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Vom Minimarkt in die Politik: Vietnamesen in Tschechien

Im Kommunismus kamen sie als Gastarbeiter, dann eroberten sie die Welt der Minimärkte. Heute sind Vietnamesen in Wirtschaft, Kultur, Ministerien und Sport der Tschechischen Republik präsent.

Werbetafeln auf Vietnamesisch, ein riesiger Markt, wie ein Labyrinth, schäbige Hallen, kleine und große Geschäfte, Restaurants, die alles bieten, vom Imbiss bis zu gehobenen Küche – das ist Sapa, ein Stück Vietnam mitten in der Tschechischen Republik. Die vietnamesische Marktstadt in der Hauptstadt Prag ist das Pendant zu Chinatown in New York, San Francisco und London. Im Volksmund wird sie auch Klein-Hanoi genannt. Hier, im Prager Stadtteil Libus, am südlichen Stadtrand der tschechischen Hauptstadt, leben und arbeiten mehrere tausend Vietnamesinnen und Vietnamesen auf 350.000 Quadratmetern. Der Komplex ist viel mehr ist als nur ein riesiger Markt: Sapa ist das Zentrum der vietnamesischen Gemeinschaft in Tschechien. Der Ort ist so außergewöhnlich, dass es sogar ein Reisebüro namens Sapa Trip gibt, das Touren für Touristen durch den Markt organisiert.

Es ist Donnerstagnachmittag, und unter den Verkäufern und Einkäufern überwiegen Vietnamesen, ebenso wie in den Restaurants, beim Friseur oder im buddhistischen Tempel. “Wir kommen hierher, um vietnamesische Lebensmittel einzukaufen”, sagt eine junge Frau. “Hier bekommen wir alles, wie in Vietnam.” Und ein junger Vietnamese mit dem tschechischen Vornamen Jan fügt hinzu: “Für uns ist es mehr als ein Markt. Es ist unsere kleine vietnamesische Welt.”

Werbetafeln auf Vietnamesisch, ein riesiger Markt, wie ein Labyrinth, schäbige Hallen, kleine und große Geschäfte, Restaurants, die alles bieten, vom Imbiss bis zu gehobenen Küche – das ist Sapa, ein Stück Vietnam mitten in der Tschechischen Republik. Die vietnamesische Marktstadt in der Hauptstadt Prag ist das Pendant zu Chinatown in New York, San Francisco und London. Im Volksmund wird sie auch Klein-Hanoi genannt. Hier, im Prager Stadtteil Libus, am südlichen Stadtrand der tschechischen Hauptstadt, leben und arbeiten mehrere tausend Vietnamesinnen und Vietnamesen auf 350.000 Quadratmetern. Der Komplex ist viel mehr ist als nur ein riesiger Markt: Sapa ist das Zentrum der vietnamesischen Gemeinschaft in Tschechien. Der Ort ist so außergewöhnlich, dass es sogar ein Reisebüro namens Sapa Trip gibt, das Touren für Touristen durch den Markt organisiert.

Mancherorts würde der Gesundheitsinspektor wahrscheinlich eine Augenbraue hochziehen. Gleichzeitig locken bizarr-exotische Angebote zum Beispiel an den Gemüse- und Obstständen mit Früchten, die für Tschechen völlig unbekannt sind. Trotzdem kommen auch viele von ihnen zum Einkaufen gern hierher. So wie Helena Vodenkova, eine 50-jährige Pragerin. “Es gibt eine große Auswahl an Gemüse, Obst, Meeresfrüchten, asiatischen Saucen oder Gewürzen. Und es ist nicht teuer”, sagt sie. Bezahlen muss sie allerdings in bar, denn Karten werden hier nicht akzeptiert. Selbst das vietnamesische Ehepaar, das in einem riesigen Supermarkt einen Großeinkauf im Wert von 700 Euro macht, zahlt mit einem Bündel Scheinen.

Das kleine Vietnam am Rand von Prag

Die vietnamesische Gemeinschaft, deren Zahl nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 60.000 und 100.000 liegt, ist offiziell die drittgrößte ethnische Minderheit im Zehn-Millionen-Einwohner-Staat Tschechien, nach Slowaken und Ukrainern. Sie ist nicht nur wegen ihrer Größe außergewöhnlich, sondern auch wegen ihres Einflusses und wegen ihrer reibungslosen Koexistenz mit der tschechischen Mehrheitsgesellschaft.

