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Koloniale Raubkunst: Namibia erhält 23 Objekte aus Deutschland zurück

In Namibia werden 23 Objekte aus der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert. Nun beginnt die Forschung zu ihren Ursprüngen. Doch wieso ist diese Rückgabe lediglich eine Leihgabe?

Es ist eine feierliche Kulisse: Auf einem riesigen Wandgemälde im Unabhängigkeitsmuseum von Windhoek blasen die Mitglieder der namibischen Volksbefreiungsarmee (PLAN) zum Angriff auf die Truppen der Kolonialherren. Darunter verkündet eine namibisch-deutsche Delegation stolz die Rückführung von 23 Objekten aus der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin nach Namibia.

“Laut unseren Aufzeichnungen wurden die 23 Artefakte zwischen 1860 und 1890 erworben”, erklärt Nehao Kautondokwa. Sie ist Vorsitzende der namibischen Museumsvereinigung (MAN). Gemeinsam mit ihren Kollegen des Ethnologischen Museums, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Gerda Henkel Stiftung und der namibischen Universität (UNAM) darf sie die Objekte erstmals der namibischen Öffentlichkeit präsentieren.

Es ist eine feierliche Kulisse: Auf einem riesigen Wandgemälde im Unabhängigkeitsmuseum von Windhoek blasen die Mitglieder der namibischen Volksbefreiungsarmee (PLAN) zum Angriff auf die Truppen der Kolonialherren. Darunter verkündet eine namibisch-deutsche Delegation stolz die Rückführung von 23 Objekten aus der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin nach Namibia.

Sie alle sind Teil des wissenschaftlichen Kooperationsprojektes “Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures”. Bei den Objekten handelt sich um Alltagsgegenstände, Schmuck und Mode. Sogar eine Kinderpuppe ist dabei. “Jeder Namibier wird dabei repräsentiert. Das war eines der Auswahlkriterien”, fügt Kautondokwa hinzu.

Auf zukünftige Rückgaben vorbereiten

Getroffen wurde die Auswahl 2019 und 2020 von einer Gruppe von Gemeindevertretern, Künstlern, Forschern und Museumsexperten aus Namibia. Eine davon war Ndapewoshali Ashipala, die amtierende MAN-Direktorin. Für sie war die Teilnahme am Projekt ein Weckruf, wie sie im DW-Interview verrät. “Du schaust dir ein Objekt an und dann heißt es, das gehört zu einer der Gemeinschaften des Landes. Aber du hast sowas noch nie gesehen!” Diese Erfahrungen haben sie nach eigenen Angaben zu einem Geschichtsstudium motiviert, mit Spezialisierung auf bisher unbekannte Handelsbeziehungen zwischen den namibischen Volksgruppen.

Goodman Gwasira füllen solche Geschichten mit Stolz. Er ist Dozent an der UNAM, einem weiteren Projektpartner. Auf der Pressekonferenz erklärt er, wie die Kolonialzeit die Menschen in Afrika entmündigt habe. Durch das Kooperationsprojekt werde Namibia nun die Fähigkeit zurückgegeben, lokal Fachkräfte und Ausbildungsprogramme für den Umgang mit diesen historisch wertvollen Objekten zu entwickeln. Ziel müsse es jetzt sein, sich auf zukünftige Rückgaben vorzubereiten, so Gwasira.

Zwar sei Namibia zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bereit, die geschätzten 12.000 namibischen Objekte aus europäischen Museen aufzunehmen, sagt er. Aber: “Wie vorbereitet waren die Europäer, als sie die Objekte damals mitgenommen haben?” Man müsse als Projektpartner zusammenarbeiten, um die notwendigen Grundlagen in Namibia zu schaffen.

“Die Kollegen in Namibia haben genauso ein Interesse daran, die Objekte zu bewahren, wie wir es hatten”, betont auch der Direktor des Ethnologischen Museums in Berlin, Lars-Christian Koch. 

Dabei ist es längst nicht nur eine Frage der Kapazitäten. Die Rückführung von namibischen Kulturgütern ist auch immer ein hoch emotionales Thema. Zuletzt etwa bei der Rückgabe der Bibel und der Peitsche des namibischen Volkshelden Hendrik Witbooi, Anfang 2019. Und auch dieses Mal ist die Reaktion auf die Rückgabe der 23 Objekte nicht ausnahmslos positiv. Weil es genau genommen gar keine Rückgabe, sondern nur eine Leihgabe ist.

