen, dass der Geheimdienst den Journalisten Stavros Malichudis überwachte. Die Journalisten Kostas Vaxevanis und Gianna Papadakou müssen sich derzeit vor Gericht verantworten. Papadakou wurde auf Basis eines neuen, von Medienrechtlern heftig kritisierten Fake-News-Gesetzes angeklagt. Vaxevanis soll sich wegen Verschwörung und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung verantworten. Beide hatten zum international bekannten Novartis-Skandal recherchiert, bei dem der Schweizer Pharmariese hochrangige Politiker in Griechenland bestochen hatte.

Eleni Touloupaki kennt den Fall Novartis in- und auswendig. Als ehemalige Transparenzbeauftragte und Staatsanwältin war sie verantwortlich für die Untersuchung. Dabei sammelte sie Beweise dafür, dass hochrangige Politiker der derzeitigen konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia, sowie der sozialistischen Partei PASOK Bestechungsgelder in Millionenhöhe kassiert hatten. Nun steht sie selbst vor Gericht: “Es geht um die vage Anschuldigung, ich sei Mitglied in einer kriminellen Vereinigung, deren Mitglieder die sind, die sich durch juristische oder journalistische Recherche an Politiker herangewagt haben,” erklärt Touloupaki gegenüber der DW. Der Fall gegen sie basiere auf reinen Vermutungen und nicht auf Beweisen.

In den Vereinigten Staaten hatte Novartis ähnliche Bestechungs-Anschuldigungen bereits 2018 zugegeben und außergerichtliche Entschädigungen gezahlt. In Griechenland aber wurde das bis vor kurzem ignoriert. Nun fordert Gesundheitsminister Thanos Plevris in einer schriftlichen Stellungnahme Geld von Novartis. Touloupaki sieht darin eher einen strategischen Hintergrund: “Diese Stellungnahme wurde unter dem Druck veröffentlicht, der durch die Aufmerksamkeit aus dem Ausland kam, wo man beobachtet, was sie hier mit uns machen.”

Trotz allem sieht die nationale Transparenzbehörde Griechenlands das Land auf einem guten Weg. Korruptionsbekämpfung sei für die Regierung oberste Priorität, teilte sie der DW mit. Kürzlich war die Unabhängige Behörde in die Kritik geraten, als sie in einem Bericht die durch Medien immer wieder erhobenen Anschuldigungen bezüglich illegaler Pushbacks von Asylsuchenden für nichtig erklärte. Dabei wurden in einer ersten Version fälschlicherweise auch Namen veröffentlicht, die dann in einer redigierten Version entfernt wurden. Es stellte sich heraus, dass die Behörde fast ausschließlich mit Beamten der Polizei und der Küstenwache gesprochen hatte. Diese aber gehören zu den Hauptbeschuldigten in den Pushback-Affären. Insgesamt wurden nur eine Nichtregierungsorganisation und ein Migrant befragt. Kritiker werfen der Behörde daher zu viel Regierungsnähe vor.

Stefanos Loukopoulos von der Transparenz-Initiative Vouliwatch sieht zwar Potenzial in der Transparenzbehörde, bemängelt aber, dass es bislang an Taten fehle: “In den drei Jahren seit der Gründung hat die Agentur nur sehr wenig getan, um die Probleme des Landes anzugehen”, so sein Fazit. “Die Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden in Griechenland zunehmend auf die Probe gestellt.”

Rückschritte in punkto Demokratie seien gut dokumentiert: “Die Versuche der Regierung, Narrative zu konstruieren und die Realität zu verzerren sind sehr problematisch.” Zudem seien diverse Einschränkungen der Pressefreiheit besorgniserregend: “Eine kleine Anzahl an reichen Reedern besitzt einen Großteil der Medien. Diese haben enge Verbindungen zur Regierung.” All dies zeige, dass sich die Pressefreiheit in Griechenland in einem desolaten Zustand befinde.