“Vietnamesen kamen vor mehr als 60 Jahren im Rahmen der Hilfsmaßnahmen der ehemaligen Tschechoslowakei für Vietnam hierher”, sagt Milos Kusy, Vorsitzender der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft, im Gespräch mit der DW. “Sie kamen als Studenten und Lehrlinge, erwiesen sich als äußerst fleißig und lernten schnell.”

Deshalb wurde 1975 beschlossen, den Arbeitskräftemangel in den Fabriken der Tschechoslowakei durch Anwerbung in Vietnam zu bekämpfen. Ihr außergewöhnlicher Fleiß, ihre Bereitschaft, sich in die Gesellschaft zu integrieren und eine im Vergleich zu anderen zugewanderten Ausländern minimale Kriminalitätsrate habe zu ihrer Integration beigetragen, erläutert Kusy. Dies erkläre auch, warum die sonst eher xenophoben Tschechen kein Problem mit den vietnamesischen Zuwanderern hätten.

“Nach dem Fall des Kommunismus im Jahr 1990 durften Vietnamesen in der Tschechischen Republik eigene Geschäfte eröffnen. Damit begann der große Boom der vietnamesischen Minimärkte”, so Kusy weiter. Überall im Lande wurden in den 1990er-Jahren vietnamesische Lebensmittel- und Textilgeschäfte eröffnet. “Sie waren sozusagen Lebensretter, insbesondere für sozial benachteiligte tschechische Familien. Vor allem Kleidung wurde zu extrem niedrigen Preisen angeboten, so dass auch ärmere Tschechen sie sich leisten konnten”, sagt Kusy. “Ein weiterer Vorteil waren die fast unbegrenzten Öffnungszeiten an sieben Tagen in der Woche.”

Dies verschaffte den Vietnamesen außerordentlich viel Respekt unter den Tschechen. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CVVM aus dem Jahr 2020 lagen die Vietnamesen auf der Beliebtheitsskala für Minderheiten in Tschechien auf Platz Vier, hinter Slowaken, Polen und Ungarn – und vor den Deutschen. Nur 21 Prozent der Befragten sahen sie negativ.

Heute hat die zweite Generation der in der Tschechischen Republik geborenen Vietnamesen das Erwachsenenalter erreicht und verfügt über die tschechische Staatsbürgerschaft. Die dritte Generation geht bereits in die Schulen und Kindergärten. “Vietnamesische Kinder sind ausgezeichnete Lerner. Viele Vietnamesen studieren an tschechischen Universitäten, vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Technik”, sagt Marcel Winter, Ehrenvorsitzender der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft, der DW. Heute dienen Vertreter der neuen Generation als Offiziere in der tschechischen Armee und in gehobener Position in den Ministerien. So ist die Sprecherin des Außenministers, Lenka Do, vietnamesischer Abstammung.

Auch unter Rechtsanwälten, Schauspielern und Sportlern gibt es viele Vietnamesen. Filip Nguem wurde vor drei Jahren zum besten Fußballtorwart gewählt, Monika Leova wurde zur Miss Tschechien gekürt, und die Schauspielerin Ha Thanh Spetlikova ist ein Star von Fernsehserien. “Von klein auf haben uns unsere Eltern eingetrichtert, dass wir Einwanderer sind und dass wir uns mehr anstrengen müssen als andere, dass wir besser sein müssen als unsere tschechischen Klassenkameraden. Es ist also in unserer Mentalität verankert, dass wir uns 200 Prozent anstrengen müssen”, sagt Tuan Lam Hoang, ein 28-jähriger Jurist.

Ein weniger bekanntes und weniger erfreuliches Kapitel in der Geschichte der Vietnamesen in der Tschechischen Republik ist ihre Dominanz im Drogengeschäft. “Es betrifft nur ein paar hundert Vietnamesen. Der größte Teil der Gemeinschaft hat sich eindeutig von ihnen distanziert, weil sie erkannt haben, dass sie nicht nur dem Ruf der gesamten Minderheit schaden, sondern auch Drogen unter vietnamesischen Jugendlichen verbreiten”, so der Vorsitzende der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft, Milos Kusy.

Vietnamesen dominierten vor allem die Produktion von Amphetamin, die sie auf ein “industrielles Niveau” gebracht hätten. “Sie hatten nur fünf Prozent der Crystal Meth-Brauereien, aber sie produzierten bis zu 80 Prozent des Crystal Meth in der Tschechischen Republik”, erklärt Kusy. Über Mitglieder der vietnamesischen Minderheit in Deutschland hätten sie auch den Markt für die harte Droge in der Bundesrepublik beherrscht. Diese Kriminalität sei jedoch dank der erfolgreichen Interventionen der tschechischen und deutschen Polizei und deren Zusammenarbeit mit der vietnamesischen Gemeinschaft rückläufig. Trotzdem habe Tschechien die Erteilung von Visa an Vietnamesen seit 2016 stark eingeschränkt.

