Schwere Zeiten für Europas Igel
Naturschutzorganisationen warnen: Die Igelpopulationen in Europa schrumpfen. Eines der ältesten Säugetiere könnte vom Aussterben bedroht sein.
In einigen Teilen Europas sind Igel weit verbreitet. Doch den ersten Igel ihres Lebens sah Monika Thomas in der Praxis eines Freundes. Jemand hatte ihn aufgelesen und brachte ihn zur Behandlung. Heute sieht sie die kleinen Tiere jeden Tag.
Im Jahr 2006 gründete Thomas, die über eine medizinische Ausbildung verfügt, eine Igelstation mit dem Namen “Netzwerk Igel“. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Wuppertal nimmt jedes Jahr fast 500 verwaiste oder verletzte Igel auf und bietet ihnen Futter und Unterkunft.
In einigen Teilen Europas sind Igel weit verbreitet. Doch den ersten Igel ihres Lebens sah Monika Thomas in der Praxis eines Freundes. Jemand hatte ihn aufgelesen und brachte ihn zur Behandlung. Heute sieht sie die kleinen Tiere jeden Tag.
Den Braunbrustigel – auch bekannt als Westeuropäischer Igel oder Erinaceus europaeus – gibt es seit fast 60 Millionen Jahren. Damit gehört er zu den ältesten noch lebenden Säugetieren der Erde. Heute ist er von Portugal bis Finnland heimisch. Doch über die tatsächlichen Bestände gibt es nur wenige Statistiken.
Igel zählen zu den “gefährdeten Arten”
Eine Igelstation in Frankreich beschreibt den Igel als den “Eisbären in unserem Garten”. Die Mitarbeiter sind überzeugt, dass der Klimawandel die Chancen der Tiere, Futter zu finden, beeinträchtigt. Im Februar 2021 berichtete eine britische Umweltschutzgruppe, dass die Igelpopulation bei ihnen auf dem Land während der zwei vorangegangenen Jahrzehnte im Schnitt pro Jahr um 8,3 Prozent zurückgegangen sei. In einem anderen Bericht aus Großbritannien wurde die Art als “vom Aussterben bedroht” bezeichnet.
Auch in Deutschland führen mehrere Bundesländer das kleine Raubtiere auf der “Roten Liste gefährdeter Arten”. Doch Naturschützer beklagen, dass fehlende Daten und eine unzureichende Finanzierung es schwierig machen, angemessen auf die Situation zu reagieren. Sie fordern aktuellere Statistiken, allerdings verfügen weder die Bundesrepublik noch die einzelnen Länder über historische Zahlen, die als Vergleichspunkt für ein Monitoring dienen könnten. Deshalb können Experten nur schätzen, dass und wie stark die Populationen in den verschiedenen Verbreitungsgebieten zurückgehen.
Möglicherweise gibt es mehrere Gründe für das Schrumpfen der Populationen. Das macht es nicht leichter, dem entgegenzuwirken. Zu den wichtigsten Ursachen zählt Carsten Schiller, Leiter der Naturschutzgruppe “Pro Igel“, die Zerstörung des natürlichen Lebensraums.
Der Braunbrustigel lebt am liebsten in offenen Landschaften mit Hecken und Büschen. Doch die Ausbreitung von Monokulturen und menschlichen Siedlungen sowie der Einsatz von Insektiziden verdrängen die Igel aus den für sie typischen Hügellandschaften, Wiesen und Feldern.
Schiller vermutet, dass die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch menschliche Aktivitäten, einschließlich der Bodenversiegelung, zu einer Reduzierung der Igelpopulation um bis zu 50 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts führen kann. Von Bodenversiegelung spricht man, wenn durchlässige Böden bebaut oder asphaltiert werden. Viele Arten, auch Igel, haben so keinen Zugang mehr zu Nahrung in diesen Böden.
Ist Nahrung knapp, wandern Igel von einem Gebiet in ein anderes. Während einer einzigen Nacht können die nachtaktiven Tiere bis zu acht Kilometer zurücklegen. Auch Trockenheit hat Folgen für die Igel, die sich hauptsächlich von Insekten ernähren. Wenn es trocken ist, wird der Boden sehr hart, erklärt Thomas. Pflanzen, auf denen Igel sonst Insekten finden, ziehen sich in den Untergrund zurück. Auch Pestizide tragen ihren Teil dazu bei, den Bestand an Insekten und damit das Nahrungsangebot der Igel zu reduzieren.
Auf ihren Wanderungen zwischen verschiedenen Territorien setzen sich Igel zahlreichen Gefahren wie Straßen oder auch Hunden aus. Angefahrene oder durch Bisswunden verletzte Tiere gehören zu den häufigsten Notfällen, die Monika Thomas in ihrer Igelstation in Wuppertal behandelt.
