Meinung: Transfrauen im Sport werden unfair behandelt
Mehrere Sportverbände haben Transgender-Athletinnen von Frauenwettbewerben ausgeschlossen. Jedoch beruhen diese Regelungen auf Fehleinschätzungen und diskriminieren Transfrauen, meint Gastkommentatorin Blair Hamilton.
Der Internationale Schwimmverband FINA hat kürzlich seine Regeln geändert: Transgender-Frauen werden bei Wettkämpfen gesperrt, wenn ihre Geschlechtsanpassung nicht bis zum Beginn der Pubertät – konkret bis zum Alter von zwölf Jahren – abgeschlossen war. Was nichts anderes heißt, als dass die meisten, wenn nicht sogar alle Transfrauen von der Teilnahme ausgeschlossen werden.
Entscheidungen mit gleicher Konsequenz trafen auch die International Rugby League (IntRL) und der Radsport-Weltverband UCI. Die IntRL führte als Grund an, dass es gelte “Fürsorge-, Rechts- und Reputationsrisiken” für Spiel und Sportler zu vermeiden. Umgekehrt hat das Internationale Olympische Komitee im vergangenen Jahr seine damalige Regel, dass Transsportlerinnen ihr Testosteron vor Wettkämpfen ein Jahr lang unterdrücken müssen, als “medizinisch überflüssig” verworfen.
Der Internationale Schwimmverband FINA hat kürzlich seine Regeln geändert: Transgender-Frauen werden bei Wettkämpfen gesperrt, wenn ihre Geschlechtsanpassung nicht bis zum Beginn der Pubertät – konkret bis zum Alter von zwölf Jahren – abgeschlossen war. Was nichts anderes heißt, als dass die meisten, wenn nicht sogar alle Transfrauen von der Teilnahme ausgeschlossen werden.
Kurzum: Es gibt derzeit einfach zu viele verwirrende Signale rund um die Zulassung von Transgender-Athletinnen im Frauensport. Zwar deutet die Datenlage darauf hin, dass Transsportlerinnen körperlich keineswegs mit Cis-Männern gleichzusetzen sind (also mit Menschen, die körperlich als Mann geboren wurden und sich auch als solcher identifizieren). Aber sie werden trotzdem oft so beurteilt.
Die Sache mit den Hormonen
Das Hauptargument gegen Transsportlerinnen bei Frauenwettkämpfen ist, dass sie unfähig seien, die Effekte des hohen Testosteronspiegels, der sich bei ihnen während der Pubertät entwickelt hat, rückgängig zu machen. Mit einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie unterdrücken Transfrauen ihr Testosteron, während sie Östrogen ergänzen. Ziel ist, das höhere Testosteronlevel der Transfrau dem niedrigeren Testosteronlevel der Cis-Frau anzugleichen. Diese Behandlung beendet zusätzlich auch das Unbehagen und Fremdgefühl, dass eine Transperson in ihrem Körper empfindet und bringt ihr dadurch mehr Lebensqualität – es ist für sie also schlicht eine medizinische Notwendigkeit.
Richtig ist: Das Testosteronlevel zu senken, mildert einige Effekte einer Pubertät mit hohem Testosteronniveau – aber eben nicht alle. Menschen, die diese Entwicklung durchlaufen haben, haben im Durchschnitt längere Knochen, mehr Muskelmasse und eine höhere Konzentration des sauerstoff-transportierenden Hämoglobins im Blut.
Eine geschlechtsangleichende Hormontherapie kann Knochen nicht schrumpfen lassen. Allerdings reduziert die Absenkung des Testosterons mit der Zeit die Muskelmasse und hemmt gleichzeitig die Fähigkeit, so viele Muskeln aufzubauen wie Personen mit hoher Testosteron-Konzentration. Auch die Hämoglobin-Konzentration wird durch die Hormontherapie auf das Level von Cis-Frauen verringert. Weniger Hämoglobin im Blut bedeutet, weniger Sauerstoff und damit weniger Leistung.
Die Östrogen-Gaben wiederum erhöhen den Körperfettanteil erheblich. Das Ergebnis ist eine geringere fettfreie Körpermasse – auch das ein Leistungsnachteil. Fett hemmt die Bewegung, im Gegensatz zu Muskeln, die der Bewegung Schwung geben.
