DR Kongo: Forschung über den Wipfeln des Regenwaldes
Für die Kolonialmacht Belgien sollte das Institut in Yangambi einst erforschen, wie sich der Kongo-Regenwald ausbeuten lässt. Im Kampf gegen den Klimawandel hat der Standort nun ein Comeback. Von Jonas Gerding, Yangambi.
Es ist bald sieben Uhr morgens. Die Luft ist noch kühl und die Sprossenleiter feucht, auf der Thomas Sibret gut 55 Meter in die Höhe kraxelt, bis er die oberste Plattform des stählernen Turms mitten im Regenwald erreicht. Die Aussicht beeindruckt den 29-jährigen Belgier von der Uni Gent immer noch – auch wenn er eigentlich für die Geräte gekommen ist, die rund um ihn fiepen: Sensoren, die Windgeschwindigkeiten, Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, vor allem aber das CO2 messen, das aus dem Regenwald auf- und absteigt.
Derlei Messtürme stehen vielerorts, in erster Linie im Amazonas-Gebiet in Südamerika und in Südostasien, sagt Sibret: “Aber es zeigt sich immer mehr, dass die Zusammensetzung und die Eigenschaften der Regenwälder komplett unterschiedlich sind.” Es ist eine Wissenslücke der Menschheit, die kongolesische und europäische Forschungseinrichtungen mit dem Turm im Regenwald bei Yangambi in im Norden der Demokratischen Republik Kongo seit gut zwei Jahren schließen möchten.
Es ist bald sieben Uhr morgens. Die Luft ist noch kühl und die Sprossenleiter feucht, auf der Thomas Sibret gut 55 Meter in die Höhe kraxelt, bis er die oberste Plattform des stählernen Turms mitten im Regenwald erreicht. Die Aussicht beeindruckt den 29-jährigen Belgier von der Uni Gent immer noch – auch wenn er eigentlich für die Geräte gekommen ist, die rund um ihn fiepen: Sensoren, die Windgeschwindigkeiten, Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, vor allem aber das CO2 messen, das aus dem Regenwald auf- und absteigt.
Mindestens zweimal pro Woche muss Fabrice Kimbesa auf den Turm steigen. Der 26 Jahre alte Kongolese reinigt und prüft die empfindlichen Messgeräte. Kimbesa war schon bei einem vorherigen Forschungsprojekt der Uni Gent im Kongo dabei. “Da es nicht die Möglichkeit gab, zur gleichen Zeit im Kongo und in Gent zu sein, hat man mir die Verantwortung vor Ort überlassen. Und das hat gut geklappt – und ich habe viel gelernt”, erzählt er. Und so wurde er auch dieses Mal ins Team geholt.
Forschung auf Augenhöhe
In den Gründungsjahren des Forschungszentrums wäre das kaum denkbar gewesen. Damals, in den 1930er-Jahren wurde die einheimische Bevölkerung von den belgischen Kolonialherren vor allem dazu verdammt, auf Plantagen für Kautschuk, Palmöl und Kakao zu schuften.
Nun kommen erneut Wissenschaftler aus Belgien und Forschungsmittel aus Europa, um das Potenzial des Regenwaldes als CO2-Speicher besser zu verstehen und ihn angesichts des Klimawandels nachhaltig zu bewirtschaften. Eine europäisch-afrikanische Partnerschaft auf Augenhöhe soll dies sein – was nicht ganz einfach ist.
Paulin Yangambi, dessen Nachname zufällig wie der Ort hier lautet, ist Herr eines besonderen Schatzes: der Xylothek des INERA. Hier lagern Holzproben aus der Gegend, einige davon wurden bereit zu Zeiten der Gründung des Instituts gesammelt. Paulin Yangambi ist nun dabei den Bestand zu digitalisieren. Dazu schleift er die alten Proben an, um die Querschnitte zu scannen und Forschenden in aller Welt zugänglich zu machen. Wenn man so will, verbindet Paulin Yangambi alte und neue Forschungswelt.
