Bayreuther Festspiele: Wagner für alle
Die Bayreuther Festspiele gelten international als elitäres Festival für ein zahlungskräftiges Publikum. Das soll sich ändern; jetzt kann man Wagners Musik ganz leger auch auf der Picknickdecke genießen.
Jeden Tag steht Ricardo aus Italien vor dem Bayreuther Festspielhaus und hält ein Pappschild in die Höhe, auf dem steht: “Suche Karte”. Meistens habe er Glück, sagt er. Selbst für die Premiere der Walküre habe er noch eine Eintrittskarte ergattert, allerdings ohne Blick auf die Bühne, aber das sei auch nicht wichtig. “Die Musik ist einfach fantastisch, da brauche ich die Bühne nicht”, findet er. Was da bei der neuen Inszenierung des “Ring des Nibelungen” auf der Bühne vor sich geht, das verstehe er sowieso nicht.
Rund 60.000 Menschen pilgern jährlich zum “Grünen Hügel”, auf dem Richard Wagners Festspielhaus 1876 eingeweiht wurde. Ein Drittel der Gäste kommt in diesem Jahr aus dem Ausland. Aus Übersee vor allem aus den USA und aus Japan. Wer offiziell ein Opern-Ticket kaufen will, muss oft jahrelang warten und tief in die Tasche greifen.
Jeden Tag steht Ricardo aus Italien vor dem Bayreuther Festspielhaus und hält ein Pappschild in die Höhe, auf dem steht: “Suche Karte”. Meistens habe er Glück, sagt er. Selbst für die Premiere der Walküre habe er noch eine Eintrittskarte ergattert, allerdings ohne Blick auf die Bühne, aber das sei auch nicht wichtig. “Die Musik ist einfach fantastisch, da brauche ich die Bühne nicht”, findet er. Was da bei der neuen Inszenierung des “Ring des Nibelungen” auf der Bühne vor sich geht, das verstehe er sowieso nicht.
Ricardo kommt seit 30 Jahren aus Italien nach Bayreuth und ist ein eingefleischter Wagner-Fan. Sven Friedrich, Direktor des Richard-Wagner-Museums in Bayreuth, hat aber beobachtet, dass es zunehmend auch Neulinge zu den Festspielen zieht. Wegen der Corona-Pandemie wurden im letzten Jahr viele Karten zurückgegeben, gerade aus dem Ausland. Bei einem spontanen Online-Verkauf, den die Festspiele daraufhin gestartet hatten, konnten Kurzentschlossene davon profitieren. Auch in diesem Jahr ist es wieder möglich, online in letzter Minute Opernkarten zu ergattern.
Festspiele für Einsteiger
Wer neu in Bayreuth ist und nicht die Zeit oder Lust hatte, sich vorher eingehend mit Wagner und den Festspielen zu beschäftigen, dem bietet das Richard Wagner Museum in diesem Jahr erstmals Führungen “für Einsteiger” an. Dabei geht auch um ganz praktische Tipps. “Man ist zum Beispiel gut beraten, rechtzeitig auf seinem Platz zu sitzen”, sagt Sven Friedrich. Wenn die Türen erst mal zu seien, käme man nicht mehr rein.
Viele Besucher wissen nicht, dass zu einer vierstündigen Operninszenierung auch zwei Pausen gehören, die jeweils eine Stunde lang sind. Da braucht man nicht nur gutes Durchhaltevermögen, sondern muss also rund sechs Stunden Zeit für den Besuch einplanen – und das gilt für die meisten Wagner-Opern.
Auch nach dem Dresscode wird Sven Friedrich oft gefragt. In Bayreuth zeigen sich die meisten Besucherinnen und Besucher in schicken Abendroben: Die Damen tragen ausgefallene Roben und hohe Absätze, die Herren edle Anzüge. Doch in diesem Jahr ist alles ein bisschen anders. Vielleicht tragen die Neuzugänge dazu bei, dass auffallend viele Frauen flache und bequemere Schuhe anhaben. Die luftigen Sommerkleider dazu machen die heißen Temperaturen sowohl innen als auch außen erträglicher. Denn auch das sollte man wissen: Das Festspielhaus ist nicht klimatisiert. Unter anderem, weil das Rauschen einer Klimaanlage die vielgerühmte Akustik im Saal beeinträchtigen könnte.