Ein Laden, der Plastikspielzeug verkauft mit bunten Auslagen und tschechischem Schriftzug über der Tür
Milos Kusy, Vorsitzender der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft trägt am Revers eine Anstecknadel mit den Flaggen Tschechiens und Vietnams
Lenka Do, Sprecherin des tschechischen Außenministeriums, steht vor einer Plakette mit dem Namen des Ministeriums

Werbetafeln auf Vietnamesisch, ein riesiger Markt, wie ein Labyrinth, schäbige Hallen, kleine und große Geschäfte, Restaurants, die alles bieten, vom Imbiss bis zu gehobenen Küche – das ist Sapa, ein Stück Vietnam mitten in der Tschechischen Republik. Die vietnamesische Marktstadt in der Hauptstadt Prag ist das Pendant zu Chinatown in New York, San Francisco und London. Im Volksmund wird sie auch Klein-Hanoi genannt. Hier, im Prager Stadtteil Libus, am südlichen Stadtrand der tschechischen Hauptstadt, leben und arbeiten mehrere tausend Vietnamesinnen und Vietnamesen auf 350.000 Quadratmetern. Der Komplex ist viel mehr ist als nur ein riesiger Markt: Sapa ist das Zentrum der vietnamesischen Gemeinschaft in Tschechien. Der Ort ist so außergewöhnlich, dass es sogar ein Reisebüro namens Sapa Trip gibt, das Touren für Touristen durch den Markt organisiert.

Es ist Donnerstagnachmittag, und unter den Verkäufern und Einkäufern überwiegen Vietnamesen, ebenso wie in den Restaurants, beim Friseur oder im buddhistischen Tempel. “Wir kommen hierher, um vietnamesische Lebensmittel einzukaufen”, sagt eine junge Frau. “Hier bekommen wir alles, wie in Vietnam.” Und ein junger Vietnamese mit dem tschechischen Vornamen Jan fügt hinzu: “Für uns ist es mehr als ein Markt. Es ist unsere kleine vietnamesische Welt.”

Das kleine Vietnam am Rand von Prag

Mancherorts würde der Gesundheitsinspektor wahrscheinlich eine Augenbraue hochziehen. Gleichzeitig locken bizarr-exotische Angebote zum Beispiel an den Gemüse- und Obstständen mit Früchten, die für Tschechen völlig unbekannt sind. Trotzdem kommen auch viele von ihnen zum Einkaufen gern hierher. So wie Helena Vodenkova, eine 50-jährige Pragerin. “Es gibt eine große Auswahl an Gemüse, Obst, Meeresfrüchten, asiatischen Saucen oder Gewürzen. Und es ist nicht teuer”, sagt sie. Bezahlen muss sie allerdings in bar, denn Karten werden hier nicht akzeptiert. Selbst das vietnamesische Ehepaar, das in einem riesigen Supermarkt einen Großeinkauf im Wert von 700 Euro macht, zahlt mit einem Bündel Scheinen.

Die vietnamesische Gemeinschaft, deren Zahl nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 60.000 und 100.000 liegt, ist offiziell die drittgrößte ethnische Minderheit im Zehn-Millionen-Einwohner-Staat Tschechien, nach Slowaken und Ukrainern. Sie ist nicht nur wegen ihrer Größe außergewöhnlich, sondern auch wegen ihres Einflusses und wegen ihrer reibungslosen Koexistenz mit der tschechischen Mehrheitsgesellschaft.

“Vietnamesen kamen vor mehr als 60 Jahren im Rahmen der Hilfsmaßnahmen der ehemaligen Tschechoslowakei für Vietnam hierher”, sagt Milos Kusy, Vorsitzender der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft, im Gespräch mit der DW. “Sie kamen als Studenten und Lehrlinge, erwiesen sich als äußerst fleißig und lernten schnell.”

Deshalb wurde 1975 beschlossen, den Arbeitskräftemangel in den Fabriken der Tschechoslowakei durch Anwerbung in Vietnam zu bekämpfen. Ihr außergewöhnlicher Fleiß, ihre Bereitschaft, sich in die Gesellschaft zu integrieren und eine im Vergleich zu anderen zugewanderten Ausländern minimale Kriminalitätsrate habe zu ihrer Integration beigetragen, erläutert Kusy. Dies erkläre auch, warum die sonst eher xenophoben Tschechen kein Problem mit den vietnamesischen Zuwanderern hätten.