Der Finanzjournalist Thanasis Koukakis
Investigativreporterin Eliza Triantafyllidou
Ex-Staatsanwältin Eleni Toloupaki

“Thanasis, hast Du dich schon mit diesem Thema beschäftigt?” Diese Kurznachricht und einen Link erhielt der investigative Finanzjournalist Thanasis Koukakis am 12. Juli 2021 auf sein Handy. Absender: Eine unbekannte Handynummer. Für Journalisten und Journalistinnen ist das nichts Ungewöhnliches. Sie bekommen regelmäßig Hinweise von Unbekannten, die mitunter wichtige Erkenntnisse bringen können. Also klickte Koukakis auf den Link und erlaubte der Spionage-Software Predator somit unbewusst Zugriff auf sein Handy.

Predator ist ein Programm, das vom nordmazedonischen Start-Up Cytrox entwickelt und vertrieben wird, einer sogenannten Spyware-for-hire-Firma. Diese Unternehmen entwickeln Überwachungssysteme nicht im Auftrag von Regierungen, sondern bieten diese als Produkt auf dem freien Markt an. Crunchbase, eine US-amerikanische Webseite, die Informationen zu Start-Ups und Unternehmen recherchiert, beschreibt Cytrox als gewinnorientiertes Unternehmen, “das Regierungen operative Cyber-Lösungen für Design, Verwaltung und Implementierung von Cyber-Intelligenz bietet und innovative Maschinen, die Informationen aus Endgeräten und Clouds sammeln.”

Großoffensive mit Predator-Spyware?

Das Citizen Lab, ein Projekt der Universität Toronto, das sich mit Fragen von Sicherheit und Menschenrechten im Kontext von Informationstechnologien befasst, hatte Predator im Jahr 2021 auf Koukakis Handy identifiziert und festgestellt, dass die Spyware über einen Zeitraum von zwei Monaten aktiv war. Doch nicht nur das. Ein Bericht des griechischen Investigativnetzwerks Reporters United hatte bereits im April 2022 nachweisen können, dass Koukakis vom griechischen Geheimdienst beobachtet wurde – aus Gründen nationaler Sicherheit, wie den Dokumenten zu entnehmen ist, die dem Investigativteam vorlagen.

In der Zeit, in der er überwacht wurde, recherchierte Koukakis im Umfeld von Banken. Wieso ihn das allerdings in einen Konflikt mit der nationalen Sicherheit bringen sollte, bleibt fraglich. “Als ich herausfand, dass ich überwacht wurde, habe ich das bei der zuständigen Behörde angezeigt – und die Überwachung wurde sofort beendet”, erklärt Koukakis im Gespräch mit der DW. Als er dann bei der Regierung Zugang zu den über ihn gesammelten Daten beantragte, änderte die Regierung ein Gesetz, so dass ihm die zuständige Unabhängige Behörde zur Gewährleistung der Vertraulichkeit von Kommunikation keine Auskunft mehr geben konnte.

Kurz nachdem die offizielle Überwachung der Regierung aufhörte, wurde Koukakis Handy mit Predator infiziert. Das Athener Nachrichtenportal Inside Story hat inzwischen herausgefunden, dass nicht nur der Finanzreporter Koukakis betroffen ist. Insgesamt wurden 50 sogenannte Phishing-Sites identifiziert, darunter angebliche Medienportale, die Transparenz-Organisation Vouliwatch, ein Fußballclub oder Autohersteller. Ein Klick eines unwissenden Users auf eine dieser täuschend echt aussehenden Seiten genügt, um die Spyware auf dem Handy zu installieren. Thanasis Koukakis vermutet die Regierung hinter dem Cyberangriff auf seine Privatsphäre. Diese aber streitet die Vorwürfe vehement ab. Eliza Triantafyllou, Investigativreporterin bei Inside Story aber fragt sich, wer sonst noch Interesse an solchen Daten haben könnte: “Es geht nicht nur um Journalisten und Journalistinnen, sondern eventuell auch um die Armee, um Diplomaten, Politiker oder andere Personen der Zivilgesellschaft”, so Triantafyllou.