Neu bei den Festspielen sind auch zwei Open-Air-Konzerte mit dem Festspielorchester und den bekannten Opern-Sängerinnen und Sängern. Auf der großen Wiese des “Grünen Hügels” findet jeder auf seiner Picknickdecke oder seinem Klappstuhl Platz und kann der Musik lauschen, ohne Eintritt zu bezahlen.
“Wir hatten alle zwei schreckliche Jahre, es war Corona und gibt diesen schrecklichen Krieg”, begrüßt Katharina Wagner zu Beginn der Aufführung das Publikum. Es sei den Festspielen deshalb ein Bedürfnis gewesen, Freude zu schenken und das nicht nur mit Wagner-Musik.“Wir spielen auch einen russischen und einen ukrainischen Komponisten”, sagt Katharina Wagner, “die Musik verbindet uns.”
Matthias und Beate Herzog haben mit einem Freund ein gutes Plätzchen auf der Wiese gefunden. Mit Weißwein und Käse lässt es sich aushalten. Picknick auf dem grünen Hügel, das war in Bayreuth viele Jahre lang Tradition, auch schon zu Wagners Zeiten. Jetzt ist es ein offizielles Riesenpicknick zum Konzert. Matthias Herzog findet die Idee gut. “Das ist ja ganz im Sinne Richard Wagners, Musik für das Bayreuther Volk zu machen für wenig Eintritt.”
Dass diese Bayreuther Festspiele für die “Reichen und Schönen” ursprünglich auch für “das Volk” gedacht waren, ist etwas in Vergessenheit geraten. Richard Wagner war daran interessiert, seine Ideen vom neuen Musiktheater so vielen Menschen wie möglich nahe zu bringen. Dazu waren ihm auch ungewöhnliche Mittel recht, wie man in der Ausstellung “VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch” im Richard Wagner Museum erfährt.
Geschäftstüchtig wie er war, stimmte Wagner etwa zu, dass Zirkusdirektor Eduard Renz den “Walkürenritt” aus dem “Ring des Nibelungen” in seiner Manege aufführen durfte. Und zwar inszeniert mit der Originalmusik, mit Akrobatik und mit lebenden Tieren. Richard Wagner soll das sehr unterhaltsam gefunden haben. Auch das internationale Publikum hatte er schon im Visier. Er selbst sorgte dafür, dass an Bahnhöfen und auf Überseeschiffen günstige Texthefte zu seinen Opern verkauft wurden.
In der Bayreuther Ausstellung “VolksWagner” (eine Anspielung auf die Auto-Marke Volkswagen) geht es zum einen darum, wie Wagner selbst für seine Popularität gesorgt hat, zum anderen darum, wie Politik und Werbung seine Musik vereinnahmt haben. Wagner selbst hat viele theoretische Schriften über Musik, aber auch über Politik geschrieben, darunter auch antisemitische Schmähschriften, die gerade für die Nationalsozialisten als Anknüpfungspunkte dienten.
“Bei Wagner gibt es eine bilaterale Aneignung “, erläutert Museumsdirektor Sven Friederich im Gespräch mit der DW. “Einmal die populäre über Kitsch und Volkstümlichkeit – und dann gibt es natürlich schon sehr bald die ideologische Aneignung, und das fließt dann irgendwann zusammen”.
So wurde im Zweiten Weltkrieg der Angriff deutscher Fallschirmspringer auf Kreta mit dem populären “Walkürenritt” aus Wagners “Ring des Nibelungen” untermalt – der dadurch weltweit auch zum “Synonym für kriegerische Aggressivität” geworden ist, wie es in der Ausstellung heißt.
Es geht aber auch anders: Weltweit lassen sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute Millionen von Hochzeitspaaren zu Wagners Musik “Treulich geführt” aus dem dritten Akt der Oper Lohengrin trauen. Kaum ein Paar denkt wohl darüber nach, dass die Oper Lohengrin in einer Beziehungskatastrophe endet, bei der zwei Frauen sterben müssen.
In den 1970er-Jahren kam das Album “Bat out of Hell” des Hardrockers Meat Loaf auf den Markt, das sowohl auf dem Cover als auch in der Musik auf Symbole und Musik von Richard Wagner anspielt. Seit 2017 gibt es ein “Bat out of Hell”-Musical in Oberhausen, bei dem der Amerikaner Jay Scheib Regie führt. Damit schließt sich wieder der Kreis zu Bayreuth. Scheib wird 2023 bei einer Neuinszenierung des “Parsifals” Regie führen. Er arbeitet an einem Virtual-Reality-Spektakel mit 3D-Brillen. Damit will Festspielintendantin Katharina Wagner auch jüngere Neuzugänge zu den Bayreuther Festspielen locken.