Jede Entscheidung darüber ob eine Transportlerin bei den Frauen starten darf, sollte von den Leistungsdaten ausgehen. Allerdings sind solche Daten rar, weil diese Athletinnen im Sport deutlich unterrepräsentiert sind. Und ein Blick in die bestehende Datenlage bietet keine klare Antwort auf die Frage, welche Auswirkungen geschlechtsangleichende Hormontherapie auf sportliche Leistungen hat.
Eine relativ unbekannte Studie aus dem Jahr 2021 hat die körperliche Stärke von acht Transfrauen und acht Cis-Männern und Cis-Frauen verglichen. Die Stärke der Transfrauen, so das Ergebnis, war nicht so gering wie die der Cis-Frauen, aber weitem nicht so groß wie die der Cis-Männer.
Teilte man aber die Stärke der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer durch ihre fettfreie Körpermasse, schnitten Transfrauen deutlich schlechter ab. Cis-Männer und -Frauen lagen gleichauf, Transfrauen hatten um 19 Prozent schwächere Werte. Bezog man auch noch die durch die Hormontherapie reduzierte Hämoglobin-Konzentration im Blut mit ein, fielen Transfrauen sogar noch weiter zurück. Um in Ausdauersportarten zu bestehen, ist aber gerade das Hämoglobin-Level entscheidend.
Aufgrund dieser Datenlage können Cis-Männer und Transfrauen nicht gleichgesetzt werden. Ich befürchte aber, dass gerade der Internationale Schwimmverband FINA aufgrund dieser falschen Annahme entschieden hat. Dabei wird ausgeblendet, dass Transfrauen schon vor einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie physiologisch anders als Cis-Männer sind, zudem spielen weitere körperliche und soziale Faktoren eine Rolle. Die FINA-Regeln sind darum mangelhaft.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Testosteron-Unterdrückung gepaart mit der Östrogen-Ergänzung der beste Weg ist, um Transsportlerinnen in Frauenwettkämpfen zuzulassen. Schlussendlich ist die entscheidende Frage, wie lange diese Behandlung für jede Sportart dauern sollte – hier müssen die Daten entscheiden.
Die Beweislast liegt bei uns, die wir in den Laboren forschen, um die getroffenen Regelungen als falsch zu entlarven und Lösungen zu finden. Leider wird das Monate oder sogar Jahre dauern. Unsere Arbeit wird dadurch wichtiger denn je. Doch bevor wir nicht datenbasierte Ergebnisse haben, lasst uns nicht Transsportlerinnen so behandeln, als seien sie schuldig, bis ihre Unschuld bewiesen ist.
Blair Hamilton forscht an der Universität von Brighton in Großbritannien und ist spezialisiert auf die Auswirkungen von geschlechtsangleichender Hormontherapie auf sportliche Leistungen von Transpersonen.
Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs
Der Internationale Schwimmverband FINA hat kürzlich seine Regeln geändert: Transgender-Frauen werden bei Wettkämpfen gesperrt, wenn ihre Geschlechtsanpassung nicht bis zum Beginn der Pubertät – konkret bis zum Alter von zwölf Jahren – abgeschlossen war. Was nichts anderes heißt, als dass die meisten, wenn nicht sogar alle Transfrauen von der Teilnahme ausgeschlossen werden.
Entscheidungen mit gleicher Konsequenz trafen auch die International Rugby League (IntRL) und der Radsport-Weltverband UCI. Die IntRL führte als Grund an, dass es gelte “Fürsorge-, Rechts- und Reputationsrisiken” für Spiel und Sportler zu vermeiden. Umgekehrt hat das Internationale Olympische Komitee im vergangenen Jahr seine damalige Regel, dass Transsportlerinnen ihr Testosteron vor Wettkämpfen ein Jahr lang unterdrücken müssen, als “medizinisch überflüssig” verworfen.
Die Sache mit den Hormonen
Kurzum: Es gibt derzeit einfach zu viele verwirrende Signale rund um die Zulassung von Transgender-Athletinnen im Frauensport. Zwar deutet die Datenlage darauf hin, dass Transsportlerinnen körperlich keineswegs mit Cis-Männern gleichzusetzen sind (also mit Menschen, die körperlich als Mann geboren wurden und sich auch als solcher identifizieren). Aber sie werden trotzdem oft so beurteilt.
Das Hauptargument gegen Transsportlerinnen bei Frauenwettkämpfen ist, dass sie unfähig seien, die Effekte des hohen Testosteronspiegels, der sich bei ihnen während der Pubertät entwickelt hat, rückgängig zu machen. Mit einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie unterdrücken Transfrauen ihr Testosteron, während sie Östrogen ergänzen. Ziel ist, das höhere Testosteronlevel der Transfrau dem niedrigeren Testosteronlevel der Cis-Frau anzugleichen. Diese Behandlung beendet zusätzlich auch das Unbehagen und Fremdgefühl, dass eine Transperson in ihrem Körper empfindet und bringt ihr dadurch mehr Lebensqualität – es ist für sie also schlicht eine medizinische Notwendigkeit.
