Nigerias Sportreporter von Gewalt bedroht
Immer wieder kommt es in Nigeria zu gewaltsamen Übergriffen von Fans gegen kritische Sportjournalisten. Hinter den Attacken stecken oft die Klubs selbst. Der Fall des Tobi Adepoju könnte nun eine Wende bringen.
“Wir arbeiten unter ständiger Androhung von Gewalt. Die Vereine benutzen ihre Fans, um uns anzugreifen”, sagt der nigerianische Sportjournalist Tobi Adepoju der DW. Seit zwölf Jahren reist der Freelancer durch das Land, um über die Nigeria Professional Football League (NPFL) zu berichten – oft mit schlechten Erfahrungen. “Es gibt Klubs, die dich davor warnen, zu ihren Spielen zu kommen, weil du vorher ihre Leistung kritisiert hast. Es heißt dann: ‘Komm nicht zu unserem Spiel, sonst werden wir uns um dich kümmern.'”
Wie man sich um ihn “kümmerte”, musste Adepoju schmerzhaft erfahren, als er ein Spiel des Shooting Stars Sports Club aus Ibadan besuchte. Ibadan ist eine 3,3-Millionen-Einwohner-Stadt, etwa hundert Kilometer nördlich der nigerianischen Hauptstadt Lagos. Zuvor hatte er einige Entscheidungen des Managements der Shooting Stars während der Saison offen kritisiert. Nun stand ein Lokalderby gegen die Remo Stars an. Durch eine Niederlage zuvor waren die Shootings Stars unter Erfolgsdruck geraten. Doch das Spiel gegen Remo endete nur 1:1, Fans und Spieler waren aufgebracht, auch weil sie mit einigen Entscheidungen des Schiedsrichters nicht einverstanden waren.
“Wir arbeiten unter ständiger Androhung von Gewalt. Die Vereine benutzen ihre Fans, um uns anzugreifen”, sagt der nigerianische Sportjournalist Tobi Adepoju der DW. Seit zwölf Jahren reist der Freelancer durch das Land, um über die Nigeria Professional Football League (NPFL) zu berichten – oft mit schlechten Erfahrungen. “Es gibt Klubs, die dich davor warnen, zu ihren Spielen zu kommen, weil du vorher ihre Leistung kritisiert hast. Es heißt dann: ‘Komm nicht zu unserem Spiel, sonst werden wir uns um dich kümmern.'”
Nach dem Spiel entlud sich ihr Frust auch an Adepoju. Der Journalist war nach Abpfiff auf Stimmenfang, als er von einigen Vereinsfunktionären angegriffen wurde, die behaupteten, er habe den Gegner unterstützt. Es kamen Fans hinzu, die ihn anschrien und sogar körperlich mit Schlägen attackierten. Als er den Pressebereich verließ, gingen die Attacken weiter. Fans bildeten eine Art Spalier und schlugen auf den vorbeilaufenden Adepoju ein. Der suchte Schutz bei einigen Polizisten. Doch erst als mehrere Warnschüsse in die Luft abgefeuert wurden, ließ die Menge von Adepoju ab.
Warnschüsse in die Luft
Atinuke Esan, eine andere freiberufliche Journalistin, die vom Spiel in Ibadan berichtete, sagte der DW, sie sei ebenfalls von wütenden Fans herumgeschubst und gezwungen worden, das Stadion zu verlassen. Die Fans machten deutlich, dass sie nur deshalb von einem körperlichen Angriff verschont werde, weil sie eine Frau sei.
Der Angriff auf Tobi Adepoju hatte Konsequenzen: Weil in den sozialen Medien ein Video der Attacke auftauchte, musste Shooting Stars dem Journalisten 500.000 Naira zahlen. Mit diesen umgerechnet rund 1150 Euro sollte Adepoju seine Arztrechnungen bezahlen und seine verlorene Ausrüstung ersetzen. Der Medienbeauftragte und der Zeugwart des Klubs wurden für zwölf Monate gesperrt. Außerdem wurde der Klub von der NPFL zu einer Geldstrafe von drei Millionen Naira (etwa 6800 Euro) verurteilt. Die weiteren Heimspiele der Shooting Stars finden ohne Zuschauer statt.
Allerdings bestritt Dimeji Lawal, der Geschäftsführer der Shooting Stars, sagte der DW, dass der Verein am Angriff auf Adepoju beteiligt gewesen sei. “Es ist für alle Vereine und Organisatoren vorteilhafter, wenn die Ligaspiele in einer friedlichen Umgebung stattfinden”, sagte er. “Es sollte keinen Platz für jegliche Art von Gewalt oder Hooliganismus geben.” Doch viele nigerianische Sportjournalisten, die in Stadien angegriffen wurden, wissen, dass Vereinsfunktionäre ihren Teil dazu beitragen, dass sie für eine kritische Berichterstattung ins Visier genommen werden.
