Urlauber-Flaute an Bulgariens Schwarzmeerküste
All-Inclusive-Urlaub oder Reha am Schwarzen Meer: Bulgarien als Urlaubsziel ist beliebt. In diesem Jahr jedoch bleiben die Touristen weg. Und das liegt nicht nur am Krieg in der Ukraine.
“Die Getränkekarte, bitte!” – “Nun ja, sorry, sie ist noch in der Druckerei…”
Noch? Am 15. Juli? Dieser Dialog in einer bulgarischen Strandbar erzählt komprimiert eine ganze Geschichte. Die Geschichte von schlechtem Service, enttäuschten Erwartungen und einbrechenden Besucherzahlen an der bulgarischen Schwarzmeerküste. Wo noch vor einem Jahr buntes Treiben an langgestreckten Sandstränden herrschte, wo sich Liege an Liege reihte und Sonnenschirm an Sonnenschirm, ist es in diesem Jahr ungewöhnlich ruhig.
“Die Getränkekarte, bitte!” – “Nun ja, sorry, sie ist noch in der Druckerei…”
Im Juni, so berichten Hoteliers und Reiseveranstalter in den bulgarischen Medien, sei in den sonst so gut besuchten Badeorten am Meer fast nichts los gewesen. Auch im Juli gab es deutlich weniger ausländische Touristen als sonst.
Nicht mehr so billig
Das hat Gründe: In der Nähe tobt ein Krieg – die berühmte ukrainische Schlangeninsel ist nur 300 Kilometer vom bulgarischen Strand entfernt -, die Covid-Zahlen gehen überall in Europa durch die Decke, und an den Flughäfen herrscht pures Chaos. Hinzu kommt, dass die Inflation das Feriengeld teilweise aufgefressen hat.
Ohnehin ist der Schwarzmeerurlaub in Bulgarien gar nicht mehr so günstig wie vermutet. All-Inclusive-Angebote in der Türkei und Spanien sind oft billiger als in Bulgarien. Die Nachfrage in einem zufällig ausgewählten Drei-Sterne-Hotel am Strand von Burgas ergibt: Eine Woche all-inclusive kostet hier ca. 1000 Euro pro Person.
Am Strand kostet ein Obstcocktail 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Für eine leichte Mahlzeit mit Salat und eine Flasche Rose muss man für zwei Personen locker 60 Euro hinblättern. Ein Kaffee kostet 2,50 Euro. “Die Lebensmittel sind teurer geworden, wir müssen das irgendwie ausgleichen”, erklärt ein Kellner mit sorgenvoller Miene. Dasselbe gilt auch für die Pächter der Strände, die ihre Verluste über höhere Preise für Schirme und Liegen “ausgleichen”: Mancherorts kostet ein Set schon 20 Euro täglich. Da fahren sogar die einheimischen Touristen aus Sofia lieber nach Griechenland, wo die Preise vergleichbar sind, der Service aber besser ist.
Die für Bulgarien wichtigsten Touristen, die Russen und die Deutschen, fliegen in diesem Sommer lieber in die Türkei, sagen die Reiseveranstalter. Normalerweise kommen 450-500.000 russische Touristen, aber in diesem Jahr fehlen sie ganz, erzählt Mariya Tabakowa, Tourismus-Beauftragte in der Schwarzmeermetropole Burgas. “Die Last-Minute-Buchungen aus Deutschland sind im Mai und Juni sehr schwach ausgefallen”, erläutert Wenzislaw Tantschew, Bulgarien-Vertreter des Reiseveranstalters Alltours. “Die Urlauber in diesem Segment sind nach Anatolien und Spanien ausgewichen, weil die Preise und die Rabatte dort besser sind. Und die Familien mit Kindern meiden Bulgarien wegen des Kriegs.” Waren es 2021 noch über 600.000 deutsche Touristen, die in Bulgarien Urlaub gemacht haben, so werden in diesem Jahr 40-50 Prozent weniger erwartet, so Tantschew.
Für die Russen, die immerhin geschätzte 400.000 (Ferien-) Immobilien in Bulgarien besitzen, ist die Reise wegen der Sanktionen komplizierter geworden. Und obwohl die Bulgaren grundsätzlich Russland-freundlich und Sprache und Schrift sehr ähnlich sind, werden die russischen Touristen hier und da wegen des Kriegs schräg angeschaut.
