Ukraine aktuell: Selenskyj verspricht Rückeroberung der Südukraine
Die ukrainischen Streitkräfte würden “den Süden an niemanden abgeben”, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj. Wirtschaftsminister Habeck will zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen. Ein Überblick.
Das Wichtigste in Kürze:
Ukraine leistet Widerstand in Sjewjerodonezk
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Rückeroberung der durch Russland besetzten Gebiete in der Südukraine versprochen. Die ukrainischen Streitkräfte würden “den Süden an niemanden abgeben”, sagte Selenskyj in einem Video. “Wir werden alles zurückbekommen, was uns gehört.” Auch das Meer werde wieder “ukrainisch und sicher” sein.
Öltanks brennen in Nowomoskowsk
In Nowomoskowsk im Osten der Ukraine ist ein Treibstofflager nach russischem Raketenbeschuss explodiert. Ein Mensch sei getötet, zwei Menschen seien verletzt worden, teilt der Leiter der Regionalverwaltung, Valentyn Resnitschenko, mit.
Bereits am Samstag hätten drei russische Raketen das Lager getroffen. Auch 14 Stunden nach dem Treffer versuchten Feuerwehrleute noch immer, den Brand zu löschen. Beim Angriff selbst wurden Resnitschenko zufolge am Samstag elf Menschen verletzt. Nowomoskowsk liegt nordöstlich von Dnipro, der Hauptstadt der Region Dnipropetrowsk.
Russische Truppen versuchen nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums, auf Charkiw vorzurücken und die Stadt erneut zu bombardieren. Die Lage nördlich von Charkiw sei ziemlich schwierig, sagt Wadym Denysenko, ein Berater des Ministeriums, im ukrainischen Fernsehen. “Russland versucht, Charkiw zu einer Stadt an vorderster Front zu machen.” Charkiw liegt im Nordosten und ist nach der Hauptstadt Kiew die zweitgrößte Stadt des Landes.
In der Nähe der Stadt Isjum in der Ostukraine trafen russische Raketen eine Fabrik, die Gas verarbeitet. Auch dort gab es einen großen Brand, wie der Gouverneur des Gebietes Charkiw, Oleh Synjehubow, mitteilte. Außer der Fabrik seien auch Wohnhäuser getroffen worden.
Trotz des massiven russischen Beschusses leisten die ukrainischen Truppen in der Industriestadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine weiterhin Widerstand. “Der Kampf um die vollständige Kontrolle über die Stadt geht weiter”, erklärt der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte in seinem täglichen Bericht. Das Militär räumt aber ein, dass “der Feind im Dorf Metolkine”, südöstlich von Sjewjerodonezk, teilweise erfolgreich gewesen sei. Die Stadt ist ein Hauptziel des russischen Angriffs. Ist sie erobert, haben die russischen Truppen die gesamte Region Luhansk, in der Sjewjerodonezk liegt, unter ihrer Kontrolle.
Die ukrainischen Zivilisten in Schutzräumen des Chemiewerks Azot in Sjewjerodonezk wollen diese nach Angaben der Gebietsführung nicht verlassen. “Es gibt ständigen Kontakt zu ihnen. Man hat ihnen mehrfach eine Evakuierung angeboten, aber sie wollen nicht”, sagte der Gouverneur des ostukrainischen Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, im Fernsehen. In dem Werk hätten 568 Zivilisten Schutz gesucht, darunter 38 Kinder.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will angesichts geringerer russischer Erdgaslieferungen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen und die Vorsorge zu erhöhen. So soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie gesenkt und die Befüllung der Speicher vorangetrieben werden. Dazu stellt der Bund Milliardenmittel bereit, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Außerdem sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen.
Die Situation sei ernst, wird Habeck in einem fünfseitigen Papier zitiert. “Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.”
Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert. Begründet wurde dies mit Verzögerungen bei der Reparatur
von Verdichterturbinen durch die Firma Siemens Energy. Habeck stufte den Schritt als politisch motiviert ein.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht nicht von einem schnellen Ende des Kriegs in der Ukraine aus. “Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte”, sagte er der Zeitung “Bild am Sonntag”. Deshalb dürfe man nicht nachlassen in der Unterstützung der Ukraine gegen Russland.
Die Kosten dafür seien hoch, weil die Militärhilfe teuer sei und die Preise für Energie und Lebensmittel stiegen. Aber das sei kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukraine jeden Tag mit vielen Menschenleben bezahle, sagte Stoltenberg.
Wenn man dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht entschieden entgegentrete, “dann bezahlen wir einen viel höheren Preis”. Der NATO-Chef ging davon aus, dass die ukrainischen Soldaten mit Hilfe weiterer Waffenlieferungen aus dem Westen die russischen Truppen wieder aus dem Donbass vertreiben werden.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat die westlichen Verbündeten der Ukraine aufgefordert, das Land langfristig zu unterstützen. In einem Gastbeitrag für die Zeitung “The Sunday Times” schrieb Johnson, Kiews Unterstützer müssten sicherstellen, dass die Ukraine “die strategische Ausdauer hat, um zu überleben und schließlich zu gewinnen”. Zeit sei jetzt der entscheidende Faktor, erklärte er. Alles werde jetzt davon abhängen, “ob die Ukraine ihre Verteidigungsfähigkeit schneller stärkt, als Russland seine Angriffsfähigkeit erneuert”. Aufgabe der Verbündeten sei es, “dafür zu sorgen, dass die Zeit für die Ukraine spielt”.
Ausdrücklich warnte Johnson davor, russische Gebietsgewinne in der Ukraine dauerhaft hinzunehmen. Dies dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu ermöglichen, werde die Welt nicht friedlicher machen. Johnson schrieb wörtlich: “Eine solche Farce wäre der größte Sieg für einen Aggressor in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.”
se/gri/nob/fab (rtr, dpa, afp)
Das Wichtigste in Kürze:
Ukraine leistet Widerstand in Sjewjerodonezk
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Rückeroberung der durch Russland besetzten Gebiete in der Südukraine versprochen. Die ukrainischen Streitkräfte würden “den Süden an niemanden abgeben”, sagte Selenskyj in einem Video. “Wir werden alles zurückbekommen, was uns gehört.” Auch das Meer werde wieder “ukrainisch und sicher” sein.
Öltanks brennen in Nowomoskowsk
In Nowomoskowsk im Osten der Ukraine ist ein Treibstofflager nach russischem Raketenbeschuss explodiert. Ein Mensch sei getötet, zwei Menschen seien verletzt worden, teilt der Leiter der Regionalverwaltung, Valentyn Resnitschenko, mit.
Zivilisten wollen Chemiewerk nicht verlassen
Bereits am Samstag hätten drei russische Raketen das Lager getroffen. Auch 14 Stunden nach dem Treffer versuchten Feuerwehrleute noch immer, den Brand zu löschen. Beim Angriff selbst wurden Resnitschenko zufolge am Samstag elf Menschen verletzt. Nowomoskowsk liegt nordöstlich von Dnipro, der Hauptstadt der Region Dnipropetrowsk.
Habeck will Gasverbrauch senken
Russische Truppen versuchen nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums, auf Charkiw vorzurücken und die Stadt erneut zu bombardieren. Die Lage nördlich von Charkiw sei ziemlich schwierig, sagt Wadym Denysenko, ein Berater des Ministeriums, im ukrainischen Fernsehen. “Russland versucht, Charkiw zu einer Stadt an vorderster Front zu machen.” Charkiw liegt im Nordosten und ist nach der Hauptstadt Kiew die zweitgrößte Stadt des Landes.