Auf dem Anfang Mai 2022 von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Pressefreiheitsindex ist Griechenland von Platz 70 auf Platz 108 gerutscht und bildet somit das Schlusslicht in der EU. Im Sommer 2021 war ans Licht gekommen, dass der Geheimdienst den Journalisten Stavros Malichudis überwachte. Die Journalisten Kostas Vaxevanis und Gianna Papadakou müssen sich derzeit vor Gericht verantworten. Papadakou wurde auf Basis eines neuen, von Medienrechtlern heftig kritisierten Fake-News-Gesetzes angeklagt. Vaxevanis soll sich wegen Verschwörung und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung verantworten. Beide hatten zum international bekannten Novartis-Skandal recherchiert, bei dem der Schweizer Pharmariese hochrangige Politiker in Griechenland bestochen hatte.

Ehemalige Transparenz-Beauftragte vor Gericht

Eleni Touloupaki kennt den Fall Novartis in- und auswendig. Als ehemalige Transparenzbeauftragte und Staatsanwältin war sie verantwortlich für die Untersuchung. Dabei sammelte sie Beweise dafür, dass hochrangige Politiker der derzeitigen konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia, sowie der sozialistischen Partei PASOK Bestechungsgelder in Millionenhöhe kassiert hatten. Nun steht sie selbst vor Gericht: “Es geht um die vage Anschuldigung, ich sei Mitglied in einer kriminellen Vereinigung, deren Mitglieder die sind, die sich durch juristische oder journalistische Recherche an Politiker herangewagt haben,” erklärt Touloupaki gegenüber der DW. Der Fall gegen sie basiere auf reinen Vermutungen und nicht auf Beweisen.

Rückschritte in punkto Demokratie

In den Vereinigten Staaten hatte Novartis ähnliche Bestechungs-Anschuldigungen bereits 2018 zugegeben und außergerichtliche Entschädigungen gezahlt. In Griechenland aber wurde das bis vor kurzem ignoriert. Nun fordert Gesundheitsminister Thanos Plevris in einer schriftlichen Stellungnahme Geld von Novartis. Touloupaki sieht darin eher einen strategischen Hintergrund: “Diese Stellungnahme wurde unter dem Druck veröffentlicht, der durch die Aufmerksamkeit aus dem Ausland kam, wo man beobachtet, was sie hier mit uns machen.”

Trotz allem sieht die nationale Transparenzbehörde Griechenlands das Land auf einem guten Weg. Korruptionsbekämpfung sei für die Regierung oberste Priorität, teilte sie der DW mit. Kürzlich war die Unabhängige Behörde in die Kritik geraten, als sie in einem Bericht die durch Medien immer wieder erhobenen Anschuldigungen bezüglich illegaler Pushbacks von Asylsuchenden für nichtig erklärte. Dabei wurden in einer ersten Version fälschlicherweise auch Namen veröffentlicht, die dann in einer redigierten Version entfernt wurden. Es stellte sich heraus, dass die Behörde fast ausschließlich mit Beamten der Polizei und der Küstenwache gesprochen hatte. Diese aber gehören zu den Hauptbeschuldigten in den Pushback-Affären. Insgesamt wurden nur eine Nichtregierungsorganisation und ein Migrant befragt. Kritiker werfen der Behörde daher zu viel Regierungsnähe vor.

Stefanos Loukopoulos von der Transparenz-Initiative Vouliwatch sieht zwar Potenzial in der Transparenzbehörde, bemängelt aber, dass es bislang an Taten fehle: “In den drei Jahren seit der Gründung hat die Agentur nur sehr wenig getan, um die Probleme des Landes anzugehen”, so sein Fazit. “Die Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden in Griechenland zunehmend auf die Probe gestellt.”

Rückschritte in punkto Demokratie seien gut dokumentiert: “Die Versuche der Regierung, Narrative zu konstruieren und die Realität zu verzerren sind sehr problematisch.” Zudem seien diverse Einschränkungen der Pressefreiheit besorgniserregend: “Eine kleine Anzahl an reichen Reedern besitzt einen Großteil der Medien. Diese haben enge Verbindungen zur Regierung.” All dies zeige, dass sich die Pressefreiheit in Griechenland in einem desolaten Zustand befinde.

Überwachungsskandal in Griechenland: Wie transparent ist das Land?

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