Besser als beim Strandtourismus läuft es in der Sparte des medizinischen, zahnmedizinischen und Reha/Spa-Tourismus, ebenfalls beliebt bei Russen und Deutschen. Seit 2020 erkennen die deutschen Krankenkassen die Leistungen in bulgarischen Kuranstalten und bei Therapien außerhalb der Krankenhäuser an. In der Regel übernehmen sie die Kosten für notwendige Behandlungen oder Kuraufenthalte, manchmal sogar die Reisekosten.
Zahnbehandlung, Implantate, Augenoperationen und Optikangebote, Schönheitschirurgie, Schlammbad, Massagen und moderne Strombehandlung – die Angebote an der bulgarischen Schwarzmeerküste sind vielfältig. Aber auch hier mangelt es an Personal – wie überall. Und auch hier ist der Service nicht gerade entgegenkommend, wie dieser Telefonanruf in einer 24-Stunden-Klinik zeigt:
Frage: „Wird bei Ihnen die Behandlung XY angeboten?”
Antwort: „Keine Ahnung, hier ist nur die Terminvergabe.”
Frage: „Und könnten Sie freundlicherweise nachschauen?”
Antwort: „Kann ich nicht, es ist in einem anderen Gebäude.”
Mangelnde Bereitschaft Kundenwünsche zu erfüllen, trifft man auch am Strand, wie folgende Szene zeigt: Neben dem Kühlschrank eines Eisverkäufers sitzen zwei sichtbar gelangweilte Männer mit reichlich Tattoos und Gold am Körper. Es ist 16 Uhr. Frage: „Können wir Eis bekommen?” Antwort: „Nein, wir haben geschlossen.”
Schlechter Service und steigende Preise schrecken viele Besucher aus dem In- und Ausland ab. Hinzu kommen die auch hier spürbaren Auswirkungen des nahen Kriegs: So wurden im Juni Tausende tote Delfine an die bulgarischen Strände gespült.
Mindestens 3000 Tiere seien verendet, meldete der zuständige Forschungsleiter Iwan Russew. Der Einsatz von Sonar-Technik und Explosionen hätten das empfindliche Navigationssystem der Tiere zerstört, erklärt er. Andere wurden möglicherweise auch Opfer direkter Kampfhandlungen.
Unter dem Strich bleibt der bulgarische Schwarzmeerurlaub eine ambivalente Angelegenheit – trotz der schönen Natur.
“Die Getränkekarte, bitte!” – “Nun ja, sorry, sie ist noch in der Druckerei…”
Noch? Am 15. Juli? Dieser Dialog in einer bulgarischen Strandbar erzählt komprimiert eine ganze Geschichte. Die Geschichte von schlechtem Service, enttäuschten Erwartungen und einbrechenden Besucherzahlen an der bulgarischen Schwarzmeerküste. Wo noch vor einem Jahr buntes Treiben an langgestreckten Sandstränden herrschte, wo sich Liege an Liege reihte und Sonnenschirm an Sonnenschirm, ist es in diesem Jahr ungewöhnlich ruhig.
Nicht mehr so billig
Im Juni, so berichten Hoteliers und Reiseveranstalter in den bulgarischen Medien, sei in den sonst so gut besuchten Badeorten am Meer fast nichts los gewesen. Auch im Juli gab es deutlich weniger ausländische Touristen als sonst.
Das hat Gründe: In der Nähe tobt ein Krieg – die berühmte ukrainische Schlangeninsel ist nur 300 Kilometer vom bulgarischen Strand entfernt -, die Covid-Zahlen gehen überall in Europa durch die Decke, und an den Flughäfen herrscht pures Chaos. Hinzu kommt, dass die Inflation das Feriengeld teilweise aufgefressen hat.
Ohnehin ist der Schwarzmeerurlaub in Bulgarien gar nicht mehr so günstig wie vermutet. All-Inclusive-Angebote in der Türkei und Spanien sind oft billiger als in Bulgarien. Die Nachfrage in einem zufällig ausgewählten Drei-Sterne-Hotel am Strand von Burgas ergibt: Eine Woche all-inclusive kostet hier ca. 1000 Euro pro Person.