Richtig ist: Das Testosteronlevel zu senken, mildert einige Effekte einer Pubertät mit hohem Testosteronniveau – aber eben nicht alle. Menschen, die diese Entwicklung durchlaufen haben, haben im Durchschnitt längere Knochen, mehr Muskelmasse und eine höhere Konzentration des sauerstoff-transportierenden Hämoglobins im Blut.
Eine geschlechtsangleichende Hormontherapie kann Knochen nicht schrumpfen lassen. Allerdings reduziert die Absenkung des Testosterons mit der Zeit die Muskelmasse und hemmt gleichzeitig die Fähigkeit, so viele Muskeln aufzubauen wie Personen mit hoher Testosteron-Konzentration. Auch die Hämoglobin-Konzentration wird durch die Hormontherapie auf das Level von Cis-Frauen verringert. Weniger Hämoglobin im Blut bedeutet, weniger Sauerstoff und damit weniger Leistung.
Eine komplexe Datenlage
Die Östrogen-Gaben wiederum erhöhen den Körperfettanteil erheblich. Das Ergebnis ist eine geringere fettfreie Körpermasse – auch das ein Leistungsnachteil. Fett hemmt die Bewegung, im Gegensatz zu Muskeln, die der Bewegung Schwung geben.
Mangelhafte Regel
Jede Entscheidung darüber ob eine Transportlerin bei den Frauen starten darf, sollte von den Leistungsdaten ausgehen. Allerdings sind solche Daten rar, weil diese Athletinnen im Sport deutlich unterrepräsentiert sind. Und ein Blick in die bestehende Datenlage bietet keine klare Antwort auf die Frage, welche Auswirkungen geschlechtsangleichende Hormontherapie auf sportliche Leistungen hat.
Eine relativ unbekannte Studie aus dem Jahr 2021 hat die körperliche Stärke von acht Transfrauen und acht Cis-Männern und Cis-Frauen verglichen. Die Stärke der Transfrauen, so das Ergebnis, war nicht so gering wie die der Cis-Frauen, aber weitem nicht so groß wie die der Cis-Männer.
Teilte man aber die Stärke der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer durch ihre fettfreie Körpermasse, schnitten Transfrauen deutlich schlechter ab. Cis-Männer und -Frauen lagen gleichauf, Transfrauen hatten um 19 Prozent schwächere Werte. Bezog man auch noch die durch die Hormontherapie reduzierte Hämoglobin-Konzentration im Blut mit ein, fielen Transfrauen sogar noch weiter zurück. Um in Ausdauersportarten zu bestehen, ist aber gerade das Hämoglobin-Level entscheidend.
Aufgrund dieser Datenlage können Cis-Männer und Transfrauen nicht gleichgesetzt werden. Ich befürchte aber, dass gerade der Internationale Schwimmverband FINA aufgrund dieser falschen Annahme entschieden hat. Dabei wird ausgeblendet, dass Transfrauen schon vor einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie physiologisch anders als Cis-Männer sind, zudem spielen weitere körperliche und soziale Faktoren eine Rolle. Die FINA-Regeln sind darum mangelhaft.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Testosteron-Unterdrückung gepaart mit der Östrogen-Ergänzung der beste Weg ist, um Transsportlerinnen in Frauenwettkämpfen zuzulassen. Schlussendlich ist die entscheidende Frage, wie lange diese Behandlung für jede Sportart dauern sollte – hier müssen die Daten entscheiden.
Die Beweislast liegt bei uns, die wir in den Laboren forschen, um die getroffenen Regelungen als falsch zu entlarven und Lösungen zu finden. Leider wird das Monate oder sogar Jahre dauern. Unsere Arbeit wird dadurch wichtiger denn je. Doch bevor wir nicht datenbasierte Ergebnisse haben, lasst uns nicht Transsportlerinnen so behandeln, als seien sie schuldig, bis ihre Unschuld bewiesen ist.
Blair Hamilton forscht an der Universität von Brighton in Großbritannien und ist spezialisiert auf die Auswirkungen von geschlechtsangleichender Hormontherapie auf sportliche Leistungen von Transpersonen.
Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs