Kultur

Wolfsschanze und Mauerwald: Wo Hitler den Krieg plante

In Polens Wäldern erinnern zwei Bunkeranlagen an die Nazi-Zeit. In der “Wolfsschanze” misslang Stauffenbergs Attentat auf Hitler, im “Mauerwald” vermutet man das Bernsteinzimmer. Suzanne Cords hat sich dort umgesehen.

Immer dichter wird der Wald im ehemaligen Ostpreußen, bis Ende des Zweiten Weltkrieges die östlichste Provinz des Deutschen Reiches. Heute gehört die Gegend größtenteils zu Polen. Nahe des Städtchens Rastenburg, das jetzt Kętrzyn heißt, ließ Adolf Hitler im Görlitzer Forst sein Führerhauptquartier bauen: die “Wolfsschanze”

Auf rund 2,5 Quadratkilometern entstand zwischen 1940 und 1944 eine hermetisch abgeriegelte und bestens bewachte Anlage: Uneinnehmbar sollte das Gelände mit rund 50 Bunkern, 70 Kasernen, zwei Flugplätzen und einem Bahnhof sein. 

Immer dichter wird der Wald im ehemaligen Ostpreußen, bis Ende des Zweiten Weltkrieges die östlichste Provinz des Deutschen Reiches. Heute gehört die Gegend größtenteils zu Polen. Nahe des Städtchens Rastenburg, das jetzt Kętrzyn heißt, ließ Adolf Hitler im Görlitzer Forst sein Führerhauptquartier bauen: die “Wolfsschanze”

Hitler, sein Sekretär Martin Bormann und Reichsmarschall Hermann Göring hatten ihre privaten Bunker, und es gab einen Bunker extra für Staatsgäste. Die Wände der Betonkolosse waren zwischen fünf und sieben Meter dick. Drei schwer gesicherte Sperrkreise, unzählige Wachposten und ein zehn Kilometer langer und rund 150 Meter breiter Minengürtel schützten die Insassen: Etwa 2000 Militär- und Zivilpersonen waren dauerhaft in der “Wolfsschanze” untergebracht. “Der Name”, erzählt Fremdenführer Lukas Polubinski, “leitet sich von ‘Adolf’ ab, was im Althochdeutschen “edler Wolf” bedeutet.” Das gefiel Hitler, Wolf wurde sein Tarnname. 

Die Natur holt sich den Ort zurück 

Auch sein “Führerhauptquartier” war perfekt getarnt und aus der Luft nicht auszumachen. Riesige Laubbäume und Netze verbargen die Anlage. An keinem anderen Ort hielt sich Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg länger auf: Mehr als 830 Tage verbrachte der “Führer” und Reichskanzler des Deutschen Reiches und Oberbefehlshaber der Wehrmacht in den Bunkern der Wolfsschanze. “Wenn etwas als Sinnbild einer Situation ausgedrückt durch einen Bau angesehen werden kann, dann dieser Bunker von außen, er ähnelt einer altägyptischen Grabstelle”, zitiert Polubinski Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer. “In diesem Grabbau lebte, arbeitete und schlief er. Es schien, als trennten ihn die sieben Meter dicken Betonwände, die ihn umgaben, auch im übertragenen Sinne von der Außenwelt und sperrten ihn ein in seinem Wahn.” 

Auch heute noch, fast 80 Jahre später, spürt man den Geist dieses Ortes, an dem Hitler mit seinen Generälen und Marschällen nicht nur seine Feldzüge plante, sondern auch den Völkermord an den Juden im Detail besprach. Als die Rote Armee, die Streitkraft der Sowjetunion, anrückte, sprengte die deutsche Wehrmacht am 24. Januar 1945 das Quartier.

Doch die massiven Stahlbauten ließen sich nicht restlos zerstören, heute liegen riesige Betonteile im Wald, überwuchert von Farnen, bewachsen mit Moos. Nach dem Zweiten Weltkrieg deckten sich die Einheimischen hier mit Baumaterialien ein.

Seit 1959, nachdem die Minenfelder geräumt waren, kommen Touristen. Zwischenzeitlich bot ein Betreiber den Besuchern an, auf Panzern zu sitzen und mit Luftgewehren Krieg zu spielen. Dieser “Disney-Rummel” habe viele abgestoßen, so Polubinski. Seit 2017 ist die Wolfsschanze unter staatlicher Leitung. Rund 300.000 Menschen kommen jährlich hierher, zwei Drittel sind Polen, der Rest aus aller Welt.

