Kultur

“Ms. Marvel”: Vorbild für Millionen?

Die neueste Superheldin im Marvel-Universum hat südasiatische Wurzeln. Damit ist “Ms. Marvel” aus der gleichnamigen Disney-Serie innerhalb kürzester Zeit zum Idol geworden.

“Es sind sonst nicht die braunen Mädchen aus Jersey City, die die Welt retten”, sagt Kamala Khan – eine muslimische, pakistanisch-amerikanische Teenagerin aus New Jersey – in einer Folge der Superheldenserie “Ms. Marvel”, als ihr klar wird, dass sie über Superkräfte verfügt und kosmische Energie nutzen kann.

Mit diesen Fähigkeiten und ihren südasiatischen Vorfahren ist die Protagonistin im neuesten Ableger des Comic-Giganten Marvel ein neues Vorbild. Millionen südasiatischer Frauen wuchsen ohne eine eigene Superheldin auf – “Ms. Marvel” liefert ihnen eine. Die Science-Fiction-Serie des Streaminganbieters Disney+ spielt im Osten der USA und im pakistanischen Karatschi, wo die junge Superheldin ihre Kräfte entdeckt. Aber auch Teenager-Superheldinnen müssen sich mit Alltagsproblemen herumschlagen, zu Hause und in der Schule – besonders, wenn sie Eingewanderte der ersten Generation mit behütenden Eltern sind.

“Es sind sonst nicht die braunen Mädchen aus Jersey City, die die Welt retten”, sagt Kamala Khan – eine muslimische, pakistanisch-amerikanische Teenagerin aus New Jersey – in einer Folge der Superheldenserie “Ms. Marvel”, als ihr klar wird, dass sie über Superkräfte verfügt und kosmische Energie nutzen kann.

Unter der Regie der belgischen Filmemacher Adil El Arbi und Bilall Fallah – beide marokkanischer Abstammung -, der indisch-amerikanischen Regisseurin Meera Menon und der pakistanisch-kanadischen Dokumentarfilmerin Sharmeen Obaid-Chinoy versucht die Serie, mit karikierten Darstellungen von Südasiaten in der westlichen Populärkultur aufzuräumen und gleichzeitig der jungen Superheldin eine einzigartige Entstehungsgeschichte zu geben.

Aufräumen mit Klischees

Iman Vellani, die in der Serie Kamala spielt, war bereits ein Marvel-Fan, als sie in einem örtlichen Buchladen zufällig auf “Ms. Marvel”-Comics stieß. “Ich sah ein Mädchen, das aussah wie ich. Sie war muslimisch und pakistanisch und eine Superhelden-Fanatikerin. Und ich war muslimisch, pakistanisch und eine Superhelden-Fanatikerin, also hat es ganz gut funktioniert”, sagte sie in einem Interview der “Cosmopolitan Middle East”.

Als eine ihrer Tanten ihr einen Casting-Aufruf aus einer WhatsApp-Gruppe weiterleitete, bewarb sich Vellani. Am nächsten Tag erhielt sie eine Einladung.

Die kulturelle Prägung der Figur wird in “Ms. Marvel” nicht übertrieben. Die Hauptfigur tauscht sich zwar mit einem Schwarm über Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan aus, doch in den stark kritisierten Klischee-Akzent, der häufig mit Südasiaten oder Menschen mit Vorfahren in Bangladesch, Indien, Nepal, Pakistan, Sri Lanka oder den Malediven verbunden wird, verfällt sie nicht. Bei der Zeichentrickserie “Die Simpsons” hatte die Synchronisation der Figur Apu für heftige Proteste und Rassismus-Vorwürfe gesorgt.

Stattdessen ist Kamala eine ganz normale Teenagerin, die sich auf dem schmalen Grat zwischen der amerikanischen Identität in der Schule und der pakistanischen zu Hause bewegt. Diese Erfahrungen teilt sie mit rund 5,4 Millionen Menschen aus Südasien, die in den Vereinigten Staaten leben.

Während sie insgeheim mit ihren neu entdeckten Superkräften kämpft, erzählt Kamala dem Leiter ihrer Moschee: “Ich dachte, es wäre cool, eine Superheldin zu haben, die tatsächlich für uns kämpft.”

Bei der Hochzeit ihres Bruders wird die Zeremonie mit dem Ruf “Allahu akbar” beendet. Dieser Begriff, der wörtlich übersetzt “Gott ist groß” bedeutet, wird hier zu einem freudigen Anlass verwendet, mit strahlendem Lächeln und herzlichen Umarmungen. Damit gehen die Serienmacher einen großen Schritt weg von der Dämonisierung des Ausrufs, der in der westlichen Populärkultur sonst vor allem auftaucht, bevor sich ein Terrorist in die Luft sprengt.