Früher war das anders: Da wurden die meisten Proben nach Belgien verschifft, um dortige Xylotheken zu bereichern. Nun ist der kongolesische Forscher dabei, die Proben vor Ort für die Ewigkeit zu schützen: “Denn in der Umgebung hier kann alles passieren. Das Büro kann Feuer fangen, vielleicht wegen eines Problems mit der Elektrizität oder aufgrund eines Buschfeuers, wie sie hier häufig sind”, so die Sorge von Paulin Yangambi.
Gabriel Osalakako, 86 Jahre alt, ist einer der wenigen hier, die heute noch von der Kolonialzeit berichten können. Mit 16 Jahren zog er aus dem Umland nach Yangambi und heuerte nach einer rigiden medizinischen Untersuchung als Zimmermann bei den Belgiern an. Dann half er, die opulenten Anwesen der Kolonialherren zu errichten.
Früher, da habe er zu den Tüchtigen gezählt, sagt Osalakako. Die Kolonialherren waren offenbar mit ihm zufrieden: “Seit meiner Geburt haben mich die Belgier nie geschlagen, nicht ein einziges Mal.” Arbeiter, die etwas falsch machten, bekamen hingegen die “Chicotte” zu spüren, eine Peitsche aus Nilpferdleder.
Osalakako bekam mit, dass um Yangambi herum Plantagen gepflanzt wurden. Für welchen Zweck die Weißen aber auch damals schon mit allerlei Messgeräten kamen, große Bauten errichteten und Bibliotheken füllten, erklärte ihm niemand. “Das wussten nur sie selbst”, sagt er.
INERA, L’Institut national pour l’Etude et la Recherche Agronomique – so heißt heutzutage die 1933 von den Belgiern gegründete Forschungseinrichtung. Michel Omatela leitet das Institut seit vier Jahren. Rein wissenschaftlich sei die Forschung der Belgier von Weltrang gewesen, sagt Omatela. 700 Wissenschaftler und Techniker hätten hier die tropische Land- und Forstwirtschaft perfektioniert, Experimentierfelder und eine Wetterstation errichtet. “Die Bevölkerungszahlen waren noch nicht rasant gestiegen. Deshalb war es den Wissenschaftlern möglich, große Felder anzulegen, ohne sich um den Wald zu sorgen”, berichtet der Direktor.
Im Jahr 1960 erlangte der Kongo dann die Unabhängigkeit von Belgien, was auch die Menschen in Yangambi in Euphorie versetzte, erinnert sich Zeitzeuge Osalakako. “Zur Unabhängigkeit haben wir unsere Krawatten getragen, um zu sagen: Wir haben die Knechtschaft hinter uns gelassen und jetzt ist es an uns, Chef zu werden”. In den ersten Jahren des Langzeitherrschers Mobutu Sese Sekos flossen noch Gelder in das Zentrum. Doch darauf folgten Jahrzehnte der Misswirtschaft und der Gewalt im Kongo und das einst wichtigste Forschungszentrum für den tropischen Regenwald in Afrika geriet in Vergessenheit.
In den vergangenen Jahren hat sich allerdings einiges getan. Yangambi erlebt eine Renaissance, insbesondere dank des neuen Forschungsturms im Regenwald, sagt der INERA-Direktor, das mit Mitteln und Expertise aus Europa gefördert wird: “All das hat den Schutz der Waldökosysteme zum Zweck. Die gesamte Menschheit hängt heute vom Wald des Kongo-Beckens ab”.
Nicht immer läuft zwischen den Partnern aus dem Kongo und Europa alles reibungslos. Das lässt sich aus den Worten von INERA-Direktor Omatela heraushören: “Wir wollen Nord-Süd-Partnerschaften, von der beide Seiten profitieren.”
Häufig geht es dabei um die Frage, ob auch Personal des Instituts für Projekte mit ins Team geholt wird. Doch nicht immer ließe sich ohne Weiteres vor Ort rekrutieren, sagen belgische Forscher. Gerade auch, wenn sehr spezifische Expertise für Spitzenforschung gefragt ist.
