Was erwartet Griechenland von Annalena Baerbock?
Am 29. Juli trifft sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem griechischen Kollegen Nikos Dendias in Athen. Kurz danach fliegt sie in die Türkei. Kann sie zwischen beiden Ländern vermitteln?
Seit Monaten nehmen die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei in der Ägäis wieder gefährlich zu. Türkische Kampfjets fliegen immer wieder über bewohnte und unbewohnte griechische Inseln in dieser zwischen beiden Ländern umstrittenen Region. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederholt immer wieder, er wünsche künftig keinerlei Kontakt mehr mit dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu droht damit, die Souveränität Athens über mehrere griechische Inseln in der Ostägäis in Frage zu stellen. Und der nationalistische Politiker Devlet Bahceli, der mit seiner Partei MHP Koalitionspartner von Erdogans AKP ist, posiert sogar mit Landkarten, auf denen große griechische Inseln wie Lesbos, Samos und Kreta als türkisch bezeichnet werden.
Was erwartet man in Griechenland also von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die am Freitag (29.07.2022) Athen besucht und direkt danach in die Türkei weiterreist? Wünscht sich die griechische Regierung eine deutsche Vermittlung, um die Spannungen mit der Türkei zu entschärfen?
Seit Monaten nehmen die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei in der Ägäis wieder gefährlich zu. Türkische Kampfjets fliegen immer wieder über bewohnte und unbewohnte griechische Inseln in dieser zwischen beiden Ländern umstrittenen Region. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederholt immer wieder, er wünsche künftig keinerlei Kontakt mehr mit dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu droht damit, die Souveränität Athens über mehrere griechische Inseln in der Ostägäis in Frage zu stellen. Und der nationalistische Politiker Devlet Bahceli, der mit seiner Partei MHP Koalitionspartner von Erdogans AKP ist, posiert sogar mit Landkarten, auf denen große griechische Inseln wie Lesbos, Samos und Kreta als türkisch bezeichnet werden.
“Eine deutsche Vermittlung zur Deeskalation der Spannungen mit der Türkei wäre begrüßenswert”, sagt Georgios Pagoulatos, Direktor von Eliamep, der wichtigsten griechischen Denkfabrik, der DW. Allerdings wünsche die griechische Regierung von Berlin “keine Politik der Äquidistanz” zu Griechenland und der Türkei. “Als EU-Partner erwartet Griechenland aktive Unterstützung von Deutschland, insbesondere angesichts des Revisionismus und des aggressiven Verhaltens des Erdogan-Regimes gegenüber einer europäischen Demokratie”, so Pagoulatos.
Zweifel an deutscher Solidarität
Offenbar gibt es in Griechenland Zweifel an der Solidarität Berlins, wenn es um den Konflikt mit der Türkei geht. Georgios Katrougalos, Politiker der oppositionellen, linken Syriza-Partei und 2019 griechischer Außenminister, kritisiert im Gespräch mit der DW, dass die Sprache der deutschen Regierung gegenüber der Türkei viel milder sei als die des Europäischen Rates. Zur Erinnerung: Im März 2018 hatte der Europäische Rat, das Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs, die “anhaltenden rechtswidrigen Handlungen der Türkei im östlichen Mittelmeerraum und in der Ägäis scharf verurteilt”, und die Türkei dringend aufgefordert, diese Handlungen einzustellen. Da die Türkei darauf nicht reagiert hatte, forderte der Europäische Rat die EU-Kommission im Juni 2019 auf, “gezielte Maßnahmen”, also Sanktionen gegen die Türkei, vorzuschlagen.
Gleichwohl hält Katrougalos im Moment nicht viel von Vermittlungsinitiativen: “Wir glauben, dass es direkte Kommunikationskanäle zwischen Athen und Ankara geben und dass die EU unsere gemeinsamen Positionen gegenüber der Türkei fördern sollte”, sagt er. Die EU müsse ihre Versprechen halten – und der Türkei mit Sanktionen drohen, falls der Nachbar seine Aggressionspolitik nicht herunterfahre.
Annalena Baerbock ist längst informiert über die griechischen Sorgen. Ursprünglich wollte sie ihren griechischen Kollegen Nikos Dendias bereits Anfang Juni in Athen treffen und wäre dann weiter nach Ankara gereist. Eine Corona-Erkrankung warf ihre Terminplanung über den Haufen, die Reise musste verschoben werden. In den Wochen, die seither vergangen sind, haben sich die griechisch-türkischen Beziehungen jedoch nicht verbessert. Im Gegenteil.