“Mein Pass ist pakistanisch, meine Wurzeln liegen in Indien. Und zwischen all dem gibt es eine Grenze. Es gibt eine Grenze, die mit Blut und Schmerz gezeichnet ist”, sagt Kamalas “nani”, ihre Großmutter, während des Sonnenuntergangs in Karatschi. Sie erzählt von den Erfahrungen im Zuge der Trennung von Indien und dem 1947 neu gegründeten, muslimischen Pakistan. Sie und Millionen anderer überquerten die Grenze und ließen das Land zurück, das sie ihre Heimat nannten.

Manreet Khara (28), Marvel-Fan und Pädagogin aus der indischen Millionenstadt Chandigarh, erkennt in “Ms. Marvel” ihren eigenen familiären Hintergrund wieder. Ihr Großvater ist das älteste von vier Geschwistern, von denen das jüngste geboren wurde, nachdem die Familie aus dem pakistanischen Punjab in den gleichnamigen indischen Bundesstaat übergesiedelt war. “Wir wuchsen mit den Geschichten aus der Heimat unserer Großeltern auf. Wir haben dieses Generationentrauma geerbt, das uns geprägt hat”, sagt Khara im Gespräch mit der DW. “Es gibt einen tiefen Schmerz über eine zerbrochene Kultur.”

Als Kamala in der Serie in das Jahr 1947 versetzt wird, zu einem Bahnhof, an dem der letzte Zug zum Überqueren der neuen Grenze abfährt, erlebt sie den Schmerz der Teilung unmittelbar. “Das Trauma der Generation ist der Ursprung für die Entstehung dieser Superheldin”, sagt Manreet Khara. 

Die Musik ist eine der wichtigsten Säulen der Serie. In der ausgewählten Hintergrundmusik verschmelzen Kamalas Identitäten – von The Weeknds “Blinding Lights” bis zu Shae Gills und Ali Sethis “Pasoori”. Während ihre Eltern zu Nazia Hassans “Disco Deewane” und Jon Bon Jovis “Livin’ on a Prayer” tanzen, geben junge pakistanische Künstler wie Hasan Raheem, Talal Qureshi und der pakistanisch-kanadische Khanvict den Ton für die entscheidenden Momente der Serie an.

Die Menschen in Südasien sind kulturell sehr unterschiedlich – manchmal sogar innerhalb eines Landes. Dennoch trägt “Ms. Marvel” dazu bei, dass sich diese Menschen gesehen fühlen – gerade auch jene in der Diaspora. Die vorerst letzte Folge der Serie wird am 13. Juli auf Disney+ veröffentlicht. Im nächsten Spielfilm der Marvel-Reihe werden Figuren aus der Serie wiederkehren – unter ihnen auch Iman Vellani als Kamala Khan.

 

Adaption aus dem Englischen: Torsten Landsberg

In einer Szene der TV-Serie Ms. Marvel sitzt eine vierköpfige Familie am Esstisch, der Vater spricht mit erhobenem Zeigefinger.
In einer Szene der TV-Serie Ms. Marvel hebt die Protagonistin eine Faust, um die herum sich bläulich-lila ein Kraftfeld aufbaut.

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Kein diverses Storytelling ohne Authentizität

“Es sind sonst nicht die braunen Mädchen aus Jersey City, die die Welt retten”, sagt Kamala Khan – eine muslimische, pakistanisch-amerikanische Teenagerin aus New Jersey – in einer Folge der Superheldenserie “Ms. Marvel”, als ihr klar wird, dass sie über Superkräfte verfügt und kosmische Energie nutzen kann.

Mit diesen Fähigkeiten und ihren südasiatischen Vorfahren ist die Protagonistin im neuesten Ableger des Comic-Giganten Marvel ein neues Vorbild. Millionen südasiatischer Frauen wuchsen ohne eine eigene Superheldin auf – “Ms. Marvel” liefert ihnen eine. Die Science-Fiction-Serie des Streaminganbieters Disney+ spielt im Osten der USA und im pakistanischen Karatschi, wo die junge Superheldin ihre Kräfte entdeckt. Aber auch Teenager-Superheldinnen müssen sich mit Alltagsproblemen herumschlagen, zu Hause und in der Schule – besonders, wenn sie Eingewanderte der ersten Generation mit behütenden Eltern sind.

Aufräumen mit Klischees

Unter der Regie der belgischen Filmemacher Adil El Arbi und Bilall Fallah – beide marokkanischer Abstammung -, der indisch-amerikanischen Regisseurin Meera Menon und der pakistanisch-kanadischen Dokumentarfilmerin Sharmeen Obaid-Chinoy versucht die Serie, mit karikierten Darstellungen von Südasiaten in der westlichen Populärkultur aufzuräumen und gleichzeitig der jungen Superheldin eine einzigartige Entstehungsgeschichte zu geben.

Iman Vellani, die in der Serie Kamala spielt, war bereits ein Marvel-Fan, als sie in einem örtlichen Buchladen zufällig auf “Ms. Marvel”-Comics stieß. “Ich sah ein Mädchen, das aussah wie ich. Sie war muslimisch und pakistanisch und eine Superhelden-Fanatikerin. Und ich war muslimisch, pakistanisch und eine Superhelden-Fanatikerin, also hat es ganz gut funktioniert”, sagte sie in einem Interview der “Cosmopolitan Middle East”.