Jeden Tag steht Ricardo aus Italien vor dem Bayreuther Festspielhaus und hält ein Pappschild in die Höhe, auf dem steht: “Suche Karte”. Meistens habe er Glück, sagt er. Selbst für die Premiere der Walküre habe er noch eine Eintrittskarte ergattert, allerdings ohne Blick auf die Bühne, aber das sei auch nicht wichtig. “Die Musik ist einfach fantastisch, da brauche ich die Bühne nicht”, findet er. Was da bei der neuen Inszenierung des “Ring des Nibelungen” auf der Bühne vor sich geht, das verstehe er sowieso nicht.
Rund 60.000 Menschen pilgern jährlich zum “Grünen Hügel”, auf dem Richard Wagners Festspielhaus 1876 eingeweiht wurde. Ein Drittel der Gäste kommt in diesem Jahr aus dem Ausland. Aus Übersee vor allem aus den USA und aus Japan. Wer offiziell ein Opern-Ticket kaufen will, muss oft jahrelang warten und tief in die Tasche greifen.
Festspiele für Einsteiger
Ricardo kommt seit 30 Jahren aus Italien nach Bayreuth und ist ein eingefleischter Wagner-Fan. Sven Friedrich, Direktor des Richard-Wagner-Museums in Bayreuth, hat aber beobachtet, dass es zunehmend auch Neulinge zu den Festspielen zieht. Wegen der Corona-Pandemie wurden im letzten Jahr viele Karten zurückgegeben, gerade aus dem Ausland. Bei einem spontanen Online-Verkauf, den die Festspiele daraufhin gestartet hatten, konnten Kurzentschlossene davon profitieren. Auch in diesem Jahr ist es wieder möglich, online in letzter Minute Opernkarten zu ergattern.
Wer neu in Bayreuth ist und nicht die Zeit oder Lust hatte, sich vorher eingehend mit Wagner und den Festspielen zu beschäftigen, dem bietet das Richard Wagner Museum in diesem Jahr erstmals Führungen “für Einsteiger” an. Dabei geht auch um ganz praktische Tipps. “Man ist zum Beispiel gut beraten, rechtzeitig auf seinem Platz zu sitzen”, sagt Sven Friedrich. Wenn die Türen erst mal zu seien, käme man nicht mehr rein.
Viele Besucher wissen nicht, dass zu einer vierstündigen Operninszenierung auch zwei Pausen gehören, die jeweils eine Stunde lang sind. Da braucht man nicht nur gutes Durchhaltevermögen, sondern muss also rund sechs Stunden Zeit für den Besuch einplanen – und das gilt für die meisten Wagner-Opern.
Auch nach dem Dresscode wird Sven Friedrich oft gefragt. In Bayreuth zeigen sich die meisten Besucherinnen und Besucher in schicken Abendroben: Die Damen tragen ausgefallene Roben und hohe Absätze, die Herren edle Anzüge. Doch in diesem Jahr ist alles ein bisschen anders. Vielleicht tragen die Neuzugänge dazu bei, dass auffallend viele Frauen flache und bequemere Schuhe anhaben. Die luftigen Sommerkleider dazu machen die heißen Temperaturen sowohl innen als auch außen erträglicher. Denn auch das sollte man wissen: Das Festspielhaus ist nicht klimatisiert. Unter anderem, weil das Rauschen einer Klimaanlage die vielgerühmte Akustik im Saal beeinträchtigen könnte.
Neu bei den Festspielen sind auch zwei Open-Air-Konzerte mit dem Festspielorchester und den bekannten Opern-Sängerinnen und Sängern. Auf der großen Wiese des “Grünen Hügels” findet jeder auf seiner Picknickdecke oder seinem Klappstuhl Platz und kann der Musik lauschen, ohne Eintritt zu bezahlen.
Gibt es einen Dress-Code?