Der Begriff sorgt im Vorfeld auf den sozialen Medien für Kritik. Laut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat er allerdings rein bürokratische Gründe. Weil eine Leihe durch die Stiftung schneller beschlossen werden konnte, hätten sich die Kooperationspartner zunächst auf eine Art “Dauerleihe” geeinigt.

“Die Dinge, die hierbleiben sollen, werden auch hierbleiben. Und das gilt für die 23 auf jeden Fall”, sagt Stiftungspräsident Hermann Parzinger in Windhoek gegenüber der DW. Im Juni tagt der Stiftungsrat, dann könnten die Grundlagen für eine offizielle Rückgabe geschaffen werden. “Dann muss von namibischer Seite eine Rückforderung stattfinden und dann ist der Prozess relativ einfach und die Objekte sind schon im Land,” fügt Museumsdirektor Koch hinzu.

Derweil steht Namibia jetzt vor Beginn des Forschungsprozesses zu den 23 Objekten, die aktuell im namibischen Nationalmuseum aufbewahrt werden. Nach Wunsch der namibischen Partner soll möglichst auch die Öffentlichkeit eingebunden werden, um vielleicht schon vergessenes Wissen über das namibische Kulturerbe wieder aufzudecken.

“Wir wollen die Geschichte rund um die Artefakte aus namibischer Sicht neu schreiben, die wahren Ursprünge und die Bedeutung der Artefakte ergründen”, erklärt die Vorsitzende der namibischen Museumsvereinigung, Nehao Kautondokwa.

Das Projekt läuft noch bis 2024. Im Rahmen der Pressekonferenz in Windhoek wird aber klar, dass auch in Zukunft weitere Kulturgüter aus Deutschland nach Namibia zurückkehren sollen. Und nach Wunsch von Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, irgendwann vielleicht auch wieder in die umgekehrte Richtung gehen: “In vielen Ländern der Welt ist ein Austausch mit Leihgaben ganz normal. Warum soll es nicht auch mit Namibia der Fall sein?”

 

Esther Moombolah Gôagoses, Direktorin des Nationalmuseums, und Hermann Parzinger, Praesident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, verpacken eines der 23 rückzuführenden Objekte.
Vier der 23 Artefakte, die an Namibia zurückgegeben worden sind

Es ist eine feierliche Kulisse: Auf einem riesigen Wandgemälde im Unabhängigkeitsmuseum von Windhoek blasen die Mitglieder der namibischen Volksbefreiungsarmee (PLAN) zum Angriff auf die Truppen der Kolonialherren. Darunter verkündet eine namibisch-deutsche Delegation stolz die Rückführung von 23 Objekten aus der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin nach Namibia.

“Laut unseren Aufzeichnungen wurden die 23 Artefakte zwischen 1860 und 1890 erworben”, erklärt Nehao Kautondokwa. Sie ist Vorsitzende der namibischen Museumsvereinigung (MAN). Gemeinsam mit ihren Kollegen des Ethnologischen Museums, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Gerda Henkel Stiftung und der namibischen Universität (UNAM) darf sie die Objekte erstmals der namibischen Öffentlichkeit präsentieren.

Auf zukünftige Rückgaben vorbereiten

Sie alle sind Teil des wissenschaftlichen Kooperationsprojektes “Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures”. Bei den Objekten handelt sich um Alltagsgegenstände, Schmuck und Mode. Sogar eine Kinderpuppe ist dabei. “Jeder Namibier wird dabei repräsentiert. Das war eines der Auswahlkriterien”, fügt Kautondokwa hinzu.

Getroffen wurde die Auswahl 2019 und 2020 von einer Gruppe von Gemeindevertretern, Künstlern, Forschern und Museumsexperten aus Namibia. Eine davon war Ndapewoshali Ashipala, die amtierende MAN-Direktorin. Für sie war die Teilnahme am Projekt ein Weckruf, wie sie im DW-Interview verrät. “Du schaust dir ein Objekt an und dann heißt es, das gehört zu einer der Gemeinschaften des Landes. Aber du hast sowas noch nie gesehen!” Diese Erfahrungen haben sie nach eigenen Angaben zu einem Geschichtsstudium motiviert, mit Spezialisierung auf bisher unbekannte Handelsbeziehungen zwischen den namibischen Volksgruppen.