Als eine ihrer Tanten ihr einen Casting-Aufruf aus einer WhatsApp-Gruppe weiterleitete, bewarb sich Vellani. Am nächsten Tag erhielt sie eine Einladung.

Die kulturelle Prägung der Figur wird in “Ms. Marvel” nicht übertrieben. Die Hauptfigur tauscht sich zwar mit einem Schwarm über Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan aus, doch in den stark kritisierten Klischee-Akzent, der häufig mit Südasiaten oder Menschen mit Vorfahren in Bangladesch, Indien, Nepal, Pakistan, Sri Lanka oder den Malediven verbunden wird, verfällt sie nicht. Bei der Zeichentrickserie “Die Simpsons” hatte die Synchronisation der Figur Apu für heftige Proteste und Rassismus-Vorwürfe gesorgt.

Trennung von Indien und Pakistan

Stattdessen ist Kamala eine ganz normale Teenagerin, die sich auf dem schmalen Grat zwischen der amerikanischen Identität in der Schule und der pakistanischen zu Hause bewegt. Diese Erfahrungen teilt sie mit rund 5,4 Millionen Menschen aus Südasien, die in den Vereinigten Staaten leben.

Gesehen werden in der Diaspora

Während sie insgeheim mit ihren neu entdeckten Superkräften kämpft, erzählt Kamala dem Leiter ihrer Moschee: “Ich dachte, es wäre cool, eine Superheldin zu haben, die tatsächlich für uns kämpft.”

Bei der Hochzeit ihres Bruders wird die Zeremonie mit dem Ruf “Allahu akbar” beendet. Dieser Begriff, der wörtlich übersetzt “Gott ist groß” bedeutet, wird hier zu einem freudigen Anlass verwendet, mit strahlendem Lächeln und herzlichen Umarmungen. Damit gehen die Serienmacher einen großen Schritt weg von der Dämonisierung des Ausrufs, der in der westlichen Populärkultur sonst vor allem auftaucht, bevor sich ein Terrorist in die Luft sprengt.

“Mein Pass ist pakistanisch, meine Wurzeln liegen in Indien. Und zwischen all dem gibt es eine Grenze. Es gibt eine Grenze, die mit Blut und Schmerz gezeichnet ist”, sagt Kamalas “nani”, ihre Großmutter, während des Sonnenuntergangs in Karatschi. Sie erzählt von den Erfahrungen im Zuge der Trennung von Indien und dem 1947 neu gegründeten, muslimischen Pakistan. Sie und Millionen anderer überquerten die Grenze und ließen das Land zurück, das sie ihre Heimat nannten.

Manreet Khara (28), Marvel-Fan und Pädagogin aus der indischen Millionenstadt Chandigarh, erkennt in “Ms. Marvel” ihren eigenen familiären Hintergrund wieder. Ihr Großvater ist das älteste von vier Geschwistern, von denen das jüngste geboren wurde, nachdem die Familie aus dem pakistanischen Punjab in den gleichnamigen indischen Bundesstaat übergesiedelt war. “Wir wuchsen mit den Geschichten aus der Heimat unserer Großeltern auf. Wir haben dieses Generationentrauma geerbt, das uns geprägt hat”, sagt Khara im Gespräch mit der DW. “Es gibt einen tiefen Schmerz über eine zerbrochene Kultur.”

Als Kamala in der Serie in das Jahr 1947 versetzt wird, zu einem Bahnhof, an dem der letzte Zug zum Überqueren der neuen Grenze abfährt, erlebt sie den Schmerz der Teilung unmittelbar. “Das Trauma der Generation ist der Ursprung für die Entstehung dieser Superheldin”, sagt Manreet Khara. 

Die Musik ist eine der wichtigsten Säulen der Serie. In der ausgewählten Hintergrundmusik verschmelzen Kamalas Identitäten – von The Weeknds “Blinding Lights” bis zu Shae Gills und Ali Sethis “Pasoori”. Während ihre Eltern zu Nazia Hassans “Disco Deewane” und Jon Bon Jovis “Livin’ on a Prayer” tanzen, geben junge pakistanische Künstler wie Hasan Raheem, Talal Qureshi und der pakistanisch-kanadische Khanvict den Ton für die entscheidenden Momente der Serie an.

Die Menschen in Südasien sind kulturell sehr unterschiedlich – manchmal sogar innerhalb eines Landes. Dennoch trägt “Ms. Marvel” dazu bei, dass sich diese Menschen gesehen fühlen – gerade auch jene in der Diaspora. Die vorerst letzte Folge der Serie wird am 13. Juli auf Disney+ veröffentlicht. Im nächsten Spielfilm der Marvel-Reihe werden Figuren aus der Serie wiederkehren – unter ihnen auch Iman Vellani als Kamala Khan.

 

Adaption aus dem Englischen: Torsten Landsberg

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