Es ist verboten, die Bunkerreste zu betreten, doch immer wieder klettern Besucher in die wenigen noch erhaltenen Gänge. “Wir mussten schon viele rausholen, die sich verletzt haben”, sagt Lukas Polubinski. “Also bitte bleiben Sie auf den Wegen.” 

Ich habe gar kein Bedürfnis, durch die feuchten Gänge zu kriechen. Es muss beklemmend sein, mit meterdicken Betonmassen um sich herum.

Schon wenige Schritte nach dem Eingang stoße ich auf die Gedenktafel, die an Claus Schenk Graf von Stauffenberg erinnert. Am 20. Juli 1944 versuchte der Oberst, Hitler mit einer Bombe zu töten. Der Anschlag misslang. “Es war nicht das erste Attentat auf den Führer”, sagt Reiseleiter Lukas Polubinski. Mindestens 42 Anschläge auf den Diktator seien verbürgt. Was wäre der Welt erspart geblieben, denke ich, wenn nur einer davon erfolgreich gewesen wäre.

Hitler nahm es als gutes Omen, dass er immer wieder mit dem Leben davon kam. Er war misstrauisch. Jeder Besucher der Wolfsschanze wurde vor dem Betreten der scheinbar uneinnehmbaren Festung kontrolliert. Fast ein Wunder, denke ich, dass Stauffenberg es überhaupt mit einer Bombe in die Nähe Hitlers geschafft hat.

Das Attentat überlebte dieser ironischerweise nur, weil es in einer hölzernen Baracke stattfand. Hitler besprach mit seinem Militärstab die militärische Lage, auch Stauffenberg war geladen. Schon mehrmals hatte der Oberst versucht, eine Bombe einzuschleusen – immer musste die Aktion im letzten Moment abgebrochen werden.

Doch diesmal gelang es Stauffenberg, eine Aktentasche mit einer Bombe unter einem Eichentisch neben Hitler zu deponieren. Aber jemand anderes schob sie mit dem Fuß zur Seite, weil sie im Weg stand. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass der Explosionsdruck durch die leichten Decken und Wände der Holzbaracke und die wegen der Sommerhitze geöffneten Fenster nach außen geleitet wurde, verdankt Hitler sein Leben. Vier Offiziere wurden getötet, Hitler nur leicht verletzt – im Bunker wäre er wohl umgekommen.

Stauffenberg selbst hatte den Raum unter einem Vorwand verlassen. Überzeugt von Hitlers Tod fuhr er nach Berlin, um dort den Putsch zu vollenden. Stattdessen wurden er und seine Mitverschwörer verhaftet und noch in der Nacht hingerichtet. 

Warum, frage ich mich, haben die Alliierten diesen Ort nicht angegriffen, um den Nazi-Terror zu beenden? “Die Bunker waren zu massiv”, erklärt Polubinksi. “Die Engländer und Amerikaner wussten wohl ab Sommer 1943, dass die Wolfsschanze existiert, aber es ging ihnen nicht um die Gebäude, sie wollten Hitler erwischen. Und wann er sich genau dort aufhielt, wussten sie nicht.” Außerdem, ergänzt er, hätten die Flugzeuge damals nicht die Reichweite gehabt, nach Ostpreußen zu fliegen, Bomben abzuwerfen und wieder nach England zurückzukehren.

Den Ort in Ostpreußen, erfahre ich, hat Hitler aber nicht nur wegen der guten Tarnung ausgewählt, sondern vor allem, weil es von dort nicht weit zur russischen Grenze war: Am 22. Juni 1941 befahl er aus der Wolfsschanze heraus, die Sowjetunion anzugreifen.

Nur ein paar Kilometer weiter lag, ebenfalls gut getarnt im dichten Mischwald, das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres: der “Mauerwald”. Die Bunker hier wurden nie zerstört, in den feuchten bedrückenden Räumen haben die Betreiber lebensgroße Figuren aufgestellt.

Auch ein U-Boot wurde nachgebaut und, ich kann es kaum glauben, das legendäre Bernsteinzimmer. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. schenkte es Zar Peter I. dem Großen 1716 als Zeichen ihrer Freundschaft und zur Bestätigung des Bündnisses zwischen ihren Ländern. Der Zar ließ es in Sankt Petersburg in seinem Palast ausstellen. Doch im Zweiten Weltkrieg raubten die Deutschen diese kostbare Kammer.

Bis heute weiß niemand, wo sie sich befindet. Allerdings deutete Erich Koch, der Gauleiter Ostpreußens, an, das Bernsteinzimmer könne im Mauerwald versteckt sein. Nach dem Krieg wurde er nicht hingerichtet, weil man hoffte, ihm das Geheimnis entlocken zu können – doch er schwieg beharrlich. Immer wieder, zuletzt 2017, wurde im Mauerwald gegraben und gesucht, doch der Schatz bleibt verschwunden.

