Desaster für Präsident Emmanuel Macron
Die Parlamentswahl in Frankreich endet mit einer bitteren Niederlage für den Präsidenten. Macrons Mitte-Bündnis verfehlt deutlich die absolute Mehrheit und ist künftig auf Koalitionspartner angewiesen.
Für den französischen Präsidenten ist der zweite Durchgang der Parlamentswahl eine herbe Niederlage. Zwar wurde er im April mit einer ordentlichen Mehrheit wiedergewählt, jetzt aber versagen ihm die Franzosen die Mehrheit in der Nationalversammlung, die er zum Regieren brauchen würde. Seine aus früheren Sozialisten und Konservativen geschmiedete politische Gruppierung, die vor kurzem noch in “Renaissance” umgetauft worden war, erlebte statt einer Wiedergeburt eine Art Höllenfahrt.
Das vielleicht schockierendste Ergebnis des Abends war die Zahl der Nichtwähler: 54 Prozent der Franzosen, vor allem jüngere und Menschen aus den unteren Einkommensschichten, verweigerten in dieser zweiten Runde den Weg zur Wahlurne. Das waren noch einmal zwei Prozentpunkte mehr als im ersten Durchgang. Schon bei der Wahl des Präsidenten im Frühjahr war viel über Politikmüdigkeit der Bürger und Frustration mit dem politischen Betrieb in Paris geschrieben worden. Das jetzige Ergebnis bestätigt die Analysen und enthält implizit die Forderung nach grundlegenden Reformen des Systems.
Für den französischen Präsidenten ist der zweite Durchgang der Parlamentswahl eine herbe Niederlage. Zwar wurde er im April mit einer ordentlichen Mehrheit wiedergewählt, jetzt aber versagen ihm die Franzosen die Mehrheit in der Nationalversammlung, die er zum Regieren brauchen würde. Seine aus früheren Sozialisten und Konservativen geschmiedete politische Gruppierung, die vor kurzem noch in “Renaissance” umgetauft worden war, erlebte statt einer Wiedergeburt eine Art Höllenfahrt.
Diejenigen, die zur Wahl gingen, haben so abgestimmt, dass keiner der politischen Blöcke auch nur in die Nähe einer Mehrheit kommt. Der Anführer neuen vereinigten Linken, Jean-Luc Mélenchon, hatte im Wahlkampf schon sich selbst als neuen Ministerpräsidenten ins Spiel gebracht. Mit rund 130 Sitzen wird sein Bündnis zwar die zweitstärkste Fraktion in der Nationalversammlung bilden, bleibt aber weit davon entfernt, einen Regierungsanspruch erheben zu können.
Gespaltenes Parlament
Der Altlinke Mélenchon hatte in den vergangenen Wochen immer wieder behauptet, Macron habe das Land ins Chaos und in eine Art soziale Hölle gestürzt. Das brachte ihm zwar ein gutes Ergebnis und viele Stimmen von jungen Wählern ein, die für sich schlechte Aufstiegschancen sehen, konnte ihn aber nicht in Richtung einer Parlamentsmehrheit katapultieren.
Auf der anderen Seite des Parteispektrums steht der Erfolg der Rechtsextremen um Marine Le Pen. Sie konnten die Zahl ihrer Abgeordneten verzehnfachen und werden als drittgrößte Fraktion in die Nationalversammlung einziehen. Damit wird der politische Einfluss Le Pens deutlich steigen, wobei gleichzeitig weiter der cordon sanitaire gilt, das Einvernehmen der anderen Parteien, mit dem Rassemblement National nicht zusammenzuarbeiten. “Heute Abend haben die Franzosen ihr Schicksal in die Hand genommen und aus Emmanuel Macron einen Minderheitspräsidenten gemacht”, begeisterte sich Le Pen. Wer dafür tatsächlich die Verantwortung trägt, werden erst die Analysen der Wählerwanderung zeigen.
Tatsächlich hat sie die Konservativen auf einen enttäuschenden vierten Platz relegiert. Schon bei der Präsidentschaftswahl war die konservative Kandidatin mit weniger als fünf Prozent der Stimmen desaströs gescheitert. Alle Versuche, Frankreichs traditionelle Regierungspartei wiederzubeleben, sind bisher gescheitert.
