Nach Amoklauf in Texas: Matthew McConaughey setzt auf Dialog
Der US-amerikanische Schauspieler plädiert im Weißen Haus für strengere Waffenkontrollen. Auf Schuldzuweisungen verzichtet er. Kann er damit die Hardliner überzeugen?
Neu ist die Forderung nach schärferen Waffengesetzen nicht. In den USA kam es seit Beginn des Jahres zu 27 Schießereien an Schulen mit Verletzten oder Todesopfern. Nach jeder Tat flammt die Diskussion über den Umgang mit Schusswaffen erneut auf – auch unter Prominenten, die vehement Verbote fordern. Oscar-Preisträger Matthew McConaughey argumentiert jetzt in eine andere Richtung:
Wenige Wochen nach dem Amoklauf an einer Grundschule in seiner texanischen Heimatstadt Uvalde schrieb der Schauspieler in der lokalen Tageszeitung “Austin American-Statesman” in einem Meinungsbeitrag: “Ich glaube, dass verantwortungsbewusste, gesetzestreue Amerikaner das von unseren Gründern im zweiten Verfassungszusatz verankerte Recht haben, Waffen zu tragen.”
Neu ist die Forderung nach schärferen Waffengesetzen nicht. In den USA kam es seit Beginn des Jahres zu 27 Schießereien an Schulen mit Verletzten oder Todesopfern. Nach jeder Tat flammt die Diskussion über den Umgang mit Schusswaffen erneut auf – auch unter Prominenten, die vehement Verbote fordern. Oscar-Preisträger Matthew McConaughey argumentiert jetzt in eine andere Richtung:
Darüber hinaus bestehe aber eine kulturelle Verpflichtung, “das sinnlose Töten unserer Kinder einzudämmen. Die Debatte über Waffenkontrolle hat nichts als den Status quo gebracht. Es ist an der Zeit, dass wir über die Verantwortung für Waffen sprechen.”
89 Prozent für bessere Kontrollen
McConaughey verzichtet auf Schuldzuweisungen. Der Schauspieler lebt mit seiner Familie in Texas, wo er sich sozial engagiert und im vergangenen Jahr das Benefizkonzert “We’re Texas” zugunsten der Opfer eines Eissturms organisierte. Können seine Worte also eine andere Wirkung entfalten als Vorwürfe der intellektuellen Eliten von der Ost- und Westküste?
Markus Kienscherf, Juniorprofessor für Soziologie am John-F.-Kennedy-Institut in Berlin, ist skeptisch: “Mittlerweile ist die politische Situation so verhärtet, dass eine radikale und wortgewaltige Minderheit die große Mehrheit der Bevölkerung, die strengere Waffengesetze befürwortet, vor sich her treibt”, sagt er im DW-Gespräch.
McConaugheys Forderungen seien zwar sehr moderat, “aber er hat es klug gemacht: Mit einem klaren Verweis, das Recht auf Waffenbesitz nicht zu beschneiden”. In der Vergangenheit hätten es Waffengegner meist verpasst, Waffenbesitzer in ihre Bemühungen einzubinden. “Dabei sind unter denen auch viele für eine Gesetzeslage, die verhindert, dass Waffen den Falschen in die Hände fallen.”
89 Prozent der US-Bevölkerung befürworten – unabhängig von ihrer Parteipräferenz – konsequente Überprüfungen der Käufer: Einträge in eine bundesweite Datenbank sollen eigentlich Waffenverkäufe an Vorbestrafte vermeiden. Nach mehreren Amokläufen stellte sich in der Vergangenheit jedoch heraus, dass die Täter keine Waffen hätten erwerben dürfen, das System also lückenhaft war. Hinzu kommt eine Dunkelziffer, weil private Verkäufer keine Überprüfung der Käufer durchführen müssen.
Mehr als 20.000 Menschen kommen in den USA jedes Jahr durch Schusswaffen ums Leben. Rechnet man Suizide hinzu, verdoppelt sich die Zahl sogar. Häufig ist in den Medien von einer Schusswaffen-Epidemie die Rede. Unter Kindern und Jugendlichen ist der Tod durch eine Schusswaffe mittlerweile die häufigste Todesursache.
Stars wie Emma Stone riefen 2017 nach dem Massaker in Las Vegas, bei dem ein 64-Jähriger 60 Menschen tötete, dazu auf, dass Bürger ihre Kongressabgeordneten anrufen und für strengere Gesetze werben sollten.