Am Strand kostet ein Obstcocktail 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Für eine leichte Mahlzeit mit Salat und eine Flasche Rose muss man für zwei Personen locker 60 Euro hinblättern. Ein Kaffee kostet 2,50 Euro. “Die Lebensmittel sind teurer geworden, wir müssen das irgendwie ausgleichen”, erklärt ein Kellner mit sorgenvoller Miene. Dasselbe gilt auch für die Pächter der Strände, die ihre Verluste über höhere Preise für Schirme und Liegen “ausgleichen”: Mancherorts kostet ein Set schon 20 Euro täglich. Da fahren sogar die einheimischen Touristen aus Sofia lieber nach Griechenland, wo die Preise vergleichbar sind, der Service aber besser ist.
Russen und Deutsche an der bulgarischen Küste
Die für Bulgarien wichtigsten Touristen, die Russen und die Deutschen, fliegen in diesem Sommer lieber in die Türkei, sagen die Reiseveranstalter. Normalerweise kommen 450-500.000 russische Touristen, aber in diesem Jahr fehlen sie ganz, erzählt Mariya Tabakowa, Tourismus-Beauftragte in der Schwarzmeermetropole Burgas. “Die Last-Minute-Buchungen aus Deutschland sind im Mai und Juni sehr schwach ausgefallen”, erläutert Wenzislaw Tantschew, Bulgarien-Vertreter des Reiseveranstalters Alltours. “Die Urlauber in diesem Segment sind nach Anatolien und Spanien ausgewichen, weil die Preise und die Rabatte dort besser sind. Und die Familien mit Kindern meiden Bulgarien wegen des Kriegs.” Waren es 2021 noch über 600.000 deutsche Touristen, die in Bulgarien Urlaub gemacht haben, so werden in diesem Jahr 40-50 Prozent weniger erwartet, so Tantschew.
Zahnmedizin, Optik, Reha und Spa – die Trümpfe Bulgariens
Für die Russen, die immerhin geschätzte 400.000 (Ferien-) Immobilien in Bulgarien besitzen, ist die Reise wegen der Sanktionen komplizierter geworden. Und obwohl die Bulgaren grundsätzlich Russland-freundlich und Sprache und Schrift sehr ähnlich sind, werden die russischen Touristen hier und da wegen des Kriegs schräg angeschaut.
Besser als beim Strandtourismus läuft es in der Sparte des medizinischen, zahnmedizinischen und Reha/Spa-Tourismus, ebenfalls beliebt bei Russen und Deutschen. Seit 2020 erkennen die deutschen Krankenkassen die Leistungen in bulgarischen Kuranstalten und bei Therapien außerhalb der Krankenhäuser an. In der Regel übernehmen sie die Kosten für notwendige Behandlungen oder Kuraufenthalte, manchmal sogar die Reisekosten.
Zahnbehandlung, Implantate, Augenoperationen und Optikangebote, Schönheitschirurgie, Schlammbad, Massagen und moderne Strombehandlung – die Angebote an der bulgarischen Schwarzmeerküste sind vielfältig. Aber auch hier mangelt es an Personal – wie überall. Und auch hier ist der Service nicht gerade entgegenkommend, wie dieser Telefonanruf in einer 24-Stunden-Klinik zeigt:
Frage: „Wird bei Ihnen die Behandlung XY angeboten?”
Antwort: „Keine Ahnung, hier ist nur die Terminvergabe.”
Frage: „Und könnten Sie freundlicherweise nachschauen?”
Antwort: „Kann ich nicht, es ist in einem anderen Gebäude.”
Mangelnde Bereitschaft Kundenwünsche zu erfüllen, trifft man auch am Strand, wie folgende Szene zeigt: Neben dem Kühlschrank eines Eisverkäufers sitzen zwei sichtbar gelangweilte Männer mit reichlich Tattoos und Gold am Körper. Es ist 16 Uhr. Frage: „Können wir Eis bekommen?” Antwort: „Nein, wir haben geschlossen.”
Schlechter Service und steigende Preise schrecken viele Besucher aus dem In- und Ausland ab. Hinzu kommen die auch hier spürbaren Auswirkungen des nahen Kriegs: So wurden im Juni Tausende tote Delfine an die bulgarischen Strände gespült.
Mindestens 3000 Tiere seien verendet, meldete der zuständige Forschungsleiter Iwan Russew. Der Einsatz von Sonar-Technik und Explosionen hätten das empfindliche Navigationssystem der Tiere zerstört, erklärt er. Andere wurden möglicherweise auch Opfer direkter Kampfhandlungen.
Unter dem Strich bleibt der bulgarische Schwarzmeerurlaub eine ambivalente Angelegenheit – trotz der schönen Natur.