Finanzminister Bruno Le Maire sprach von einem “demokratischen Schock”, glaubt aber, man könne weiter regieren. Auch Ministerpräsidentin Elisabeth Borne spricht zwar von einer “Niederlage für das Land” angesichts der großen internationalen Herausforderungen, aber man werde “versuchen, eine Mehrheit zu bilden”. Man müsse Kompromisse suchen und am Dialog zwischen den verschiedenen politischen Empfindsamkeiten arbeiten. Sie verspricht, ihre Regierung wolle weiter die Kaufkraft der Franzosen gegen die Inflation verteidigen und den Umweltschutz zur zentralen Aufgabe der Politik machen. Das klingt eigentlich wie eine Einladung an linke Kräfte.
Die ursprünglichen Überlegungen aber sind gescheitert. Als man noch glaubte, der Präsidentenpartei werde entsprechend den Prognosen nur ein gutes Dutzend Sitze zur absoluten Mehrheit fehlen, sollten diese bei früheren Sozialisten und Konservativen eingesammelt werden. Regelrechte Regierungskoalitionen sind der französischen Politik bisher fremd. In den Wahlsendungen des französischen Fernsehens aber wurde das Wahlergebnis am Abend vielfach als Aufforderung interpretiert, politische Fantasie zu entfalten und sich ein Vorbild an Deutschland zu nehmen.
Als Koalitionspartner kämen aber eigentlich nur die Konservativen infrage. Deren Chef Christian Jacob erklärte indes nach dem erneut schlechten Abschneiden seiner Republikaner, man sei “gegen Macron in der Opposition”, und das sehe auch seine ganze Partei so. Entweder will Jacob also seine Stimmen teuer verkaufen oder er fürchtet, auch die noch übrig gebliebenen Konservativen könnten in der politischen Mitte des Macronismus verschwinden.
Ein Ergebnis wie dieses hat es in der jüngeren Geschichte Frankreichs noch nicht gegeben. Zuletzt hatte 1997 Präsident Jacques Chirac seine Parlamentsmehrheit verloren und musste daraufhin mit den Sozialisten kohabitieren. Diese stellten allerdings mit den Kommunisten eine Mehrheit der Abgeordneten, konnten Anspruch auf das Premierministeramt erheben und den konservativen Präsidenten weitgehend kaltstellen.
Jetzt ist die Situation so, dass vier politisch eher unvereinbare Lager im Parlament vertreten sind, was eine konstruktive Zusammenarbeit unwahrscheinlich oder zumindest schwer macht. Präsident Macron und seine Regierung können zwar im Amt bleiben, denn sie müssen nicht von der Nationalversammlung bestätigt werden. Ohne festen Partner müssten sie sich aber für Gesetzesvorlagen von Fall zu Fall eine Mehrheit zusammensuchen. Jeder Haushalt wäre damit ein Balanceakt – längerfristig ist das kaum durchzuhalten.
Verloren haben auch die Meinungsforscher, die mit ihren Prognosen weit danebenlagen, hatten sie doch dem Macron-Lager und den Linken deutlich mehr Stimmen vorhergesagt. Matthieu Doiret vom Umfrageinstitut Ipsos sagte dem Sender France 24, bei dieser Wahl hätten alle außer den Rechtsextremen verloren. Sowohl sie als auch die Vereinigte Linke beanspruchten aber nun, Macron um seine Mehrheit gebracht zu haben. Die erst in der vergangenen Woche geäißerte Bitte des Präsidenten an die französischen Wähler, auf die internationale Unordnung nicht noch weiteres Chaos zu setzen, sei nicht gehört worden.
“Das Ergebnis ist vielleicht das, was die Wähler gewollt haben”, erklärte Doiret. Denn in einer neuen Umfrage hätten sich 38 Prozent der Franzosen eine eher linke Politik gewünscht, ebenfalls 38 Prozent wollten eine Fortsetzung der bisherigen Richtung und nur 25 Prozent eine Wendung zur Rechten. Ironischerweise aber könne Macron nach diesem Wahlergebnis eher gezwungen sein, einen Rechtsschwenk zu vollziehen, so der Meinungsforscher.