Nach dem Massenmord in Las Vegas hielt der von dort stammende Talkshow-Moderator Jimmy Kimmel in seiner Show eine Ansprache – wie auch aktuell nach dem Amoklauf in Uvalde. Mit Blick auf den zweiten Verfassungszusatz aus dem 18. Jahrhundert, der Besitz und Tragen einer Waffe erlaubt, sagte er damals spöttisch: “Offensichtlich wollten unsere Vorväter, dass wir alle eine AK-47 besitzen.”
Derartige Sturmgewehre dienten nicht der Verteidigung, sondern dem Töten, sagte Kimmel. Die zivilen Modelle von Militärwaffen waren in den USA sogar zeitweise verboten. 1994 erließ der damalige Präsident Bill Clinton ein Bundesgesetz, das den Herstellern verbot, Sturmgewehre für Privatleute zu produzieren.
2004 lief das Gesetz ersatzlos aus. Schnellfeuergewehre wie das AR-15 kamen bei fast allen Amokläufen der jüngeren Vergangenheit zum Einsatz – und können mancherorts einfach im Supermarkt gekauft werden.
“Nach jedem Schulmassaker sind die Umfragewerte deutlich für schärfere Waffengesetze”, sagt Markus Kienscherf. Bei spezifischen Maßnahmen wie Background Checks oder dem Red Flag Law (Rote-Flagge-Gesetz) seien sie sogar gleichbleibend hoch. “Trotzdem versperren sich einige Senatoren den Gesetzesänderungen.”
Diese Maßnahmen nennt auch McConaughey in seinem Beitrag. Das Red Flag Law ist ein Waffenkontrollgesetz, das es Familienmitgliedern, Kollegen und der Polizei ermöglicht, vor einem Gericht den vorübergehenden Entzug der Schusswaffe einer Person zu beantragen, von der sie glauben, dass von ihr eine Gefahr ausgeht. Nur 19 der 50 Bundesstaaten haben das Gesetz eingeführt.
Die Maßnahmen würden nicht alle Amokläufe verhindern können, sagt Markus Kienscherf. Aber die Zahl der Toten durch Schusswaffengebrauch könne reduziert werden, wenn etwa Vorbestrafte ihre Waffen abgeben müssten, wie es eigentlich ohnehin vorgeschrieben sei. Dadurch könne der Schusswaffengebrauch bei häuslicher Gewalt eingedämmt werden.
Am Dienstag war Matthew McConaughey zu Gast im Weißen Haus, wo er sich mit US-Präsident Joe Biden und Kongressabgeordneten traf, um anschließend eine Pressekonferenz zu geben. Zuvor hatte McConaughey die Schule in seiner Heimatstadt Uvalde besucht, an der am 24. Mai 2022 ein 18-Jähriger 19 Kinder und zwei Lehrerinnen erschossen hatte.
Der Schauspieler hielt Bilder und Zeichnungen von Getöteten hoch – und die Schuhe eines Mädchens, das nach dem Attentat nur anhand eben dieser Schuhe habe identifiziert werden können. McConaughey sprach von einem gespaltenen Land, in dem es jedoch einen Konsens geben müsse: “Können beide Seiten über das politische Problem hinausblicken und zugeben, dass wir ein Problem mit dem Schutz von Leben haben?”
Ein beeindruckender und aufwühlender Auftritt, der aber wohl nicht zu allen Bevölkerungsteilen durchdringen wird, glaubt Markus Kienscherf vom John-F.-Kennedy-Institut. “Es gibt diesen Mythos, der verbreitet wird: Wir brauchen Waffen, um uns gegen eine tyrannische Regierung schützen zu können.”
Viele Wähler vom rechten Rand, mit Überschneidungen zur rechtsextremen Szene, glaubten immer noch, dass Joe Biden nicht rechtmäßig ins Präsidentenamt gewählt worden sei. Die Trump-Basis, die den Sturm aufs Kapitol zu verantworten hatte, sei für McConaugheys Plädoyer kaum empfänglich.
Im vergangenen Jahr sah es danach aus, als bereite sich Matthew McConaughey auf eine Karriere in der Politik vor. Er soll sich schon mit einflussreichen Texanern über eine Kandidatur für das Amt des Gouverneurs in Texas ausgetauscht haben.
