Antisemitismus-Eklat bei der documenta: Kuratorenteam entschuldigt sich
Nach dem Eklat um ein antisemitisches Kunstwerk bei der documenta fifteen in Kassel hat sich das verantwortliche Kuratorenkollektiv Ruangrupa jetzt entschuldigt.
Drei Tage lang hing die Installation “Peoples Justice” des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi an einem Gerüst im Zentrum Kassels, bevor es nach Antisemitismus-Vorwürfen wieder abgebaut wurde. Es zeigte eine Art Weltgericht als Wimmelbild. Darauf war auch ein Soldat mit Schweinsgesicht und Davidstern zu sehen sowie eine Figur mit Schläfenlocken, Raffzähnen und SS-Runen auf dem Hut.
“Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und den Schock, den dieses Stereotyp bei den Zuschauern und dem ganzen Team verursacht hat”, teilten die Kuratoren der documenta, das ebenfalls aus Indonesien stammende Kollektiv Ruangrupa, jetzt mit. Man habe gemeinsam versagt, jene Teile in dem Kunstwerk zu erkennen, die klassische Stereotype von Antisemitismus hervorriefen. “Wir sehen ein, dass das unser Fehler war.”
Drei Tage lang hing die Installation “Peoples Justice” des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi an einem Gerüst im Zentrum Kassels, bevor es nach Antisemitismus-Vorwürfen wieder abgebaut wurde. Es zeigte eine Art Weltgericht als Wimmelbild. Darauf war auch ein Soldat mit Schweinsgesicht und Davidstern zu sehen sowie eine Figur mit Schläfenlocken, Raffzähnen und SS-Runen auf dem Hut.
Man erkenne an, dass die Abbildungen an die “schrecklichste Episode der deutschen Geschichte erinnern, in der jüdische Menschen in beispiellosem Ausmaß angegriffen und ermordet wurden”. Das Kollektiv will nach eigenen Angaben nun die Gelegenheit nutzen, um sich “über die grausame Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus weiterzubilden”.
Erinnerung an die “schrecklichste Episode der deutschen Geschichte”
In einer Mitteilung auf der Internetseite der documenta bedankte Ruangrupa sich für die “konstruktive Kritik und Solidarität”, sieht sich aber auch unfair behandelt: “Wir haben das Gefühl, dass viele der Anschuldigungen gegen uns erhoben wurden, ohne dass zuvor ein offener Austausch und gegenseitiges Lernen angestrebt wurde”. Ruangrupa betonte aber auch: “Wir sind hier, um zu bleiben und entschlossen, diese Ausstellung allen Widrigkeiten zum Trotz offen zu halten.”
Die Aufarbeitung des Debakels ist währenddessen in vollem Gange. Die Antisemitismusbeauftragten von Bund und Ländern forderten Konsequenzen und eine klare Benennung der Verantwortlichen. “Die Feststellung der Verantwortlichkeiten im Umgang mit antisemitischer Bildsprache und anderen judenfeindlichen Inhalten ist dringend notwendig”, erklärte die Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens. Es sei wichtig, “die Versäumnisse und Fehler bei Planung, Vorbereitung und Durchführung der documenta klarzustellen und Konsequenzen zu ziehen”.
Nach der Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz, wegen der Ereignisse nicht zur documenta fifteen zu kommen, hat Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle einen Brief an den Regierungschef geschrieben. Er halte die Absage von Scholz für unangemessen, da die documenta damit “quasi unter Generalverdacht gestellt werde”, zitierte die Zeitung “Hessische/ Niedersächsische Allgemeine” einen Rathaussprecher. Ein Besuch des Bundeskanzlers ist allerdings kein fester Bestandteil des documenta-Programms. Scholz hatte mit Blick auf den Antisemitismus-Eklat erklärt, die Weltkunstausstellung nicht besuchen zu wollen.
Trotz mehrerer Rücktrittsforderungen will die Generaldirektorin der documenta
fifteen, Sabine Schormann, an ihrem Amt festhalten. Sie wolle “das Schiff wieder auf Kurs bringen”, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Bei schwerer See gehe ein Kapitän nicht von Bord. Die Findungskommission der documenta, die Ruangrupa eingeladen hatte, teilte mit, sie stehe weiterhin zu ihrer Auswahl des indonesischen Künstlerkollektivs. “Insgesamt fanden wir die Präsentationen generös, zum Nachdenken anregend, lebendig und einladend. Die documenta fifteen bietet ein Bild einer Welt, die aus vielen Welten besteht, ohne Hierarchie oder Universalismus”, erklärten die Kommissionsmitglieder Amar Kanwar, Charles Esche, Elvira Dyangani Ose, Frances Morris, Gabi Ngcobo, Jochen Volz, Philippe Pirotte und Ute Meta Bauer. Gleichwohl dürften Bilder, die an Nazi-Karikaturen erinnern, keinen Raum in der documenta haben.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hatte zuvor Konsequenzen für die Struktur der Kunstausstellung gefordert und dazu einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt. Danach will der Bund mehr Einfluss auf die documenta.
Derzeit wird die “documenta und Museum Fridericianum gGmbH” als eine gemeinnützige Gesellschaft von der Stadt Kassel und dem Land Hessen als Gesellschafter getragen und finanziert. Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt die Weltkunstschau finanziell. Künftig sollten Verantwortlichkeiten “klar abgegrenzt und vereinbart werden”.