China Acheru, ein ehemaliger Medienbeauftragter des aufgelösten Dolphins Football Club aus Port Harcourt, erklärte gegenüber DW, dass die Angriffe in Nigerias staatlich finanziertem Fußballsystem in der Regel von der Vereinsführung initiiert werden. “Die Vereine sind verzweifelt. Der Gouverneur des Bundesstaates will die Liga gewinnen und beschließt, Geld in den Verein zu pumpen”, sagt Acheru. “Der Sportbeauftragte hat dem Gouverneur versprochen, dass er die Liga gewinnen wird, wenn er das Geld bekommt. Der Sportbeauftragte übt dann Druck auf den Vorsitzenden des Vereins oder den Geschäftsführer aus, die wiederum Druck auf die Trainer ausüben.”
Journalisten, die nach nicht gewonnen Spielen versuchten, die Gründe für das schlechte Ergebnis zu erfragen, würden schnell als Feind betrachtet, so Acheru. “Der Gouverneur könnte es hören und dann zu dem Schluss kommen, dass die Vereinsführung ineffizient ist. Um das zu verhindern, setzen sie Straßenschläger ein, die Gastmannschaften, Schiedsrichter und Journalisten schikanieren sollen. Und wenn ein Journalist sie trotzdem weiterhin kritisiert, schicken sie Schläger, um ihm ‘eine Lektion’ zu erteilen.”
Viele nigerianische Sportjournalisten haben bereits solche Begegnungen mit Vereinen und ihren Fans gehabt. Das Problem war allerdings, dass die meisten dieser Angriffe nicht dokumentiert wurden und es an Beweisen mangelte. Bis Adepojus Fall aufgezeichnet und im Internet veröffentlicht wurde, war nichts unternommen worden.
Untersuchungen über Gewalt gegen Journalisten in Nigeria befassen sich in der Regel mit politisch motivierten Vorfällen, berücksichtigen aber keine Sportreporter, die regelmäßig während ihrer Arbeit schikaniert werden. Laut Bunmi Ogunyale, renommierter nigerianischer Sportjournalist und Vertreter der Sports Writers Association of Nigeria (SWAN) in Lagos, wurden sogar Bilder von Reportern an den Stadiontoren angebracht, mit der Warnung, das Stadion zu betreten und der Androhung von Gewalt, falls sie es doch tun.
“Viele unserer Mitglieder haben gelitten, aber so etwas sollte nicht passieren”, fordert Ogunyale. “Unsere Kolleginnen und Kollegen sollten bei der Ausübung ihrer Arbeit nicht von Gewalt bedroht sein.” Möglicherweise besteht durch den gut dokumentierten Angriff auf Tobi Adepoju nun die Chance, dass sich etwas ändert.
Der Text wurde von Andreas Sten-Ziemons aus dem Englischen adaptiert.
“Wir arbeiten unter ständiger Androhung von Gewalt. Die Vereine benutzen ihre Fans, um uns anzugreifen”, sagt der nigerianische Sportjournalist Tobi Adepoju der DW. Seit zwölf Jahren reist der Freelancer durch das Land, um über die Nigeria Professional Football League (NPFL) zu berichten – oft mit schlechten Erfahrungen. “Es gibt Klubs, die dich davor warnen, zu ihren Spielen zu kommen, weil du vorher ihre Leistung kritisiert hast. Es heißt dann: ‘Komm nicht zu unserem Spiel, sonst werden wir uns um dich kümmern.'”
Wie man sich um ihn “kümmerte”, musste Adepoju schmerzhaft erfahren, als er ein Spiel des Shooting Stars Sports Club aus Ibadan besuchte. Ibadan ist eine 3,3-Millionen-Einwohner-Stadt, etwa hundert Kilometer nördlich der nigerianischen Hauptstadt Lagos. Zuvor hatte er einige Entscheidungen des Managements der Shooting Stars während der Saison offen kritisiert. Nun stand ein Lokalderby gegen die Remo Stars an. Durch eine Niederlage zuvor waren die Shootings Stars unter Erfolgsdruck geraten. Doch das Spiel gegen Remo endete nur 1:1, Fans und Spieler waren aufgebracht, auch weil sie mit einigen Entscheidungen des Schiedsrichters nicht einverstanden waren.
Warnschüsse in die Luft
Nach dem Spiel entlud sich ihr Frust auch an Adepoju. Der Journalist war nach Abpfiff auf Stimmenfang, als er von einigen Vereinsfunktionären angegriffen wurde, die behaupteten, er habe den Gegner unterstützt. Es kamen Fans hinzu, die ihn anschrien und sogar körperlich mit Schlägen attackierten. Als er den Pressebereich verließ, gingen die Attacken weiter. Fans bildeten eine Art Spalier und schlugen auf den vorbeilaufenden Adepoju ein. Der suchte Schutz bei einigen Polizisten. Doch erst als mehrere Warnschüsse in die Luft abgefeuert wurden, ließ die Menge von Adepoju ab.