Neu ist die Forderung nach schärferen Waffengesetzen nicht. In den USA kam es seit Beginn des Jahres zu 27 Schießereien an Schulen mit Verletzten oder Todesopfern. Nach jeder Tat flammt die Diskussion über den Umgang mit Schusswaffen erneut auf – auch unter Prominenten, die vehement Verbote fordern. Oscar-Preisträger Matthew McConaughey argumentiert jetzt in eine andere Richtung:
Wenige Wochen nach dem Amoklauf an einer Grundschule in seiner texanischen Heimatstadt Uvalde schrieb der Schauspieler in der lokalen Tageszeitung “Austin American-Statesman” in einem Meinungsbeitrag: “Ich glaube, dass verantwortungsbewusste, gesetzestreue Amerikaner das von unseren Gründern im zweiten Verfassungszusatz verankerte Recht haben, Waffen zu tragen.”
89 Prozent für bessere Kontrollen
Darüber hinaus bestehe aber eine kulturelle Verpflichtung, “das sinnlose Töten unserer Kinder einzudämmen. Die Debatte über Waffenkontrolle hat nichts als den Status quo gebracht. Es ist an der Zeit, dass wir über die Verantwortung für Waffen sprechen.”
McConaughey verzichtet auf Schuldzuweisungen. Der Schauspieler lebt mit seiner Familie in Texas, wo er sich sozial engagiert und im vergangenen Jahr das Benefizkonzert “We’re Texas” zugunsten der Opfer eines Eissturms organisierte. Können seine Worte also eine andere Wirkung entfalten als Vorwürfe der intellektuellen Eliten von der Ost- und Westküste?
Markus Kienscherf, Juniorprofessor für Soziologie am John-F.-Kennedy-Institut in Berlin, ist skeptisch: “Mittlerweile ist die politische Situation so verhärtet, dass eine radikale und wortgewaltige Minderheit die große Mehrheit der Bevölkerung, die strengere Waffengesetze befürwortet, vor sich her treibt”, sagt er im DW-Gespräch.
McConaugheys Forderungen seien zwar sehr moderat, “aber er hat es klug gemacht: Mit einem klaren Verweis, das Recht auf Waffenbesitz nicht zu beschneiden”. In der Vergangenheit hätten es Waffengegner meist verpasst, Waffenbesitzer in ihre Bemühungen einzubinden. “Dabei sind unter denen auch viele für eine Gesetzeslage, die verhindert, dass Waffen den Falschen in die Hände fallen.”
Nur 19 der 50 Bundesstaaten setzen “rote Flaggen”
89 Prozent der US-Bevölkerung befürworten – unabhängig von ihrer Parteipräferenz – konsequente Überprüfungen der Käufer: Einträge in eine bundesweite Datenbank sollen eigentlich Waffenverkäufe an Vorbestrafte vermeiden. Nach mehreren Amokläufen stellte sich in der Vergangenheit jedoch heraus, dass die Täter keine Waffen hätten erwerben dürfen, das System also lückenhaft war. Hinzu kommt eine Dunkelziffer, weil private Verkäufer keine Überprüfung der Käufer durchführen müssen.
Gouverneur McConaughey? Vorerst nicht
Mehr als 20.000 Menschen kommen in den USA jedes Jahr durch Schusswaffen ums Leben. Rechnet man Suizide hinzu, verdoppelt sich die Zahl sogar. Häufig ist in den Medien von einer Schusswaffen-Epidemie die Rede. Unter Kindern und Jugendlichen ist der Tod durch eine Schusswaffe mittlerweile die häufigste Todesursache.
Stars wie Emma Stone riefen 2017 nach dem Massaker in Las Vegas, bei dem ein 64-Jähriger 60 Menschen tötete, dazu auf, dass Bürger ihre Kongressabgeordneten anrufen und für strengere Gesetze werben sollten.
Nach dem Massenmord in Las Vegas hielt der von dort stammende Talkshow-Moderator Jimmy Kimmel in seiner Show eine Ansprache – wie auch aktuell nach dem Amoklauf in Uvalde. Mit Blick auf den zweiten Verfassungszusatz aus dem 18. Jahrhundert, der Besitz und Tragen einer Waffe erlaubt, sagte er damals spöttisch: “Offensichtlich wollten unsere Vorväter, dass wir alle eine AK-47 besitzen.”
Derartige Sturmgewehre dienten nicht der Verteidigung, sondern dem Töten, sagte Kimmel. Die zivilen Modelle von Militärwaffen waren in den USA sogar zeitweise verboten. 1994 erließ der damalige Präsident Bill Clinton ein Bundesgesetz, das den Herstellern verbot, Sturmgewehre für Privatleute zu produzieren.
