Eröffnung des Rheingau Musik Festivals: Gewaltige Klänge im Kloster Eberbach
Mit Felix Mendelssohn Bartholdys “Lobgesang” eröffnete das Rheingau Musikfestival. Ein Werk mit symbolischem Charakter im Ukraine-Krieg, findet der Veranstalter.
Ein solch gewaltiger musikalischer Klang hat die Mauern von Kloster Eberbach schon lange nicht mehr erschüttert. Denn eine volle Orchesterbesetzung begleitet von einem klanggewaltigen Chor waren seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht mehr gestattet.
Zur Eröffnung des 35. Rheingau Musik Festivals wollte es Festivalgründer Michael Herrmann im wahrsten Sinne des Wortes richtig krachen lassen: mit Antonin Dvořáks Sinfonischer Dichtung “Das Spinnrad” und Mendelssohn Bartholdys 2. Sinfonie “Lobgesang” in einem vollbesetzten Kloster. Im Zeichen des Ukraine-Kriegs hätten die beiden Stücke eine ganz eigene Bedeutung bekommen, sagte Herrmann in seiner Begrüßungsansprache.
Ein solch gewaltiger musikalischer Klang hat die Mauern von Kloster Eberbach schon lange nicht mehr erschüttert. Denn eine volle Orchesterbesetzung begleitet von einem klanggewaltigen Chor waren seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht mehr gestattet.
“Dieses Programm ist lange vor dem 24. Februar (dem Angriff Russlands auf die Ukraine, Anm. der Red.) festgelegt worden, jetzt haben die beiden Stücke symbolischen Charakter”, so Herrmann. Sie symbolisierten eine “Zeitenwende”, von der im Zuge der Diskussion um Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine derzeit viel die Rede ist – allerdings eine Zeitenwende hin zum Positiven: “Bei Dvořáks ‘Spinnrad’ wird das Böse vernichtet. Bei Mendelssohns Lobgesang auf Gott kommen die Menschen von der Nacht in den Tag, vom Dunkel ins Licht.”
“Stücke mit symbolischem Charakter”
Mit Antonin Dvořáks Sinfonischer Dichtung “Das Spinnrad” eröffnete das Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks (hr) das Festival unter seinem neuen Chefdirigenten Alain Altinoglu. Ein musikalisches Märchen, gespickt mit alten böhmischen Tänzen. Der tschechische Komponist Antonin Dvořák schrieb “Das Spinnrad” 1896 nach der Rückkehr aus Amerika, wo er als Dozent am National Conservatory of Music tätig war. In dieser Zeit entstanden einige Sinfonische Dichtungen, bei denen allein die Musik eine Geschichte tonmalerisch erzählt, ohne Gesang.
“Das Spinnrad” ist eine Art tschechisches Aschenputtel-Märchen. Der König will die junge Dornicka heiraten. Weil deren Stiefmutter aber lieber ihre leibliche Tochter mit dem König vermählen will, bringt sie Dornicka um. Auf magische Weise wird diese von einem Zauberer wieder zum Leben erweckt und kann so den König heiraten. Die Stiefmutter und ihre leibliche Tochter werden mit dem Tode bestraft. Das Gute siegt am Ende über das Böse.
Das hr-Sinfonieorchester zählt zu den renommiertesten Orchestern in Deutschland. Der französische Dirigent Alain Altinoglu ist seit letztem September Chefdirigent des Orchesters. Sein Amtseintritt stand noch ganz unter den Zeichen der Corona-Pandemie. Viele Publikumskonzerte mussten Anfang des Jahres abgesagt und durch Videostreams ersetzt werden.
“Wir hatten gleich einen guten Draht zueinander. Es war so leicht, zusammen zu musizieren. Das Orchester hat ein sehr hohes Level und kann jedes Repertoire spielen”, lobt der neue Chef, der bereits viele Orchester von Weltrang dirigiert hat, im Gespräch mit der DW. Dramatische Tutti, aber auch die tänzerischen Melodien beider Werke meisterte das Orchester mit beschwingter Leichtigkeit in den alten Mauern des Klosters.
Das Kloster Eberbach in Eltville am Rhein hat als ehemaliges Zisterzienserkloster eine lange Historie. Hier wurde 1985/86 auch Umberto Ecos Roman “Der Name der Rose” mit Sean Connery verfilmt. Geschäftsführer Marsilius von Ingelheim freut sich, dass im Kloster jetzt auch wieder bei voller Auslastung musiziert wird.
“Im Kloster Eberbach haben wir nach Corona wieder große Chorwerke und Oratorien. Darauf mussten wir zwei Jahre komplett verzichten.” Die Musikwelt würdigt in diesem Jahr den 175. Todestag des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. “Wir haben ein Mendelssohn-Wochenende angesetzt mit seinen Oratorien ‘Paulus’ und ‘Elias'”, erläutert von Ingelheim. “Bei letzterem singt der Windsbacher Knabenchor, denn die Knabenchöre Deutschlands stehen in diesem Jahr auch im Fokus des Festivals.”