Langfristig soll sich das ändern. Junge Forschende sollen aus der Provinzhauptstadt Kisangani nach Yangambi geholt werden. Paulin Yangambi, der Herr der Holzproben, sieht aber noch woanders Nachholbedarf: “Wenn man hier im Raum ist könnte man glauben, dass alles läuft”, sagt er im neuen volldigitalisierten Holzlabor, wo ein Dieselgenerator rattert. “Aber jenseits davon ist alles improvisiert”. In den alten Laboren des Instituts gäbe es keinen Strom, keine Computer und keine Internetverbindung: “Es gibt noch viel zu tun!”
Es ist bald sieben Uhr morgens. Die Luft ist noch kühl und die Sprossenleiter feucht, auf der Thomas Sibret gut 55 Meter in die Höhe kraxelt, bis er die oberste Plattform des stählernen Turms mitten im Regenwald erreicht. Die Aussicht beeindruckt den 29-jährigen Belgier von der Uni Gent immer noch – auch wenn er eigentlich für die Geräte gekommen ist, die rund um ihn fiepen: Sensoren, die Windgeschwindigkeiten, Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, vor allem aber das CO2 messen, das aus dem Regenwald auf- und absteigt.
Derlei Messtürme stehen vielerorts, in erster Linie im Amazonas-Gebiet in Südamerika und in Südostasien, sagt Sibret: “Aber es zeigt sich immer mehr, dass die Zusammensetzung und die Eigenschaften der Regenwälder komplett unterschiedlich sind.” Es ist eine Wissenslücke der Menschheit, die kongolesische und europäische Forschungseinrichtungen mit dem Turm im Regenwald bei Yangambi in im Norden der Demokratischen Republik Kongo seit gut zwei Jahren schließen möchten.
Forschung auf Augenhöhe
Mindestens zweimal pro Woche muss Fabrice Kimbesa auf den Turm steigen. Der 26 Jahre alte Kongolese reinigt und prüft die empfindlichen Messgeräte. Kimbesa war schon bei einem vorherigen Forschungsprojekt der Uni Gent im Kongo dabei. “Da es nicht die Möglichkeit gab, zur gleichen Zeit im Kongo und in Gent zu sein, hat man mir die Verantwortung vor Ort überlassen. Und das hat gut geklappt – und ich habe viel gelernt”, erzählt er. Und so wurde er auch dieses Mal ins Team geholt.
In den Gründungsjahren des Forschungszentrums wäre das kaum denkbar gewesen. Damals, in den 1930er-Jahren wurde die einheimische Bevölkerung von den belgischen Kolonialherren vor allem dazu verdammt, auf Plantagen für Kautschuk, Palmöl und Kakao zu schuften.
Nun kommen erneut Wissenschaftler aus Belgien und Forschungsmittel aus Europa, um das Potenzial des Regenwaldes als CO2-Speicher besser zu verstehen und ihn angesichts des Klimawandels nachhaltig zu bewirtschaften. Eine europäisch-afrikanische Partnerschaft auf Augenhöhe soll dies sein – was nicht ganz einfach ist.
Paulin Yangambi, dessen Nachname zufällig wie der Ort hier lautet, ist Herr eines besonderen Schatzes: der Xylothek des INERA. Hier lagern Holzproben aus der Gegend, einige davon wurden bereit zu Zeiten der Gründung des Instituts gesammelt. Paulin Yangambi ist nun dabei den Bestand zu digitalisieren. Dazu schleift er die alten Proben an, um die Querschnitte zu scannen und Forschenden in aller Welt zugänglich zu machen. Wenn man so will, verbindet Paulin Yangambi alte und neue Forschungswelt.
Baumproben für die Ewigkeit
Früher war das anders: Da wurden die meisten Proben nach Belgien verschifft, um dortige Xylotheken zu bereichern. Nun ist der kongolesische Forscher dabei, die Proben vor Ort für die Ewigkeit zu schützen: “Denn in der Umgebung hier kann alles passieren. Das Büro kann Feuer fangen, vielleicht wegen eines Problems mit der Elektrizität oder aufgrund eines Buschfeuers, wie sie hier häufig sind”, so die Sorge von Paulin Yangambi.