Der Führerbunker der Wolfsschanze, umringt von Bäumen
Stauffenberg, General Fromm, Hitler, Generalfeldmarschall Keitel, Wolfsschanze, Juli 1944
Bäume liegen an umgestürzten Bunkerteilen

Immer dichter wird der Wald im ehemaligen Ostpreußen, bis Ende des Zweiten Weltkrieges die östlichste Provinz des Deutschen Reiches. Heute gehört die Gegend größtenteils zu Polen. Nahe des Städtchens Rastenburg, das jetzt Kętrzyn heißt, ließ Adolf Hitler im Görlitzer Forst sein Führerhauptquartier bauen: die “Wolfsschanze”

Auf rund 2,5 Quadratkilometern entstand zwischen 1940 und 1944 eine hermetisch abgeriegelte und bestens bewachte Anlage: Uneinnehmbar sollte das Gelände mit rund 50 Bunkern, 70 Kasernen, zwei Flugplätzen und einem Bahnhof sein. 

Die Natur holt sich den Ort zurück 

Hitler, sein Sekretär Martin Bormann und Reichsmarschall Hermann Göring hatten ihre privaten Bunker, und es gab einen Bunker extra für Staatsgäste. Die Wände der Betonkolosse waren zwischen fünf und sieben Meter dick. Drei schwer gesicherte Sperrkreise, unzählige Wachposten und ein zehn Kilometer langer und rund 150 Meter breiter Minengürtel schützten die Insassen: Etwa 2000 Militär- und Zivilpersonen waren dauerhaft in der “Wolfsschanze” untergebracht. “Der Name”, erzählt Fremdenführer Lukas Polubinski, “leitet sich von ‘Adolf’ ab, was im Althochdeutschen “edler Wolf” bedeutet.” Das gefiel Hitler, Wolf wurde sein Tarnname. 

Auch sein “Führerhauptquartier” war perfekt getarnt und aus der Luft nicht auszumachen. Riesige Laubbäume und Netze verbargen die Anlage. An keinem anderen Ort hielt sich Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg länger auf: Mehr als 830 Tage verbrachte der “Führer” und Reichskanzler des Deutschen Reiches und Oberbefehlshaber der Wehrmacht in den Bunkern der Wolfsschanze. “Wenn etwas als Sinnbild einer Situation ausgedrückt durch einen Bau angesehen werden kann, dann dieser Bunker von außen, er ähnelt einer altägyptischen Grabstelle”, zitiert Polubinski Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer. “In diesem Grabbau lebte, arbeitete und schlief er. Es schien, als trennten ihn die sieben Meter dicken Betonwände, die ihn umgaben, auch im übertragenen Sinne von der Außenwelt und sperrten ihn ein in seinem Wahn.” 

Auch heute noch, fast 80 Jahre später, spürt man den Geist dieses Ortes, an dem Hitler mit seinen Generälen und Marschällen nicht nur seine Feldzüge plante, sondern auch den Völkermord an den Juden im Detail besprach. Als die Rote Armee, die Streitkraft der Sowjetunion, anrückte, sprengte die deutsche Wehrmacht am 24. Januar 1945 das Quartier.

Doch die massiven Stahlbauten ließen sich nicht restlos zerstören, heute liegen riesige Betonteile im Wald, überwuchert von Farnen, bewachsen mit Moos. Nach dem Zweiten Weltkrieg deckten sich die Einheimischen hier mit Baumaterialien ein.

42 missglückte Attentate auf Hitler 

Seit 1959, nachdem die Minenfelder geräumt waren, kommen Touristen. Zwischenzeitlich bot ein Betreiber den Besuchern an, auf Panzern zu sitzen und mit Luftgewehren Krieg zu spielen. Dieser “Disney-Rummel” habe viele abgestoßen, so Polubinski. Seit 2017 ist die Wolfsschanze unter staatlicher Leitung. Rund 300.000 Menschen kommen jährlich hierher, zwei Drittel sind Polen, der Rest aus aller Welt.

Russlandfeldzug in der Wolfsschanze geplant 

Es ist verboten, die Bunkerreste zu betreten, doch immer wieder klettern Besucher in die wenigen noch erhaltenen Gänge. “Wir mussten schon viele rausholen, die sich verletzt haben”, sagt Lukas Polubinski. “Also bitte bleiben Sie auf den Wegen.” 

Ich habe gar kein Bedürfnis, durch die feuchten Gänge zu kriechen. Es muss beklemmend sein, mit meterdicken Betonmassen um sich herum.