Die griechischen Sorgen werden jeden Tag größer, weil die Rhetorik Erdogans immer herber wird. Pagoulatos, der kühle Chef von Eliamep, will eine mögliche “heiße” Episode mit der Türkei mitten im Sommer nicht mehr ausschließen: “Die Aggression seitens der Türkei ist besorgniserregend”, meint er. Die Türkei erhebe systematisch ständig neue Forderungen: von der Theorie der sogenannten “Grauzonen” – unbewohnte griechische Inseln, die nach Ansicht der Türkei türkisch sind – bis hin zu der Forderung, dass die Entmilitarisierung der griechischen Ägäis-Inseln eine Bedingung für ihre griechische Souveränität sei.
Hinzu kommen Überflüge türkischer Kampfjets über bewohnte griechische Inseln und der Vorwurf, Griechenland unterstütze den kurdischen “Terrorismus”, ähnlich wie viele andere europäische Länder auch. Für Pagoulatos ist deshalb klar, dass der türkische Präsident Erdogan Spannungen und antiwestliche Verschwörungstheorien befördert, um damit innenpolitisch zu punkten.
Sorge vor einer “heißen” Episode während des Sommers hat auch der Politologe Sotiris Serbos, außenpolitischer Berater von Nikos Androulakis, dem neuen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei PASOK. Der Hauptgrund zur Sorge sei das derzeitige Fehlen eines offenen, zuverlässigen Kommunikationskanals zwischen Athen und Ankara, sagt er der DW.
Könnte Deutschland diese Lücke schließen und als Vermittler auftreten? Serbos ist skeptisch. Die griechische Regierung habe in den vergangenen Jahren eher in die Beziehungen zu den USA und Frankreich investiert und erwarte daher mehr von Washington und Paris als von Berlin, so der Politologe. Der Oppositionspolitiker Katrougalos ist sogar noch deutlicher in seiner Kritik: Mitsotakis habe sich entschieden, den Amerikanern “alles zu geben”, sagt er.
In Athen erwartet man also keine spektakuläre Vermittlungsinitiative von Annalena Baerbock. Ein paar klare Worte der deutschen Außenministerin an die Adresse Ankaras würden erst einmal reichen. Noch besser fände man es in Athen allerdings, wenn Baerbock ankündigen würde, dass die Bundesrepublik die Lieferung deutscher U-Boote in die Türkei stoppen würde. In Griechenland erinnert man sich nur zu gut daran, dass die Grünen im Januar 2021, zu der Zeit noch in der Opposition, von der damaligen Bundesregierung gefordert hatten, die Lieferung deutscher U-Boote an die Türkei zu stoppen. Derart hohe Erwartungen an die nun mitregierenden Grünen hat man in Athen mittlerweile nicht mehr.
Seit Monaten nehmen die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei in der Ägäis wieder gefährlich zu. Türkische Kampfjets fliegen immer wieder über bewohnte und unbewohnte griechische Inseln in dieser zwischen beiden Ländern umstrittenen Region. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederholt immer wieder, er wünsche künftig keinerlei Kontakt mehr mit dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu droht damit, die Souveränität Athens über mehrere griechische Inseln in der Ostägäis in Frage zu stellen. Und der nationalistische Politiker Devlet Bahceli, der mit seiner Partei MHP Koalitionspartner von Erdogans AKP ist, posiert sogar mit Landkarten, auf denen große griechische Inseln wie Lesbos, Samos und Kreta als türkisch bezeichnet werden.
Was erwartet man in Griechenland also von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die am Freitag (29.07.2022) Athen besucht und direkt danach in die Türkei weiterreist? Wünscht sich die griechische Regierung eine deutsche Vermittlung, um die Spannungen mit der Türkei zu entschärfen?
Zweifel an deutscher Solidarität
“Eine deutsche Vermittlung zur Deeskalation der Spannungen mit der Türkei wäre begrüßenswert”, sagt Georgios Pagoulatos, Direktor von Eliamep, der wichtigsten griechischen Denkfabrik, der DW. Allerdings wünsche die griechische Regierung von Berlin “keine Politik der Äquidistanz” zu Griechenland und der Türkei. “Als EU-Partner erwartet Griechenland aktive Unterstützung von Deutschland, insbesondere angesichts des Revisionismus und des aggressiven Verhaltens des Erdogan-Regimes gegenüber einer europäischen Demokratie”, so Pagoulatos.