Wie der Naturschutz und die Igel-Forschung, beklagt Thomas, sei auch ihr Projekt mangelhaft finanziert. Eine andere Igelstation in der Nähe von Wuppertal habe kürzlich nach 35 Jahren ihre Türen schließen müssen. Seitdem nimmt Netzwerk Igel noch mehr Notfälle auf. Dabei ist die Station ohnehin überlastet: Die Spenden reichten gerade einmal für eine Vollzeitstelle, erklärt Thomas, die übrige Arbeit übernähmen ehrenamtliche Helfer. Unterstützung durch die Gemeinde bekomme sie nicht.
Trotz der angespannten Situation bleibt Thomas optimistisch. Carsten Schiller von Pro Igel ist der Meinung, dass sich die Umweltbehörden stärker mit dem Thema befassen und Initiativen zur Erfassung der einheimischen Wildtierbestände entwickeln sollten. Er weist darauf hin, dass der Schutz der heimischen Arten im engen Zusammenhang mit der Erhaltung und Schaffung natürlicher Lebensräume steht.
Doch jeder kann Igeln helfen: Wenn Sie tagsüber einen Igel sehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das eigentlich nachtaktive Tier verletzt oder in Not ist. Kontaktieren Sie in einem solchen Fall eine nahe gelegene Igelstation oder eine Naturschutzorganisation. Deren Mitarbeiter können beurteilen, ob es sich um einen Notfall handelt und was getan werden muss.
Denken Sie daran, dass Igel Insektenfresser sind und keine menschlichen Nahrungsmittel zu sich nehmen. Sollten sie größere Mengen oder über einen längeren Zeitraum menschliche Nahrung verzehren, kann ihnen das schaden, erklärt Schiller.
Die meisten Notrufe erreichen das Netzwerk Igel während der Sommerzeit. Häufig suchen die Igel dann in Hinterhöfen Zuflucht. Es ist aber auch die Zeit, in der viele Menschen ihren Rasen mähen. Thomas empfiehlt, einen Teil des Rasens als Wildwiese stehen zu lassen, in der sich Igel ein Nest bauen können. Und werfen Sie vor dem Mähen einen Blick in den Garten, um zu sehen, ob dort Igel leben. Das gilt besonders dann, wenn Sie einen Mähroboter verwenden, denn diese Geräte erkennen Igel nicht und können sie schwer verletzen.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.
In einigen Teilen Europas sind Igel weit verbreitet. Doch den ersten Igel ihres Lebens sah Monika Thomas in der Praxis eines Freundes. Jemand hatte ihn aufgelesen und brachte ihn zur Behandlung. Heute sieht sie die kleinen Tiere jeden Tag.
Im Jahr 2006 gründete Thomas, die über eine medizinische Ausbildung verfügt, eine Igelstation mit dem Namen “Netzwerk Igel“. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Wuppertal nimmt jedes Jahr fast 500 verwaiste oder verletzte Igel auf und bietet ihnen Futter und Unterkunft.
Igel zählen zu den “gefährdeten Arten”
Den Braunbrustigel – auch bekannt als Westeuropäischer Igel oder Erinaceus europaeus – gibt es seit fast 60 Millionen Jahren. Damit gehört er zu den ältesten noch lebenden Säugetieren der Erde. Heute ist er von Portugal bis Finnland heimisch. Doch über die tatsächlichen Bestände gibt es nur wenige Statistiken.
Eine Igelstation in Frankreich beschreibt den Igel als den “Eisbären in unserem Garten”. Die Mitarbeiter sind überzeugt, dass der Klimawandel die Chancen der Tiere, Futter zu finden, beeinträchtigt. Im Februar 2021 berichtete eine britische Umweltschutzgruppe, dass die Igelpopulation bei ihnen auf dem Land während der zwei vorangegangenen Jahrzehnte im Schnitt pro Jahr um 8,3 Prozent zurückgegangen sei. In einem anderen Bericht aus Großbritannien wurde die Art als “vom Aussterben bedroht” bezeichnet.
Auch in Deutschland führen mehrere Bundesländer das kleine Raubtiere auf der “Roten Liste gefährdeter Arten”. Doch Naturschützer beklagen, dass fehlende Daten und eine unzureichende Finanzierung es schwierig machen, angemessen auf die Situation zu reagieren. Sie fordern aktuellere Statistiken, allerdings verfügen weder die Bundesrepublik noch die einzelnen Länder über historische Zahlen, die als Vergleichspunkt für ein Monitoring dienen könnten. Deshalb können Experten nur schätzen, dass und wie stark die Populationen in den verschiedenen Verbreitungsgebieten zurückgehen.