Schon wenige Schritte nach dem Eingang stoße ich auf die Gedenktafel, die an Claus Schenk Graf von Stauffenberg erinnert. Am 20. Juli 1944 versuchte der Oberst, Hitler mit einer Bombe zu töten. Der Anschlag misslang. “Es war nicht das erste Attentat auf den Führer”, sagt Reiseleiter Lukas Polubinski. Mindestens 42 Anschläge auf den Diktator seien verbürgt. Was wäre der Welt erspart geblieben, denke ich, wenn nur einer davon erfolgreich gewesen wäre.

Das Bernsteinzimmer im “Mauerwald”

Hitler nahm es als gutes Omen, dass er immer wieder mit dem Leben davon kam. Er war misstrauisch. Jeder Besucher der Wolfsschanze wurde vor dem Betreten der scheinbar uneinnehmbaren Festung kontrolliert. Fast ein Wunder, denke ich, dass Stauffenberg es überhaupt mit einer Bombe in die Nähe Hitlers geschafft hat.

Das Attentat überlebte dieser ironischerweise nur, weil es in einer hölzernen Baracke stattfand. Hitler besprach mit seinem Militärstab die militärische Lage, auch Stauffenberg war geladen. Schon mehrmals hatte der Oberst versucht, eine Bombe einzuschleusen – immer musste die Aktion im letzten Moment abgebrochen werden.

Doch diesmal gelang es Stauffenberg, eine Aktentasche mit einer Bombe unter einem Eichentisch neben Hitler zu deponieren. Aber jemand anderes schob sie mit dem Fuß zur Seite, weil sie im Weg stand. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass der Explosionsdruck durch die leichten Decken und Wände der Holzbaracke und die wegen der Sommerhitze geöffneten Fenster nach außen geleitet wurde, verdankt Hitler sein Leben. Vier Offiziere wurden getötet, Hitler nur leicht verletzt – im Bunker wäre er wohl umgekommen.

Stauffenberg selbst hatte den Raum unter einem Vorwand verlassen. Überzeugt von Hitlers Tod fuhr er nach Berlin, um dort den Putsch zu vollenden. Stattdessen wurden er und seine Mitverschwörer verhaftet und noch in der Nacht hingerichtet. 

Erinnerungstafel an Stauffenberg-Attentat/Wolfsschanze

Warum, frage ich mich, haben die Alliierten diesen Ort nicht angegriffen, um den Nazi-Terror zu beenden? “Die Bunker waren zu massiv”, erklärt Polubinksi. “Die Engländer und Amerikaner wussten wohl ab Sommer 1943, dass die Wolfsschanze existiert, aber es ging ihnen nicht um die Gebäude, sie wollten Hitler erwischen. Und wann er sich genau dort aufhielt, wussten sie nicht.” Außerdem, ergänzt er, hätten die Flugzeuge damals nicht die Reichweite gehabt, nach Ostpreußen zu fliegen, Bomben abzuwerfen und wieder nach England zurückzukehren.

Den Ort in Ostpreußen, erfahre ich, hat Hitler aber nicht nur wegen der guten Tarnung ausgewählt, sondern vor allem, weil es von dort nicht weit zur russischen Grenze war: Am 22. Juni 1941 befahl er aus der Wolfsschanze heraus, die Sowjetunion anzugreifen.

Nur ein paar Kilometer weiter lag, ebenfalls gut getarnt im dichten Mischwald, das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres: der “Mauerwald”. Die Bunker hier wurden nie zerstört, in den feuchten bedrückenden Räumen haben die Betreiber lebensgroße Figuren aufgestellt.

Auch ein U-Boot wurde nachgebaut und, ich kann es kaum glauben, das legendäre Bernsteinzimmer. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. schenkte es Zar Peter I. dem Großen 1716 als Zeichen ihrer Freundschaft und zur Bestätigung des Bündnisses zwischen ihren Ländern. Der Zar ließ es in Sankt Petersburg in seinem Palast ausstellen. Doch im Zweiten Weltkrieg raubten die Deutschen diese kostbare Kammer.

Bis heute weiß niemand, wo sie sich befindet. Allerdings deutete Erich Koch, der Gauleiter Ostpreußens, an, das Bernsteinzimmer könne im Mauerwald versteckt sein. Nach dem Krieg wurde er nicht hingerichtet, weil man hoffte, ihm das Geheimnis entlocken zu können – doch er schwieg beharrlich. Immer wieder, zuletzt 2017, wurde im Mauerwald gegraben und gesucht, doch der Schatz bleibt verschwunden.

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