In seiner Chor-Sinfonie “Lobgesang” zur Eröffnung des Festivals hat Felix Mendelssohn Bartholdy die Form der Sinfonie durch die Form der Kantate ergänzt – mit Chor und Solisten, so dass über 100 Personen im Altarraum standen. Der MDR Radiochor ist bekannt für seinen vollen Klang und übertönte das Orchester teilweise sogar fast.
Im Sinfonischen Teil konnte Alain Altinoglu die lieblichen Momente im 2. Satz auskosten. Er dirigierte nicht zu schnell, um den Klang transparent zu halten – denn die enorme Klangkulisse mit ihrem Hall im Kloster Eberbach ist Segen und Fluch zugleich. Gleich zu Beginn der Chorsinfonie haben die Posaunen ihren gewaltigen Auftritt – mit einem Leitmotiv, das sich bis zum Abschlusschor durch das zehnteilige Werk zieht.
Was den Chor in einer Sinfonie anbelangt, so war Beethovens Neunte Sinfonie sicher ein Vorbild für Mendelssohn Bartholdy, aber auch die Kantaten von Johann Sebastian Bach waren für den Komponisten der Romantik ausschlaggebend.
Mendelssohn Bartholdy hatte die Kantaten, Passionen und Oratorien des Barockkomponisten im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. 1889 führte er zum ersten Mal wieder Bachs “Matthäuspassion” auf. “Das spürt man in seiner Chorkantate, wenn er den Chor wie in einer Fuge singen lässt”, sagt Altinoglu. “Man spürt im ganzen Werk den Romantizismus, aber gleichzeitig auch dieses Lutherische, das zurückkommt. Ein interessanter Kampf zwischen zwei Polen.”
Im Text hat Mendelssohn Bartholdy Bibelzitate und Choräle verwendet. Und wenn der Chor gegen Ende singt “So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und ergreifen die Waffen des Lichts – die Nacht ist vergangen, der Tag ist gekommen”, dann ist genau das die Stelle, auf die sich Michael Herrmann bei seiner Begrüßungsrede bezogen hat. Die Atmosphäre des Klosters tue das Übrige hinzu, meint Alain Altinoglu: “Wenn man an einem Platz wie dem Kloster Eberbach dirigiert, dann spürt man diese besondere Ausstrahlung so vieler Jahrhunderte. Was hier alles geschehen ist, das gibt eine spezielle Energie.”
Ein solch gewaltiger musikalischer Klang hat die Mauern von Kloster Eberbach schon lange nicht mehr erschüttert. Denn eine volle Orchesterbesetzung begleitet von einem klanggewaltigen Chor waren seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht mehr gestattet.
Zur Eröffnung des 35. Rheingau Musik Festivals wollte es Festivalgründer Michael Herrmann im wahrsten Sinne des Wortes richtig krachen lassen: mit Antonin Dvořáks Sinfonischer Dichtung “Das Spinnrad” und Mendelssohn Bartholdys 2. Sinfonie “Lobgesang” in einem vollbesetzten Kloster. Im Zeichen des Ukraine-Kriegs hätten die beiden Stücke eine ganz eigene Bedeutung bekommen, sagte Herrmann in seiner Begrüßungsansprache.
“Stücke mit symbolischem Charakter”
“Dieses Programm ist lange vor dem 24. Februar (dem Angriff Russlands auf die Ukraine, Anm. der Red.) festgelegt worden, jetzt haben die beiden Stücke symbolischen Charakter”, so Herrmann. Sie symbolisierten eine “Zeitenwende”, von der im Zuge der Diskussion um Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine derzeit viel die Rede ist – allerdings eine Zeitenwende hin zum Positiven: “Bei Dvořáks ‘Spinnrad’ wird das Böse vernichtet. Bei Mendelssohns Lobgesang auf Gott kommen die Menschen von der Nacht in den Tag, vom Dunkel ins Licht.”
Mit Antonin Dvořáks Sinfonischer Dichtung “Das Spinnrad” eröffnete das Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks (hr) das Festival unter seinem neuen Chefdirigenten Alain Altinoglu. Ein musikalisches Märchen, gespickt mit alten böhmischen Tänzen. Der tschechische Komponist Antonin Dvořák schrieb “Das Spinnrad” 1896 nach der Rückkehr aus Amerika, wo er als Dozent am National Conservatory of Music tätig war. In dieser Zeit entstanden einige Sinfonische Dichtungen, bei denen allein die Musik eine Geschichte tonmalerisch erzählt, ohne Gesang.