Klar ist nur, dass der politische Schwung und die frühere Siegesgewissheit Macrons gebrochen sind. Nach fünf Jahren der Alleinherrschaft muss er nach politischen Partnern suchen, was bisher eher nicht zu seinen Talenten gehörte. Große Reformen dürften ihm kaum mehr gelingen, und wenn er die nächsten fünf Jahre im Amt durchsteht, werden sie um ein Vielfaches schwerer als seine erste Amtszeit.
Für den französischen Präsidenten ist der zweite Durchgang der Parlamentswahl eine herbe Niederlage. Zwar wurde er im April mit einer ordentlichen Mehrheit wiedergewählt, jetzt aber versagen ihm die Franzosen die Mehrheit in der Nationalversammlung, die er zum Regieren brauchen würde. Seine aus früheren Sozialisten und Konservativen geschmiedete politische Gruppierung, die vor kurzem noch in “Renaissance” umgetauft worden war, erlebte statt einer Wiedergeburt eine Art Höllenfahrt.
Das vielleicht schockierendste Ergebnis des Abends war die Zahl der Nichtwähler: 54 Prozent der Franzosen, vor allem jüngere und Menschen aus den unteren Einkommensschichten, verweigerten in dieser zweiten Runde den Weg zur Wahlurne. Das waren noch einmal zwei Prozentpunkte mehr als im ersten Durchgang. Schon bei der Wahl des Präsidenten im Frühjahr war viel über Politikmüdigkeit der Bürger und Frustration mit dem politischen Betrieb in Paris geschrieben worden. Das jetzige Ergebnis bestätigt die Analysen und enthält implizit die Forderung nach grundlegenden Reformen des Systems.
Gespaltenes Parlament
Diejenigen, die zur Wahl gingen, haben so abgestimmt, dass keiner der politischen Blöcke auch nur in die Nähe einer Mehrheit kommt. Der Anführer neuen vereinigten Linken, Jean-Luc Mélenchon, hatte im Wahlkampf schon sich selbst als neuen Ministerpräsidenten ins Spiel gebracht. Mit rund 130 Sitzen wird sein Bündnis zwar die zweitstärkste Fraktion in der Nationalversammlung bilden, bleibt aber weit davon entfernt, einen Regierungsanspruch erheben zu können.
Der Altlinke Mélenchon hatte in den vergangenen Wochen immer wieder behauptet, Macron habe das Land ins Chaos und in eine Art soziale Hölle gestürzt. Das brachte ihm zwar ein gutes Ergebnis und viele Stimmen von jungen Wählern ein, die für sich schlechte Aufstiegschancen sehen, konnte ihn aber nicht in Richtung einer Parlamentsmehrheit katapultieren.
Auf der anderen Seite des Parteispektrums steht der Erfolg der Rechtsextremen um Marine Le Pen. Sie konnten die Zahl ihrer Abgeordneten verzehnfachen und werden als drittgrößte Fraktion in die Nationalversammlung einziehen. Damit wird der politische Einfluss Le Pens deutlich steigen, wobei gleichzeitig weiter der cordon sanitaire gilt, das Einvernehmen der anderen Parteien, mit dem Rassemblement National nicht zusammenzuarbeiten. “Heute Abend haben die Franzosen ihr Schicksal in die Hand genommen und aus Emmanuel Macron einen Minderheitspräsidenten gemacht”, begeisterte sich Le Pen. Wer dafür tatsächlich die Verantwortung trägt, werden erst die Analysen der Wählerwanderung zeigen.
Tatsächlich hat sie die Konservativen auf einen enttäuschenden vierten Platz relegiert. Schon bei der Präsidentschaftswahl war die konservative Kandidatin mit weniger als fünf Prozent der Stimmen desaströs gescheitert. Alle Versuche, Frankreichs traditionelle Regierungspartei wiederzubeleben, sind bisher gescheitert.
Schock im Macron-Lager
Finanzminister Bruno Le Maire sprach von einem “demokratischen Schock”, glaubt aber, man könne weiter regieren. Auch Ministerpräsidentin Elisabeth Borne spricht zwar von einer “Niederlage für das Land” angesichts der großen internationalen Herausforderungen, aber man werde “versuchen, eine Mehrheit zu bilden”. Man müsse Kompromisse suchen und am Dialog zwischen den verschiedenen politischen Empfindsamkeiten arbeiten. Sie verspricht, ihre Regierung wolle weiter die Kaufkraft der Franzosen gegen die Inflation verteidigen und den Umweltschutz zur zentralen Aufgabe der Politik machen. Das klingt eigentlich wie eine Einladung an linke Kräfte.