2004 lief das Gesetz ersatzlos aus. Schnellfeuergewehre wie das AR-15 kamen bei fast allen Amokläufen der jüngeren Vergangenheit zum Einsatz – und können mancherorts einfach im Supermarkt gekauft werden.
“Nach jedem Schulmassaker sind die Umfragewerte deutlich für schärfere Waffengesetze”, sagt Markus Kienscherf. Bei spezifischen Maßnahmen wie Background Checks oder dem Red Flag Law (Rote-Flagge-Gesetz) seien sie sogar gleichbleibend hoch. “Trotzdem versperren sich einige Senatoren den Gesetzesänderungen.”
Diese Maßnahmen nennt auch McConaughey in seinem Beitrag. Das Red Flag Law ist ein Waffenkontrollgesetz, das es Familienmitgliedern, Kollegen und der Polizei ermöglicht, vor einem Gericht den vorübergehenden Entzug der Schusswaffe einer Person zu beantragen, von der sie glauben, dass von ihr eine Gefahr ausgeht. Nur 19 der 50 Bundesstaaten haben das Gesetz eingeführt.
Die Maßnahmen würden nicht alle Amokläufe verhindern können, sagt Markus Kienscherf. Aber die Zahl der Toten durch Schusswaffengebrauch könne reduziert werden, wenn etwa Vorbestrafte ihre Waffen abgeben müssten, wie es eigentlich ohnehin vorgeschrieben sei. Dadurch könne der Schusswaffengebrauch bei häuslicher Gewalt eingedämmt werden.
Am Dienstag war Matthew McConaughey zu Gast im Weißen Haus, wo er sich mit US-Präsident Joe Biden und Kongressabgeordneten traf, um anschließend eine Pressekonferenz zu geben. Zuvor hatte McConaughey die Schule in seiner Heimatstadt Uvalde besucht, an der am 24. Mai 2022 ein 18-Jähriger 19 Kinder und zwei Lehrerinnen erschossen hatte.
Der Schauspieler hielt Bilder und Zeichnungen von Getöteten hoch – und die Schuhe eines Mädchens, das nach dem Attentat nur anhand eben dieser Schuhe habe identifiziert werden können. McConaughey sprach von einem gespaltenen Land, in dem es jedoch einen Konsens geben müsse: “Können beide Seiten über das politische Problem hinausblicken und zugeben, dass wir ein Problem mit dem Schutz von Leben haben?”
Ein beeindruckender und aufwühlender Auftritt, der aber wohl nicht zu allen Bevölkerungsteilen durchdringen wird, glaubt Markus Kienscherf vom John-F.-Kennedy-Institut. “Es gibt diesen Mythos, der verbreitet wird: Wir brauchen Waffen, um uns gegen eine tyrannische Regierung schützen zu können.”
Viele Wähler vom rechten Rand, mit Überschneidungen zur rechtsextremen Szene, glaubten immer noch, dass Joe Biden nicht rechtmäßig ins Präsidentenamt gewählt worden sei. Die Trump-Basis, die den Sturm aufs Kapitol zu verantworten hatte, sei für McConaugheys Plädoyer kaum empfänglich.
Im vergangenen Jahr sah es danach aus, als bereite sich Matthew McConaughey auf eine Karriere in der Politik vor. Er soll sich schon mit einflussreichen Texanern über eine Kandidatur für das Amt des Gouverneurs in Texas ausgetauscht haben.
Eine Parteizugehörigkeit ist von McConaughey bislang nicht bekannt. Seit 1995 der Republikaner und spätere US-Präsident George W. Bush Gouverneur von Texas wurde, hat kein Demokrat mehr das Amt bekleidet.
Ende 2021 zog der Schauspieler sein Interesse vorerst zurück. “Es ist ein demütiger und inspirierender Weg, über den man nachdenken kann. Es ist ein Weg, den ich im Moment nicht gehen will.” Er wolle sich weiterhin darauf konzentrieren, Stiftungen zu unterstützen.
Ende 2021 zog der Schauspieler sein Interesse vorerst zurück. “Es ist ein demütiger und inspirierender Weg, über den man nachdenken kann. Es ist ein Weg, den ich im Moment nicht gehen will.” Er wolle sich weiterhin darauf konzentrieren, Stiftungen zu unterstützen.