“Das Spinnrad” ist eine Art tschechisches Aschenputtel-Märchen. Der König will die junge Dornicka heiraten. Weil deren Stiefmutter aber lieber ihre leibliche Tochter mit dem König vermählen will, bringt sie Dornicka um. Auf magische Weise wird diese von einem Zauberer wieder zum Leben erweckt und kann so den König heiraten. Die Stiefmutter und ihre leibliche Tochter werden mit dem Tode bestraft. Das Gute siegt am Ende über das Böse.
Das hr-Sinfonieorchester zählt zu den renommiertesten Orchestern in Deutschland. Der französische Dirigent Alain Altinoglu ist seit letztem September Chefdirigent des Orchesters. Sein Amtseintritt stand noch ganz unter den Zeichen der Corona-Pandemie. Viele Publikumskonzerte mussten Anfang des Jahres abgesagt und durch Videostreams ersetzt werden.
Das Gute siegt über das Böse
“Wir hatten gleich einen guten Draht zueinander. Es war so leicht, zusammen zu musizieren. Das Orchester hat ein sehr hohes Level und kann jedes Repertoire spielen”, lobt der neue Chef, der bereits viele Orchester von Weltrang dirigiert hat, im Gespräch mit der DW. Dramatische Tutti, aber auch die tänzerischen Melodien beider Werke meisterte das Orchester mit beschwingter Leichtigkeit in den alten Mauern des Klosters.
Rundfunkorchester mit neuem Dirigenten
Das Kloster Eberbach in Eltville am Rhein hat als ehemaliges Zisterzienserkloster eine lange Historie. Hier wurde 1985/86 auch Umberto Ecos Roman “Der Name der Rose” mit Sean Connery verfilmt. Geschäftsführer Marsilius von Ingelheim freut sich, dass im Kloster jetzt auch wieder bei voller Auslastung musiziert wird.
“Im Kloster Eberbach haben wir nach Corona wieder große Chorwerke und Oratorien. Darauf mussten wir zwei Jahre komplett verzichten.” Die Musikwelt würdigt in diesem Jahr den 175. Todestag des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. “Wir haben ein Mendelssohn-Wochenende angesetzt mit seinen Oratorien ‘Paulus’ und ‘Elias'”, erläutert von Ingelheim. “Bei letzterem singt der Windsbacher Knabenchor, denn die Knabenchöre Deutschlands stehen in diesem Jahr auch im Fokus des Festivals.”
In seiner Chor-Sinfonie “Lobgesang” zur Eröffnung des Festivals hat Felix Mendelssohn Bartholdy die Form der Sinfonie durch die Form der Kantate ergänzt – mit Chor und Solisten, so dass über 100 Personen im Altarraum standen. Der MDR Radiochor ist bekannt für seinen vollen Klang und übertönte das Orchester teilweise sogar fast.
Kloster Eberbach, ein Ort mit Geschichte
Im Sinfonischen Teil konnte Alain Altinoglu die lieblichen Momente im 2. Satz auskosten. Er dirigierte nicht zu schnell, um den Klang transparent zu halten – denn die enorme Klangkulisse mit ihrem Hall im Kloster Eberbach ist Segen und Fluch zugleich. Gleich zu Beginn der Chorsinfonie haben die Posaunen ihren gewaltigen Auftritt – mit einem Leitmotiv, das sich bis zum Abschlusschor durch das zehnteilige Werk zieht.
Was den Chor in einer Sinfonie anbelangt, so war Beethovens Neunte Sinfonie sicher ein Vorbild für Mendelssohn Bartholdy, aber auch die Kantaten von Johann Sebastian Bach waren für den Komponisten der Romantik ausschlaggebend.
Mendelssohns neue Gattung: Die Chor-Sinfonie
Mendelssohn Bartholdy hatte die Kantaten, Passionen und Oratorien des Barockkomponisten im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. 1889 führte er zum ersten Mal wieder Bachs “Matthäuspassion” auf. “Das spürt man in seiner Chorkantate, wenn er den Chor wie in einer Fuge singen lässt”, sagt Altinoglu. “Man spürt im ganzen Werk den Romantizismus, aber gleichzeitig auch dieses Lutherische, das zurückkommt. Ein interessanter Kampf zwischen zwei Polen.”
Ein Werk zwischen Bach und Beethoven
Im Text hat Mendelssohn Bartholdy Bibelzitate und Choräle verwendet. Und wenn der Chor gegen Ende singt “So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und ergreifen die Waffen des Lichts – die Nacht ist vergangen, der Tag ist gekommen”, dann ist genau das die Stelle, auf die sich Michael Herrmann bei seiner Begrüßungsrede bezogen hat. Die Atmosphäre des Klosters tue das Übrige hinzu, meint Alain Altinoglu: “Wenn man an einem Platz wie dem Kloster Eberbach dirigiert, dann spürt man diese besondere Ausstrahlung so vieler Jahrhunderte. Was hier alles geschehen ist, das gibt eine spezielle Energie.”