Goodman Gwasira füllen solche Geschichten mit Stolz. Er ist Dozent an der UNAM, einem weiteren Projektpartner. Auf der Pressekonferenz erklärt er, wie die Kolonialzeit die Menschen in Afrika entmündigt habe. Durch das Kooperationsprojekt werde Namibia nun die Fähigkeit zurückgegeben, lokal Fachkräfte und Ausbildungsprogramme für den Umgang mit diesen historisch wertvollen Objekten zu entwickeln. Ziel müsse es jetzt sein, sich auf zukünftige Rückgaben vorzubereiten, so Gwasira.

Zwar sei Namibia zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bereit, die geschätzten 12.000 namibischen Objekte aus europäischen Museen aufzunehmen, sagt er. Aber: “Wie vorbereitet waren die Europäer, als sie die Objekte damals mitgenommen haben?” Man müsse als Projektpartner zusammenarbeiten, um die notwendigen Grundlagen in Namibia zu schaffen.

Keine Rückgabe, sondern lediglich eine Leihgabe?

“Die Kollegen in Namibia haben genauso ein Interesse daran, die Objekte zu bewahren, wie wir es hatten”, betont auch der Direktor des Ethnologischen Museums in Berlin, Lars-Christian Koch. 

‘Geschichte aus namibischer Sicht neu schreiben’

Dabei ist es längst nicht nur eine Frage der Kapazitäten. Die Rückführung von namibischen Kulturgütern ist auch immer ein hoch emotionales Thema. Zuletzt etwa bei der Rückgabe der Bibel und der Peitsche des namibischen Volkshelden Hendrik Witbooi, Anfang 2019. Und auch dieses Mal ist die Reaktion auf die Rückgabe der 23 Objekte nicht ausnahmslos positiv. Weil es genau genommen gar keine Rückgabe, sondern nur eine Leihgabe ist.

Der Begriff sorgt im Vorfeld auf den sozialen Medien für Kritik. Laut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat er allerdings rein bürokratische Gründe. Weil eine Leihe durch die Stiftung schneller beschlossen werden konnte, hätten sich die Kooperationspartner zunächst auf eine Art “Dauerleihe” geeinigt.

“Die Dinge, die hierbleiben sollen, werden auch hierbleiben. Und das gilt für die 23 auf jeden Fall”, sagt Stiftungspräsident Hermann Parzinger in Windhoek gegenüber der DW. Im Juni tagt der Stiftungsrat, dann könnten die Grundlagen für eine offizielle Rückgabe geschaffen werden. “Dann muss von namibischer Seite eine Rückforderung stattfinden und dann ist der Prozess relativ einfach und die Objekte sind schon im Land,” fügt Museumsdirektor Koch hinzu.

Derweil steht Namibia jetzt vor Beginn des Forschungsprozesses zu den 23 Objekten, die aktuell im namibischen Nationalmuseum aufbewahrt werden. Nach Wunsch der namibischen Partner soll möglichst auch die Öffentlichkeit eingebunden werden, um vielleicht schon vergessenes Wissen über das namibische Kulturerbe wieder aufzudecken.

“Wir wollen die Geschichte rund um die Artefakte aus namibischer Sicht neu schreiben, die wahren Ursprünge und die Bedeutung der Artefakte ergründen”, erklärt die Vorsitzende der namibischen Museumsvereinigung, Nehao Kautondokwa.

Das Projekt läuft noch bis 2024. Im Rahmen der Pressekonferenz in Windhoek wird aber klar, dass auch in Zukunft weitere Kulturgüter aus Deutschland nach Namibia zurückkehren sollen. Und nach Wunsch von Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, irgendwann vielleicht auch wieder in die umgekehrte Richtung gehen: “In vielen Ländern der Welt ist ein Austausch mit Leihgaben ganz normal. Warum soll es nicht auch mit Namibia der Fall sein?”

 

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