Möglicherweise gibt es mehrere Gründe für das Schrumpfen der Populationen. Das macht es nicht leichter, dem entgegenzuwirken. Zu den wichtigsten Ursachen zählt Carsten Schiller, Leiter der Naturschutzgruppe “Pro Igel“, die Zerstörung des natürlichen Lebensraums.
Igel verlieren ihren Lebensraum
Der Braunbrustigel lebt am liebsten in offenen Landschaften mit Hecken und Büschen. Doch die Ausbreitung von Monokulturen und menschlichen Siedlungen sowie der Einsatz von Insektiziden verdrängen die Igel aus den für sie typischen Hügellandschaften, Wiesen und Feldern.
Igel werden zu Opfern des Klimawandels
Schiller vermutet, dass die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch menschliche Aktivitäten, einschließlich der Bodenversiegelung, zu einer Reduzierung der Igelpopulation um bis zu 50 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts führen kann. Von Bodenversiegelung spricht man, wenn durchlässige Böden bebaut oder asphaltiert werden. Viele Arten, auch Igel, haben so keinen Zugang mehr zu Nahrung in diesen Böden.
Ist Nahrung knapp, wandern Igel von einem Gebiet in ein anderes. Während einer einzigen Nacht können die nachtaktiven Tiere bis zu acht Kilometer zurücklegen. Auch Trockenheit hat Folgen für die Igel, die sich hauptsächlich von Insekten ernähren. Wenn es trocken ist, wird der Boden sehr hart, erklärt Thomas. Pflanzen, auf denen Igel sonst Insekten finden, ziehen sich in den Untergrund zurück. Auch Pestizide tragen ihren Teil dazu bei, den Bestand an Insekten und damit das Nahrungsangebot der Igel zu reduzieren.
Auf ihren Wanderungen zwischen verschiedenen Territorien setzen sich Igel zahlreichen Gefahren wie Straßen oder auch Hunden aus. Angefahrene oder durch Bisswunden verletzte Tiere gehören zu den häufigsten Notfällen, die Monika Thomas in ihrer Igelstation in Wuppertal behandelt.
Igelschutz ist unterfinanziert
Wie der Naturschutz und die Igel-Forschung, beklagt Thomas, sei auch ihr Projekt mangelhaft finanziert. Eine andere Igelstation in der Nähe von Wuppertal habe kürzlich nach 35 Jahren ihre Türen schließen müssen. Seitdem nimmt Netzwerk Igel noch mehr Notfälle auf. Dabei ist die Station ohnehin überlastet: Die Spenden reichten gerade einmal für eine Vollzeitstelle, erklärt Thomas, die übrige Arbeit übernähmen ehrenamtliche Helfer. Unterstützung durch die Gemeinde bekomme sie nicht.
Trotz der angespannten Situation bleibt Thomas optimistisch. Carsten Schiller von Pro Igel ist der Meinung, dass sich die Umweltbehörden stärker mit dem Thema befassen und Initiativen zur Erfassung der einheimischen Wildtierbestände entwickeln sollten. Er weist darauf hin, dass der Schutz der heimischen Arten im engen Zusammenhang mit der Erhaltung und Schaffung natürlicher Lebensräume steht.
Jeder kann Igeln helfen
Doch jeder kann Igeln helfen: Wenn Sie tagsüber einen Igel sehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das eigentlich nachtaktive Tier verletzt oder in Not ist. Kontaktieren Sie in einem solchen Fall eine nahe gelegene Igelstation oder eine Naturschutzorganisation. Deren Mitarbeiter können beurteilen, ob es sich um einen Notfall handelt und was getan werden muss.
Denken Sie daran, dass Igel Insektenfresser sind und keine menschlichen Nahrungsmittel zu sich nehmen. Sollten sie größere Mengen oder über einen längeren Zeitraum menschliche Nahrung verzehren, kann ihnen das schaden, erklärt Schiller.
Die meisten Notrufe erreichen das Netzwerk Igel während der Sommerzeit. Häufig suchen die Igel dann in Hinterhöfen Zuflucht. Es ist aber auch die Zeit, in der viele Menschen ihren Rasen mähen. Thomas empfiehlt, einen Teil des Rasens als Wildwiese stehen zu lassen, in der sich Igel ein Nest bauen können. Und werfen Sie vor dem Mähen einen Blick in den Garten, um zu sehen, ob dort Igel leben. Das gilt besonders dann, wenn Sie einen Mähroboter verwenden, denn diese Geräte erkennen Igel nicht und können sie schwer verletzen.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.