Das koloniale Erbe
Gabriel Osalakako, 86 Jahre alt, ist einer der wenigen hier, die heute noch von der Kolonialzeit berichten können. Mit 16 Jahren zog er aus dem Umland nach Yangambi und heuerte nach einer rigiden medizinischen Untersuchung als Zimmermann bei den Belgiern an. Dann half er, die opulenten Anwesen der Kolonialherren zu errichten.
Früher, da habe er zu den Tüchtigen gezählt, sagt Osalakako. Die Kolonialherren waren offenbar mit ihm zufrieden: “Seit meiner Geburt haben mich die Belgier nie geschlagen, nicht ein einziges Mal.” Arbeiter, die etwas falsch machten, bekamen hingegen die “Chicotte” zu spüren, eine Peitsche aus Nilpferdleder.
Osalakako bekam mit, dass um Yangambi herum Plantagen gepflanzt wurden. Für welchen Zweck die Weißen aber auch damals schon mit allerlei Messgeräten kamen, große Bauten errichteten und Bibliotheken füllten, erklärte ihm niemand. “Das wussten nur sie selbst”, sagt er.
Absturz und Widerauferstehung
INERA, L’Institut national pour l’Etude et la Recherche Agronomique – so heißt heutzutage die 1933 von den Belgiern gegründete Forschungseinrichtung. Michel Omatela leitet das Institut seit vier Jahren. Rein wissenschaftlich sei die Forschung der Belgier von Weltrang gewesen, sagt Omatela. 700 Wissenschaftler und Techniker hätten hier die tropische Land- und Forstwirtschaft perfektioniert, Experimentierfelder und eine Wetterstation errichtet. “Die Bevölkerungszahlen waren noch nicht rasant gestiegen. Deshalb war es den Wissenschaftlern möglich, große Felder anzulegen, ohne sich um den Wald zu sorgen”, berichtet der Direktor.
Im Jahr 1960 erlangte der Kongo dann die Unabhängigkeit von Belgien, was auch die Menschen in Yangambi in Euphorie versetzte, erinnert sich Zeitzeuge Osalakako. “Zur Unabhängigkeit haben wir unsere Krawatten getragen, um zu sagen: Wir haben die Knechtschaft hinter uns gelassen und jetzt ist es an uns, Chef zu werden”. In den ersten Jahren des Langzeitherrschers Mobutu Sese Sekos flossen noch Gelder in das Zentrum. Doch darauf folgten Jahrzehnte der Misswirtschaft und der Gewalt im Kongo und das einst wichtigste Forschungszentrum für den tropischen Regenwald in Afrika geriet in Vergessenheit.
Lokale Expertise gefragt
In den vergangenen Jahren hat sich allerdings einiges getan. Yangambi erlebt eine Renaissance, insbesondere dank des neuen Forschungsturms im Regenwald, sagt der INERA-Direktor, das mit Mitteln und Expertise aus Europa gefördert wird: “All das hat den Schutz der Waldökosysteme zum Zweck. Die gesamte Menschheit hängt heute vom Wald des Kongo-Beckens ab”.
Nicht immer läuft zwischen den Partnern aus dem Kongo und Europa alles reibungslos. Das lässt sich aus den Worten von INERA-Direktor Omatela heraushören: “Wir wollen Nord-Süd-Partnerschaften, von der beide Seiten profitieren.”
Häufig geht es dabei um die Frage, ob auch Personal des Instituts für Projekte mit ins Team geholt wird. Doch nicht immer ließe sich ohne Weiteres vor Ort rekrutieren, sagen belgische Forscher. Gerade auch, wenn sehr spezifische Expertise für Spitzenforschung gefragt ist.
Langfristig soll sich das ändern. Junge Forschende sollen aus der Provinzhauptstadt Kisangani nach Yangambi geholt werden. Paulin Yangambi, der Herr der Holzproben, sieht aber noch woanders Nachholbedarf: “Wenn man hier im Raum ist könnte man glauben, dass alles läuft”, sagt er im neuen volldigitalisierten Holzlabor, wo ein Dieselgenerator rattert. “Aber jenseits davon ist alles improvisiert”. In den alten Laboren des Instituts gäbe es keinen Strom, keine Computer und keine Internetverbindung: “Es gibt noch viel zu tun!”