In der Nähe der Stadt Isjum in der Ostukraine trafen russische Raketen eine Fabrik, die Gas verarbeitet. Auch dort gab es einen großen Brand, wie der Gouverneur des Gebietes Charkiw, Oleh Synjehubow, mitteilte. Außer der Fabrik seien auch Wohnhäuser getroffen worden.
Trotz des massiven russischen Beschusses leisten die ukrainischen Truppen in der Industriestadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine weiterhin Widerstand. “Der Kampf um die vollständige Kontrolle über die Stadt geht weiter”, erklärt der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte in seinem täglichen Bericht. Das Militär räumt aber ein, dass “der Feind im Dorf Metolkine”, südöstlich von Sjewjerodonezk, teilweise erfolgreich gewesen sei. Die Stadt ist ein Hauptziel des russischen Angriffs. Ist sie erobert, haben die russischen Truppen die gesamte Region Luhansk, in der Sjewjerodonezk liegt, unter ihrer Kontrolle.
Stoltenberg geht von langem Krieg aus
Die ukrainischen Zivilisten in Schutzräumen des Chemiewerks Azot in Sjewjerodonezk wollen diese nach Angaben der Gebietsführung nicht verlassen. “Es gibt ständigen Kontakt zu ihnen. Man hat ihnen mehrfach eine Evakuierung angeboten, aber sie wollen nicht”, sagte der Gouverneur des ostukrainischen Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, im Fernsehen. In dem Werk hätten 568 Zivilisten Schutz gesucht, darunter 38 Kinder.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will angesichts geringerer russischer Erdgaslieferungen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen und die Vorsorge zu erhöhen. So soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie gesenkt und die Befüllung der Speicher vorangetrieben werden. Dazu stellt der Bund Milliardenmittel bereit, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Außerdem sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen.
Johnson fordert langfristige Hilfe für Ukraine
Die Situation sei ernst, wird Habeck in einem fünfseitigen Papier zitiert. “Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.”
Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert. Begründet wurde dies mit Verzögerungen bei der Reparatur
von Verdichterturbinen durch die Firma Siemens Energy. Habeck stufte den Schritt als politisch motiviert ein.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht nicht von einem schnellen Ende des Kriegs in der Ukraine aus. “Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte”, sagte er der Zeitung “Bild am Sonntag”. Deshalb dürfe man nicht nachlassen in der Unterstützung der Ukraine gegen Russland.
Die Kosten dafür seien hoch, weil die Militärhilfe teuer sei und die Preise für Energie und Lebensmittel stiegen. Aber das sei kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukraine jeden Tag mit vielen Menschenleben bezahle, sagte Stoltenberg.
Wenn man dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht entschieden entgegentrete, “dann bezahlen wir einen viel höheren Preis”. Der NATO-Chef ging davon aus, dass die ukrainischen Soldaten mit Hilfe weiterer Waffenlieferungen aus dem Westen die russischen Truppen wieder aus dem Donbass vertreiben werden.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat die westlichen Verbündeten der Ukraine aufgefordert, das Land langfristig zu unterstützen. In einem Gastbeitrag für die Zeitung “The Sunday Times” schrieb Johnson, Kiews Unterstützer müssten sicherstellen, dass die Ukraine “die strategische Ausdauer hat, um zu überleben und schließlich zu gewinnen”. Zeit sei jetzt der entscheidende Faktor, erklärte er. Alles werde jetzt davon abhängen, “ob die Ukraine ihre Verteidigungsfähigkeit schneller stärkt, als Russland seine Angriffsfähigkeit erneuert”. Aufgabe der Verbündeten sei es, “dafür zu sorgen, dass die Zeit für die Ukraine spielt”.
Ausdrücklich warnte Johnson davor, russische Gebietsgewinne in der Ukraine dauerhaft hinzunehmen. Dies dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu ermöglichen, werde die Welt nicht friedlicher machen. Johnson schrieb wörtlich: “Eine solche Farce wäre der größte Sieg für einen Aggressor in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.”
se/gri/nob/fab (rtr, dpa, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.