Offenbar gibt es in Griechenland Zweifel an der Solidarität Berlins, wenn es um den Konflikt mit der Türkei geht. Georgios Katrougalos, Politiker der oppositionellen, linken Syriza-Partei und 2019 griechischer Außenminister, kritisiert im Gespräch mit der DW, dass die Sprache der deutschen Regierung gegenüber der Türkei viel milder sei als die des Europäischen Rates. Zur Erinnerung: Im März 2018 hatte der Europäische Rat, das Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs, die “anhaltenden rechtswidrigen Handlungen der Türkei im östlichen Mittelmeerraum und in der Ägäis scharf verurteilt”, und die Türkei dringend aufgefordert, diese Handlungen einzustellen. Da die Türkei darauf nicht reagiert hatte, forderte der Europäische Rat die EU-Kommission im Juni 2019 auf, “gezielte Maßnahmen”, also Sanktionen gegen die Türkei, vorzuschlagen.
Gleichwohl hält Katrougalos im Moment nicht viel von Vermittlungsinitiativen: “Wir glauben, dass es direkte Kommunikationskanäle zwischen Athen und Ankara geben und dass die EU unsere gemeinsamen Positionen gegenüber der Türkei fördern sollte”, sagt er. Die EU müsse ihre Versprechen halten – und der Türkei mit Sanktionen drohen, falls der Nachbar seine Aggressionspolitik nicht herunterfahre.
Annalena Baerbock ist längst informiert über die griechischen Sorgen. Ursprünglich wollte sie ihren griechischen Kollegen Nikos Dendias bereits Anfang Juni in Athen treffen und wäre dann weiter nach Ankara gereist. Eine Corona-Erkrankung warf ihre Terminplanung über den Haufen, die Reise musste verschoben werden. In den Wochen, die seither vergangen sind, haben sich die griechisch-türkischen Beziehungen jedoch nicht verbessert. Im Gegenteil.
Ursprünglicher Besuch verschoben
Die griechischen Sorgen werden jeden Tag größer, weil die Rhetorik Erdogans immer herber wird. Pagoulatos, der kühle Chef von Eliamep, will eine mögliche “heiße” Episode mit der Türkei mitten im Sommer nicht mehr ausschließen: “Die Aggression seitens der Türkei ist besorgniserregend”, meint er. Die Türkei erhebe systematisch ständig neue Forderungen: von der Theorie der sogenannten “Grauzonen” – unbewohnte griechische Inseln, die nach Ansicht der Türkei türkisch sind – bis hin zu der Forderung, dass die Entmilitarisierung der griechischen Ägäis-Inseln eine Bedingung für ihre griechische Souveränität sei.
“Heiße” Episode in der Ägäis?
Hinzu kommen Überflüge türkischer Kampfjets über bewohnte griechische Inseln und der Vorwurf, Griechenland unterstütze den kurdischen “Terrorismus”, ähnlich wie viele andere europäische Länder auch. Für Pagoulatos ist deshalb klar, dass der türkische Präsident Erdogan Spannungen und antiwestliche Verschwörungstheorien befördert, um damit innenpolitisch zu punkten.
Sorge vor einer “heißen” Episode während des Sommers hat auch der Politologe Sotiris Serbos, außenpolitischer Berater von Nikos Androulakis, dem neuen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei PASOK. Der Hauptgrund zur Sorge sei das derzeitige Fehlen eines offenen, zuverlässigen Kommunikationskanals zwischen Athen und Ankara, sagt er der DW.
Könnte Deutschland diese Lücke schließen und als Vermittler auftreten? Serbos ist skeptisch. Die griechische Regierung habe in den vergangenen Jahren eher in die Beziehungen zu den USA und Frankreich investiert und erwarte daher mehr von Washington und Paris als von Berlin, so der Politologe. Der Oppositionspolitiker Katrougalos ist sogar noch deutlicher in seiner Kritik: Mitsotakis habe sich entschieden, den Amerikanern “alles zu geben”, sagt er.
Kein Kommunikationskanal zwischen Athen und Ankara
In Athen erwartet man also keine spektakuläre Vermittlungsinitiative von Annalena Baerbock. Ein paar klare Worte der deutschen Außenministerin an die Adresse Ankaras würden erst einmal reichen. Noch besser fände man es in Athen allerdings, wenn Baerbock ankündigen würde, dass die Bundesrepublik die Lieferung deutscher U-Boote in die Türkei stoppen würde. In Griechenland erinnert man sich nur zu gut daran, dass die Grünen im Januar 2021, zu der Zeit noch in der Opposition, von der damaligen Bundesregierung gefordert hatten, die Lieferung deutscher U-Boote an die Türkei zu stoppen. Derart hohe Erwartungen an die nun mitregierenden Grünen hat man in Athen mittlerweile nicht mehr.