“Wir hatten alle zwei schreckliche Jahre, es war Corona und gibt diesen schrecklichen Krieg”, begrüßt Katharina Wagner zu Beginn der Aufführung das Publikum. Es sei den Festspielen deshalb ein Bedürfnis gewesen, Freude zu schenken und das nicht nur mit Wagner-Musik.“Wir spielen auch einen russischen und einen ukrainischen Komponisten”, sagt Katharina Wagner, “die Musik verbindet uns.”
Bayreuth, offen für alle
Matthias und Beate Herzog haben mit einem Freund ein gutes Plätzchen auf der Wiese gefunden. Mit Weißwein und Käse lässt es sich aushalten. Picknick auf dem grünen Hügel, das war in Bayreuth viele Jahre lang Tradition, auch schon zu Wagners Zeiten. Jetzt ist es ein offizielles Riesenpicknick zum Konzert. Matthias Herzog findet die Idee gut. “Das ist ja ganz im Sinne Richard Wagners, Musik für das Bayreuther Volk zu machen für wenig Eintritt.”
Dass diese Bayreuther Festspiele für die “Reichen und Schönen” ursprünglich auch für “das Volk” gedacht waren, ist etwas in Vergessenheit geraten. Richard Wagner war daran interessiert, seine Ideen vom neuen Musiktheater so vielen Menschen wie möglich nahe zu bringen. Dazu waren ihm auch ungewöhnliche Mittel recht, wie man in der Ausstellung “VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch” im Richard Wagner Museum erfährt.
Geschäftstüchtig wie er war, stimmte Wagner etwa zu, dass Zirkusdirektor Eduard Renz den “Walkürenritt” aus dem “Ring des Nibelungen” in seiner Manege aufführen durfte. Und zwar inszeniert mit der Originalmusik, mit Akrobatik und mit lebenden Tieren. Richard Wagner soll das sehr unterhaltsam gefunden haben. Auch das internationale Publikum hatte er schon im Visier. Er selbst sorgte dafür, dass an Bahnhöfen und auf Überseeschiffen günstige Texthefte zu seinen Opern verkauft wurden.
“VolksWagner” oder Wagner für das Volk
In der Bayreuther Ausstellung “VolksWagner” (eine Anspielung auf die Auto-Marke Volkswagen) geht es zum einen darum, wie Wagner selbst für seine Popularität gesorgt hat, zum anderen darum, wie Politik und Werbung seine Musik vereinnahmt haben. Wagner selbst hat viele theoretische Schriften über Musik, aber auch über Politik geschrieben, darunter auch antisemitische Schmähschriften, die gerade für die Nationalsozialisten als Anknüpfungspunkte dienten.
“Bei Wagner gibt es eine bilaterale Aneignung “, erläutert Museumsdirektor Sven Friederich im Gespräch mit der DW. “Einmal die populäre über Kitsch und Volkstümlichkeit – und dann gibt es natürlich schon sehr bald die ideologische Aneignung, und das fließt dann irgendwann zusammen”.
Die Kehrseite der Medaille
So wurde im Zweiten Weltkrieg der Angriff deutscher Fallschirmspringer auf Kreta mit dem populären “Walkürenritt” aus Wagners “Ring des Nibelungen” untermalt – der dadurch weltweit auch zum “Synonym für kriegerische Aggressivität” geworden ist, wie es in der Ausstellung heißt.
Wagners Popularität heute
Es geht aber auch anders: Weltweit lassen sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute Millionen von Hochzeitspaaren zu Wagners Musik “Treulich geführt” aus dem dritten Akt der Oper Lohengrin trauen. Kaum ein Paar denkt wohl darüber nach, dass die Oper Lohengrin in einer Beziehungskatastrophe endet, bei der zwei Frauen sterben müssen.
In den 1970er-Jahren kam das Album “Bat out of Hell” des Hardrockers Meat Loaf auf den Markt, das sowohl auf dem Cover als auch in der Musik auf Symbole und Musik von Richard Wagner anspielt. Seit 2017 gibt es ein “Bat out of Hell”-Musical in Oberhausen, bei dem der Amerikaner Jay Scheib Regie führt. Damit schließt sich wieder der Kreis zu Bayreuth. Scheib wird 2023 bei einer Neuinszenierung des “Parsifals” Regie führen. Er arbeitet an einem Virtual-Reality-Spektakel mit 3D-Brillen. Damit will Festspielintendantin Katharina Wagner auch jüngere Neuzugänge zu den Bayreuther Festspielen locken.