Atinuke Esan, eine andere freiberufliche Journalistin, die vom Spiel in Ibadan berichtete, sagte der DW, sie sei ebenfalls von wütenden Fans herumgeschubst und gezwungen worden, das Stadion zu verlassen. Die Fans machten deutlich, dass sie nur deshalb von einem körperlichen Angriff verschont werde, weil sie eine Frau sei.
Der Angriff auf Tobi Adepoju hatte Konsequenzen: Weil in den sozialen Medien ein Video der Attacke auftauchte, musste Shooting Stars dem Journalisten 500.000 Naira zahlen. Mit diesen umgerechnet rund 1150 Euro sollte Adepoju seine Arztrechnungen bezahlen und seine verlorene Ausrüstung ersetzen. Der Medienbeauftragte und der Zeugwart des Klubs wurden für zwölf Monate gesperrt. Außerdem wurde der Klub von der NPFL zu einer Geldstrafe von drei Millionen Naira (etwa 6800 Euro) verurteilt. Die weiteren Heimspiele der Shooting Stars finden ohne Zuschauer statt.
Allerdings bestritt Dimeji Lawal, der Geschäftsführer der Shooting Stars, sagte der DW, dass der Verein am Angriff auf Adepoju beteiligt gewesen sei. “Es ist für alle Vereine und Organisatoren vorteilhafter, wenn die Ligaspiele in einer friedlichen Umgebung stattfinden”, sagte er. “Es sollte keinen Platz für jegliche Art von Gewalt oder Hooliganismus geben.” Doch viele nigerianische Sportjournalisten, die in Stadien angegriffen wurden, wissen, dass Vereinsfunktionäre ihren Teil dazu beitragen, dass sie für eine kritische Berichterstattung ins Visier genommen werden.
Sperren und Geldstrafen
China Acheru, ein ehemaliger Medienbeauftragter des aufgelösten Dolphins Football Club aus Port Harcourt, erklärte gegenüber DW, dass die Angriffe in Nigerias staatlich finanziertem Fußballsystem in der Regel von der Vereinsführung initiiert werden. “Die Vereine sind verzweifelt. Der Gouverneur des Bundesstaates will die Liga gewinnen und beschließt, Geld in den Verein zu pumpen”, sagt Acheru. “Der Sportbeauftragte hat dem Gouverneur versprochen, dass er die Liga gewinnen wird, wenn er das Geld bekommt. Der Sportbeauftragte übt dann Druck auf den Vorsitzenden des Vereins oder den Geschäftsführer aus, die wiederum Druck auf die Trainer ausüben.”
“Journalisten werden als Feinde betrachtet”
Journalisten, die nach nicht gewonnen Spielen versuchten, die Gründe für das schlechte Ergebnis zu erfragen, würden schnell als Feind betrachtet, so Acheru. “Der Gouverneur könnte es hören und dann zu dem Schluss kommen, dass die Vereinsführung ineffizient ist. Um das zu verhindern, setzen sie Straßenschläger ein, die Gastmannschaften, Schiedsrichter und Journalisten schikanieren sollen. Und wenn ein Journalist sie trotzdem weiterhin kritisiert, schicken sie Schläger, um ihm ‘eine Lektion’ zu erteilen.”
Viele nigerianische Sportjournalisten haben bereits solche Begegnungen mit Vereinen und ihren Fans gehabt. Das Problem war allerdings, dass die meisten dieser Angriffe nicht dokumentiert wurden und es an Beweisen mangelte. Bis Adepojus Fall aufgezeichnet und im Internet veröffentlicht wurde, war nichts unternommen worden.
Untersuchungen über Gewalt gegen Journalisten in Nigeria befassen sich in der Regel mit politisch motivierten Vorfällen, berücksichtigen aber keine Sportreporter, die regelmäßig während ihrer Arbeit schikaniert werden. Laut Bunmi Ogunyale, renommierter nigerianischer Sportjournalist und Vertreter der Sports Writers Association of Nigeria (SWAN) in Lagos, wurden sogar Bilder von Reportern an den Stadiontoren angebracht, mit der Warnung, das Stadion zu betreten und der Androhung von Gewalt, falls sie es doch tun.
Chance auf Verbesserung?
“Viele unserer Mitglieder haben gelitten, aber so etwas sollte nicht passieren”, fordert Ogunyale. “Unsere Kolleginnen und Kollegen sollten bei der Ausübung ihrer Arbeit nicht von Gewalt bedroht sein.” Möglicherweise besteht durch den gut dokumentierten Angriff auf Tobi Adepoju nun die Chance, dass sich etwas ändert.
Der Text wurde von Andreas Sten-Ziemons aus dem Englischen adaptiert.