Gastarbeiter und Minimärkte

“Nach dem Fall des Kommunismus im Jahr 1990 durften Vietnamesen in der Tschechischen Republik eigene Geschäfte eröffnen. Damit begann der große Boom der vietnamesischen Minimärkte”, so Kusy weiter. Überall im Lande wurden in den 1990er-Jahren vietnamesische Lebensmittel- und Textilgeschäfte eröffnet. “Sie waren sozusagen Lebensretter, insbesondere für sozial benachteiligte tschechische Familien. Vor allem Kleidung wurde zu extrem niedrigen Preisen angeboten, so dass auch ärmere Tschechen sie sich leisten konnten”, sagt Kusy. “Ein weiterer Vorteil waren die fast unbegrenzten Öffnungszeiten an sieben Tagen in der Woche.”

Neue Generation von tschechischen Vietnamesen

Dies verschaffte den Vietnamesen außerordentlich viel Respekt unter den Tschechen. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CVVM aus dem Jahr 2020 lagen die Vietnamesen auf der Beliebtheitsskala für Minderheiten in Tschechien auf Platz Vier, hinter Slowaken, Polen und Ungarn – und vor den Deutschen. Nur 21 Prozent der Befragten sahen sie negativ.

Heute hat die zweite Generation der in der Tschechischen Republik geborenen Vietnamesen das Erwachsenenalter erreicht und verfügt über die tschechische Staatsbürgerschaft. Die dritte Generation geht bereits in die Schulen und Kindergärten. “Vietnamesische Kinder sind ausgezeichnete Lerner. Viele Vietnamesen studieren an tschechischen Universitäten, vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Technik”, sagt Marcel Winter, Ehrenvorsitzender der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft, der DW. Heute dienen Vertreter der neuen Generation als Offiziere in der tschechischen Armee und in gehobener Position in den Ministerien. So ist die Sprecherin des Außenministers, Lenka Do, vietnamesischer Abstammung.

Auch unter Rechtsanwälten, Schauspielern und Sportlern gibt es viele Vietnamesen. Filip Nguem wurde vor drei Jahren zum besten Fußballtorwart gewählt, Monika Leova wurde zur Miss Tschechien gekürt, und die Schauspielerin Ha Thanh Spetlikova ist ein Star von Fernsehserien. “Von klein auf haben uns unsere Eltern eingetrichtert, dass wir Einwanderer sind und dass wir uns mehr anstrengen müssen als andere, dass wir besser sein müssen als unsere tschechischen Klassenkameraden. Es ist also in unserer Mentalität verankert, dass wir uns 200 Prozent anstrengen müssen”, sagt Tuan Lam Hoang, ein 28-jähriger Jurist.

Ein weniger bekanntes und weniger erfreuliches Kapitel in der Geschichte der Vietnamesen in der Tschechischen Republik ist ihre Dominanz im Drogengeschäft. “Es betrifft nur ein paar hundert Vietnamesen. Der größte Teil der Gemeinschaft hat sich eindeutig von ihnen distanziert, weil sie erkannt haben, dass sie nicht nur dem Ruf der gesamten Minderheit schaden, sondern auch Drogen unter vietnamesischen Jugendlichen verbreiten”, so der Vorsitzende der Tschechisch-Vietnamesischen Gesellschaft, Milos Kusy.

Vietnamesen dominierten vor allem die Produktion von Amphetamin, die sie auf ein “industrielles Niveau” gebracht hätten. “Sie hatten nur fünf Prozent der Crystal Meth-Brauereien, aber sie produzierten bis zu 80 Prozent des Crystal Meth in der Tschechischen Republik”, erklärt Kusy. Über Mitglieder der vietnamesischen Minderheit in Deutschland hätten sie auch den Markt für die harte Droge in der Bundesrepublik beherrscht. Diese Kriminalität sei jedoch dank der erfolgreichen Interventionen der tschechischen und deutschen Polizei und deren Zusammenarbeit mit der vietnamesischen Gemeinschaft rückläufig. Trotzdem habe Tschechien die Erteilung von Visa an Vietnamesen seit 2016 stark eingeschränkt.

Vietnamesische Fans halten Plakate hoch und applaudieren bei einem Tennisturnier in Tschechien

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