Fast alle haben verloren
Die ursprünglichen Überlegungen aber sind gescheitert. Als man noch glaubte, der Präsidentenpartei werde entsprechend den Prognosen nur ein gutes Dutzend Sitze zur absoluten Mehrheit fehlen, sollten diese bei früheren Sozialisten und Konservativen eingesammelt werden. Regelrechte Regierungskoalitionen sind der französischen Politik bisher fremd. In den Wahlsendungen des französischen Fernsehens aber wurde das Wahlergebnis am Abend vielfach als Aufforderung interpretiert, politische Fantasie zu entfalten und sich ein Vorbild an Deutschland zu nehmen.
Als Koalitionspartner kämen aber eigentlich nur die Konservativen infrage. Deren Chef Christian Jacob erklärte indes nach dem erneut schlechten Abschneiden seiner Republikaner, man sei “gegen Macron in der Opposition”, und das sehe auch seine ganze Partei so. Entweder will Jacob also seine Stimmen teuer verkaufen oder er fürchtet, auch die noch übrig gebliebenen Konservativen könnten in der politischen Mitte des Macronismus verschwinden.
Ein Ergebnis wie dieses hat es in der jüngeren Geschichte Frankreichs noch nicht gegeben. Zuletzt hatte 1997 Präsident Jacques Chirac seine Parlamentsmehrheit verloren und musste daraufhin mit den Sozialisten kohabitieren. Diese stellten allerdings mit den Kommunisten eine Mehrheit der Abgeordneten, konnten Anspruch auf das Premierministeramt erheben und den konservativen Präsidenten weitgehend kaltstellen.
Jetzt ist die Situation so, dass vier politisch eher unvereinbare Lager im Parlament vertreten sind, was eine konstruktive Zusammenarbeit unwahrscheinlich oder zumindest schwer macht. Präsident Macron und seine Regierung können zwar im Amt bleiben, denn sie müssen nicht von der Nationalversammlung bestätigt werden. Ohne festen Partner müssten sie sich aber für Gesetzesvorlagen von Fall zu Fall eine Mehrheit zusammensuchen. Jeder Haushalt wäre damit ein Balanceakt – längerfristig ist das kaum durchzuhalten.
Verloren haben auch die Meinungsforscher, die mit ihren Prognosen weit danebenlagen, hatten sie doch dem Macron-Lager und den Linken deutlich mehr Stimmen vorhergesagt. Matthieu Doiret vom Umfrageinstitut Ipsos sagte dem Sender France 24, bei dieser Wahl hätten alle außer den Rechtsextremen verloren. Sowohl sie als auch die Vereinigte Linke beanspruchten aber nun, Macron um seine Mehrheit gebracht zu haben. Die erst in der vergangenen Woche geäißerte Bitte des Präsidenten an die französischen Wähler, auf die internationale Unordnung nicht noch weiteres Chaos zu setzen, sei nicht gehört worden.
“Das Ergebnis ist vielleicht das, was die Wähler gewollt haben”, erklärte Doiret. Denn in einer neuen Umfrage hätten sich 38 Prozent der Franzosen eine eher linke Politik gewünscht, ebenfalls 38 Prozent wollten eine Fortsetzung der bisherigen Richtung und nur 25 Prozent eine Wendung zur Rechten. Ironischerweise aber könne Macron nach diesem Wahlergebnis eher gezwungen sein, einen Rechtsschwenk zu vollziehen, so der Meinungsforscher.
Klar ist nur, dass der politische Schwung und die frühere Siegesgewissheit Macrons gebrochen sind. Nach fünf Jahren der Alleinherrschaft muss er nach politischen Partnern suchen, was bisher eher nicht zu seinen Talenten gehörte. Große Reformen dürften ihm kaum mehr gelingen, und wenn er die nächsten fünf Jahre im Amt durchsteht, werden sie um ein Vielfaches schwerer als seine erste Amtszeit.