Einen ersten Rücktritt in dem Antisemitismus-Streit gab es unterdessen beim documenta-Forum, einem Unterstützer-Gremium der alle fünf Jahre stattfindenden Kunstschau. Der Vorsitzende Jörg Sperling gab sein Amt auf, nachdem er in einem dpa-Interview die Entfernung des Taring-Padi-Banners kritisiert hatte und dafür seinerseits in die Kritik geriet.
kt/sd/suc (dpa/epd)
Drei Tage lang hing die Installation “Peoples Justice” des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi an einem Gerüst im Zentrum Kassels, bevor es nach Antisemitismus-Vorwürfen wieder abgebaut wurde. Es zeigte eine Art Weltgericht als Wimmelbild. Darauf war auch ein Soldat mit Schweinsgesicht und Davidstern zu sehen sowie eine Figur mit Schläfenlocken, Raffzähnen und SS-Runen auf dem Hut.
“Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und den Schock, den dieses Stereotyp bei den Zuschauern und dem ganzen Team verursacht hat”, teilten die Kuratoren der documenta, das ebenfalls aus Indonesien stammende Kollektiv Ruangrupa, jetzt mit. Man habe gemeinsam versagt, jene Teile in dem Kunstwerk zu erkennen, die klassische Stereotype von Antisemitismus hervorriefen. “Wir sehen ein, dass das unser Fehler war.”
Erinnerung an die “schrecklichste Episode der deutschen Geschichte”
Man erkenne an, dass die Abbildungen an die “schrecklichste Episode der deutschen Geschichte erinnern, in der jüdische Menschen in beispiellosem Ausmaß angegriffen und ermordet wurden”. Das Kollektiv will nach eigenen Angaben nun die Gelegenheit nutzen, um sich “über die grausame Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus weiterzubilden”.
In einer Mitteilung auf der Internetseite der documenta bedankte Ruangrupa sich für die “konstruktive Kritik und Solidarität”, sieht sich aber auch unfair behandelt: “Wir haben das Gefühl, dass viele der Anschuldigungen gegen uns erhoben wurden, ohne dass zuvor ein offener Austausch und gegenseitiges Lernen angestrebt wurde”. Ruangrupa betonte aber auch: “Wir sind hier, um zu bleiben und entschlossen, diese Ausstellung allen Widrigkeiten zum Trotz offen zu halten.”
Die Aufarbeitung des Debakels ist währenddessen in vollem Gange. Die Antisemitismusbeauftragten von Bund und Ländern forderten Konsequenzen und eine klare Benennung der Verantwortlichen. “Die Feststellung der Verantwortlichkeiten im Umgang mit antisemitischer Bildsprache und anderen judenfeindlichen Inhalten ist dringend notwendig”, erklärte die Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens. Es sei wichtig, “die Versäumnisse und Fehler bei Planung, Vorbereitung und Durchführung der documenta klarzustellen und Konsequenzen zu ziehen”.
Nach der Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz, wegen der Ereignisse nicht zur documenta fifteen zu kommen, hat Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle einen Brief an den Regierungschef geschrieben. Er halte die Absage von Scholz für unangemessen, da die documenta damit “quasi unter Generalverdacht gestellt werde”, zitierte die Zeitung “Hessische/ Niedersächsische Allgemeine” einen Rathaussprecher. Ein Besuch des Bundeskanzlers ist allerdings kein fester Bestandteil des documenta-Programms. Scholz hatte mit Blick auf den Antisemitismus-Eklat erklärt, die Weltkunstausstellung nicht besuchen zu wollen.
Wer trägt die Verantwortung?
Trotz mehrerer Rücktrittsforderungen will die Generaldirektorin der documenta
fifteen, Sabine Schormann, an ihrem Amt festhalten. Sie wolle “das Schiff wieder auf Kurs bringen”, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Bei schwerer See gehe ein Kapitän nicht von Bord. Die Findungskommission der documenta, die Ruangrupa eingeladen hatte, teilte mit, sie stehe weiterhin zu ihrer Auswahl des indonesischen Künstlerkollektivs. “Insgesamt fanden wir die Präsentationen generös, zum Nachdenken anregend, lebendig und einladend. Die documenta fifteen bietet ein Bild einer Welt, die aus vielen Welten besteht, ohne Hierarchie oder Universalismus”, erklärten die Kommissionsmitglieder Amar Kanwar, Charles Esche, Elvira Dyangani Ose, Frances Morris, Gabi Ngcobo, Jochen Volz, Philippe Pirotte und Ute Meta Bauer. Gleichwohl dürften Bilder, die an Nazi-Karikaturen erinnern, keinen Raum in der documenta haben.
Generaldirektorin will nicht zurücktreten
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hatte zuvor Konsequenzen für die Struktur der Kunstausstellung gefordert und dazu einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt. Danach will der Bund mehr Einfluss auf die documenta.
Derzeit wird die “documenta und Museum Fridericianum gGmbH” als eine gemeinnützige Gesellschaft von der Stadt Kassel und dem Land Hessen als Gesellschafter getragen und finanziert. Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt die Weltkunstschau finanziell. Künftig sollten Verantwortlichkeiten “klar abgegrenzt und vereinbart werden”.
Einen ersten Rücktritt in dem Antisemitismus-Streit gab es unterdessen beim documenta-Forum, einem Unterstützer-Gremium der alle fünf Jahre stattfindenden Kunstschau. Der Vorsitzende Jörg Sperling gab sein Amt auf, nachdem er in einem dpa-Interview die Entfernung des Taring-Padi-Banners kritisiert hatte und dafür seinerseits in die Kritik geriet.
kt/sd/suc (dpa/epd)